Titel:
Rundfunkbeitrag im privaten Bereich, Programmkritik, Strukturelles Versagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Versagen der Kontrollgremien
Normenketten:
RBStV § 2 Abs. 1
Art. 5 GG.
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag im privaten Bereich, Programmkritik, Strukturelles Versagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Versagen der Kontrollgremien
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18280
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Der Beklagte setzte gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 02. Juni 2022 Rundfunkbeiträge für deren Wohnung und einen Säumniszuschlag i.H.v. insgesamt 63,08 Euro fest. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er mit Bescheid vom 24. August 2022 zurück. Dagegen erhob die Klägerin mit am 23. September 2022 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz Klage und beantragte zuletzt,
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den Bescheid des Beklagten vom 02. Juni 2022 sowie den Widerspruchsbescheid vom 24. August 2022 aufzuheben.
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Der Beklagte legte seine Akte elektronisch vor und beantragte,
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Zur Klagebegründung verwendet die Klägerin einen im Internet verfügbaren vorformulierten Schriftsatz, der den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Versagen bei der Erfüllung ihres Funktionsauftrags vorwirft und als Beleg hierfür verschiedene Beispiele der Berichterstattung zu bestimmten Themen wie Corona-Pandemie oder Ukraine-Krieg anführt. Eine effektive Kontrolle der Programmgestaltung und von Programminhalten finde weder durch die rundfunkinternen Aufsichtsgremien noch durch Aufsichtsbehörden statt. Daher müssten die Verwaltungsgerichte nun diese Kontrolle vornehmen. Die von manchen Verwaltungsgerichten vertretene Auffassung, hierzu seien diese nicht befugt, werde nicht geteilt.
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Demgegenüber vertritt der Beklagte die Auffassung, es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Klage, da eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vorliege. Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet. Mit ihrer Programmkritik seien die Betroffenen auf die zur Kontrolle von Programmgestaltung und Programminhalten bestellten rundfunkinternen Gremien, die Programmbeschwerde sowie den Weg zu den Gerichten zu verweisen. Weil zwischen Erfüllung des Funktionsauftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einerseits und der Verpflichtung zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen andererseits keine Konnexität bestehe, könne die Zahlung von Rundfunkbeiträgen nicht mit dem Argument verweigert werden, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kämen ihren Verpflichtungen zur Erfüllung ihres Funktionsauftrags nicht oder nur ungenügend nach.
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Auf das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
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Durch Beschluss vom 22. März 2023 wurde der Rechtstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen (§ 6 Abs. 1 VwGO).
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Am 24. Mai 2023 wurde zur Sache mündlich verhandelt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 24. Mai 2023 ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 02. Juni 2022 sowie der Widerspruchsbescheid vom 24. August 2022 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, analog).
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1. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist gegeben, da keine verfassungsrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO vorliegt. In seinem Beschluss vom 5. Juli 2018 (Az. 6 B 132/18 – juris) stellt das Bundesverwaltungsgericht fest (Rn. 5), es habe bereits mehrfach die Frage geprüft, ob der Rundfunkbeitrag mit dem Grundgesetz (und Europarecht) vereinbar sei (siehe hierzu die weiteren Nachweise a.a.O., Rn. 5). Träfe die Rechtsauffassung des Beklagten zu, weil sich die Klagepartei überwiegend auf Normen des Grundgesetzes berufe, liege eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vor, hätten weder die Vorinstanzen (vorliegend VG Augsburg, BayVGH) die Streitfragen anhand des Grundgesetzes prüfen und hierzu Entscheidungen treffen dürfen, noch das Bundesverwaltungsgericht.
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2. Die von der Klagepartei gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen ins Feld geführten Argumente greifen im Ergebnis nicht durch.
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2.1 Der Forderung der Klagepartei, das Verwaltungsgericht müsse anhand der aufgelisteten Sendungen und Meinungsäußerungen hierzu prüfen, ob die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihren Funktionsauftrag erfüllen, ist nicht zu entsprechen. Die erkennende Kammer hält an ihrer Auffassung fest, dass es nicht in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte fällt zu überprüfen, ob die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten den ihnen durch die Verfassung zugewiesenen Funktionsauftrag erfüllen (VG München, U.v. 21.09.2022, M 6 K 22.4162 und U.v. 28.09.2022, M 6 K 21.2734 zitiert nach juris, beide Urteile sind rechtskräftig). In Leitsatz 2 des Urteils vom 28.12.2022 stellt das Gericht ausdrücklich fest, die Verwaltungsgerichte seien im Rahmen einer Klage gegen die Herzanziehung zum Rundfunkbeitrag zur Prüfung von Fragen hinsichtlich Programmgestaltung, Programminhalten und möglichen strukturellen Defiziten bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie der Frage ausreichender Kontrolle all dessen durch Gremien und Aufsichtsbehörden nicht berufen (a.a.O., Rn. 30). Vielmehr stünden denjenigen, die solche Kritik vorbringen wollen, verschiedene rechtliche Möglichkeiten wie die Programmbeschwerde sowie der Weg zu den Verfassungsgerichten zur Verfügung (VG München, U.v. 28.09.2022 a.a.O., Rn. 30 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG hierzu; ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 27.4.2023 – 2 A 383/23, Rn. 14 –, juris unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG in Rn. 14). Außerdem schließe die Trennung der Beitragserhebung einerseits und der (rundfunk-)rechtlichen Möglichkeiten, auf die Programmgestaltung Einfluss zu nehmen andererseits das für ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB analog notwendige Gegenleistungsverhältnis der Ansprüche aus. Dem Einzelnen sei es deshalb verwehrt, seine Pflicht zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen davon abhängig zu machen, ob ihm das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefällt und er den Funktionsauftrag als erfüllt ansieht oder nicht (VG München, U.v. 21.09.2022 a.a.O., Rn. 31 und U.v. 28.09.2022 a.a.O., Rn. 28; ebenso mit überzeugender Begründung OVG Nordrhein-Westfalen Beschl. vom 27.4.2023 a.a.O. Rn. 11 ff.).
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An dieser Auffassung hält die Kammer auch mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2023 fest (BVerfG B.v. 24.4.2023 – 1 BvR 601/23 – juris). Mit diesem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde, die damit begründet wurde, es lägen Mängel hinsichtlich der Ausgewogenheit und Vielfalt des Programmangebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor, nicht zur Entscheidung angenommen, da der Rechtsweg nicht ausgeschöpft sei. In Rn. 9 der Entscheidung wird ausgeführt, es sei weder dargelegt noch ersichtlich, dass bereits hinreichend geklärt sei, ob und ggf. nach welchen Maßstäben unter Berücksichtigung der Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und der der Vielfaltsicherung dienenden Selbstkontrolle durch plural besetzte anstaltsinterne Aufsichtsgremien (vgl. BVerfGE 136, 9 {30 ff., Rn. 33 ff.}) vor den Verwaltungsgerichten geltend gemacht werden könne, es fehle an einem die Beitragszahlung rechtfertigenden individuellen Vorteil (vgl. BVerfGE 149, 222 {262 Rn. 80 ff.}), weil das Programmangebot nach seiner Gesamtstruktur nicht auf Ausgewogenheit und Vielfalt ausgerichtet sei und daher kein Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern bilde. Zwar hätten einzelne Oberverwaltungsgerichte diese Frage bereits dahin entschieden, dass die Rundfunkfreiheit jede gerichtliche Kontrolle der Einhaltung des Funktionsauftrages durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten ausschließe. Aufgeführt sind Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Berlin-Brandenburg „(vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 30. März 2017 – 7 ZB 17.60 –, Rn. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. März 2015 – 2 A 2423/14 –, Rn. 71 und Beschluss vom 7. Februar 2022 – 2 A 2949/ 21 –, Rn. 6 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. November 2015 – 7 A 10455/15 –, Rn. 21; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Februar 2021 – OVG 11 N 95.19 –, Rn. 12)“ sowie der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. März 2017 (Az. 7 ZB 17.60, Rn. 9), mithin des für die erkennende Kammer zuständigen Berufungsgerichts. Soweit ersichtlich, so das Bundesverfassungsgericht weiter, hätten sich das vorliegend zur Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Berufung zuständige Oberverwaltungsgericht und abschließend das Bundesverwaltungsgericht zu dieser Frage noch nicht geäußert. In dem – vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags (BVerfGE 149, 222) ergangenen – Nichtzulassungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2017 (6 B 70.17, Rn. 7 und 10) werde lediglich ausgeführt, die Rundfunkabgabe dürfe nicht zu Zwecken der Programmlenkung eingesetzt werden. Damit sei jedoch die vom Beschwerdeführer aufgeworfene und mit Blick auf die aus Art. 19 Abs. 4 GG erwachsende Verpflichtung zur Gewährung eines effektiven individuellen Rechtsschutzes naheliegende Frage nicht beantwortet, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen vor Gericht gegen die Beitragserhebung geltend gemacht werden könne, der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ein der Vielfaltsicherung dienendes Programm anzubieten, werde strukturell verfehlt, sodass es an einem individuellen Vorteil fehle.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in der genannten Entscheidung festgestellt (vom 30.3.2017 a.a.O. Rn. 9): „b) Die vom Kläger geäußerten Einwände gegen die „Objektivität der Berichterstattung des Beklagten“ sind nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Rundfunkbeitrags in Zweifel zu ziehen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben kraft Gesetzes bei der Erfüllung ihres Auftrags unter anderem die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 2 Rundfunkstaatsvertrag – RStV). Verstöße gegen dieses gesetzliche Gebot haben im Einzelfall nicht die Rechtswidrigkeit des Rundfunkbeitrags, welcher für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unverzichtbar ist, zur Folge sondern sind im Wege der Programmbeschwerde gegenüber dem jeweiligen Aufsichtsgremium (Rundfunkrat) geltend zu machen (vgl. z.B. auch OVG RhPf, B.v. 16.11.2015 – 7 A 10455/15 – juris Rn. 21 m.w.N.).“
Die erkennende Kammer folgt auch unter Einbeziehung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2023 (a.a.O.) weiter ihrer Rechtsprechung in Übereinstimmung mit derjenigen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 30.03.2017 a.a.O.) und sieht sich zudem durch die neuerliche Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. April .2023 (a.a.O.) hierin bestätigt. Darin liegt auch der Grund dafür, dass der vorliegende Rechtstreit durch den Einzelrichter entschieden werden konnte und nicht durch die Kammer entschieden werden musste, da die hier inmitten stehenden Rechtsfragen durch die erkennende Kammer in Übereinstimmung mit dem für sie zuständigen Berufungsgericht bereits geklärt sind und die Sache somit insbesondere keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (mehr) aufweist (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
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2.2 Der vom Bundesverfassungsgericht (B.v. 24.4.2023 a.a.O. Rn.9 am Ende – juris) postulierte „effektive, individuelle Rechtsschutz“ ist gewährleistet. Der Klagepartei wie der Öffentlichkeit insgesamt stehen, wie oben (2.1) näher ausgeführt, andere Möglichkeiten zur Kontrolle der Einhaltung des Funktionsauftrags seitens des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anstelle des Wegs zu den Verwaltungsgerichten zur Verfügung. Das Bundesverfassungsgericht hat seit Jahrzehnten (siehe die Nachweise hierzu im BVerfG, U.v. 5.2.1991, Az. 1 BvF 1/85, BVerfGE 83, 238 bis 341 juris, sowie Leitsätze 5a, 5b, Orientierungsleitsatz 5a) und grundlegend in der sogenannten ZDF-Entscheidung (BVerfGU v. 25.3.2014, Az. 1 BvF 1/11, BVerfGE 136, 9 bis 68, insbesondere Rn. 40, 51, 52, 55, 82, 85, 86) die Frage verfassungsrechtlich systematisch eingeordnet, auf welchem Wege sicherzustellen ist, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten den ihnen von der Verfassung zugewiesenen Funktionsauftrag erfüllen. Es betont die Bedeutung und beschreibt die Funktionsweise der rundfunkinternen Aufsichtsgremien (etwa Rundfunkrat, Fernsehrat und Aufsichtsrat) und formuliert die an ihre Zusammensetzung und Arbeitsweise zu stellenden Anforderungen. Bei Vorliegen von Defiziten etwa bezüglich der erforderlichen Staatsferne war es (nur) das Bundesverfassungsgericht, das hiergegen einschritt und eine Änderung verlangte, ohne eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte auch nur in Erwägung zu ziehen. Es weist darüber hinaus der Öffentlichkeit eine zentrale Rolle bei der Kontrolle der Arbeit dieser Aufsichtsgremien zu und verlangt als Grundlage hierfür ein hohes Maß an Transparenz der Arbeit dieser Gremien. So müssten beispielsweise die Tagesordnungen veröffentlicht oder der Öffentlichkeit jedenfalls ebenso zugänglich gemacht werden, wie die Protokolle über Sitzungen dieser Gremien. Wenn es aber allein das Bundesverfassungsgericht ist, das Anforderungen an Besetzung und Arbeitsweise der Aufsichtsgremien sowie deren Aufgaben aufstellt und diese sodann auch kontrolliert, so kann es wiederum im vorliegenden Zusammenhang nur das Bundesverfassungsgericht sein, das die Einhaltung des Funktionsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt überprüft.
Es verbietet sich dagegen schon von der Sache her, diese Aufgabe den Verwaltungsgerichten zuzuweisen. Würde vor jedem der 51 Verwaltungsgerichte und 15 Oberverwaltungsgerichte, so wie von der Klagepartei gefordert, beispielsweise die Frage verhandelt, ob die Berichterstattungen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Corona-Pandemie oder zum Ukraine-Krieg mit deren verfassungsrechtlichem Funktionsauftrag im Einklang steht, erscheint eine einheitliche Sichtweise bei den erstinstanzlichen Gerichten, aber auch auf Ebene der Oberverwaltungsgerichte nahezu ausgeschlossen. Das gilt erst recht, wenn es um die Arbeit der dritten Fernsehprogramme und noch viel mehr der länderspezifischen Hörfunkprogramme geht. Würde, nachdem ggf. das Bundesverwaltungsgericht sich zu diesen Fragen „abschließend“ positioniert hat, sodann das Bundesverfassungsgericht seine Ansicht hierzu als einzig maßgebliche kundtun, würde dies mit Sicherheit weder zu Rechtsfrieden führen, noch den Meinungsstreit beenden können, der durch die Vielstimmigkeit der Instanz-Gerichte entfesselt worden ist. Wenn das Bundesverfassungsgericht vollkommen zurecht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als eine der tragenden Säulen des freiheilich-demokratischen Rechtsstaats ansieht, steht es allein ihm zu, sich zu den vorliegend inmitten stehenden Fragen alleingültig zu verhalten.
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Allerdings sind es in erster Instanz die Verwaltungsgerichte, die auf Grundlage einer „Inhaltskontrolle“ darüber entscheiden, ob Wahlwerbung von politischen Parteien ausgestrahlt werden muss (etwa VG München, B.v.10.5.2019, M 17 E 19.1956, bestätigt durch BayVGH B.v.13.5.2019, 7 CE 19.943). Im Zuge dessen kann die Ausstrahlung von Wahlwerbung einer bundesweit antretenden Partei in einem Bundesland verboten, in einem oder mehreren anderen dagegen erlaubt sein, ohne dass, soweit erkennbar, die Frage in der Rechtsprechung thematisiert würde, ob angesichts dessen die erstinstanzliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Sache gerecht wird und der betroffenen Partei effektiven Rechtsschutz bietet. Mit Blick hierauf könnte man im vorliegenden Zusammenhang argumentieren, die Frage, ob bestimmte Wahlwerbung gesendet werden müsse, sei eine Frage der Programmgestaltung und werde mittels Inhaltskontrolle überprüft, sodass auch die vorliegend von der Klagepartei geforderte Inhaltskontrolle gleichermaßen in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte falle. Die Fragestellungen sind freilich nur sehr eingeschränkt vergleichbar. Wahlen finden nur alle vier bis fünf Jahre statt und an ihnen ist nur eine begrenzte Zahl von Parteien mit ihrer Wahlwerbung beteiligt. Demgegenüber senden täglich weit über hundert öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehsender durchschnittlich mindestens 24 Sendungen (1 pro Stunde), gesamt also mindestens 2.400 Sendungen täglich. Könnte jede dieser Sendungen, wie von der Klagepartei verlangt, Gegenstand einer Klage oder gar eines Eilantrags (etwa auf Unterlasen der Ausstrahlung) sein, wäre das von den existierenden Verwaltungsgerichten nicht zu leisten; sie wären schon von ihrer Kapazität her nicht in der Lage, in dieser Weise effektiven Rechtsschutz zu bieten.
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Ob aus all dem eventuell ein Auftrag an den Gesetzgeber zu formulieren ist, die Kontrolle der Programmgestaltung und von Programminhalten sachgerechter zu regeln, ist auszusprechen wiederum dem Bundesverfassungsgericht vorzubehalten.
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An dieser Stelle lediglich noch angemerkt werden soll die Schwierigkeit bei der Abgrenzung all dessen gegenüber einer Zensur, die in der Bundesrepublik Deutschland von Verfassungs wegen verboten ist (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG). Das spricht ebenfalls für eine Allein-Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts. Die Klagepartei erkennt dieses Problem nicht, wenn sie die Berichterstattung, Kommentare und Meinung in den Rundfunkprogrammen nicht nur kritisiert, sondern mit Worten wie tendenziös, manipulativ, ganz oder teilweise inhaltlich falsch, unausgewogen, zu staatsnah und mainstreamorientiert stigmatisiert und letztlich fordert, ihre Sicht müsse als die allein Richtige gerichtlich festgestellt werden.
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2.3 Unbeschadet all dessen könnte die von der Klagepartei geforderte Kontrolle des Programms und der Programminhalte nicht zum gewünschten Ziel führen, die Zahlung von Rundfunkbeiträgen verweigern zu können. Selbst wenn gerichtlich bezüglich einer konkreten Berichterstattung oder der Programmgestaltung festgestellt würde, in diesem Falle hätten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihren Funktionsauftrag nicht oder schlecht erfüllt, führt dies zum Einen, wie bereits ausgeführt, nicht zum Entfallen der Verpflichtung zur Zahlung des Rundfunkbeitrags, zum anderen kann bereits begrifflich von einem „strukturellen Versagen“ nicht schon dann gesprochen werden, wenn in konkreten Einzelfällen Defizite bei der Erfüllung des Funktionsauftrages der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten festgestellt würden. Vielmehr wäre zunächst ein Versagen der rundfunkinternen Gremien zu attestieren, dann von diesen eine effektive(re) Kontrolle einzufordern und, so diese gleichwohl nicht stattfindet, an die zuständigen Aufsichtsbehörden heranzutreten. Bliebe all dies erfolglos, wäre der Weg zu den Verfassungsgerichten zu beschreiten.
Anders als offenbar die Klagepartei meint besteht der Funktionsauftrag im Übrigen keineswegs allein darin, über Zeitgeschehen zu berichten. Der Funktionsauftrag umfasst vielmehr auch Kultur, Unterhaltung, Sport und weitere Themenfelder, die auf Interesse der Gesellschaft in ihrer ganzen Breite und Vielfalt stoßen. Selbst wenn also auf einem Themenfeld wie der Berichterstattung über Themen der Zeitgeschichte und des Zeitgeschehens Defizite festgestellt werden würden, so könnte auch das für sich allein nicht zur Feststellung eines grundsätzlichen, systemischen Versagens der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Erfüllung ihres Funktionsauftrages führen.
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So sich die Frage nach der Erfüllung des Funktionsauftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten tatsächlich stellt, ist sie eine über den Einzelfall und sogar eine Vielzahl von Einzelfällen hinausgehende Frage, die nur in abstrakt-genereller Form geklärt werden kann. Sie nach Ausschöpfung aller hierfür vorgesehenen außergerichtlichen Möglichkeiten zu entscheiden ist allein dem Bundesverfassungsgericht in einer der Sache angemessenen Weise möglich.
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3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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4. Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 VwGO. Darin liegt aus Sicht des Gerichts kein Widerspruch zu den vorstehenden Ausführungen. Zum einen sind allein bei der erkennenden Kammer eine Vielzahl von Klagen anhängig, die wortgleich wie die vorliegende Klage (unter Verwendung einer im Internet abrufbaren Vorlage) begründet werden. Zum anderen hält es zwar die erkennende Kammer für durch das für sie zuständige Berufungsgericht geklärt, dass Verwaltungsgerichte nicht zur Prüfung der Frage berufen sind, ob die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihren Funktionsauftrag erfüllen. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der die Kammer folgt (B.v. 30.03.2017 a.a.O.) liegt allerdings inzwischen 6 Jahre zurück und erging vor maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkbeitrag sowie insbesondere vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2023 (a.a.O.). Dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof soll daher Gelegenheit gegeben werden, zu überprüfen, ob er an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält.