Inhalt

VG München, Urteil v. 28.03.2023 – M 5 K 20.2484
Titel:

Nichteinladung schwerbehinderter Bewerber zum Vorstellungsgespräch

Normenketten:
AGG § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 1, Abs. 2, § 24 Nr. 1
SGB IX § 164 Abs. 1, § 165 s. 3, S. 4
Leitsätze:
1. Schwerbehinderte Menschen und Gleichgestellte, die nach den schriftlichen Bewerbungsunterlagen eine ihrerseits diskriminierungsfrei bestimmte fachliche Eignungsvoraussetzung, die im Anforderungsprofil ausdrücklich und eindeutig bezeichnet ist, nicht erfüllen, müssen nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Befreiung von der Verpflichtung zur Einladung setzt voraus, daa der Arbeitgeber das Anforderungsprofil konsequent gegenüber allen Bewerbern anwendet. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist nicht sachwidrig, im Anforderungsprofil für Stellen im juristischen Fachbereich mit leitender Funktion universitäre juristische Grundkenntnisse zu verlangen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Fachhochschulstudium an der Hochschule für den Öffentlichen Dienst in Bayern ist kein Universitätsstudium. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nichteinladung zu Bewerbungsgespräch, Bewerber mit Schwerbehinderung, Entschädigung, Beamter, Stellenausschreibung, Bibliothekar, Anforderungsprofil, juristische Kenntnisse, Universitätsstudium, Fachhochschulstudium, Bewerbung, Schwerbehinderung, Diskriminierung, Bewerbungsgespräch, Einladung, Befreiung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18277

Tenor

  I.    Die Klage wird abgewiesen.
 II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1
Der 1989 geborene Kläger begehrt unter Berufung darauf, dass er im Rahmen eines von der Universität ... durchgeführten Bewerbungsverfahrens als Schwerbehinderter diskriminiert worden sei, da er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, eine Entschädigung.
2
Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 70.
3
Von 2008 bis 2014 absolvierte der Kläger ein Studium der nordischen Philologie, der deutschen Sprache und Literatur des Mittelalters, der Finnougristik und der lateinischen Philologie an einer deutschen und für ein Semester an einer schwedischen Universität und schloss das Studium mit dem Grad Magister Artium ab. Zeitweise während des Studiums der Skandinavistik – Oktober 2012 bis Juni 2014 – arbeitete der Kläger als studentische Hilfskraft in der Bibliothek des Instituts für Nordische Philologie der Universität und zudem ein Jahr als Kursleiter für Schwedisch an der Volkshochschule. Es folgte ein Studium zum Diplom-Verwaltungswirt an der Hochschule für den Öffentlichen Dienst – Allgemeine Innere Verwaltung – in Hof (2014 bis 2017). In seiner Diplomarbeit befasste sich der Kläger mit dem Bereich E-Government und dem Datenschutz. Nach einem weiteren Erasmus-Aufenthalt begann der Kläger im Oktober 2017 mit der Abfassung seiner Dissertation im Bereich der Skandinavistik und arbeitet seitdem als Beamter der 3. Qualifikationsebene bei der Regierung von Oberbayern als Regierungsinspektor (Besoldungsgruppe A 9).
4
Die bayerische Universität ... schrieb im Juni/Juli des Jahres 2019 die Stelle „wissenschaftliche/n Bibliothekar/in (m/w/d) als Referenten/Referentin mit juristischer Ausbildung (A 13 bzw. E 13)“ aus.
5
In der Ausschreibung ist unter der Überschrift „Profil“ aufgeführt:
- vorzugsweise erstes juristisches Staatsexamen; alternativ ein anderes abgeschlossenes, für die genannten Aufgaben qualifizierendes Universitätsstudium
- vorzugsweise Laufbahnbefähigung für die 4. Qualifikationsebene, Fachlaufbahn Bildung und Wissenschaft, fachlicher Schwerpunkt Bibliothekswesen (entspricht der Laufbahnprüfung für den höheren Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken) oder vergleichbare postgraduale Ausbildung
- Bewerberinnen und Bewerber ohne Laufbahnprüfung und ohne entsprechende postgraduale Ausbildung kommen für diese Stelle ebenfalls infrage. Für sie besteht die Möglichkeit während eines zunächst befristeten Arbeitsverhältnisses einen postgradualen Abschluss berufsbegleitend zu erwerben.
6
Zudem werden folgende „Aufgaben“ für die streitgegenständliche Stelle aufgelistet:
- Fachreferat für Rechtswissenschaften und mindestens ein weiteres Fach, vorzugsweise Wirtschaftswissenschaften. Die Fachreferatsaufgaben beinhalten insbesondere:
- Verantwortlichkeit für alle Fragen der fachlichen Literatur- und Informationsversorgung
- Entscheidungen zum Medienzugang und Medienbestand in enger Abstimmung mit den nutzenden wissenschaftlichen Einrichtungen
- in der Regel die Leitung einer Fachbibliothek als organisatorische Einheit der Universitätsbibliothek, einschließlich Etatplanung und Personalführung
- Die fachliche Beratung und Schulung von Nutzern
- Juristische Unterstützung der Bibliotheksleitung, insbesondere in folgenden Bereichen:
- Umsetzung der DSGVO in der Universitätsbibliothek; Ansprechpartner/in der Universitätsbibliothek für die Universitätsverwaltung in Fragen des Datenschutzes
- Beratung der Universitätsbibliothek in Urheberrechtsfragen; Beratung von Nutzern und Mitgliedern der Universität bezüglich Urheberrechtsfragen im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens; Vermittlung von Urheberrechtskompetenz; Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen der Universität in urheberrechtsrelevanten Fragen
- Bearbeitung von Anfragen und Beratung der Bibliotheksleitung in weiteren Angelegenheiten mit juristischen Fragestellungen
- Übernahme von weiteren Aufgaben im Rahmen von Projekten, in einer Tätigkeit als Abteilungsreferent oder in einer weiteren Stabsstelle
7
Weiter ist angegeben, dass schwerbehinderte Bewerber bei ansonsten im Wesentlichen gleicher Eignung bevorzugt werden.
8
Unter Hinweis auf die Schwerbehinderung (Schwerhörigkeit) bewarb sich der Kläger mit Schreiben vom 27. Juli 2019 bei der Universität ... auf die Stelle als wissenschaftlicher Bibliothekar.
9
Mit E-Mail vom 2. Dezember 2019 teilte die Personalverwaltung der Universität ... dem Kläger mit, dass die Entscheidung für die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle auf eine andere Bewerbung gefallen sei.
10
Mit nicht näher datierter E-Mail verwies der Kläger erneut auf seine Schwerbehinderteneigenschaft und bat um die Mitteilung der Gründe für die unterlassene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Diese Anfrage blieb unbeantwortet.
11
Mit Schreiben vom 31. Januar 2020 forderte die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Zahlung eines Entschädigungsanspruchs nach Maßgabe von § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes / AGG in Höhe von 13.739,58 EUR bis zum 17. Februar 2020.
12
Dies lehnte die Personalverwaltung der Universität ... mit Schreiben vom 5. Februar 2020 mit der Begründung ab, dass eine Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch entbehrlich gewesen sei. Der Kläger habe in seiner Bewerbung ein abgeschlossenes erstes juristisches Staatsexamen oder ein anderes erfolgreiches, mit dem ersten juristischen Staatsexamen vergleichbares Universitätsstudium nicht nachgewiesen. Weder das vom Kläger absolvierte Magisterstudium der Skandinavistik, noch die Ausbildung zum Dipl.-Verw. (FH) mit Qualifikationsprüfung für die 3. QE stellten ein solches Studium dar.
13
Mit Schriftsatz vom 5. März 2020 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers Klage erhoben und beantragt,
14
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch den Betrag von 4.579,86 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage, zu zahlen.
15
Ein Vorverfahren sei nicht zwingend durchzuführen gewesen. Der Beklagte habe durch die Nichteinladung des Klägers zum Vorstellungsgespräch gegen die Einladungspflicht aus § 165 Satz 3 des Neunten Sozialgesetzbuchs/SGB IX verstoßen, da der Kläger für die Stelle nicht offensichtlich fachlich ungeeignet sei. Der Kläger erfülle das Anforderungsprofil für die ausgeschriebene Stelle. Die Befähigung für den Einstieg in die 4. Qualifikationsebene sei keine zwingende Voraussetzung für den Erfolg der Bewerbung, sondern „Wunschkriterium“, ebenso der Abschluss des ersten juristischen Staatsexamens. Aus der Ausschreibung gehe auch nicht hervor, dass das Universitätsstudium mit dem ersten juristischen Staatsexamen vergleichbar sein müsse. Vielmehr sei Voraussetzung, dass das Studium den Bewerber „für die genannten Aufgaben“ qualifiziere, was beim Kläger durch die abgeschlossenen Studien (Universitätsstudium der Skandinavistik; Fachhochschulstudium als Diplom-Verwaltungswirt) der Fall sei. Die Beklagte habe nicht hinreichend begründet, wieso der Kläger das Anforderungsprofil nicht erfüllen sollte. Die vom Kläger erlernten Studieninhalte würden sich mit den in der Ausschreibung genannten Kriterien teilweise überschneiden. Im Magisterstudium habe der Kläger sich mit Sprachen, Literatur und Geschichte befasst, im Fachhochschulstudium mit dem Privaten und Öffentlichen Recht, einschließlich Datenschutzrecht, BWL, Personalwirtschaft, Projektarbeit, Haushalt und Wirtschaftsführung. Er könne in den Fachbereichen Wirtschaftswissenschaften, Literatur- und Sprachwissenschaften sowie Geschichte eingesetzt werden. Infolge des Durchlaufens einer vielfältigen Ausbildung habe der Kläger Kenntnisse und Fertigkeiten erlernt, die ihn in die Lage versetzten, das in der Ausschreibung genannte breite Aufgabenspektrum besser zu erfüllen als Bewerber mit Erstem Juristischem Staatsexamen. Im Übrigen habe sich der Kläger mehrmals erfolglos an die Schwerbehindertenbeauftragte der Universität gewandt.
16
Der Beklagte hat beantragt,
17
die Klage abzuweisen.
18
Die Klage sei bereits unzulässig, da das nach § 54 Abs. 1 des Beamtenstatusgesetzes/BeamtStG zwingend erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Eine Einladung des Klägers zum Vorstellungsgespräch habe nicht erfolgen müssen, da der Kläger für die Stelle fachlich offensichtlich ungeeignet sei. Denn er könne nicht in der 4. Qualifikationsebene verbeamtet werden.
19
Auf Rüge des Beklagten hin hat das Gericht mit Beschluss vom 25. Mai 2020 entschieden, dass für die vorliegende Streitigkeit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.
20
Am 28. März 2023 fand mündliche Verhandlung statt.
21
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift vom 28. März 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

22
1. Die allgemeine Leistungsklage ist zulässig. Insbesondere war abweichend vom Vortrag der Beklagtenvertreter ein Vorverfahren nach § 54 des Beamtenstatusgesetzes/BeamtStG nicht zwingend durchzuführen (Art. 12 Abs. 1 Nr. 5 des Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung/AGVwGO).
23
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von mindestens 4.579,86 Euro aus § 15 Abs. 1 und 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes/AGG i.V.m. § 7 Abs. 1 AGG nicht zu, weil kein Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung von Schwerbehinderten zu erkennen ist.
24
a. Die Universität ist als öffentliche Arbeitgeberin im Sinne von § 6 Abs. 1 AGG i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG gegenüber dem Kläger, der als Bewerber für ein Beamtenverhältnis als Beschäftigter im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG gilt, nur dann nach Maßgabe der §§ 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zu einer Entschädigungszahlung verpflichtet, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne von § 7 Abs. 1 AGG vorliegt. Zwar wird der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nur in § 15 Abs. 1 AGG als Tatbestandsvoraussetzung für den Ersatz – hier nicht im Vordergrund stehender – materieller Schäden ausdrücklich genannt. Dem Charakter des § 15 AGG als umfassender Regelung der finanziellen Einstandspflicht des Arbeitgebers bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entspricht es aber, auch die Entschädigung immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG an einen derartigen Verstoß zu binden (hierzu BVerwG, U.v. 3.3.2011 – 5 C 16.10 – BVerwGE 139, 135, juris Rn. 14 m.w.N.; VGH BW, U.v. 10.9.2013 – 4 S 547/12 – juris, Rn. 22).
25
Nach dem Benachteiligungsverbot im Sinne von § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, beispielsweise einer Behinderung, benachteiligt werden. Der Kläger kann sich auf den Grund der Behinderung im Sinne des § 1 AGG stützen, da er mit einem nachweislichen GdB von 70 schwerbehindert ist, § 2 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 23.12.2016 [BGBl. I 2016 S. 3234], zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.12.2022 [BGBl. I S. 1560], – SGB IX –). Es ist jedoch nicht erkennbar, dass der Kläger von der Universität ... behinderungsbedingt benachteiligt wurde, als er infolge seiner Bewerbung auf die ausgeschriebene Stelle als wissenschaftlicher Bibliothekar nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist.
26
Eine Benachteiligung im Sinne des Benachteiligungsverbots des § 7 AGG ist jede unterschiedliche Behandlung, die mit einem Nachteil verbunden ist; nicht erforderlich ist, dass in Benachteiligungsabsicht gehandelt oder die Benachteiligung sonst schuldhaft bewirkt worden ist. Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die unmittelbare Benachteiligung kann auch in einem Unterlassen liegen (vgl. BTDrs 16/1780 S. 32). Eine unmittelbare Benachteiligung durch Unterlassen ist insbesondere gegeben, wenn ein (künftiger) Arbeitgeber einer gesetzlich auferlegten Handlungspflicht nicht nachkommt, durch die im Sinne des § 5 AGG eine bisher in Beschäftigung und Beruf benachteiligte Gruppe gezielt gefördert werden soll. Die Benachteiligung liegt dabei in der Vorenthaltung eines gesetzlich eingeräumten Vorteils, dessen Ziel es ist, bestehende Nachteile zu beseitigen oder zu verhindern. Die betreffende Person wird weniger günstig behandelt, als es das Gesetz zur Herstellung gleicher Chancen für erforderlich hält. Eine gesetzliche positive Maßnahme im Sinne von § 5 AGG ist angesichts ihres drittschützenden Charakters nicht neutral, sodass die in den Schutzbereich der betreffenden Vorschrift fallenden Personen im Falle ihres Unterlassens unmittelbar benachteiligt werden. Für die gegenüber anderen weniger günstige Behandlung als solche trägt die Beschäftigte oder der Beschäftigte mangels einer abweichenden Regelung nach den allgemeinen Grundsätzen die Beweislast. § 22 AGG greift insoweit nicht ein (vgl. BTDrs 16/1780 S. 47; zu alledem BVerwG, U.v. 3.3.2011 – 5 C 16.10 – BVerwGE 139, 135, juris Rn. 17; vgl. auch VGH BW, U.v. 6.2.2012 – 4 S 82/12 – AE 2012, 142, juris Rn. 32).
27
b. Indem der Beklagte den Kläger infolge seiner Bewerbung auf die Stelle „wissenschaftliche/r Bibliothekar/in (m/w/d) als Referent/Referentin mit juristischer Ausbildung (A 13 bzw. E 13)“ der bayerischen Universität ... nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat, hat dieser nicht gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen. Denn der Kläger erfüllte, wie in seiner Bewerbung erkennbar war, das rechtmäßig aufgestellte konstitutive Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle offensichtlich nicht, sodass die Einladung abweichend vom Grundsatz der Einladungspflicht nach § 165 Satz 3 SGB IX ausnahmsweise nach § 165 Satz 4 SGB IX unterbleiben konnte.
28
aa. Zwar sind schwerbehinderte Menschen gemäß § 165 Satz 3 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn sie sich bei einem öffentlichen Arbeitgeber um einen Arbeitsplatz beworben haben oder von der Bundesagentur für Arbeit vorgeschlagen worden sind. Diese Bestimmung räumt schwerbehinderten Bewerbern nach Maßgabe dieser Normen einen Anspruch darauf ein, von dem öffentlichen Arbeitgeber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Sie sollen unabhängig von der Gestaltung und dem Ablauf des konkreten Stellenbesetzungsverfahrens die Gelegenheit erhalten, den öffentlichen Arbeitgeber in einem Vorstellungsgespräch von ihrer Leistungsfähigkeit und Eignung zu überzeugen. Dieser soll sich über die schriftlichen Bewerbungsunterlagen hinaus einen persönlichen Eindruck von schwerbehinderten Bewerbern, ihrem Auftreten und ihrer Leistungsfähigkeit verschaffen. Dadurch sollen die Erfolgschancen schwerbehinderter Bewerber verbessert werden. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers stellt das Vorstellungsgespräch ein geeignetes Mittel dar, um eventuelle Vorbehalte oder gar Vorurteile auszuräumen und Hilfskriterien zugunsten schwerbehinderter Bewerber stärker zur Geltung zu bringen (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.2011 – 2 A 13.10 – NVwZ-RR 2012, 320, juris Rn. 16; OVG Lüneburg, B.v. 24.10.2018 – 5 ME 82/18 – juris Rn. 28).
29
Die Einladung eines schwerbehinderten Menschen zum Vorstellungsgespräch ist jedoch gemäß § 165 Satz 4 SGB IX ausnahmsweise entbehrlich, wenn seine fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Bloße Zweifel an der Eignung reichen dabei nicht aus (so BAG, U.v. 27.8.2020 – 8 AZR 45/19 – BAGE 172, 78, juris Rn. 37 m.w.N.). Ob die fachliche Eignung offensichtlich fehlt, ist an dem vom öffentlichen Arbeitgeber mit der Stellenausschreibung bekannt gemachten Anforderungsprofil zu messen (vgl. BVerwG, U.v. 3.3.2011 – 5 C 16/10 – BVerwGE 139, 135, juris Rn. 20; U.v. 15.12.2011 – 2 A 13.10 – NVwZ-RR 2012, 320, juris Rn. 26). Dabei sind die konstitutiven Elemente des Anforderungsprofils der Stellenausschreibung besonders zu berücksichtigen, da der öffentliche Arbeitgeber hierdurch den Umfang der verfahrensrechtlichen Verpflichtung zur Einladung des behinderten Bewerbers zum Vorstellungsgespräch aus § 165 Satz 3 SGB IX bestimmt. Denn schwerbehinderte Menschen und die ihnen gleichgestellten behinderten Menschen, die nach den schriftlichen Bewerbungsunterlagen eine ihrerseits diskriminierungsfrei bestimmte fachliche Eignungsvoraussetzung, die im Anforderungsprofil ausdrücklich und eindeutig bezeichnet ist, nicht erfüllen, müssen nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden (vgl. BVerwG, U.v. 3.3.2011 – 5 C 16/10 – BVerwGE 139, 135, juris Rn. 22 ff.; so auch: BAG, U.v. 21.7.2009 – 9 AZR 431/08 – NJW 2009, 3319, juris Rn. 22 ff.; VGH BW, U.v. 7.2.2012 – 4 S 82/12 – AE 2012, 142, juris Rn. 37, 40).
30
Für die Stellenvergabe im öffentlichen Dienst gilt insoweit das verfassungsrechtlich garantierte Prinzip der Bestenauslese, d.h. der Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG, uneingeschränkt. Danach hat nur die für die zu besetzende Stelle am besten geeignete Bewerberin oder der am besten geeignete Bewerber einen Anspruch auf Einstellung oder Beförderung, sobald und solange sich der öffentliche Arbeitgeber im Rahmen seiner Organisationsgewalt dafür entschieden hat, verfügbare Stellen im Wege der Bewerberauswahl zu besetzen. Dem Prinzip der Auslese nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung sind auch die durch das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG geschützten Personengruppen unterworfen. Fehlen einer Bewerberin oder einem Bewerber die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen, verschafft ihnen das Benachteiligungsverbot keinen Anspruch darauf, von bestimmten Qualifikationsmerkmalen befreit zu werden (s.a. Ziff. 17 der RL 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf; so BVerwG, U.v. 3.3.2011 – 5 C 16/10 – BVerwGE 139, 135, juris Rn. 20).
31
Die sachgerechte Prognose, wer von den Bewerberinnen und Bewerbern die zukünftigen Aufgaben am besten erfüllen wird, erfordert die Festlegung eines konkreten Anforderungsprofils. Der öffentliche Arbeitgeber hat im Anforderungsprofil die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie außerfachlichen Kompetenzen zu beschreiben, die eine Bewerberin oder ein Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigt und die dementsprechend der leistungsbezogenen Auswahl zugrunde zu legen sind. Mit der Festlegung des Anforderungsprofils wird ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen. Der öffentliche Arbeitgeber ist bei der Erstellung des Anforderungsprofils an die gesetzlichen und gegebenenfalls tarifvertraglichen Vorgaben gebunden. Er hat das Anforderungsprofil ausschließlich nach objektiven Kriterien anzufertigen. Eine Einengung des Kreises der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerberinnen und Bewerber um ein öffentliches Amt darf nur aufgrund sachlicher Erwägungen erfolgen. Das Anforderungsprofil hat diskriminierungsfrei und der zu besetzenden Stelle angemessen zu sein und eine an dem Prinzip der Bestenauslese entsprechende Auswahl- und Besetzungsentscheidung zu gewährleisten (so BVerwG, U.v. 3.3.2011 – 5 C 16/10 – BVerwGE 139, 135, juris Rn. 21 f. m.w.N.).
32
Seiner Aufgabe als Grundlage der leistungsbezogenen Auswahl entsprechend muss das Anforderungsprofil zwingend vor Beginn der Auswahlentscheidung festgelegt werden und ist für den öffentlichen Arbeitgeber während des Auswahlverfahrens verbindlich. Der öffentliche Arbeitgeber muss das Anforderungsprofil dokumentieren, damit die Gründe für seine Entscheidung transparent sind und die Entscheidung nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG überprüft werden kann. Schreibt der öffentliche Arbeitgeber eine konkrete Stelle ausdrücklich aus, erfolgt die notwendige Dokumentation des Anforderungsprofils in der Regel durch den Text der Stellenausschreibung oder -anzeige (so BVerwG, U.v. 3.3.2011 – 5 C 16/10 – BVerwGE 139, 135, juris Rn. 23).
33
bb. Diese vorgenannten Vorgaben hat der Beklagte gewahrt. Insbesondere hat dieser vorab in der Ausschreibung das Kriterium des „Universitätsstudium[s], das für die genannten Aufgaben qualifiziert“, in rechtmäßiger Weise als konstitutives Anforderungsprofil aufgestellt. Da der Kläger dieses unabdingbare Kriterium, wie aus seiner Bewerbung zweifelsfrei erkennbar war, nicht erfüllt, war er als schwerbehinderter Bewerber offensichtlich ungeeignet im Sinne des § 165 Satz 4 SGB IX und damit nicht zwingend zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (vgl. BVerwG, U.v. 3.3.2011 – 5 C 16/10 – BVerwGE 139, 135, juris Rn. 20-24; NdsLAG, U.v. 3.4.2014 – 5 Sa 1272/13 – juris Rn. 37; VGH BW, U.v. 7.2.2012 – 4 S 82/12 – AE 2012, 142, juris Rn. 35 ff.).
34
(1) Das Kriterium der Ausschreibung „Universitätsstudium, das für die genannten Aufgaben qualifiziert“ stellt ein Merkmal des konstitutiven Anforderungsprofils dar.
35
Der Inhalt einer Stellenausschreibung muss durch eine entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) am objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber orientierte Auslegung ermittelt werden (vgl. BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – BVerwGE 147, 20, juris Rn. 32; B.v. 8.7.2014 – 2 B 7.14 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 61, juris Rn. 8; U.v. 19.11.2015 – 2 A 6.13 – BVerwGE 153, 246, juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 8.3.2018 – 3 CE 18.299 – juris Rn. 6).
36
Für die Einordnung eines Anforderungsmerkmals als konstitutiv oder deskriptiv kommt es auf den Gestaltungswillen des die Stelle ausschreibenden Dienstherrn an. Aufgrund des Ausschreibungstextes sowie der Handhabung des streitigen Anforderungsprofils im Rahmen der Auswahlentscheidung zeigt sich, ob der Dienstherr ein Anforderungsprofil als konstitutiv oder deskriptiv ausgestaltet hat (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2009 – 3 CE 09.596 – juris Rn. 19 f.; B.v. 29.10.2009 – 3 CE 09.1938 – juris).
37
Als „konstitutiv“ einzustufen sind diejenigen Merkmale des Anforderungsprofils, die zwingend vorgegeben und anhand objektiv überprüfbarer Kriterien, also insbesondere ohne Rücksichtnahme auf Wertungsspielräume des Dienstherrn, als tatsächlich gegeben letztlich eindeutig und unschwer festzustellen sind. Demgegenüber kennzeichnet das „beschreibende“, nicht konstitutive Anforderungsprofil solche Qualifikationsmerkmale, die entweder ausdrücklich nicht zwingend vorliegen müssen oder die schon von ihrer Art her nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten – bejahend oder verneinend – festgestellt werden können (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – BayVBl 2013, 335; B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565; B.v. 13.3.2008 – 3 CE 08.53 – BayVBl 2009, 345; VGH BW, B.v. 7.12.2010 – 4 S 2057/10 – NVwZ-RR 2011, 290 m.w.N).
38
Die Stellenausschreibung „Wissenschaftliche/n Bibliothekar/in (m/w/d) als Referenten/Referentin mit juristischer Ausbildung (A 13 bzw. E 13)“ für den streitgegenständlichen Dienstposten beginnend mit „und folgendem Profil: vorzugsweise erstes juristisches Staatsexamen; alternativ ein anderes abgeschlossenes, für die genannten Aufgaben qualifizierendes Universitätsstudium“, enthält im zweiten Halbsatz ein konstitutives Anforderungsprofil. Verlangt wird nicht zwingend, wie sich aus der Formulierung „vorzugsweise“ ergibt, ein Erstes juristisches Staatsexamen. Das Attribut „vorzugsweise“ bezieht sich, wie die Abtrennung durch ein Semikolon und die fehlende erneute Verwendung des Wortes „vorzugsweise“ im zweiten Halbsatz ergibt, nicht auf das Universitätsstudium. Dieser zweite Halbsatz ist mithin als strikte Voraussetzung formuliert. Der Beklagte hat die Anforderung des Universitätsstudiums, das für die genannten Aufgaben qualifiziert, auch als Ausscheidungskriterium der Bewerber gehandhabt, die dieses Merkmal nicht erfüllen (vgl. BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl. 2011, 565 – juris Rn. 34). Neben dem Kläger sind auch weitere Bewerber, die ein Studium insbesondere ohne juristischen Hintergrund abgeschlossen hatten, nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen und letztlich nicht ausgewählt worden (vgl. Bl. 0 und Bl. 3 der Behördenakte). Das Merkmal stellt zudem einen objektiv messbaren und wertungsfreien Aspekt dar, der gerichtlich vollumfänglich überprüft werden kann.
39
(2) Das in der Ausschreibung festgesetzte konstitutive Anforderungsprofil („anderes abgeschlossenes, für die genannten Aufgaben qualifizierendes Universitätsstudium“) erweist sich als zulässig.
40
Der Beklagte hat das Anforderungsprofil mit dem Text der Stellenausschreibung in hinreichender Weise vorab festgelegt und dokumentiert (Bl. 1 der Behördenakte) und nach objektiven Kriterien angefertigt. Zugleich hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass die Einengung des Kreises der Bewerberinnen und Bewerber durch die Anforderung eines universitären Studiums zur Bewältigung der schwerpunktmäßig juristischen Tätigkeiten aufgrund sachlicher Erwägungen erfolgt ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.9.2007 – 2 BvR 1972/07 – ZBR 2008, 167, juris Rn. 14). Es bestehen gerade keine Anhaltspunkte für eine Sachwidrigkeit des Anforderungsprofils. Vorgetragen wurde, dass der Kernbereich der Tätigkeiten auf der ausgeschriebenen Stelle die juristische Arbeit darstelle. Insbesondere die Wahrnehmung der Verantwortlichkeit für alle Fragen der Literatur- und Informationsversorgung der Bibliothek für Rechtswissenschaften sowie die Aufgabe der Leitung der Fachbibliothek für Rechtswissenschaften könne nur hinreichend bewältigt werden, wenn die Bewerber sich in ihrer Ausbildung wissenschaftlich mit juristisches Fragestellungen befasst hätten. Diese Argumentation ist sachlich nachvollziehbar. Dass die Aufgaben im Kern juristisch sind, wird auch durch den hohen Anteil juristischer Aufgaben in der Aufgabenauflistung und der Betitelung der Stellenausschreibung „Referent/in mit juristischer Ausbildung“ deutlich. Es war auch nicht ermessensfehlerhaft, davon auszugehen, dass wissenschaftliches Arbeiten im Rahmen des Studiums an Universitäten, verglichen zu Hochschulen, regelmäßig erlernt wird. Denn das Studium an einer Universität ist in der Regel wissenschaftlicher, Fachhochschulen regelmäßig praxisorientierter. Die Tatsache, dass die Stelle auch die Fachreferatsaufgaben mindestens eines weiteren Fachs umfasst, für dieses weitere Fach jedoch – wie von der Klägerbevollmächtigten vorgetragen – kein (konstitutives) Anforderungsprofil erstellt worden sei, steht der Vereinbarkeit des Anforderungsprofils mit dem Leistungsgrundsatz nicht entgegen. Denn wie der Beklagtenvertreter nachvollziehbar vorgetragen hat, handelt es sich bei dem juristischen Bereich in der Universitätsbibliothek um den größten Fachreferatsbereich, sodass der Kernbereich der Tätigkeiten im juristischen Bereich liegt. Es ist gerade nicht sachwidrig, für Stellen im juristischen Fachbereich mit leitender Funktion universitäre juristische Grundkenntnisse zu verlangen.
41
(3) Der Kläger kann, wie offensichtlich aus seinen Bewerbungsunterlagen hervorgeht, kein Universitätsstudium vorweisen, dass für die in der Ausschreibung genannten Aufgaben qualifiziert.
42
Ob der Dienstherr die Auswahlkriterien des Anforderungsprofils beachtet hat, unterliegt in vollem Umfange gerichtlicher Kontrolle (BVerwG, U.v. 16.8.2001 – 2 A 3.00 – BVerwGE 115, 58, juris Rn. 32). Der Dienstherr muss sich an dem aufgestellten Anforderungsprofil festhalten lassen und kann nicht im Nachhinein strengere weitergehende Anforderungen nachschieben und so das ursprünglich vorgesehene Anforderungsprofil weiter zu Lasten anderweitiger Bewerber verschärfen (vgl. BVerwG, B.v. 20.6.2013 – VR 1.13 – BVerwGE 147, 20 – juris Rn. 32; s. auch BVerwG, U.v. 3.3.2011 – 5 C 16.10 – BVerwGE 139, 135, juris Rn. 21, 23; BVerwG, U.v. 16.8.2001 – 2 A 3.00 – BVerwGE 115, 58, juris Rn. 32).
43
Das Fachhochschulstudium an der Hochschule für den Öffentlichen Dienst in Bayern stellt kein „Universitätsstudium“, sondern ein Hochschulstudium dar und ist daher, ebenso wie die sonstigen außeruniversitären Tätigkeiten des Klägers, bei der Betrachtung, ob der Kläger für die Aufgaben der maßgeblichen Stelle qualifiziert ist, auszublenden. Insofern kann auch dahinstehen, ob nach dem Vortrag der Klägerbevollmächtigten der Kläger infolge seiner umfassenden (vornehmlich außeruniversitären) Ausbildung besser zur Wahrnehmung der Aufgaben der maßgeblichen Stelle qualifiziert ist als Bewerber mit Erstem Juristischem Staatsexamen. Einzubeziehen sind bei der Prüfung, ob sich der Bewerber für die Aufgabenwahrnehmung der maßgeblichen Stelle qualifiziert, wie im konstitutiven Anforderungsprofil gefordert, (ausschließlich) solche mit abgeschlossenem Universitätsstudium. Für den Kläger ist damit für die Frage, ob er sich für die der Stelle inhärenten Aufgaben qualifiziert, ausschließlich das durch ihn abgeschlossene Studium der nordischen Philologie, der deutschen Sprache und Literatur des Mittelalters, der Finnougristik und der lateinischen Philologie maßgeblich. Das qualifiziert jedoch offensichtlich nicht für die in der Stellenausschreibung genannten Aufgaben:
44
Die dem Dienstposten in der Ausschreibung zugeordneten Aufgaben lassen sich – wie bereits aus der graphischen Gestaltung der Auflistung unter Verwendung unterschiedlicher Aufzählungszeichen erkennbar hervorgeht – in zwei größere Aufgabenbereiche aufteilen, die dem Dienstposten zugeordnet sind: einerseits die Fachreferatsaufgaben für das Fachreferat der Rechtswissenschaften und mindestens einem weiteren Fach, vorzugsweise Wirtschaftswissenschaften, und andererseits die Aufgabe der juristischen Unterstützung der Universitätsleitung. Eine Gesamtschau dieser detailliert aufgelisteten Aufgaben ergibt, dass diese schwerpunktmäßig nur mit entsprechendem juristischem Hintergrund zu bewältigen sind. Dies gilt in besonderem Maße für die in Spiegelpunkt 2 genannte Aufgabe der juristischen Unterstützung der Bibliotheksleitung. Diese beratende Tätigkeit stellt eine Kerntätigkeit eines jeden Juristen dar und bezieht sich auf verschiedenste Rechtsgebiete (Urheberrecht, Datenschutzrecht). Die Stelle umfasst allgemein die Beratung der Bibliotheksleitung bei juristischen Fragestellungen aller Art. Die juristische Ausrichtung der Stelle wird auch dadurch betont, dass im Profil der Ausschreibung zwar nicht zwingend, gleichwohl „vorzugsweise“ Bewerber mit juristischem Staatsexamen gewollt sind. Auch wenn der Beklagte, wie die Klägervertreterin zurecht vorträgt, nicht explizit ein mit dem Jurastudium vergleichbares Studium verlangt, ergibt sich das Erfordernis, sich auf Universitätsebene mit juristischen Grundlagen befasst zu haben, in offensichtlicher Weise aus einer Gesamtschau der Ausschreibung.
45
Der Kläger hat sich ausweislich seiner Bewerbungsunterlagen, ergänzt durch den klägerischen Vortrag im Gerichtsverfahren, während seines Universitätsstudiums nicht – auch nicht im Nebenfach – mit juristischen Inhalten befasst. Die Studieninhalte seines Magisterstudiums umfassen nach klägerischem Vortrag die Bereiche Sprachen, Literatur und Geschichte. Damit ist offensichtlich erkennbar, dass das Studium des Klägers für die schwerpunktmäßig vorliegenden juristischen Aufgaben nicht qualifiziert. Soweit die Klägerbevollmächtigte anführt, der Kläger könne in den Fachbereichen Literatur- und Sprachwissenschaften sowie Geschichte fachlich eingesetzt werden, führt dies nicht zu einer anderen Betrachtung. Zwar übernimmt der Bewerber laut Ausschreibung neben den Fachreferatsaufgaben auch ein weiteres Fachreferat, bevorzugt das Referat für „Wirtschaftswissenschaften“. Auch in diesem Fachbereich kann der Kläger keine Kenntnisse vorweisen, die er in seinem Universitätsstudium der Skandinavistik erlernt hätte. Im Übrigen beträfe dies lediglich einen deutlich untergeordneten Aufgabenanteil der ausgeschriebenen Stelle. Denn Kernbereich der wahrzunehmenden Aufgaben ist, wie für den objektiven Empfänger erkennbar aus der Fülle der Aufgaben im juristischen Bereich und der Betitelung der Stelle als „Bibliothekar als Referent mit juristischer Ausbildung“ hervorgeht, die juristische Tätigkeit. Eine solche kann der Kläger auf universitärem Niveau gerade nicht vorweisen. Das fachliche Leistungsprofil des Klägers entspricht damit unzweifelhaft nicht dem konstitutiven Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle, sodass eine Pflicht des Beklagten, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht bestand.
46
(4) Damit sich der Arbeitgeber von der Verpflichtung zur Einladung nach § 165 Satz 4 SGB IX befreien kann, fordert das Bundesarbeitsgericht in neuerer Rechtsprechung, dass der Arbeitgeber das Anforderungsprofil konsequent gegenüber allen Bewerbern/Bewerberinnen anwendet hat (BAG, U.v. 29.4.2021 – 8 AZR 279/20 – NZA 2021, 1553, juris Rn. 35, 62). Dies ist der Fall. Der Beklagte hat vorgetragen, auch andere Bewerber/innen, die ebenso wie der Kläger das Anforderungsprofil nicht erfüllten, weder zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen noch letztlich eingestellt zu haben. Aus dem von der Beklagtenseite vorgelegten Vermerk zur Akte (Bl. 0 der Behördenakte) ergibt sich, dass keiner der im Auswahlverfahren beteiligten Bewerber/innen letztlich eingestellt wurde und lediglich die dort namentlich genannten fünf Bewerber/innen zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden. Von diesen fünf Bewerber/innen weisen alle zumindest das Erste Juristische Staatsexamen auf und erfüllen damit offensichtlich das Anforderungsprofil. Bewerber/innen, die ähnlich wie der Kläger Universitätsstudien außerhalb des juristischen Bereichs aufweisen, sind allesamt nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden (Bl. 3 der Behördenakte).
47
c. Soweit der Kläger vorgetragen hat, sich mehrmals erfolglos an die Schwerbehindertenvertretung gewandt zu haben, kann dahinstehen, ob die Schwerbehindertenvertretung entsprechend § 164 Abs. 1 Sätze 4 und 6 SGB IX rechtzeitig über die eingegangene Bewerbung unterrichtet und am Stellenbesetzungsverfahren ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Würde ein solcher Verstoß – mangels entgegenstehenden Vortrags des Beklagten in der mündlichen Verhandlung – unterstellt werden, hätte dies die Vermutung für die Benachteiligung des schwerbehinderten Stellenbewerbers zur Folge (§ 22 AGG) (vgl. BAG, U.v. 15.2.2005 – 9 AZR 635/03 – NZA 2005, 870, juris Rn. 38). Der Beklagte hat diese Vermutung jedoch entkräftet (vgl. BAG, U.v. 15.2.2005 – 9 AZR 635/03 – NZA 2005, 870, juris Rn. 40 f.). Zwar hat die Beklagtenseite für die Nichteinladung des Klägers zum Vorstellungsgespräch im behördeninternen und gerichtlichen Verfahren teils unterschiedliche Gründe – wie beispielsweise die Nichterfüllung des Qualifikationserwerbs für die 4. Qualifikationsebene – angeführt. In der mündlichen Verhandlung ist das Gericht jedoch basierend auf den Ausführungen des Beklagtenvertreters zu der Überzeugung gelangt, dass die Entscheidung, den Kläger weder einzustellen, noch zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, darauf beruht, dass der Kläger die von dem Beklagten zwingend geforderten Anforderungen an ein für die Aufgaben der Stelle qualifizierendes Universitätsstudium nicht erfüllt. Damit hat der Beklagte die Vermutung der Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung entkräftet.
48
d. Dahinstehen kann ferner auch, ob der Beklagte die Gründe über die getroffene Entscheidung gem. § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX unverzüglich mitgeteilt hat. Jedenfalls hat der Beklagte die Gründe in der mündlichen Verhandlung nachgeschoben (vgl. zur Zulässigkeit BAG, U.v. 17.8.2010 – 9 AZR 839/08 – NZA 2011, 153, juris Rn. 46) und zudem hinreichend vorgetragen, dass es ausschließlich die Nichterfüllung des Anforderungsprofils und nicht die Behinderung war, die zu der zu Ungunsten des Klägers getroffenen Personalentscheidung geführt hat (s.o.).
49
3. Da der Erstattungsanspruch nicht besteht, ist auch der Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen abzulehnen (§§ 291 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB).
50
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nicht nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei, da der Entschädigungsanspruch nach §§ 15 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 AGG nicht das Sachgebiet der Schwerbehindertenfürsorge betrifft (vgl. VGH BW, B.v. 12.7.2010 – 4 S 1333/10 – juris Rn. 3 ff.).
51
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.