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VG München, Urteil v. 25.04.2023 – M 5 K 19.33903
Titel:

Erfolgreiche Asylklage (Uganda)

Normenketten:
GG Art. 16a Abs. 1
AsylG § 3
Leitsatz:
Für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens gilt nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, dass es dem Ausländer obliegt, von sich aus umfassend die Gründe für das verfolgungsbedingte Verlassen der Heimat substantiiert, unter Angabe genauer Einzelheiten und in sich stimmig darzulegen; der Vortrag, insbesondere zu den in die eigene Sphäre fallenden Ereignissen, muss geeignet sein, den Schutzanspruch lückenlos zu tragen. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, Persönliches Umfeld von Bobi, Wine, glaubhaft, Asylanspruch, Flüchtlingsanerkennung, Glaubhaftmachung, Vorbringen, Verfolgungsfurcht, Umfeld von Politiker
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18274

Tenor

I.    Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25. Oktober 2019 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerinnen als Asylberechtigte anzuerkennen sowie ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
II.    Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

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Die 1981 geborene Klägerin zu 1 ist ugandische Staatsangehörige, die Kläger zu 2 und 3 deren Kinder, ebenfalls ugandische Staatsangehörige. Sie reisten am … Dezember 2018 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten hier am 31. Januar 2019 Asylanträge.
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Bei ihrer Anhörung trug die Klägerin zu 1 vor, dass sie mit dem Politiker B. W. ein Verhältnis gehabt habe. Das sei aber im Geheimen abgelaufen, sie hätten sich spätabends im Büro getroffen. Es hätte im Jahr 2014 als Freundschaft begonnen und sei später zu einer Affäre geworden. Die Mobiltelefone von B. W. seinen am 13. August 2018 gestohlen worden, weshalb die Unterhaltungen der Klägerin zu 1 mit B. W. bekannt geworden seien. Zunächst sei sie zur Polizei vorgeladen worden. Dort sei sie bedroht und aufgefordert worden, gegen B. W. auszusagen und zu kooperieren.
3
Am … August 2018 hätten Polizisten die Klägerin zu 1 mitgenommen, da sie nicht kooperiert habe. Es sei ihr gedroht worden, entweder sie oder die Klägerin zu 2 umzubringen. Seitdem seien sie auf der Flucht. Als sie eine Reise nach Nigeria im September 2018 vorbereitet habe, seien 10 Männer bei ihr eingebrochen und hätten sie vor den Augen ihrer Töchter vergewaltigt. Sie sei dann ein zweites Mal überfallen worden. In einem Versteck sei sie aufgefordert worden, gegen B. W. auszusagen. Am … September 2018 sei sie auf der Rückreise von Nigeria erneut von mehreren Männern überfallen und vergewaltigt worden. Im Oktober 2018 sei B. W. von einem Aufenthalt in Amerika zurückgekommen und sie hätten die Ausreise nach Deutschland vorbereitet. Weil ihr Haus öfters überfallen worden sei, hätte sie in Hotels übernachtet. Am … Dezember 2018 seien B. W. und sie bei einem Konzert überfallen worden, sie habe aber fliehen können. Daraufhin habe sie das Land verlassen.
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Mit Bescheid vom 25. Oktober 2019 das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Am 30. Oktober 2019 hat die Klagepartei Klage erhoben und beantragt,
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1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. Oktober 2019 wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen und uns als Asylberechtigte anzuerkennen.
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3. Hilfsweise:
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Die Beklagte wird verpflichtet, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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5. Hilfsweise:
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Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bestehen.
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Die Beklagte hat die Akte vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
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Am 19. April 2023 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift vom 19. April 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die trotz Fernbleibens eines Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO), ist begründet. Die Klägerinnen haben im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylgesetzes/AsylG) einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes/GG) sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt gem. § 3 AsylG (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Bescheid des Bundesamtes ist rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten. Er ist deshalb aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerinnen als Asylberechtigte wie auch als Flüchtlinge anzuerkennen.
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1. Die Klägerinnen haben einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Abs. 1 GG) sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Das Gericht ist nach dem persönlichen Eindruck, den es von der Klägerin zu 1 in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, von der Glaubhaftigkeit ihres Vortrags und der Glaubwürdigkeit der Klägerin zu 1 überzeugt.
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Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. Anerkennung als Asylberechtigte (bei Einreise auf dem Luftweg) dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG liegt nach § 3a AsylG bei Handlungen vor, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1959 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Als Verfolgung im Sinne des Abs. 1 können unter anderem gemäß § 3a Abs. 2 AsylG die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden oder auch unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung gelten. Dabei muss zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen gemäß § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen.
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Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG vom Staat oder von Parteien oder Organisationen ausgehen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder aber von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob im Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
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Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn im Herkunftsland eine interne Schutzmöglichkeit besteht, § 3e AsylG.
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Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich drohen; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzuwenden. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33/07 – juris Rn. 37).
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Die begründete Furcht vor Verfolgung kann dabei sowohl auf tatsächlich erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung bereits vor der Ausreise im Herkunftsstaat (Vorverfolgung) oder auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat (Nachfluchtgründe), insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist (§ 28 Abs. 1a AsylG).
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Der der Prognose zugrunde zu legende Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit bleibt auch dann unverändert, wenn der Ausländer bereits Vorverfolgung erlitten hat. Allerdings ist nach Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 – Qualifikationsrichtlinie – (ABl. L 337 S. 9) die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Dies ist im Sinne einer widerlegbaren tatsächlichen Vermutung zu verstehen (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – juris Rn. 23).
23
Das Gericht muss auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage von der Richtigkeit seiner gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle richterliche Überzeugung erlangt haben (vgl. BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6/13 – juris Rn. 18).
24
Für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens gilt nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, die sich in Art. 4 Abs. 1, 2 und 5 der Qualifikationsrichtlinie widerspiegeln, dass es dem Ausländer obliegt, von sich aus umfassend die Gründe für das verfolgungsbedingte Verlassen der Heimat substantiiert, unter Angabe genauer Einzelheiten und in sich stimmig darzulegen.
25
Der Vortrag, insbesondere zu den in die eigene Sphäre fallenden Ereignissen, muss geeignet sein, den Schutzanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.1987 – 9 C 321/85 – juris Rn. 9).
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Das Gericht muss sich in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Ausländer behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschaffen, wobei allerdings der typische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Herkunftsland bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit unvereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann, es sei denn, die Widersprüche und Unstimmigkeiten können überzeugend aufgelöst werden (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.1985 – 9 C 27/85 – juris Rn. 11 ff.; B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris Rn. 3).
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2. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bei den Klägerinnen vor. Die Klägerin zu 1 hat letztlich glaubhaft vorgetragen, dass sie aufgrund ihrer Nähe zu B. W. in Uganda verfolgt wurde und bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit weiteren Verfolgungsmaßnahmen rechnen muss.
28
a) Das Gericht ist im Ergebnis davon überzeugt, dass die Klägerin bis zu ihrer Ausreise im nahen persönlichen Umfeld von B. W. war. Diese Einschätzung beruht auf dem persönlichen Eindruck, den die Klägerin zu 1 im Termin zur mündlichen Verhandlung auf das Gericht gemacht hat. Die Klägerin hat bei ihrer informatorischen Anhörung die Fragen im Wesentlichen widerspruchsfrei beantwortet und insgesamt einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Sie hat stimmig und nachvollziehbar geschildert, dass sie über eine Schulkameradin, eine Schwester von B. W., zunächst deren jüngeren Bruder („…“) kennengelernt habe. Da sie ein großer Fan dessen Musik gewesen sei, sei sie über „…“ schließlich mit B. W. in Kontakt gekommen. Da sie nach dem Ende ihres Studiums Schwierigkeiten gehabt habe, eine Stelle zu bekommen, sei sie mit dem politischen System in Uganda immer unzufriedener geworden und habe sich schließlich auch den politischen Ideen von B. W. angeschlossen. Sie sei informell für die Bewegung „PP“ tätig gewesen. Daraus habe sich dann später einer Affäre entwickelt. Diese Ausführungen werden maßgeblich auch von den Fotos bestätigt, die zwar erst mit Schriftsatz vom 17. April 2023 und damit später als eine Woche nach Zugang der Ladung am 16. Februar 2023 vorgelegt wurden (§ 87b Abs. 3 VwGO). In der Ladung war die Klagepartei aufgefordert worden, u.a. sämtliche Tatsachen und Beweismittel binnen einer Woche nach Zugang der Ladung vorzulegen, soweit das noch nicht geschehen ist. Trotz der verspäteten Vorlage können diese Lichtbilder berücksichtigt werden, da deren Berücksichtigung zu keiner Verzögerung des Rechtsstreits führt (§ 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Auf diesen Aufnahmen ist die Klägerin sowohl in Uganda wie auch in … mit B. W. in dessen Nähe zu sehen. Der Glaubhaftigkeit steht nicht entgegen, dass die Klägerin zu 1 in ihrer Anhörung beim Bundesamt eine politische Tätigkeit bei der „PP“ und eine politische Verbundenheit mit den Zielen von B. W. nicht angegeben hat. Es ist insoweit stimmig und nachvollziehbar, wenn sie hierzu erläutert hat, dass sie damals sagen sollte, warum sie Uganda verlassen habe. Es ist nachvollziehbar, wenn sie dabei ausschließlich ihr persönliches Schicksal und nicht ihre politische Überzeugung geschildert hat. Glaubhaft für das Gericht ist auch, dass und warum die Klägerin zu 1 die intime Beziehung zu B. W. im Herbst 2018 beendet hat. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Bekanntschaft mit ihm ist es auch plausibel, dass sich die Klägerin zu 1 beim Konzert am 15. Dezember 2018 im „backstage-Bereich“ aufgehalten hat und fliehen konnte.
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Für das Gericht ist es stimmig und nachvollziehbar, dass die Klägerin zu 1 zum persönlichen Umfeld von B. W. gezählt wurde. Auch wenn B. W. erst Anfang November 2020 als Präsidentschaftskandidat nominiert wurde, war er bereits 2018 durch seine Musik sehr populär und in der Politik engagiert. Angesichts der auf einen Machterhalt ausgerichteten Führungselite Ugandas ist es plausibel, wenn ein junger, aufstrebender und populärer Musiker und Politiker mitsamt seinem persönlichen Umfeld ins „Fadenkreuz“ der herrschenden Regierung gerät. Wie in den Erkenntnismitteln berichtet wird, gehören zu den Mitteln, oppositionelle Politiker in ihrer Arbeit zu behindern, auch polizeiliche Maßnahmen, wie etwa Festnahmen (vgl. Konrad-Adenauer-Stiftung, Länderbericht Januar 2021, Wahlen in Uganda). Es ist daher plausibel, dass entsprechende Maßnahmen auch gegenüber Personen eingesetzt werden, die dem persönlichen Umfeld von populären Oppositionspolitikern zugerechnet werden. Ein solches Vorgehen hat die Klägerin zu 1 geschildert. Ein Verhör bei der Polizei, das „Abholen von der Schule“ einer Tochter als Einschüchterungsmaßnahme und Überfälle auf die Klägerin zu 1 fügen sich in das Bild, das insbesondere im zitierten Bericht der Konrad-Adenauer-Stiftung gezeichnet wird. Es ist nachvollziehbar, dass sich die Klägerin zu 1 nicht an die Polizei gewendet hat, da sie aufgrund der Wortwahl und zeitlichen Nähe der Überfälle überzeugt war, dass hinter den Übergriffen staatliche Stellen stehen würden, insbesondere die Polizei. Auch wenn sich die Klägerin zu 1 seit 2018 nicht mehr in Uganda aufhält, so hat sich bei der Wahl im Januar 2021 B. W. als ernsthafter Konkurrent des amtierenden Präsidenten herausgestellt. Es ist daher davon auszugehen, dass die regierende Führungselite nach wie vor ein großes Interesse hat, auch das Umfeld von B. W. zu beherrschen. Die Klägerin zu 1 ist diesem Umfeld nach wie vor zuzurechnen. Denn sie hat B. W. bei einem Besuch in Deutschland getroffen und ist nach der Bestätigung vom 15. März 2023 aktuell „Current Ugandan Coordinator of the National Unitiy Platform Germany“ und damit an prominenter Stelle in Deutschland für die Partei von B. W. engagiert. Das zeigt sich auch an dem Umstand, dass sie als Veranstalterin einer Versammlung in M. … am 2. Dezember 2020 mit dem Thema aufgetreten ist: „Menschen sterben in Uganda – Stoppt Polizei Brutalität in Uganda“. Es ist daher mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Klägerin zu 1 bei einer Rückkehr nach Uganda wieder in das beschriebene „Fadenkreuz“ der herrschenden Führungselite geraten und entsprechenden Drohungen und Übergriffen ausgesetzt sein würde.
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b) Da Polizeibeamte in zivil bereits im Jahr 2018 eine Tochter der Klägerin zu 1 „von der Schule abgeholt“ und festgehalten haben, droht eine entsprechende beachtliche Wahrscheinlichkeit der Gefahr asylerheblicher Verfolgung auch den Klägerinnen zu 2 und 3. Denn als Töchter der Klägerin zu 1 stehen sie in der Gefahr, dass durch Übergriffe auf diese ein entsprechender Druck auf die Klägerin zu 1 ausgeübt werden soll.
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Einer Entscheidung über die hilfsweise gestellten Anträge bedurfte es nicht, da die Klägerinnen mit ihrem Hauptantrag Erfolg haben.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.