Titel:
Zuwendungsrecht, Rücknahme, Isolierte Anfechtungsklage (unzulässig), Unternehmen in Schwierigkeiten
Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe)
Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für Dezember 2020 (Dezemberhilfe)
Schlagworte:
Zuwendungsrecht, Rücknahme, Isolierte Anfechtungsklage (unzulässig), Unternehmen in Schwierigkeiten
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18272
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin, eine im Jahr 2016 gegründete Kapitalgesellschaft, betreibt das … … Hotel am Flughafen … Sie begehrt von der Beklagten die Gewährung der beantragten Zuwendungen im Rahmen der außerordentlichen Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (sog. Novemberhilfe) bzw. für Dezember 2020 (sog. Dezemberhilfe).
2
Unter dem Antragsdatum … Dezember 2020 beantragte die Klägerin durch einen prüfenden Dritten bei der Beklagten die Gewährung einer Novemberhilfe ( …- …) unter Angabe der Branche „Hotels (ohne Hotels …)“, wobei das automatische Antragssystem einen voraussichtlichen Förderbetrag iHv 102.792,46 EUR errechnete. Hierauf wurde zunächst mit Bescheid vom gleichen Tag eine Abschlagszahlung auf die Novemberhilfe in Höhe von 50.000.- EUR bewilligt und ausgezahlt. Nach einer Plausibilitätsprüfung richtete die Beklagte mehrere Nachfragen an die Klägerin, zu denen der prüfende Dritte Stellung nahm und Unterlagen vorlegte. Mit Schreiben vom 19. Juli 2021 teilte die Beklagte mit, dass sie davon ausgehe, dass es sich bei der Klägerin um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handele und sie daher nicht antragsberechtigt sei. Die Beklagte beabsichtige daher, den Antrag mangels Antragsberechtigung abzulehnen und gewährte Frist zur Stellungnahme bis 28. Juli 2021. Hierauf nahm der prüfende Dritte mit Nachricht vom 23. Juli 2021 dahingehend Stellung, dass sich das Unternehmen lediglich nach der Auslegung des Art. 2 Nr. 18 der EU-VO 651/2014 zum 31. Dezember 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, nicht aber nach deutschen insolvenz- und handelsrechtlichen Vorschriften angesichts der vorliegenden Patronats- und Rangrücktrittserklärung. Weiterhin teilt er mit, der Alleingesellschafter habe mittlerweile einen Teil des Gesellschafterdarlehens (6,2 Mio. EUR) in eine Kapitalrücklage umgewandelt, und legt den entsprechenden Gesellschafterbeschluss vom 22. Juli 2021 vor. Das Unternehmen habe die wirtschaftlichen Schwierigkeiten daher überwunden. Mit nicht datiertem Bescheid, dem prüfenden Dritten elektronisch zugestellt mit Benachrichtigung vom 23. Februar 2022, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Novemberhilfe ab, nahm den Bescheid vom 22. Dezember 2020 über die Gewährung einer Abschlagszahlung zurück und setzte den zu erstattenden Betrag auf 50.000.- EUR fest.
3
Unter dem Antragsdatum 22. Januar 2021 beantragte die Klägerin durch einen prüfenden Dritten bei der Beklagten die Gewährung einer Dezemberhilfe (…) unter Angabe der Branche „Hotels (ohne Hotels …)“. Hierauf wurde zunächst mit Bescheid vom 23. Januar 2021 eine Abschlagszahlung auf die Dezemberhilfe in Höhe von 30.803,03.- EUR bewilligt und ausgezahlt. Mit Bescheid vom 25. Februar 2021 wurde der Klägerin dann eine Dezemberhilfe über 61.606,06 EUR bewilligt und der Differenzbetrag zur Abschlagszahlung ausbezahlt. Mit Schreiben vom 27. September 2021 teilte die Beklagte mit, dass sie davon ausgehe, dass es sich bei der Klägerin um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handele und sie daher nicht antragsberechtigt sei. Die Beklagte beabsichtige daher, den Antrag mangels Antragsberechtigung abzulehnen und gewährte Frist zur Stellungnahme bis 6. Oktober 2021. Hierauf nahm der prüfende Dritte mit Nachricht vom 28. September 2021 wie oben Stellung. Mit Bescheid vom 2. Februar 2022, dem prüfenden Dritten elektronisch zugestellt mit Benachrichtigung vom gleichen Tag, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Dezemberhilfe ab, nahm den Bescheid vom 25. Februar 2021 über die Gewährung einer Dezemberhilfe zurück und setzte den zu erstattenden Betrag auf 61.606,06 EUR fest.
4
Mit Schreiben vom 4. März 2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München gegen beide Ablehnungsbescheide der Beklagten. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 30. August 2022 werden folgende Anträge gestellt, die der Bevollmächtigte ausdrücklich auch entsprechend in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll wiederholt hat:
5
„I. Der Bescheid der Beklagten vom (ohne Datum) über die Ablehnung einer begehrten Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer außerordentlichen Wirtschaftshilfe für November 2020 („Novemberhilfe“) – Antrag der Klägerin vom 22.12.2020 zum Az der Beklagten … – wird aufgehoben.
6
II. Der Bescheid der Beklagten vom 02.02.2022 über die Ablehnung einer begehrten Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer außerordentlichen Wirtschaftshilfe für Dezember 2020 („Dezemberhilfe“) – Antrag der Klägerin vom 22.01.2021 zum Az der Beklagten … – wird aufgehoben.
7
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.“
8
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, bei der Klägerin handele es sich nicht um Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der einschlägigen Förderrichtlinien. Zwar habe sich die Klägerin nach den einschlägigen Prüfkriterien zum Stichtag 31. Dezember 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden, indem ihr mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verloren gegangen war. Indes erfülle sie beide Ausnahmen, die nach den Vollzugshinweisen vorgesehen seien: Zum einen habe die Klägerin den Status eines Unternehmens in Schwierigkeiten zwischenzeitlich wieder überwunden, indem sie eine Kapitalrücklage in Höhe von 6,2 Mio. EUR durch Umwandlung von Nachrangdarlehen des Gesellschafters gebildet habe. Sie habe die entsprechenden Dokumente (Rangrücktrittserklärung mit Passivierung über rund 19,7 Mio. EUR, Patronatserklärung des Gesellschafters über 1,5 Mio. EUR pro Geschäftsjahr) der Beklagten während des laufenden Zuwendungsverfahrens vorgelegt. Folglich habe das Eigenkapital der Klägerin ausweislich des Jahresabschlusses 2021 auf rund 655.000 EUR und damit mehr als das 26-fache des gezeichneten Kapitals betragen. Zum anderen sei die Klägerin angesichts von Umsätzen von bisher höchstens rund 2,3 Mio. EUR und weit weniger als 50 Mitarbeitern als kleine Kapitalgesellschaft im Sinne der §§ 242 ff. HGB bzw. ein KMU im Sinne von Art. 2 des Anhangs I der AGVO zu qualifizieren, mit der Folge, dass der Verlust des hälftigen Stammkapitals nur dann zu berücksichtigen sei, wenn sie Gegenstand eines Insolvenzverfahrens nach nationalem Recht sei oder sie bereits Rettungsbeihilfen oder Umstrukturierungsbeihilfen erhalten habe, was beides auf die Klägerin nicht zutreffe. Die Beklagte habe daher ermessensfehlerhaft und willkürlich unter Missachtung der Vollzugsvorgaben der Bundesregierung gemäß der Anlage zur Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern die Förderfähigkeit der Klägerin abgelehnt.
11
In ihrem Schriftsatz vom 22. April 2022 verteidigt die Beklagtenbevollmächtigte die streitbefangenen Bescheide. Sie verweist insbesondere darauf, dass die Bilanzen der Klägerin zum 31. Dezember 2019 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 3.558.533,96 EUR und zum 31. Dezember 2020 einen Fehlbetrag von 4.628.746,66 EUR auswiesen. Der prüfende Dritte habe bestätigt, dass sich das Unternehmen aufgrund umfassender Renovierung des Hotels zum 31. Dezember 2019 im beihilferechtlichen Sinne in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden habe. Dass sich das Unternehmen nach dem Vortrag der Klägerin nach deutschem Insolvenz- und Handelsrecht nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, sei gemäß Ziff. 2.7 der einschlägigen Förderrichtlinien unerheblich, da es allein auf die europarechtliche Definition ankomme. Dass die Klägerin ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Förderantrag wieder überwunden habe, sei von ihr nicht dargelegt worden. Maßgeblich sei nach der ständigen Verwaltungspraxis nach der genannten europarechtlichen Definition das ausreichende Eigenkapital; die Sicherungsmittel der Patronats- und Rangrücktrittserklärung genügten hierfür nicht. Ein solches Vorgehen sei auch nicht willkürlich, denn es sei Ziel der November- und Dezemberhilfe, einen Teil des Umsatzausfalles zu kompensieren, der auf den Schließungsanordnungen vom 28. Oktober 2020 beruhe; sie diene nicht der Rettung solcher Unternehmen, die sich aufgrund anderer Umstände bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befänden. Ferner könne sich die Klägerin auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da die Bescheide ausdrücklich unter dem Vorbehalt der vollständigen Prüfung des Antrags (vgl. Nr. 9 der Nebenbestimmungen) ergangen und auf die Pflicht zur Erstattung der Förderleistung bei Fehlen der Fördervoraussetzungen hingewiesen worden seien. Außerdem sei das Vertrauen auch nicht schutzwürdig wegen unrichtiger Angaben bei der Antragstellung, Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG.
12
Mit Beschluss vom 20. Januar 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen.
13
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagtenvertreterin ausgeführt, es komme nach ihrer ständigen Verwaltungspraxis darauf an, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung die wirtschaftlichen Schwierigkeiten tatsächlich überwunden wurden und nicht lediglich ein Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital umgewandelt worden sei. Sie hat weiterhin präzisiert, es habe im vorliegenden Fall auf die Ausführungen des prüfenden Dritten hin eine Einzelfallbetrachtung stattgefunden. Dabei sei anhand der Unterlagen des Unternehmens (seit dem Jahr 2018) festgestellt worden, dass das Unternehmen bis zum Stichtag und auch in der Zeit davor keinerlei Gewinne erwirtschaftet, sondern die Defizite sogar vergrößert habe. Man habe somit die bilanzielle Betrachtung, also die Erhöhung des Eigenkapitals, mit einer materiellen Betrachtungsweise verknüpft, aus der sich ergeben habe, dass aufgrund der fehlenden Gewinne nicht von einem gesunden Unternehmen ausgegangen werden könne.
14
Der Klägerbevollmächtigte bestätigte im Rahmen der mündlichen Verhandlung, dass das Unternehmen der Klägerin bisher keine Gewinne erzielt habe und präzisierte, dies sei dem Umstand geschuldet, dass die Klägerin ein altes Hotel übernommen habe, das erst aufwendig zu renovieren gewesen sei. Kurz vor Beginn der Corona-Pandemie habe man die Bettenzahl deutlich erhöht und zunehmende Buchungen zu verzeichnen gehabt. Ohne die Pandemie, von der das …hotel der Klägerin in besonderem Maße betroffen gewesen sei, hätte man im Jahr 2020 aller Voraussicht nach Gewinne erzielt. Ferner sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Erhöhung des Eigenkapitals durch Umwandlung eines Gesellschafterdarlehens für nicht ausreichend erachtet werde, denn es müsse doch entscheidend darauf ankommen, dass die bestehenden Defizite ausgeglichen worden sein. Es handele sich um bilanzielle Feinheiten, die für die Förderung keine Rolle spielen dürften. Weiterhin trug der Klägerbevollmächtigte vor, ihm seien mehrere Fälle bekannt, in denen die Erhöhung des Eigenkapitals anerkannt und daraufhin die Förderung ausbezahlt worden sei. Das Vorgehen der Beklagten, erst im Klageverfahren weitere einschränkende Kriterien vorzutragen, verstoße im Übrigen gegen die Sorgfaltspflichten der Beklagten und stelle sich als willkürlich dar.
15
Die Beklagtenvertreter führten dazu aus, der Umstand, dass möglicherweise in anderen Fällen die Erhöhung des Eigenkapitals als ausreichend für eine Forderung angesehen wurde, stehe der zuvor dargelegten Verwaltungspraxis nicht entgegen, denn es sei davon auszugehen, dass in diesen Fällen noch keine nähere Prüfung erfolgt und daher noch nicht über die Rücknahme entschieden worden sei.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der vorgelegten Behördenakte sowie der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
17
Die Klage ist bereits unzulässig.
18
I. Der von der Klägerin ausdrücklich nur als solche erhobenen isolierten Anfechtungsklage gegen die beiden Rücknahme-, Rückforderungs- und Ablehnungsbescheide fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Für eine isolierte Anfechtungsklage besteht prinzipiell kein Rechtsschutzbedürfnis, solange das Interesse an der Gewährung fortbesteht (BVerwG, U.v. 21.11.2006 – 1 C 10/06 – juris Rn. 16, U.v. 7.9.1987 – 6 C 30/86 – juris Rn. 9; SächsOVG, U.v. 2.12.2022 – 4 A 566/20 – juris Rn. 15; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 42 Rn. 30). So liegt der Fall hier. Das Begehren der Klägerin ist der Sache nach weiterhin auf die Gewährung der beantragten November- bzw. Dezemberhilfe gerichtet. Hierüber hat die Beklagte jeweils durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Dieses Klagebegehren hätte die Klägerin nur mit einer Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO erreichen können.
19
Der Klägerbevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich den Klagegegenstand auf die Anfechtung der beiden „Aufhebungsbescheide“ beschränkt. Da jedoch beide streitgegenständlichen Bescheide in Ziffer 1 bzw. 2 auch die Ablehnung des jeweiligen Zuwendungsantrags enthalten, greift ein bloßer Aufhebungsantrag zu kurz. Ein dauerhafter Rechtsgrund für das Behaltendürfen der bereits ausgezahlten Zuwendungen bestünde im Falle der bloßen Aufhebung der beiden Ablehnungs- und Rücknahmebescheide damit gerade nicht, sondern würde vielmehr erst durch die positive Entscheidung der Beklagten über den jeweiligen Förderantrag geschaffen. Dem Rechtschutzbegehren der Klägerin kann daher nur mit entsprechenden Verpflichtungsanträgen, die im Rahmen einer Versagungsgegenklage zu verfolgen sind, entsprochen werden.
20
Eine Ausnahme vom Vorrang der Verpflichtungsklage, die von der Rechtsprechung in Einzelfällen anerkannt wird, ist vorliegend nicht einschlägig. Hiernach kann in Fällen, in denen eine mit dem streitgegenständlichen Bescheid verbundene Beschwer nur oder besser mit einer Anfechtungsklage abgewendet werden kann, ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage bestehen (BVerwG, U. v. 21.11.2006 – 1 C 10/06 – juris Rn. 16). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Insbesondere kann die Klägerin nicht davon ausgehen, dass die Beklagte auf eine bloße gerichtliche Aufhebung der beiden Ablehnungs- und Rücknahmebescheide hin, die vorangegangenen, dadurch in ihrer Wirkung wiederhergestellten Bescheide dauerhaft aufrechterhalten werde. Im Fall der Novemberhilfe ist dies bereits deshalb nicht zu erwarten, da der mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom Februar 2022 aufgehobene Bescheid vom 22. Dezember 2020 lediglich eine Abschlagszahlung unter dem Vorbehalt der vollständigen Prüfung des Antrags und der endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid gewährte. Dementsprechend hat die Beklagtenbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich und zutreffend betont, dass die Bewilligung der Abschlagszahlung für die Novemberhilfe vom 22. Dezember 2020 lediglich einen Zwischenschritt im Förderverfahren darstelle und es selbst im Falle einer gerichtlichen Aufhebung des Rücknahmebescheids nicht bei dieser Entscheidung im Förderverfahren bleiben könne. Im Ergebnis nichts Anderes gilt für die vorläufige Bewilligung der Dezemberhilfe vom 25. Februar 2021, die unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid erging. Erst die endgültige Entscheidung in einem Schlussbescheid schafft einen das Zuwendungsverfahren abschließenden, dauerhaften Rechtsgrund zum Behaltendürfen der Förderung. Vor diesem Hintergrund stünde auch die mit der Klage begehrte isolierte Aufhebung der beiden Ablehnungs- und Rücknahmebescheide – selbst im Falle ihrer Rechtskraft – einer erneuten Ablehnung der Förderanträge – unter Aufhebung der bisherigen lediglich vorläufigen Bewilligungen – in einem künftigen Schlussbescheid jeweils nicht entgegen.
21
II. Darüber hinaus wäre die Klage auch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der beiden Rücknahme-, Rückforderungs- und Ablehnungsbescheide, da sich die getroffenen Anordnungen als rechtmäßig erweisen und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22
Hierzu wird auf die ständige Rechtsprechung der hiesigen Kammer zur Rücknahme von Zuwendungen in der Konstellation von Vorbehalts- und Schlussbescheiden (vgl. aktuell z.B. VG München, U.v. 7.2.2023 – M 31 K 22.1711 – Rn. 35 ff.) sowie zum weiten Gestaltungsspielraum des Zuwendungsgebers bei der Ausgestaltung von Billigkeitsleistungen wie den streitgegenständlichen Corona-Hilfsprogrammen der November- und Dezemberhilfe – insbesondere betreffend die fehlende Antragsberechtigung von Unternehmen in Schwierigkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2022 – 22 ZB 22.1151 – juris; VG München, U.v. 15.12.2022 – M 31 K 21.4266 – juris; U.v. 23.2.2022 – M 31 K 21.418 – juris; U.v. 23.3.2021 – M 31 K 20.6004 – juris) – verwiesen.
23
Die Klägerin hat demnach keinen Anspruch auf die beantragte Zuwendung, weil es bei ihr nach der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten an der Antragsberechtigung für die Gewährung der November- und Dezemberhilfen fehlt. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Beurteilung, ob sich ein Unternehmen in Schwierigkeiten befindet (vgl. Nr. 2.7 der Zuwendungsrichtlinien), keine rein bilanzielle Betrachtung vornimmt, sondern diese mit einer wertenden Gesamtbetrachtung der Unternehmenszahlen verknüpft. Hiernach reicht eine bloße Eigenkapitalerhöhung durch Umwandlung von Gesellschafterdarlehen nicht aus. Vielmehrkommt es nach der materiell-rechtlich allein maßstäblichen ständigen Vollzugspraxis entscheidend darauf an, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung die wirtschaftlichen Schwierigkeiten tatsächlich überwunden sind und folglich bei wertender Gesamtbetrachtung von einem – wie die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – „gesunden Unternehmen“ ausgegangen werden kann.
24
Im Fall der Klägerin hat die Beklagte im Rahmen einer Einzelfallprüfung anhand der vorgelegten Unterlagen ab dem Jahr 2018 festgestellt, dass das Unternehmen der Klägerin bis zum Stichtag keinerlei Gewinne erwirtschaftet hatte, sondern sich die Defizite sogar vergrößert haben. Unerheblich ist dabei, dass dies – wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung präzisiert hat – dem Umstand geschuldet sein mag, dass die Klägerin ein in die Jahre gekommenes Hotel übernommen hat, das zunächst aufwändig zu renovieren war, bevor damit Gewinne zu erzielen waren, was nach Ansicht der Klägerin ohne die Pandemie, von der das streitgegenständliche …hotel in besonderem Maße betroffen war, aller Voraussicht nach im Jahr 2020 der Fall gewesen wäre. Ebenso unerheblich ist, dass die Beklagte diese restriktive Betrachtungsweise, die sich dem Wortlaut der einschlägigen Förderrichtlinien sowie der FAQ nicht ohne Weiteres entnehmen lässt, erst im Klageverfahren präzisiert.
25
Darauf kommt es jedoch aufgrund des eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsmaßstab im Zuwendungsrecht nicht an, denn das Gericht darf die Förderrichtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – auslegen, sondern hat lediglich zu prüfen, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt (vgl. statt vieler z.B. BayVGH, B.v. 3.8.2022 – 22 ZB 22.1151 – juris Rn. 17).
26
Folglich ergibt sich kein Anspruch der Klägerin aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass vom Beklagten in vergleichbaren Fällen eine Antragsberechtigung als gegeben angesehen und eine November- bzw. Dezemberhilfe gewährt wurde. Auch wenn der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, es seien ihm mehrere Fälle bekannt, in denen bei Unternehmen, die vor dem maßgeblichen Stichtag zumindest zeitweilig wirtschaftliche Verluste erlitten hätten, die Erhöhung des Eigenkapitals anerkannt wurde, so liegt hierin mit Blick auf die materiell-rechtlich allein entscheidende Vollzugspraxis der Beklagten zum Prüfungsmaßstab bei der Frage, wann im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung vom Vorliegens eines „gesunden Unternehmens“ und damit der Überwindung von wirtschaftlichen Schwierigkeiten i.S.d. Nr. 2.7 der Zuwendungsrichtlinien auszugehen ist, bereits kein ausreichend substantiierter Vortrag. Darüber hinaus hätte die Beklagte mit einer in Einzelfällen unrichtigen Sachbehandlung auch keine abweichende Verwaltungspraxis konstituiert. Eine Gleichbehandlung „im Unrecht“ kann die Klägerin nicht beanspruchen. Für die Annahme einer kraft behördlicher Selbstbindung beachtlichen neuen Verwaltungspraxis bedarf es einer aus den Umständen des Einzelfalls erkennbar werdenden Absicht, zukünftig vergleichbare Fälle ebenso zu behandeln. Eine solche Praxis setzt dabei bewusst und gewollt dauerhaft geänderten Vollzug voraus, der sich aus einer im Nachhinein als fehlerhaft erkannten Rechtsanwendung des Beklagten gerade nicht ergibt. Eine lediglich irrtümliche Abweichung in Einzelfällen begründet hingegen gerade keine Änderung der Verwaltungspraxis (vgl. z.B. NdsOVG, U.v. 24.3.2021 – 10 LC 203/20 – juris Rn 29 f.; VG Würzburg, U.v. 26.4.2021 – W 8 K 20.2093 – juris Rn. 43; VG München, U.v. 23.3.2021 – M 31 K 20.4082 – juris Rn. 42) und damit auch keinen Anspruch der Klägerin. Die Beklagte hat die Möglichkeit, in solchen Fällen von den Aufhebungsvorschriften der Art. 48 ff. BayVwVfG, namentlich der Rücknahmebefugnis des Art. 48 BayVwVfG, Gebrauch zu machen oder entsprechende Vollzugsdefizite im Rahmen etwaiger Schlussbescheide zu korrigieren, damit rechtswidrige Bewilligungen rückgängig zu machen und entsprechende Auszahlungen zurückzufordern (Art. 49a BayVwVfG).
27
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist dabei, dass nach der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten im Vollzug der Förderrichtlinien kein Spielraum für die Berücksichtigung besonderer, atypischer Fälle besteht. Allein diese Praxis ist maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung. Eine Berücksichtigung atypischer Fälle mag zwar aus Sicht der Klägerin sinnvoll und wünschenswert erscheinen, um den Besonderheiten eines Unternehmens, das aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht rechtzeitig in die Gewinnzone gelangt ist, im Vollzug der November- und Dezemberhilfe Rechnung zu tragen. Indes leitet sich daraus kein Anspruch auf Gewährung einer Ausnahme im Ermessenswege ab (vgl. VG München, U.v. 3.7.2021 – M 31 K 21.1483 – juris Rn. 29 ff. = BayVBl. 2022, 717).
28
Folglich ist auch die Rückforderung der ausbezahlten Abschlagszahlung für die Novemberhilfe sowie die ausbezahlte Dezemberhilfe in der geltend gemachten Höhe auf Grundlage von Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ebenfalls rechtmäßig. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit – wie hier – ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Die zu erstattende Leistung ist gemäß Art. 49a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG durch schriftlichen Verwaltungsakt festgesetzt.
29
Gegen die ferner angeordnete Verzinsung bei Zahlungsverzug bestehen keine Bedenken, zumal mit dieser Regelung ohnehin von der auf Grundlage des Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG möglichen Verzinsung zum Teil abgesehen wurde.
30
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
31
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.