Titel:
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (verneint), Kein öffentlich-rechtlicher Streit bei Weiterbildung nach Empfehlungen der Deutschen, Krankenhausgesellschaft in von dieser, aber nicht staatlich anerkannter Weiterbildungsstätte, Gleichstellung nur bei Vergleichbarkeit
Normenketten:
GVG § 17a Abs. 2 S. 1
VwGO § 40
AFGB § 2
AVPFleWoqG § 57 Abs. 1 Nr. 2
ArbGG § 2
Schlagworte:
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (verneint), Kein öffentlich-rechtlicher Streit bei Weiterbildung nach Empfehlungen der Deutschen, Krankenhausgesellschaft in von dieser, aber nicht staatlich anerkannter Weiterbildungsstätte, Gleichstellung nur bei Vergleichbarkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18265
Tenor
I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht München verwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
1
Der Kläger begehrt Rechtsschutz hinsichtlich der Bewertung des Ergebnisses einer Wiederholungsprüfung des Fachmoduls IV der pflegerischen Weiterbildung in der Intensiv- und Anästhesiepflege.
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Der Kläger nahm ab dem ... an einer Weiterbildung zur Intensivpflege und Anästhesie, Kurs 36 an der ... teil, die von der Beklagten betrieben wird. Die ... ist von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (***) als Weiterbildungsstätte für die Intensiv- und Anästhesiepflege anerkannt. Die … verabschiedet Empfehlungen zur pflegerischen Weiterbildung unter anderem im Fachgebiet Intensiv- und Anästhesiepflege (* …-Empfehlungen). Die ... führt eine „Interne Richtlinie zur Weiterbildung Intensiv- und Anästhesiepflege Kurs 36 […]“, in der zum Teil auf die …-Empfehlungen Bezug genommen wird.
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Nach dem Nichtbestehen einer ersten Prüfung am ... leistete der Kläger am ... den mündlichen Teil der Wiederholungsprüfung ab, die in Form einer als Präsentation der zuvor eingereichten schriftlichen Arbeit stattfand.
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Mit Schreiben vom ... wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Wiederholungsprüfung zum Fachmoduls IV nicht bestanden und die Gesamtleistung als mangelhaft (4,5) bewertet worden sei. Die Gesamtnote ergebe sich zu gleichen Teilen aus der Note des schriftlichen Teils (4,4) und der der mündlichen Prüfung in Form der Präsentation (4,6). Die Ausbildung sei daher ohne erfolgreichen Abschluss beendet.
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Dagegen hat der Kläger am ... Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und sinngemäß die Verpflichtung zur Bewertung als bestanden, hilfsweise zur Neubewertung, hilfsweise zum Einräumen eines erneuten Wiederholungsversuches beantragen lassen. Inhaltlich wendet er sich gegen das Stattfinden der sowie die Bewertung des mündlichen Teils.
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Die Beteiligten wurden in der mündlichen Verhandlung am 23. Juni 2023 auf die im Rahmen der Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung aufgekommenen gerichtlichen Zweifel an der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs hingewiesen. Die mündliche Verhandlung wurde vertagt und den Beteiligten zusätzlich Gelegenheit zur schriftsätzlichen Stellungnahme gewährt.
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Für die Beklagte wurde daraufhin mitgeteilt, dass sie keine staatlich anerkannte Weiterbildungsstätte sei.
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Die Klägerseite vertritt die Auffassung, dass die Beklagte – wie in anderen Bundesländern landesrechtlich geregelt – auch in Bayern öffentlich-rechtlich tätig wird, da mit der Fortbildung ein staatlich anerkannter Fortbildungsabschluss erworben werde. Die Fortbildungen nach der Empfehlung der … werde auch gesetzlich als förderfähig angesehen. Im Übrigen sei der Zeitablauf zu berücksichtigen. Im Falle einer Verweisung sei an die Arbeitsgerichtsbarkeit zu verweisen, da die Fortbildung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses des Klägers bei der … …, ... … erfolge.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen
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Der Ausspruch der Unzulässigkeit des Rechtswegs und die Verweisung an das örtlich und sachlich zuständige Arbeitsgericht München erfolgt nach § 173 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverwaltungsgesetz (GVG).
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Der Beschluss ergeht nach § 17a Abs. 4 Satz 1 GVG ohne (weitere) mündliche Verhandlung.
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1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nicht eröffnet.
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Gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art eröffnet.
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Ob eine Streitigkeit eine öffentlich-rechtliche oder eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit ist, bestimmt sich nach dem Charakter des Rechtsverhältnisses, aus dem der streitbefangene Rechtsanspruch oder die sonstige streitbefangene Rechtsfolge hergeleitet wird. Maßgeblich ist, ob der durch den Klageanspruch und den Klagegrund konkretisierte Streitgegenstand unmittelbar durch das öffentliche Recht oder durch das bürgerliche Recht geregelt und deswegen die gerichtliche Entscheidung über den Klageanspruch nach öffentlichem Recht oder aber nach bürgerlichem Recht zu treffen ist. Für die hiernach zu treffende Entscheidung über den Rechtsweg ist der objektive rechtliche Charakter des Klageanspruchs maßgebend, so wie sich dieser nach den zur Begründung der Klage vorgetragenen, im Rahmen der Rechtswegentscheidung als zutreffend zu unterstellenden Tatsachen ergibt; auf die rechtliche Bewertung der Beteiligten kommt es nicht an (vgl. BVerwG, U.v. 25.3.1982 – 2 C 30.79 – juris Rn. 27).
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Daran gemessen ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht gegeben, da dem Streit keine öffentlich-rechtlichen Normen zugrunde liegen. Weder die …-Empfehlungen noch die internen Richtlinien der ... sind objektiv öffentlich-rechtlicher Natur.
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Schon die Betitelung der Ausbildungsvorgaben der … als „Empfehlungen“ bietet hinreichenden Anhalt dafür, dass es sich insoweit um keine staatliche Regelung handelt. Im Übrigen ist der … – als zivilrechtlich organisiertem Verein und Interessenverband der bundesdeutschen Krankenhausträger – weder legislativ noch exekutiv die Aufgabe übertragen, hoheitliche und allgemeinverbindliche Regelungen zur Weiterbildung von Intensiv- und Anästhesiepflegern zu treffen. Gleiches gilt für die internen Weiterbildungsrichtlinien der ... Zudem ist weder die Ausbildung dort noch nach allein maßgeblichem bayerischem Landesrecht der Weiterbildungsabschluss staatlich anerkannt.
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Daran ändert auch die klägerseitig vorgebrachte Förderfähigkeit gleichwertiger Fortbildungsabschlüsse nach den Weiterbildungsempfehlungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) nichts. Einerseits geht schon nach Systematik und Wortlaut aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AFBG hervor, dass es sich bei den Empfehlungen nicht um eine bundes- oder landesrechtliche Regelungen handelt. Andererseits kann allein aus einer Förderfähigkeit noch nicht auf die Hoheitlichkeit von Vorgaben zu Fortbildungsinhalt und -anforderungen geschlossen werden. Soweit § 2 Abs. 2 AFBG dazu Anforderungen stellt, wird auch dabei davon ausgegangen, dass die „Durchführung nicht öffentlich-rechtlichen Vorschriften unterliegt“.
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Entgegen der Auffassung des Klägers erwirbt dieser nicht schon mit dem „Fachmodul IV“ der pflegerischen Weiterbildung in der Intensiv- und Anästhesiepflege einen staatlichen anerkannten, sondern nur einen betriebsinternen Fortbildungsabschluss. Dies zeigt sich unter anderem an § 57 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zur Ausführung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes und Weiterbildung in der Pflege und Hebammenkunde vom 27. Juli 2011 (GVBl. S. 346), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Dezember 2020 (GVBl. S. 691) – AVPfleWoqG –, wonach neben den Weiterbildungen nach den Rechts- oder Verwaltungsvorschriften des Bundes oder der Länder auch Weiterbildungen nach den Empfehlungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft gleichgestellt sind, wenn sie vergleichbar sind und erfolgreich absolviert wurden. Eine staatliche Anerkennung findet hierbei nur bei „Vergleichbarkeit“ statt und unterliegt insofern staatlicher Bewertung; eine staatliche Anerkennung ergibt sich somit nicht bereits kraft Gesetzes.
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Aufgrund der alleinigen Entscheidungserheblichkeit des objektiven rechtlichen Charakters kann es auf das – nachvollziehbare – Interesse des Klägers an einer zeitnahen Entscheidung nicht entscheidend ankommen.
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Auch eine Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich. Somit ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet.
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2. Der Streit ist nach § 173 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Arbeitsgericht München als das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen.
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Da nach der klägerseitigen Einlassung die Weiterbildung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses des Klägers bei der Beklagten stattfindet, sind gem. §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig, nach § 8 Abs. 1 ArbGG, § 48 Abs. 1a bzw. Abs. 1 i.V.m. §§ 12, 17 Abs. 1 bzw. 29 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) das Arbeitsgericht München.
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3. Eine Kostenentscheidung bleibt gem. § 17b Abs. 2 GVG dem zuständigen Gericht vorbehalten.