Titel:
Entziehung der Fahrerlaubnis wegen harter Drogen (LSD)
Normenketten:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1, Anl. 4 Nr. 9.1
Leitsätze:
1. Zur Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen führt die Einnahme von Betäubungsmitteln (ausgenommen Cannabis) und damit auch von LSD, unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Drogenkonsum muss im Sinne eines tragfähigen Nachweises feststehen (hier verneint), Mutmaßungen reichen nicht aus. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis wegen vermeintlicher einmaliger Einnahme harter Drogen (LSD kein tragfähiger Nachweis), Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Drogenbesitzes durch die Staatsanwaltschaft, Keine Gutachtensanordnung, Kein Drogenschnelltest, Aufklärungsdefizit zulasten der Fahrerlaubnisbehörde
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18260
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 6. März 2023 gegen Nrn. 1 und 2 des Entziehungsbescheids vom 1. März 2023 wird wiederhergestellt und die aufschiebende Wirkung hinsichtlich Nr. 3 des Entziehungsbescheids angeordnet.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller war im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klassen A2, A1, AM, B und L. Mit dem vorliegenden Antrag begehrt er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung seiner Fahrerlaubnis (Nr. 1 des angefochtenen Bescheids) und die Anordnung zur Ablieferung seines Führerscheins (Nr. 2) sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung (Nr. 3) für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Nr. 2 des Entziehungsbescheids.
2
Der Fahrerlaubnisbehörde (Landratsamt ...) wurde durch die Polizeiinspektion … bekannt, dass gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eingeleitet worden war, dem folgender Sachverhalt zugrunde lag:
3
Am Mittwoch, den 15. Juni 2022, um ca. 21.00 Uhr teilte der Zeuge S… V… der Polizeiinspektion … mit, dass er am Geothermiekraftwerk am B. in G. am Straßenrand ein herrenloses Fahrrad mit einem danebenliegenden Rucksack gefunden habe. Nicht weit entfernt seien drei junge Männer – einer von ihnen wie sich später herausstellte der Antragsteller – auf einem Hochsitz gesessen. Diese hätten dem Zeugen gegenüber geäußert, das Rad gehöre einer im Wald liegenden, betrunkenen Person. Der Zeuge V… gab der Polizeiinspektion gegenüber daher an, dass diese Person – bei der es sich wie mittlerweile bekannt um einen Freund des Antragstellers, Herrn J… U…, handelte – möglicherweise Hilfe benötige. Daraufhin fuhr eine Streifenbesatzung, bestehend aus der Polizeiwachtmeisterin F… und dem Polizeiobermeister M …, zum Ort des Geschehens. Während der Anfahrt meldete sich der Zeuge V… erneut telefonisch und schilderte, dass Herr U… nun ohne Oberbekleidung an der Straße entlanglaufen und unverständliche Laute von sich geben würde.
4
An der Einsatzörtlichkeit wurde Herr U… gemeinsam mit den drei anderen, ihre Räder neben sich herschiebenden Männern – unter ihnen der Antragsteller – angetroffen. Als die Polizeibeamten aus dem Polizeiwagen stiegen, sprang Herr U… auf das Dach des Dienstwagens. Herr U … wurde durch die Polizeibeamten unter Anwendung unmittelbaren Zwangs und Einsatzes von Pfefferspray zu Boden gebracht und mit Handschellen fixiert. Die anderen drei Männer wurden dabei nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag des Antragstellers und eines der anderen drei Männer, Herrn M… S… (parallel anhängiges Verfahren …), um Unterstützung gebeten. Die Polizeibeamten nahmen sodann die Personalien der anderen drei Männer auf und sprachen sie auf Herrn U … an. Daraufhin behaupteten alle drei Männer, Herrn U… nicht zu kennen, was sich später als wahrheitswidrig herausstellte. Dem polizeilichen Aktenvermerk des Polizeibeamten M… vom 18. August 2022 ist zu entnehmen, dass Herr M. … S. … nach deutlicher Ansprache jedoch zugegeben habe, dass alle drei Männer – und damit auch der Antragsteller – gemeinsam mit Herrn U. … im Wald die Droge Lysergid (LSD) konsumiert hätten. Nach dem polizeilichen Aktenvermerk vom 24. August 2022 des Polizeiobermeisters Z. …, der gemeinsam mit der Polizeimeisterin B. … kurze Zeit später zur Unterstützung am Einsatzort eintraf (s. hierzu insbesondere den zeugenschaftlichen Bericht der Polizeiwachtmeisterin F. … vom 19.6.2023), verneinten indes alle drei jungen Männer, Drogen eingenommen zu haben. Darüber hinaus bestritt Herr S. … von Anfang an ausdrücklich, die im polizeilichen Vermerk des Polizeiobermeisters M. … enthaltene Aussage hinsichtlich eines gemeinschaftlichen Drogenkonsums gemacht zu haben. Vielmehr habe er nur geäußert, zu glauben, dass Herr U. … LSD konsumiert habe. In ihren Aktenvermerken bzw. zeugenschaftlichen Berichten gaben die Beamten an, dass die drei Männer ihrer Ansicht nach auch drogentypische Ausfallerscheinungen gezeigt hätten. Sie bezogen sich hierbei darauf, dass die Männer einen ausgeprägten Redefluss aufgewiesen, „hibbelig“ und teils in ihrer Reaktionsfähigkeit verzögert gewirkt und stark geweitete Pupillen aufgezeigt hätten. Weitere drogentypische Ausfallerscheinungen wie Gleichgewichtsstörungen, Halluzinationen oder Verwirrtheit fielen den Polizeibeamten nicht auf. Bei der Durchsuchung der drei Männer und ihrer Rucksäcke durch die Polizeibeamten sind keine Drogen aufgefunden worden. Keiner der Männer wurde zu einem Drogenschnelltest aufgefordert. Dass ein echter Pupillenreaktionstest (Bewertung der Reaktion der Pupille auf Lichteinfall) vorgenommen worden wäre, ist weder den Aktenvermerken noch den zeugenschaftlichen Berichten der Polizeibeamten zu entnehmen. Auch die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens durch die Fahrerlaubnisbehörde unterblieb. Keiner der vier betroffenen Männer ist bisher wegen eines Verstoßes gegen das BtMG polizeilich in Erscheinung getreten.
5
Nach den Aussagen des Zeugen V. … in einem telefonischen Gespräch mit dem Bevollmächtigten des Antragstellers, das zwischen den Parteien unstreitig blieb, hat auf diesen nur Herr U. … einen drogenberauschten Eindruck gemacht. Mit den anderen drei Männern habe er ein völlig normales Gespräch führen können. Er sei bereit, seine Aussagen in einer mündlichen Verhandlung zur Hauptsache zu wiederholen. Von der Fahrerlaubnisbehörde sei er bisher nicht kontaktiert worden.
6
Gegen alle vier beteiligten Männer wurde ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das BtMG eingeleitet. In seiner Beschuldigtenvernehmung vom 22. Juni 2022 gab Herr U. … an, sich an den Tathergang nicht mehr erinnern zu können. Die anderen drei Männer gaben an, sich nicht zur Sache äußern zu wollen und gaben die ihnen vorgeworfenen Straftaten ausdrücklich nicht zu. Das Strafverfahren wurde durch Verfügung der Staatsanwaltschaft München II vom 19. September 2022 aus tatsächlichen Gründen mit folgendem Wortlaut eingestellt: „[…] Aufgrund der zur Verfügung stehenden Zeugen kann lediglich nachgewiesen werden, dass die Beschuldigten LSD konsumiert haben. Der bloße Konsum von Betäubungsmitteln ist nach dem Prinzip der Straflosigkeit von Selbstschädigungen nicht strafbar. Konsum setzt keineswegs Besitz voraus […].“
7
Mit Schreiben vom 3. Februar 2023 hörte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Daraufhin sprach der Vater des Antragstellers am 8. März 2023 persönlich bei der Fahrerlaubnisbehörde vor und übergab eine schriftliche Stellungnahme des Antragstellers vom 4. Februar 2023 zur Durchsicht. In dieser weist der Antragsteller im Wesentlichen darauf hin, dass sich der Sachverhalt nicht wie im Anhörungsschreiben geschildert zugetragen habe. Insbesondere sei ein LSD-Konsum seinerseits nicht aktenkundig, er nehme keine Drogen und sei beim Eintreffen der Polizeibeamten am Einsatzort nicht „hibbelig“ gewesen, sondern habe unter Schock gestanden. Der Vater des Antragstellers legte zudem das Ergebnis eines zwischenzeitlich erfolgten freiwilligen Drogentests des Herrn U. … vor, wonach in dessen Körper keine Drogenspuren nachgewiesen werden konnten.
8
Mit Bescheid vom 1. März 2023 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller auf Grundlage des § 3 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1 des Bescheids), gab ihm auf, seinen Führerschein spätestens fünf Tage nach Zustellung des Bescheids bei der Behörde abzuliefern (Nr. 2) und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- Euro an (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4). Nr. 5 des Bescheids enthält die Kostenentscheidung. Zur Begründung ist im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Aufgrund des durch Herrn S. … eingeräumten gemeinschaftlichen Konsums von LSD, der Umstände, die zu dem Konsumeingeständnis geführt hätten und der aktenkundigen, körperlichen Anzeichen für einen stattgefundenen Betäubungsmittelkonsum stehe zur Überzeugung der Behörde fest, dass der Antragsteller seine Fahreignung verloren habe. Seine gegenteiligen Einlassungen erwiesen sich vor diesem Hintergrund als unglaubhaft und könnten einen Konsum von LSD nicht widerlegen. Daher sei ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen. Die sofortige Vollziehbarkeit der Entscheidung sei wegen der Gefahren notwendig, die von Kraftfahrern, die harte Drogen konsumieren würden, für andere Verkehrsteilnehmer ausgingen. Dem Antragsteller könne dabei der Konsum von LSD unterstellt werden. Auf den Bescheid im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
9
Der Antragsteller ließ seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 6. März 2023 gegen diesen Bescheid Widerspruch erheben, der gleichzeitig begründet wurde. Darin weist dieser darauf hin, dass für einen Drogenkonsum des Antragstellers keinerlei Nachweise bestünden. Der Bevollmächtigte des Antragstellers bezieht sich außerdem auf einen den Akten nicht beiliegenden freiwilligen Drogentest des Antragstellers vom 20. Juni 2023, bei dem in dessen Körper keine Drogenspuren festgestellt worden seien.
10
Der Verpflichtung nach Nr. 2 des Entziehungsbescheids kam der Antragsteller durch Abgabe seines Führerscheins am 8. März 2023 nach.
11
Die Fahrerlaubnisbehörde half dem Widerspruch nicht ab, sondern bekräftigte ihren Standpunkt im Schreiben vom 8. März 2023, in dem sie sich vor allem auf die im polizeilichen Aktenvermerk des Polizeiobermeisters M. … angegebene Aussage des Herrn S. … stützte. Die Behörde brachte zudem vor, ihr liege lediglich der freiwillige Drogentest des Herrn U. … vor, nicht jedoch ein Test des Antragstellers. Der freiwillige Drogentest des Herrn U. … sei nicht geeignet, den stattgefundenen Drogenkonsum zu widerlegen.
12
Die Widerspruchsbehörde hat über den Widerspruch des Antragstellers noch nicht entschieden. Die am 11. April 2023 bei Gericht eingegangene Hauptsacheklage (M 19 K 23.1770) hat der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 25. Mai 2023 zurückgenommen.
13
Der Antragsteller behauptet auch weiterhin, kein LSD zu sich genommen zu haben. Herr S. … habe dies – wie er auch selbst vortrage – niemals ausgesagt, sondern lediglich, dass Herr U. … möglicherweise LSD konsumiert habe. Der Vermerk des Polizeiobermeisters M. … sei insoweit fehlerhaft. Herr S. … habe seinen Verdacht hinsichtlich des LSD-Konsums des Herrn U. … daher genommen, dass der Zeuge V. … die drei anderen Männer noch am B. auf das Verhalten des Herrn U. … angesprochen und geäußert habe, dieses sehe für ihn nach einem „LSD-Trip“ aus, er (der Zeuge V. ….) habe so etwas schon einmal selbst erlebt. Der Antragsteller behauptet des Weiteren, bei Eintreffen der Polizei am Einsatzort sei er nicht „hibbelig“ gewesen, sondern die meiste Zeit ruhig auf dem Boden gesessen. Er habe unter starkem Schock gestanden. Dies vor allem deshalb, weil Herr U. … kurze Zeit zuvor auf dem Rückweg von einem zu weit links fahrenden Auto angefahren worden sei und infolgedessen begonnen habe, sich unter Blutaussonderung heftig zu übergeben. Sie hätten daraufhin geistesgegenwärtig sofort den Notarzt gerufen. Das Kennzeichen des Unfallfahrzeugs hätten sie nicht erkennen können. Mit am 11. April 2023 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ließ der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten beantragen,
14
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 1. März 2023 wiederherzustellen.
15
Zur Begründung des Eilantrags wird das Vorbringen im Widerspruchsverfahren vertieft. Nach Würdigung der zugrundliegenden Tatsachen könne ein Drogenkonsum des Antragstellers nicht belegt werden. Die anfangs gegenüber den Polizeibeamten getätigte Aussage des Antragstellers, Herrn U. … nicht zu kennen, sei nur eine unüberlegte Schutzbehauptung gewesen, um Schwierigkeiten zu vermeiden. Der Vortrag der Polizeibeamten hinsichtlich der – vom Antragsteller bestrittenen – Ausfallerscheinungen wie einem ausgeprägten Redefluss und „hibbeligem“ Verhalten sei unschlüssig. Diese ließen sich auch dadurch erklären, dass der Antragsteller aufgrund der eskalierenden Situation unter Schock gestanden habe und begründeten keinesfalls den Nachweis eines Drogenkonsums. Der Vermerk des Polizeiobermeisters M. … über die vorgebliche Aussage des Herrn S. … hinsichtlich eines gemeinschaftlichen Drogenkonsums sei nicht nachvollziehbar. Nach dem Vermerk der Polizeiwachtmeisterin F. vom 19. Juni 2023 sei die Aussage des Herrn S. … nach deutlicher Ansprache gefallen, dem Herrn U. … nur helfen zu können, wenn klar sei, was er zu sich genommen habe. Dann sei es aber fernliegend, dass Herr S. … sich selbst belastet haben soll, da er nur auf den Konsum des Herrn U. … und nicht auf einen eigenen Konsum angesprochen worden sei. Zu einer Selbstbelastung habe es keinerlei Anlass gegeben. Jedenfalls handele es sich hierbei lediglich um die Aussage eines Dritten und nicht um ein eigenes Einräumen eines Drogenkonsums durch den Antragsteller.
16
Der Antragsgegner legte daraufhin auf elektronischem Weg seine Akten vor und beantragte
17
den Antrag abzulehnen.
18
In seiner Antragserwiderung vom 27. April 2023 trägt der Antragsgegner im Wesentlichen vor, die Überzeugung der Behörde zum stattgefundenen Drogenkonsum des Antragstellers beruhe in einer Gesamtwürdigung auf Tatsachen. Sie verkenne nicht, dass die Aussage eines Dritten nicht zwangsläufig einen stattgefundenen Drogenkonsum belege, jedoch seien im vorliegenden Einzelfall die besonderen Gesamtumstände zu berücksichtigen. Insbesondere komme dem Konsumeingeständnis des Herrn S. … ein hoher Wahrheitsgehalt zu, da es unter dem Eindruck völliger Eskalation des Herrn U. … und der Annahme dringend benötigter medizinischer Hilfe erfolgt sei. Die Aussage sei zudem hinsichtlich des „Wer“ (alle vier Männer), „Was“ (Konsum von LSD) und „Wo“ (im Wald) sehr detailliert gewesen und daher plausibel. Darüber hinaus gebe es für die Polizeibeamten keinerlei Motiv, die Aussage des Herrn S. … vorzutäuschen. Die unterschiedlich stark ausgeprägten drogentypischen Ausfallerscheinungen von Herrn U. … und den anderen drei Männern könnten am Konsum einer unterschiedlich hohen Dosis und individueller Reaktionsverschiedenheit liegen. Die Behörde bezieht sich insoweit auch auf den eigenen Vortrag des Antragstellers, Herr U. … habe sich in seinem Beisein schon vor dem Ausflug zum B. bei sich zuhause ein Blatt Papier auf die Zunge gelegt, ohne jedoch zu kommunizieren, um was es sich handele. Sie behauptet, der vom Antragsteller vorgebrachte Unfall habe nicht stattgefunden. Zwar sei zu der vorgegebenen Zeit ein entsprechender Notruf eingegangen, jedoch hätten die betroffenen drei Männer den Unfall vorgetäuscht, um für Herrn U. … Hilfe zu holen, ohne zugeben zu müssen, dass Drogen im Spiel seien. Die Behörde ist der Rechtsansicht, es komme für die Entziehung der Fahrerlaubnis allein auf die tatsachenbasierte Überzeugung zum stattgefundenen Drogenkonsum an. Sie meint darüber hinaus, die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft müsse so verstanden werden, dass ein Drogenkonsum des Antragstellers als erwiesen angesehen worden sei.
19
In seiner Replik vom 9. Mai 2023 stellt der Bevollmächtigte des Antragstellers klar, dass den Polizeibeamten keine absichtliche Falschaussage unterstellt werde, jedoch auch Polizeibeamten Fehler unterliefen, beispielsweise könnten sie unter zeitlichem Druck Aussagen falsch verstehen oder falsche Protokollierungen vornehmen. Vorliegend seien den handelnden Polizeibeamten auch Fehler unterlaufen. So sei nachweislich kein Drogentest angeordnet worden. Zudem sei ein Strafverfahren eingeleitet worden, obwohl ein Besitz von Drogen mangels Auffindens bei den Betroffenen nie im Raum gestanden habe und der bloße Drogenkonsum nicht strafbar sei. Vor diesem Hintergrund könne die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft im Übrigen keinesfalls so gelesen werden, dass ein Drogenkonsum des Antragstellers erwiesen sei, da sich die Ermittlungen auf den bloßen Konsum wegen dessen Straflosigkeit von vornherein nicht bezogen hätten.
20
Mit am 24. Mai 2023 an die Parteien ergangenem richterlichem Aufklärungsschreiben hat das Gericht darauf hingewiesen, dass nach seiner vorläufigen Rechtsauffassung Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Entziehungsbescheids bestünden, da eine unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 und § 11 Abs. 7 FeV zwar nicht zwingend einen medizinischen Nachweis, wohl aber einen gesicherten Schluss in Form eines tragfähigen Nachweises eines einmaligen Konsums harter Drogen voraussetze, der aus Sicht des Gerichts hier nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliege. Die materielle Beweislast für einen stattgefundenen Drogenkonsum liege grundsätzlich bei der Fahrerlaubnisbehörde, sodass die Nichterweislichkeit zu ihren Lasten gehe. Das Gericht regte daher an, den Entziehungsbescheid aufzuheben und stattdessen gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ein ärztliches Gutachten zur Aufklärung eines Drogenkonsums des Antragstellers anzuordnen, wozu im Gegensatz zur unmittelbaren Entziehung der Fahrerlaubnis bloße Zweifel an der Fahreignung ausreichten. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2023 erklärte der Antragsgegner, den Entziehungsbescheid dennoch aufrechterhalten zu wollen. Er nimmt hierbei im Wesentlichen Bezug auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 11 Cs 18.2333 – juris; VG Regensburg, B.v. 3.8.2020 – RO 8 K 18.2086 – juris), die bei einem Einräumen eines einmaligen Konsums harter Drogen durch den Betroffenen selbst vom Nachweis des Konsums und damit von der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ausgehe. Außerdem unterstreicht er die grundsätzlich hohe Bedeutung der Aussagen von Polizeibeamten im Fahrerlaubnisrecht und stellt fest, dass ein ärztliches Gutachten wegen des Zeitablaufs nicht geeignet sei, den streitgegenständlichen einmaligen Drogenkonsum nachzuweisen.
21
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte im Verfahren des Antragstellers sowie auf die Gerichts- und Behördenakte im Verfahren des Herrn S. … (M 19 K 23.1193) ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
22
A. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 6. März 2023 hinsichtlich Nrn. 1 und 2 des Entziehungsbescheids vom 1. März 2023 sowie der – in interessengerechter Auslegung des Antragsbegehrens (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO) ebenfalls gestellte – Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf Nr. 3 des Bescheids (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO) hat Erfolg.
23
I. Der Antrag ist zulässig.
24
1. Dem eingelegten Widerspruch gegen die Anordnung in Nrn. 1 und 2 des Bescheids kommt nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu, da die Behörde in Nr. 4 des Bescheids die sofortige Vollziehbarkeit der Nrn. 1 und 2 angeordnet hat. Dem Widerspruch kommt auch hinsichtlich der Nr. 3 des Bescheids nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG keine aufschiebende Wirkung zu, sodass nach Art. 21a Satz 2 VwZVG ebenfalls ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO statthaft ist.
25
2. Dem Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da der angefochtene Bescheid trotz Verfristung der inzwischen zurückgenommenen Hauptsacheklage nicht in Bestandskraft erwachsen war.
26
2.1 Der eingelegte Widerspruch ist statthaft. Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist als „personenbezogene Prüfungsentscheidung“ i.S.d. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AGVwGO anzusehen (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2009 – 11 CS 08.2028 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 7.8.2008 – 11 CS 08.1854 – juris Rn. 10 ff.), sodass die Erhebung des Widerspruchs hier wahlweise anstelle der Anfechtungsklage möglich war.
27
2.2 Der am 6. März 2023 gegen den Entziehungsbescheid vom 1. März 2023 eingelegte Widerspruch erfolgte auch fristgerecht innerhalb der einmonatigen Frist nach § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO und konnte den Eintritt der Bestandskraft des Entziehungsbescheids damit rechtzeitig hemmen.
28
II. Der Antrag ist auch begründet.
29
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen bzw. anordnen. Das Gericht trifft – bei wie hier formell rechtmäßiger Sofortvollzugsanordnung – eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Ein gewichtiges Indiz ist dabei die Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, hat das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurückzutreten. Erweist sich dagegen der Bescheid schon bei summarischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen zu beurteilen, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
30
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier im Ergebnis zugunsten des Antragstellers aus. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (hier also des Erlasses des Entziehungsbescheids, stRspr, vgl. u.a. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – juris Rn. 13) ist von überwiegenden Erfolgsaussichten einer Anfechtungsklage in der Hauptsache gegen den Entziehungsbescheid auszugehen. Der formell rechtmäßige Bescheid erweist sich bei summarischer Prüfung auf Basis des bisherigen Sach- und Streitgegenstands als materiell rechtswidrig, da die Tatbestandsvoraussetzungen der einschlägigen Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis und den Einzug des Führerscheins (§ 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 und § 11 Abs. 7 FeV) in Nrn. 1 und 2 des Bescheids nicht vorliegen. Damit wären in einem Hauptsacheverfahren die Nrn. 1 und 2 des Bescheids sowie – nach deren erfolgreicher Anfechtung – mangels wirksamen Grundverwaltungsakts auch die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 aufzuheben.
31
1. Nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber der Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wird und dadurch die körperlichen und geistigen Anforderungen für die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen sind, vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2, § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. § 2 Abs. 4 StVG. Nach § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt zur Feststellung der Nichteignung die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens vor der Entziehung der Fahrerlaubnis nur dann, wenn die Nichteignung zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht.
32
Zur Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen führt nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV die Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG (ausgenommen Cannabis, sog. „harte Drogen“) und damit auch von LSD (vgl. Anlage I des BtMG), sofern nicht gemäß der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV eine vom Regelfall abweichende Bewertung der Umstände zu berücksichtigen ist. Bleibt es bei der Regelannahme der Nr. 9.1. der Anlage 4 zur FeV, steht die Nichteignung fest. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2019 – 11 ZB 19.1435 – BeckRS 2019, 30470 Rn. 14; B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – juris Rn. 10 m.w.N.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn
33
- einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme medizinisch nachgewiesen worden sind (s. hierzu 2.2.1) oder
34
- der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (s. hierzu ebenfalls 2.2.1) oder
35
- sonstige Umstände vorliegen, die im Einzelfall den hinreichend gesicherten Schluss auf einen Betäubungsmittelkonsum zulassen (s. hierzu 2.2.2)
36
(st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 11 CS 20.1292 – BeckRS 2020, 24670 Rn. 11; B.v. 26.3.2019 – 11 CS 18.2333 – juris Rn. 11 m.w.N.).
37
Die materielle Beweislast hierfür liegt grundsätzlich bei der Fahrerlaubnisbehörde, sodass die Nichterweislichkeit eines einmaligen Konsums harter Drogen zu ihren Lasten geht (VG Würzburg, B.v. 25.1.2021 – W 6 S 21.48 – juris Rn. 37; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 3 Rn. 24 m.w.N.; BayVGH, B.v. 27.9.2010 – CS 10.1104 – juris Rn. 32). Der Drogenkonsum muss im Sinne eines tragfähigen Nachweises feststehen (vgl. VG Würzburg, B.v. 25.1.2021 – W 6 S 21.48 – juris Rn. 26). Mutmaßungen oder entfernt liegende Möglichkeiten reichen nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 11 Cs 18.2333 – juris Rn. 12). Ein Beurteilungsspielraum der Behörde besteht nicht.
38
2. Nach diesen Maßstäben war die Entziehung der Fahrerlaubnis nach summarischer Prüfung rechtswidrig. Denn die Behörde konnte einen solchen Nachweis eines Drogenkonsums durch den Antragsteller nicht führen.
39
2.1 Der Antragsgegner setzt schon einen falschen rechtlichen Maßstab an, wenn er meint, es reiche aus, dass dem Betroffenen aufgrund einer tatsachenbasierten Überzeugung der Behörde ein einmaliger Konsum harter Drogen unterstellt werden könne. Vielmehr muss der Konsum im Sinne eines tragfähigen Nachweises feststehen.
40
2.2 Nach einer Gesamtbetrachtung der Indizien konnte der Antragsgegner nach Auffassung des Gerichts nicht in diesem Sinne belegen, dass der Antragsteller LSD oder sonstige Drogen (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage I und III) konsumiert oder konsumiert hat.
41
2.2.1 Unstreitig liegt hier weder ein medizinischer Nachweis eines Drogenkonsums des Antragstellers vor noch hat dieser die Einnahme von Betäubungsmitteln selbst eingeräumt.
42
2.2.2 Es liegt auch im Übrigen kein tragfähiger Nachweis eines die Fahreignung gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ausschließenden Konsums von Betäubungsmitteln vor.
43
(1) Ein solcher ergibt sich zunächst nicht aus dem Aktenvermerk des Polizeiobermeisters M. …, auf den die Fahrerlaubnisbehörde die Begründung des angefochtenen Bescheids tragend stützt.
44
(1.1) Hiernach soll der Beteiligte S. … dem Polizeiobermeister M. … gegenüber zugegeben haben, alle vier betroffenen Männer – unter ihnen der Antragsteller – hätten im Wald LSD zu sich genommen. Der Beteiligte S. … hat jedoch von Anfang an glaubhaft bestritten, diese Aussage gemacht zu haben. Zwar ist dem Antragsgegner darin zuzustimmen, dass polizeilichen Aussagen nach der Rechtsprechung im Fahrerlaubnisverfahren regelmäßig erhöhte Bedeutung zukommt; diese müssen grundsätzlich substantiiert bestritten werden (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2022 – 11 CS 21.2385 – juris Rn. 17). Der vorliegende Fall weist jedoch die Besonderheit auf, dass sich die beiden polizeilichen Aktenvermerke hier bereits selbst widersprechen, sodass ihnen von vornherein nur ein geringer Beweiswert zukommt. Ausweislich des Aktenvermerks des Polizeiobermeisters Z. …, der nur kurze Zeit nach der Streifenbesatzung des Polizeiobermeisters M. … am Einsatzort ankam (s. hierzu insbesondere den zeugenschaftlichen Bericht der Polizeiwachtmeisterin F. vom 19.6.2023), haben alle drei Männer außer Herrn U. … den Konsum von Drogen ausdrücklich verneint. Auch im Strafverfahren haben die Männer einen Drogenkonsum durchgehend bestritten. Vor diesem Hintergrund sind die Fälle, die der vom Antragsgegner zitierten Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 11 Cs 18.2333 – juris; VG Regensburg, B.v. 3.8.2020 – RO 8 K 18.2086 – juris) zugrunde liegen, mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt keineswegs vergleichbar. In beiden Fällen hatte der Betroffene die Einnahme harter Drogen gegenüber der Polizei selbst eingeräumt. Es bestanden insoweit auch keine Unsicherheiten oder Widersprüche in den polizeilichen Berichten. Die Betroffenen haben ihre Aussagen über den eigenen Drogenkonsum nicht von Anfang an und durchgehend, sondern erst deutlich später bestritten (in dem der Entscheidung des VGH München zugrundeliegenden Fall sogar ein halbes Jahr).
45
(1.2) Es sind überdies keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller oder seine Freunde in der Vergangenheit bereits Drogen zu sich genommen hätten oder sich im Drogenmilieu bewegen. Auch insoweit unterscheidet sich der streitgegenständliche Sachverhalt von den Fällen, die der durch den Antragsgegner zitierten Rechtsprechung zugrunde liegen. In beiden Fällen lag der Behörde ein Chatverlauf vor, aus dem unmissverständlich hervorging, dass die Betroffenen in das Drogenmilieu verstrickt und mit der Sprache in diesem Milieu vertraut sind. Dies trifft auf den Antragsteller unstreitig nicht zu. Die Behörde gelangt in ihrem Schriftsatz vom 1. Juni 2023 selbst zu der Einschätzung, dass ein ärztliches Gutachten wegen des Zeitablaufs einen stattgefundenen Drogenkonsum nicht werde belegen können. Hiernach steht ein regelmäßiger bzw. langfristiger Drogenkonsum des Antragstellers, der etwa durch Haarproben noch nachweisbar wäre, auch aus ihrer Sicht nicht im Raum. Die Behörde sah aus diesem Grund auch etwaige freiwillige Drogentests der Beteiligten nicht als geeignete Beweismittel an. Zudem ist keiner der Beteiligten bisher wegen Verstößen gegen das BtMG polizeilich in Erscheinung getreten. Auch konnten bei der Durchsuchung der Männer und ihrer Rucksäcke am Einsatzort keine Drogen aufgefunden werden.
46
(1.3) Es ist vor diesem Hintergrund nicht nur möglich, sondern sogar naheliegend, dass die Aussage des Beteiligten S. … durch den Polizeiobermeister M. … „in der Hitze des Gefechts“ nicht korrekt protokolliert wurde. Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, warum die Polizeibeamten dann, wenn die vermerkte Aussage zum gemeinschaftlichen Drogenkonsum so tatsächlich gefallen wäre, die Beteiligten für eine Beweissicherung nicht zu einem (freiwilligen) Drogenschnelltest aufgefordert haben. Ein positiver Schnelltest wäre ein gewichtiges Indiz für einen tatsächlichen Drogenkonsum gewesen (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2005 – 11 CS 04.2334 – juris Rn. 12). Ein solcher hätte sich bei ordnungsgemäßer Sachverhaltsaufklärung geradezu aufgedrängt – zumal durch die Polizeibeamten gegen die Beteiligten ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Auch im Übrigen ist die im Vermerk des Polizeiobermeisters M. … protokollierte Aussage des Beteiligten S. … mit Blick auf den Kontext, in dem sie gefallen sein soll, wenig plausibel. Es ist fernliegend, dass sich der Beteiligte S. … auf die deutliche Ansprache hin, dem Beteiligten U. … nur helfen zu können, wenn er (der Beteiligte S. ….) aussage, was der Beteiligte U. … zu sich genommen habe (s. hierzu den zeugenschaftlichen Bericht der Polizeiwachtmeisterin F. vom 19.6.2023), ohne jeden Anlass selbst belastet haben soll – dies auch unter Berücksichtigung der Eskalation und starken Verschlechterung des Gesundheitszustands des Herrn U. … Schließlich zielte die Frage offensichtlich nur auf einen Drogenkonsum des Herrn U. … ab, ein Drogenkonsum der drei anderen Männer, die von den Polizeibeamten sogar noch zur Unterstützung der Fixierung des Herrn U. … aufgefordert wurden, stand zu diesem Zeitpunkt gar nicht im Raum. In diesem Zusammenhang scheint die Aussage des Beteiligten S. … und des Antragstellers, Herr S. … habe lediglich die Vermutung angestellt, dass Herr U. … LSD konsumiert habe, naheliegender als die allein im Vermerk des Polizeiobermeisters M. …, nicht aber im Vermerk des Polizeiobermeisters Z. … protokollierte Aussage.
47
Zudem finden sich in den polizeilichen Berichten weitere Widersprüche. So gibt die Polizeiwachtmeisterin F. in ihrem detaillierten Bericht an, die deutliche Ansprache an den Beteiligten S. … habe darin bestanden, ihn auf die Notwendigkeit seiner Aussage für eine sachgerechte medizinische Versorgung des Beteiligten U. … hinzuweisen. Hierauf nimmt auch die Begründung des Entziehungsbescheids Bezug. Nach dem knappen Bericht des Polizeiobermeisters Z. …, der im Bescheid insoweit nicht erwähnt wird, habe dieser den Beteiligten S. … dagegen in einer deutlichen Ansprache auf dessen eigenes Zittern angesprochen. Soweit der Antragsgegner sich auf die aussagekräftige Detailliertheit der im Vermerk des Polizeiobermeisters M. … protokollierten Einlassung des Beteiligten S. … zum gemeinschaftlichen Drogenkonsum bezieht, ist dem entgegenzuhalten, dass der Beteiligte S. … die Aussage nur im Hinblick auf das „Wer“ bestreitet und nicht hinsichtlich der anderen Umstände, d.h. dem Konsum von LSD im Wald – der entgegen der Ansicht der Behörde nach dem Vortrag des Antragstellers nicht anstelle, sondern seiner Vermutung nach zusätzlich zum bereits zuhause erfolgten LSD-Konsum des Herrn U. … stattfand. Zu berücksichtigen ist, dass der Beteiligte S. … und der Antragsteller sehr detailliert darlegen, woher sie ihre Vermutung, der Beteiligte U. … habe gerade LSD eingenommen, nehmen. Der Zeuge V. … habe am B. ihnen gegenüber geäußert, das Verhalten des Herrn U. … sehe ihm nach einem „LSD-Trip“ aus, er habe so etwas schon selbst erlebt. Das Gericht hält den Wahrheitsgehalt des geschilderten Vorgangs für hoch, da der Antragsteller selbst eine Einvernahme des Zeugen V. … anbietet, also davon ausgeht, dass der Zeuge seine Aussage bestätigen wird.
48
(2) Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Fahrerlaubnisbehörde kann den nötigen tragfähigen Nachweis eines Drogenkonsums des Antragstellers auch nicht durch andere Tatsachen führen.
49
(2.1) Soweit die Behörde vorbringt, dass der Antragsteller nach dem polizeilichen Aktenvermerk „drogentypische Ausfallerscheinungen“, d.h. geweitete Pupillen, ausgeprägten Redefluss, teils verminderte Reaktionsfähigkeit und Nervosität aufgezeigt haben soll, was alle drei Männer bestreiten, kann hieraus jedenfalls nicht automatisch auf die Einnahme von Drogen geschlossen werden. Es erscheint plausibel, dass diese Anzeichen eine andere Ursache haben, etwa in einem Schock bzw. einer Aufregung begründet sind. Denn es steht fest, dass sich der Gesundheitszustand des Beteiligten U. … rasant verschlechterte und die Situation eskalierte, als die Polizei eintraf. Darauf, ob er zuvor tatsächlich von einem Kfz erfasst wurde, kommt es hierbei nicht an. Weitere Anzeichen wie Gleichgewichtsstörungen, Verwirrtheit oder Halluzinationen wurden bei den Beteiligten nicht festgestellt. Die polizeilichen Vermerke erweisen sich insoweit mithin als unschlüssig. Hinzu kommt, dass der Zeuge V. … angibt, dass nur Herr U. … auf ihn einen drogenberauschten Eindruck gemacht habe, während mit den anderen drei Männern ein völlig normales Gespräch möglich gewesen sei.
50
(2.2) Ein tragfähiger Nachweis ergibt sich – anders als die Behörde meint – auch nicht mit Blick auf die Formulierung der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft. Diese hat den Konsum von Drogen gerade nicht überprüft. Hierauf kam es – wie sie in der Einstellungsverfügung deutlich macht – nicht an, da „nur der Besitz von Drogen strafbar ist und ein Konsum von Drogen den Besitz keineswegs voraussetzt“. Die Aussage, „aufgrund der zur Verfügung stehenden Zeugen kann lediglich nachgewiesen werden, dass die Beschuldigten LSD konsumiert haben“, kann vor diesem Hintergrund keinesfalls dahingehend verstanden werden, dass ein Konsum von LSD feststeht. Dies wäre in der Hauptverhandlung erst zu klären gewesen. Vielmehr ist die Aussage so zu verstehen, dass die Fortsetzung des Strafverfahrens allenfalls zu dem Ergebnis führen könnte, dass den Beschuldigten der Konsum von Drogen nachgewiesen wird, wohingegen der Vorwurf des Besitzes von Drogen nach den polizeilich ermittelten Tatsachen von vornherein nicht im Raum steht.
51
(2.3) Ebenso wenig ist dem Antragsgegner darin zuzustimmen, dass die Aussageverweigerung des Antragstellers im Strafverfahren im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren zu seinen Lasten herangezogen werden könne. Dem steht hier schon der zentrale rechtsstaatliche Grundsatz entgegen, sich im Strafverfahren nicht selbst belasten zu müssen (nemo tenetur-Grundsatz). Aus einem im Strafverfahren berechtigten Schweigen können keine Rückschlüsse für den Bereich der Gefahrenabwehr gezogen werden.
52
(3) Ein tragfähiger Nachweis eines stattgefundenen Drogenkonsums durch den Antragsteller ergibt sich zuletzt – entgegen der Auffassung der Behörde – auch nicht aus einer Gesamtschau der von ihr vorgebrachten Umstände. Die Aneinanderreihung von Vermutungen kann einen stichhaltigen Beweis nicht ersetzen.
53
2.2.3 Somit konnte die Behörde nach Aktenlage den Nachweis eines Konsums von LSD und einer daraus folgenden Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen des Antragstellers nicht erbringen. Es obliegt – anders als der Antragsgegner offenbar meint (vgl. etwa die Aussagen auf Seite 9 des Entziehungsbescheids „[…] widerlegt den Konsum nicht“ bzw. „[…] nicht dazu geeignet war, einen staatgefundenen LSD-Konsum zu widerlegen“) – nicht dem Antragsteller, das Gegenteil zu beweisen. Um die Unsicherheiten des Sachverhalts zu beseitigen, hätten weitere Aufklärungsmaßnahmen ergriffen werden können und müssen. Hierbei entspräche es der behördlichen Verpflichtung zur Amtsermittlung (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG), auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu ermitteln. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes (Art. 24 Abs. 2 BayVwVfG). Die Behörde ist den durch Mitwirkung des Antragstellers beigebrachten Beweismitteln, die gegen seinen Drogenkonsum sprechen, bisher allerdings nicht nachgegangen. Dem Schriftsatz vom 1. Juni 2023 nach zu urteilen hat die Behörde den Zeugen V. … – entsprechend seiner eigenen Aussage – bis heute nicht kontaktiert. Vielmehr trägt sie pauschal vor, die Aussage des Polizeiobermeisters M. … sei allein kraft seines Amtes glaubhafter als diejenige des Zeugen. Für einen Nachweis eines Drogenkonsums durch den Antragsteller hätte es weiterer Aufklärungsmaßnahmen, insbesondere eines zeitnahen Drogentests im Rahmen eines ärztlichen Gutachtens nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FeV, bedurft (vgl. hierzu Zwerger in Haus/Zwerger, Das verkehrsrechtliche Mandat, Band 3, 3. Aufl. 2017, § 7 Rn. 41 f. i.V.m. § 5 Rn. 2, 18 m.w.N.). Die bestehenden Aufklärungsdefizite gehen zulasten der insoweit beweispflichtigen Behörde.
54
B. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
55
C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 sowie Nrn. 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand: 2013) i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 4 FeV.