Titel:
Bestimmung einer gerichtlichen Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens, Meinungsäußerungen durch Polizeibeamten
Normenkette:
BayDG Art. 60
Schlagworte:
Bestimmung einer gerichtlichen Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens, Meinungsäußerungen durch Polizeibeamten
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18258
Tenor
I. Dem Antragsgegner wird zum Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens eine Frist von vier Monaten ab Zustellung dieses Beschlusses gesetzt.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller 1/5, der Antragsgegner 4/5.
Gründe
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Der Antragsteller begehrt gerichtliche Fristsetzungen zum Abschluss eines Disziplinarverfahrens.
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Der Dienststellenleiter der Polizeiinspektion (PI) … … teilte dem Polizeipräsidium (PP) O. S. mit Schreiben vom 16. September 2021 mit, dass der Antragsteller, ein Polizeioberkommissar (POK) in der Besoldungsgruppe A 11 und Dienstgruppenleiter bei der PI … …, als Vertreter der Chemtrail-Theorie, Impfgegner und Kritiker der staatlichen Corona-Maßnahmen sowie mit Bemerkungen, nach denen er sich derzeit mit seinem Beruf nicht identifizierten könne, aufgefallen sei.
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Gegen den Antragsteller wurde daraufhin am 22. September 2021 mündlich ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) ausgesprochen und am selben Tag schriftlich bestätigt. Ein hiergegen gerichteter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz blieb mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 22. Oktober 2021 (M 5 S 21. 5493) erfolglos.
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Eine Auswertung sämtlicher Zugriffe des Antragstellers auf das dienstliche Internet beantragte das PP O. S. am 12. Oktober 2021 beim Bayerischen Landeskriminalamt.
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Mit Verfügung vom 20. Oktober 2021, dem Antragsteller zugestellt am 27. Oktober 2021, wurde wegen der vorstehenden Vorwürfe ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet und ihm bis 8. November 2021 Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
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Mit zwei Schriftsätzen vom 13. Januar 2022 bestellte sich die Bevollmächtigte des Antragstellers, beantragte Akteneinsicht, Substantiierung der gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe und Verlängerung der Stellungnahmefrist. Das PP O. S. gewährte ihr mit Schreiben vom 14. Februar 2022 Akteneinsicht, wies darauf hin, dass ein Ergebnis der disziplinarrechtlichen Ermittlungen Ende Februar vorliegen dürfte und verlängerte die Stellungnahmefrist bis 1. März 2022.
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Der Ermittlungsführer im Disziplinarverfahren übersandte dem PP O. S. mit Schreiben vom 16. März 2022, dort eingegangen am 23. März 2022, einen an – teilweise ehemalige – Kolleginnen und Kollegen des Antragstellers gerichteten Fragebogen als Grundlage für die Erstellung schriftlicher dienstlicher Auskünfte, sämtliche daraufhin eingegangenen schriftlichen Antworten der Kolleginnen und Kollegen, eine Zusammenfassung der Antworten vom 10. März 2022, eine Auswertung des Internetnutzungsverhaltens des Antragstellers vom 14. März 2022 und einen Ermittlungsbericht vom 15. März 2022.
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Das PP O. S. übersandte der Bevollmächtigten des Antragstellers daraufhin mit Schreiben vom 29. März 2022 die weitere Disziplinarakte und räumte ihr eine Stellungnahmefrist bis 22. April 2022 ein. Die von ihr mit Schriftsatz vom 4. April 2022 beantragte Fristverlängerung bis 20. Mai 2022 wurde stillschweigend bewilligt. Die Bevollmächtigte äußert sich mit zwei Schriftsätzen vom 3. Mai 2022 und einem weiteren Schriftsatz vom 19. Mai 2022 und rügte insbesondere die in ihren Augen unzureichenden disziplinarischen Ermittlungen.
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Unter den Daten des 31. März und 1. Juni 2022 wurden Persönlichkeitsbilder für den Antragsteller erstellt, die vom PP O. S. ursprünglich unter Fristsetzung bis 8. bzw. 15. November 2021 angefordert worden waren.
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Eine vom PP O. S. mit Schreiben vom 30. August 2022 beantragte Übernahme des Verfahrens als Disziplinarbehörde lehnte das PP M. mit Schreiben vom 10. Oktober 2022, eingegangen am 14. Oktober 2022, ab und führte aus, dass eine sehr hohe Geldbuße als angemessene Disziplinarmaßnahme anzusehen und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte aufzuheben sei.
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Das PP O. S. verfügte mit Schreiben vom 30. September 2022 die beamtenrechtliche Abordnung des Antragstellers zur PI … und forderte ihn mit Schreiben vom 6. Oktober 2022 zum Dienstantritt am 10. Oktober 2022 auf. Dessen Bevollmächtigte äußerte sich hierzu mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2022. Da der Antragsteller seinen Dienst am 10. Oktober 2022 nicht antrat, forderte das PP O. S. mit Schreiben vom 11. Oktober 2022 von ihm die Vorlage eines aussagekräftigen Befundberichts. Dessen Bevollmächtigte sprach sich mit Schriftsätzen vom 13. und 17. Oktober 2022 gegen diese Anordnung aus.
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Wegen bestehender Zweifel an einer Erkrankung des Antragstellers ordnete das PP O. S. mit Schreiben vom 17. Oktober, 14. und 21. Dezember 2022 eine Untersuchung des Antragstellers beim ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei am 9. November 2022, 21. Dezember 2022 und 3. Januar 2023 an. Gegen die vorgenannten Anordnungen wandte sich dessen Bevollmächtigte mit Schriftsätzen vom 24. Oktober sowie 9., 14. und 23. Dezember 2022. Der Antragsteller erschein zu keinem der vorgenannten Untersuchungstermine. Mit Schreiben vom 8. November 2022 antwortete das PP O. S. auf die Schriftsätze der Bevollmächtigten vom 10., 13., 17. und 24. Oktober 2022; zu diesem Schreiben entgegnete die Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 11. November 2022. Über den Widerspruch des Antragstellers vom 6. Dezember 2022 gegen die Untersuchungsanordnung ist – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden.
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Mit Schreiben vom 7. Dezember 2022 genehmigte des PP Oberbayern dem Antragsteller Elternzeit ohne Teilzeitbeschäftigung im Zeitraum vom 18. Januar 2023 bis 17. Januar 2025.
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Mit Schriftsatz vom 23. März 2023 an das PP O. S. beantragte die Bevollmächtigte unter Hinweis auf eine unangemessene Verfahrensverzögerung die Einstellung des Disziplinarverfahrens.
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Am 26. April 2023 beantragte sie beim Verwaltungsgericht München,
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dem PP O. S. eine Frist zum Abschluss des gegen den Antragsteller geführten Disziplinarverfahrens zu setzen.
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Zur Begründung verwies sie auf eine unangemessene Verzögerung des Verfahrens. Mit Schreiben vom 29. März 2022 sei die abschließende Akteneinsichtsmitteilung durch den Antragsgegner erfolgt. Dem Antragsteller entstehe durch die infolge der Verzögerung unterbliebene Beförderung ein erheblicher Schaden.
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Mit Verfügung vom 10. Mai 2023 dehnte das PP O. S. das Disziplinarverfahren auf die weiteren Vorwürfe des Nichterscheinens zu den polizeiärztlichen Untersuchungen am 9. November und 21. Dezember 2022 sowie 3. Januar 2023 aus.
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Der Antragsgegner legte die Disziplinarakte auf elektronischem Weg vor und beantragte mit Schreiben vom „1. Juni 2022“, beim Verwaltungsgericht eingegangen am 5. Juni 2023,
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den Antrag abzulehnen.
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Er schilderte den Sachverhalt ausführlich und trug vor, der Antragsteller werde zeitnah eine abschließende Anhörung erhalten. Der Antrag auf gerichtliche Fristsetzung sei unbegründet. Zum einen seien wegen der Vielzahl der involvierten Personen und der extensiven Privatnutzung des dienstlichen Internetzugangs umfangreiche Ermittlungen notwendig gewesen. Zum anderen habe sich der Antragsteller beharrlich geweigert, seinen Dienst bei der PI Holzkirchen anzutreten bzw. einen Untersuchungstermin zur polizeiärztlichen Untersuchung wahrzunehmen. Seine Bevollmächtigte habe sich mit einer Vielzahl von Schriftsätzen an das PP O. S. gewandt und darin die gegen den Antragsteller laufenden Verfahren vermischt; damit habe sie selbst zu einer wesentlich längeren Verfahrensdauer beigetragen, weshalb der Antrag an das Gericht ein venire contra factum proprium darstelle.
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Die Bevollmächtigte des Antragstellers replizierte mit Schriftsatz vom 20. Juni 2023, das Disziplinarverfahren sei im unteren Schwierigkeitsbereich anzusiedeln. Der Antrag werde daher erweitert auf die
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Verpflichtung der Behörde, der Kanzlei innerhalb von 14 Tagen die abschließende Anhörung zuzustellen und sodann innerhalb von vier Wochen eine Entscheidung zu erlassen.
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Sie verwies auf die Meinungsäußerungsfreiheit des Antragstellers und verneinte eine Dienstpflichtverletzung durch ihn. Sie selbst habe durch ihre Schriftsätze nicht zur Verzögerung der Angelegenheit beigetragen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Disziplinarakte und der Gerichtsakte verwiesen.
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Der Antrag auf Fristsetzung nach Art. 60 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) hat Erfolg.
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1. Der Antrag nach Art. 60 Abs. 1 BayDG ist statthaft und zulässig. Nach dieser Vorschrift kann der Beamte bei dem Gericht die Bestimmung einer Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens beantragen, wenn das behördliche Disziplinarverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten seit der Einleitung durch Einstellung, durch Erlass einer Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen wurde. Maßgeblich ist hierbei der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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Der Antragsgegner hat hier mit Verfügung vom 20. Oktober 2021 das Disziplinarverfahren eingeleitet. Seither sind mehr als 20 Monate vergangen.
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2. Der Antrag auf gerichtliche Fristsetzung ist auch begründet. Liegt ein zureichender Grund für ein länger als sechs Monate dauerndes Disziplinarverfahren nicht vor, bestimmt das Gericht nach Art. 60 Abs. 2 Satz 1 BayDG eine Frist, in der das Disziplinarverfahren abzuschließen ist.
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An einem zureichenden Grund fehlt es, wenn eine unangemessene Verzögerung vorliegt, also wenn die Sachaufklärung bzw. Verfahrenshandlungen nicht mit der gebotenen und möglichen Beschleunigung (vgl. Art. 4 BayDG) durchgeführt worden sind. Dabei ist es nicht die Aufgabe des Gerichts, die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit einzelner Ermittlungsmaßnahmen des Dienstvorgesetzten, der Disziplinarbehörde oder des beauftragten Ermittlungsführers zu kontrollieren. Entscheidend ist vielmehr, ob die vom jeweiligen Ermittlungsführer für erforderlich gehaltenen Ermittlungsmaßnahmen sachgerecht und zügig durchgeführt wurden bzw., sofern dies nicht der Fall sein sollte, ob dem zumindest objektive Hinderungsgründe zugrundlagen. Ein eventuelles säumiges Verhalten der für die Durchführung des Disziplinarverfahrens zuständigen Behörde muss zudem schuldhaft sein (vgl. BVerwG, B.v. 11.8.2009 – 2 AV 3.98 – juris Rn. 2). Kriterien für die diesbezügliche Beurteilung sind im Wesentlichen Umfang und Schwierigkeitsgrad des Verfahrensstoffs, die Anzahl und Art der zu erhebenden Beweise, das den Verfahrensbeteiligten zuzurechnende Verhalten (etwa Beweisanträge oder fehlende Kooperationsbereitschaft des Beamten) sowie die von der Behörde nicht oder nur eingeschränkt beeinflussbaren Tätigkeiten Dritter, etwa von Sachverständigen (Findeisen, in: PdK Bayern C-13, Art. 60 BayDG Anm. 2.2.2).
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Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben ist ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht ersichtlich und auch vom Antragsgegner nicht substantiiert vorgetragen.
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Aus der Disziplinarakte ergibt sich, dass es sich im Hinblick auf die Meinungsäußerungen des Antragstellers und seine dienstlichen Internetzugriffe um ein Disziplinarverfahren von mittlerer Komplexität handelt. Zwar waren zur Aufklärung des Sachverhalts umfangreiche Ermittlungen erforderlich, so insbesondere die Einholung schriftlicher Äußerungen von seinen (ehemaligen) Kollegen (vgl. Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayDG), die dann auch ausgewertet werden mussten. Diese Ermittlungen und auch die Auswertung waren jedoch mit Eingang der umfassenden Unterlagen des Ermittlungsführers beim PP O. S. am 23. März 2022 abgeschlossen. Die Bevollmächtigte des Antragstellers erhielt mit Schreiben des PP O. S. vom 29. März 2022 auch insoweit Akteneinsicht. Ihre Stellungnahme vom 19. Mai 2022 hierzu ging am 20. Mai 2022 beim PP O. S. ein. Unter Zugrundelegung einer angemessenen Bearbeitungszeit von etwa zwei Monaten hätte das Übernahmeersuchen an das PP M. daher bereits Ende Juli 2022 – und nicht erst am 30. August 2022 – gestellt werden können. Zu diesem Zeitpunkt lagen auch die weit nach Fristende am 15. November 2021 eingegangenen Persönlichkeitsbilder vom 31. März und 1. Juni 2022 vor. Spätestens mit Erhalt der Antwort des PP M. vom 10. Oktober 2022, dass das Verfahren nicht übernommen wird, hätte diesem Fortgang gegeben werden müssen. Dies ergibt sich auch daraus, dass das PP M. in seiner Antwort bereits auf die aus seiner Sicht angemessene Disziplinarmaßnahme (Geldbuße in erheblicher Höhe) hingewiesen und sich damit in der Lage gezeigt hat, das Verhalten des Antragstellers einer Disziplinarmaßnahme aus dem Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG zuzuordnen. Letztlich erfolgte die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens aber erst mit der Ausdehnungsverfügung vom 10. Mai 2023, so dass Untätigkeit vorlag zwischen 14. Oktober 2022 und 10. Mai 2023, damit für die Zeit von rund sieben Monaten, ohne dass hierfür ein Grund ersichtlich ist.
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Als nicht zutreffend erachtet das Gericht die Auffassung der Disziplinarbehörde, nach der die Klärung des Einsatzes des Antragstellers bei der PI … und der Vorstellung zur polizeiärztlichen Untersuchung einer Fortsetzung des Disziplinarverfahrens entgegengestanden haben sollen. Bei diesen Umständen handelt es sich um beamtenrechtliche Fragen, die separat vom Disziplinarverfahren zu behandeln sind, weil sonst dem Beschleunigungsgrundsatz in Art. 4 BayDG zuwider gehandelt würde. Außerdem verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckt auftretenden Dienstpflichtverletzungen, die nach ihrer Schwere für sich genommen keine höheren Disziplinarmaßnahmen gebieten, in der Regel zunächst zeitnah zur begangenen Verletzungshandlung mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirkt (BVerwG, U.v. 15.11.2018 – 2 C 60/17 – juris Ls. 3 und Rn. 30). Ein Zuwarten bis zur Klärung der beamtenrechtlichen Fragen war daher unzulässig. Letztlich erkennt auch das PP O. S. die Notwendigkeit der Trennung der einzelnen Verfahren, wenn es die Bevollmächtigte mit Schreiben vom 7. Dezember 2022 darauf hinweist, dass die angeordnete polizeiärztliche Untersuchung nicht im Rahmen des Disziplinarverfahrens, sondern im Rahmen des Verfahrens des ärztlichen Dienstes erfolgt (vgl. Disziplinarakte Bl. 253). Im gleichen Sinn führt es in der Antragserwiderung aus, dass die Bevollmächtigte die einzelnen Verfahren in unzulässiger Weise „vermischt“ habe.
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Auch der Verweis des Antragsgegners auf die Vielzahl umfangreicher Schriftsätze durch die Bevollmächtigte kann die Verfahrensverzögerung nicht rechtfertigen. Es ist gerade Aufgabe eines Rechtsanwalts, Vorgänge zu rügen, die seiner Ansicht nach zu Unrecht zu Lasten seines Mandanten behandelt oder berücksichtigt wurden. Soweit der Antragsgegner die Rügen der Bevollmächtigten als nicht gerechtfertigt ansah oder ihre Rechtsauffassung nicht teilte, hätte er ihr dies zeitnah mitteilen können (vgl. VG Wiesbaden, B.v. 9.6.2020 – 28 L 440/20.WI.D – juris Rn. 28).
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Liegt somit kein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des Disziplinarverfahrens innerhalb der gesetzlich genannten Frist vor, ist dem Antrag auf Bestimmung einer gerichtlichen Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens stattzugeben und eine Frist zu bestimmen, in der das Verfahren abzuschließen ist. In pflichtgemäßer Ermessensausübung hat das Gericht unter Berücksichtigung einerseits einer ordnungsgemäßen abschließenden Bearbeitung und andererseits des Interesses des Beamten an einem baldigen Abschluss des Disziplinarverfahrens dem Antragsgegner hier eine Bearbeitungsfrist von vier Monaten gesetzt. Die Fristsetzung kann nicht deshalb unterbleiben, weil zum derzeitigen Zeitpunkt die Mängel der Verfahrensführung augenscheinlich abgestellt wurden und infolge der Ausdehnungsverfügung vom 10. Mai 2023 und der Ankündigung einer zeitnahen abschließenden Anhörung mit einer zügigen Fortführung und Beendigung des Verfahrens gerechnet werden kann. Insoweit lässt der Wortlaut von Art. 60 Abs. 2 Satz 1 BayDG keinen Spielraum (VGH BW, B.v. 21.6.2016 – DL 13 S 692/16 – juris Rn. 9).
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3. Soweit die Bevollmächtigte neben der Fristsetzung beantragt, die Disziplinarbehörde zu verpflichten, der Kanzlei innerhalb von 14 Tagen die abschließende Anhörung zuzustellen und sodann innerhalb von vier Wochen eine Entscheidung zu erlassen, war der Antrag abzulehnen. Art. 60 Abs. 2 BayDG sieht die Möglichkeit einer Zeitvorgabe für die einzelnen Verfahrensschritte nicht vor. Zudem ist dem Gericht ein Ermessen bei der Fristsetzung eingeräumt, das nicht durch einen Antrag des Antragstellers mit konkreten zeitlichen Vorgaben eingeschränkt werden kann. Auch würde eine so starre zeitliche Vorgabe Unwägbarkeiten im Verfahrensablauf nicht in ausreichendem Maße berücksichtigen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayGB i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt das Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (Art. 60 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Art. 51 Abs. 2 Satz 4 BayDG).