Titel:
Grenzen des Ersatzes bei geringer Mietwagennutzung
Normenketten:
ZPO § 287
BGB § 254
Leitsätze:
1. Bei geringer Nutzung eines Mietwagens erfüllt der Schädiger seine Ersatzpflicht für den Fahrzeugausfallschaden durch eine Zahlung in Höhe des Nutzungsausfalls. (Rn. 13 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Nutzung eines Mietwagens ist gering, wenn Mietkosten bei 8 Euro pro Kilometer liegen und die Kosten eines Taxis zwischen 2 Euro und 4,20 Euro pro Kilometer. (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Hat der Mieter vor Abschluss des Mietvertrags keine Vergleichsangebote eingeholt, stellt das einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht dar. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
4. Klagt die Autovermietung aus abgetretenen Recht, ist die darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass sich der mit der Klage geltend gemachte Mietzins aus dem Mietvertrag ergibt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
5. Das Preisniveau für eine Anmietung in der Region kann von der Beklagten durch einen Auszug aus dem F. Marktpreisspiegel und zwei regional eingeholte Mietangebote nachgewiesen werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die beiden Angebote am Tag der Anmietung zur Verfügung standen, da es nur um die Schätzung des Preisniveaus geht. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mietwagenkosten, Marktpreisspiegel, Schadensminderungspflicht
Fundstelle:
BeckRS 2023, 18215
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 1.612,21 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall.
2
Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 11.01.2022 in S. geltend, die ihr abgetreten wurden.
3
Die Klägerin hat der geschädigten Partei am 12.01.2022 ein Ersatzfahrzeug für ihren beschädigten Pkw vermietet. Das Mietfahrzeug wurde nach 24 Tagen und 466 gefahrenen Kilometern am 04.02.202 zurückgegeben. Die Klägerin erstellte eine Rechnung über 3.748,50 Euro, wobei sie u.a. 24 Tage mit 97,00 Euro Tagestarif ansetzte und eine Haftungsreduzierung mit 20,00 Euro pro Tag jeweils zzgl. Umsatzsteuer. Die Klägerin begehrt die Zahlung noch offener 1.612,21 Euro.
4
Die Beklagte regulierte Nutzungsausfall vom 14.01.2022 bis 21.03.2022 i.H.v. 3.575,00 Euro.
5
Die Klägerin trägt vor, dass der Kläger auf ein Fahrzeug angewiesen sei, insbesondere für Fahrten zur Arbeit, zum Arzt oder Einkaufen. Die begehrten Kosten lägen unter den Kosten, die nach der Rechtsprechung ersatzfähig wären.
6
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilten, an die Klägerin 1.612,21 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2022 zu bezahlen.
7
Die Beklagten beantragen,
8
Die Beklagte bestreitet, dass der Geschädigte auf ein Fahrzeug angewiesen gewesen sei. Es wäre für ihn möglich gewesen, ein Fahrzeug für maximal 1.597,36 Euro anzumieten. Zudem sei die Anmietung erst einen Tag nach dem Unfall erfolgt.
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Die Beklagte meint, der Geschädigte habe gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Zudem bestünde aufgrund der geringen Fahrleistung von weniger als 20 km pro Tag kein Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten.
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Das Gericht hat keinen Beweis erhoben. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
12
Das Amtsgericht Schwabach ist sachlich und örtlich zuständig, der Unfall ereignete sich im hiesigen Gerichtsbezirk.
13
Ein Anspruch auf weitere Mietwagenkosten besteht vorliegend nicht.
14
1. Die Klägerin hat nicht schlüssig dargelegt, mit welchem Inhalt ein etwaiger Mietvertrag mit der geschädigten Partei geschlossen wurde. In der Klage wird ein Mietzins von 97,00 Euro pro Tag angegeben mit Verweis auf Beweis Anlage K1. Dort ist jedoch explizit eine Preisstaffel mit abweichenden Preisen angegeben. Das Gericht hat in seiner Verfügung vom 13.02.2023 auf den Widerspruch und die fehlende Schlüssigkeit hingewiesen. Ein Sachvortrag erfolgte indes nicht.
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2. Es liegt ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor, da ein offensichtliches Missverhältnis zwischen den Mietwagenkosten und den Vergleichskosten bei der Nutzung eines Taxis besteht. Besondere Umstände, etwa eine ständige Verfügbarkeit o. ä. wurden nicht vorgetragen.
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Ausgehend vom Rechnungsbetrag ergeben sich bei 466 gefahrenen Kilometern Kosten von über 8,00 Euro pro Kilometer. Nach der Taxitarifordnung in S. kostet der erste Kilometer mit dem Taxi 4,20 Euro, jeder weitere Kilometer 2,00 Euro bis 2,40 Euro. Selbst für 155 Kurzfahrten mit 3 Kilometern würden mit dem Taxi in S. weniger als die Hälfte der hier geltend gemachten Mietwagenkosten anfallen.
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Besondere Umstände wurden nicht dargelegt, insbesondere wurde der Geschädigte auch nicht als Zeuge benannt.
18
3. Es liegt ein weiterer Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor, da vor Anmietung keine Vergleichsangebote eingeholt wurden.
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Aufgrund der Vorlage des Mietpreisspiegels Mietwagen Deutschland und von zwei konkreten Angeboten hat die Beklagte vorliegend dargelegt, dass die Anmietung zu einem überhöhten Preis erfolgte. Ausweislich der Anlage B1 liegt der Maximalwert bei 7-tägiger Anmietung bei 759,03 Euro, mithin bei 24 Tagen bei 2.602,39 Euro; Der Durchschnittswert liegt bei 365,50,17 Euro bzw. bei 1.253,14 Euro. Dass es die in Kopie vorgelegten Angebote gibt, hat die Klägerin nicht prozessual wirksam bestritten. Ob die beiden Angebote zur streitgegenständlichen Zeit zur Verfügung standen, kann dahinstehen. Vorliegend geht es nicht um die Frage, ob die Angebote für den Kläger zur Verfügung standen, sondern wie das Preisniveau vor Ort ist. Tatsächlich zeigen die Angebote auf, dass grundsätzlich die Anmietung entsprechend dem vorgelegten Mietpreisspiegel möglich ist. Der Mietzins der Klägerin liegt mit 3.748,50 Euro mehr als 40 % über dem Maximalwert, fast 300 % über dem Durchschnittswert und mehr als 125 % über dem Angebot der Anlage B2.
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Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass sich der Geschädigte nach Mietwagenpreisen erkundigt hätte. Dies wäre jedoch möglich gewesen, da die Anmietung erst am Tag nach dem Unfall erfolgte. Zudem liegt eine Anmietstation der Fa. S1. keine zwei Kilometer von der Wohnadresse des Geschädigten entfernt.
21
Somit trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast, dass ein günstigerer Tarif nicht zugänglich gewesen wäre (vgl. BGH NJW 2009, 58). Sachvortrag hierzu erfolgte indes nicht.
22
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die der Vollstreckbarkeit aus §§ 708, 711 ZPO.