Inhalt

LArbG München, Beschluss v. 22.05.2023 – 4 TaBV 24/23
Titel:

Initiativrecht des örtlichen Betriebsrats bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung

Normenketten:
ArbGG § 3 Abs. 2 Nr. 1, § 100 Abs. 1 S. 2
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7
Leitsätze:
Hinsichtlich der Ausgestaltung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung hat der Betriebsrat vorbehaltlich künftiger anderweitiger gesetzlicher Regelungen nach § 87 I Nr. 7 BetrVG in Verbindung mit § 3 II Nr. 1 ArbSchG ein Mitbestimmungs- und Initiativrecht. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle darf nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Zuständigkeit der Einigungsstelle zur Regelung des strittigen Fragenkomplexes bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht auf den ersten Blick erkennbar unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist. Die Klärung streitiger Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Gerichts im Bestellungsverfahren, sondern erster Prüfungsgegenstand der Einigungsstelle. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der örtliche Betriebsrat hat ein Initiativrecht bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Gemeinschaftsbetrieb.  (Rn. 31 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Örtlicher Betriebsrat, Konzernbetriebsrat, Mitbestimmungsrecht, Gemeinschaftsbetrieb, Arbeitszeiterfassung, Initiativrecht, Zeiterfassung, Einigungsstelle
Vorinstanz:
ArbG München, Beschluss vom 20.04.2023 – 3 BV 61/23
Rechtsmittelinstanz:
BAG Erfurt vom -- – 4 TaBV 24/23
Fundstellen:
AuR 2024, 76
ZIP 2023, 1919
EWiR 2023, 637
NZA 2023, 1351
LSK 2023, 18164
BeckRS 2023, 18164
NZA-RR 2023, 477

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 20.04.2023, Az.: 3 BV 61/23, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Ausgestaltung der Arbeitserfassung für die Mitarbeiter im Außendienst.
2
Die beschwerdeführende Beteiligte zu 2) ist die Vertriebsgesellschaft der C.-Gruppe, der antragstellende Beteiligte zu 1) der für die Regionaldirektion A-Stadt gebildete Betriebsrat.
3
In der Unternehmensgruppe der Beteiligten zu 2) besteht eine Konzernbetriebsvereinbarung zur Arbeitszeit vom 16.04.2021, die auch Fragen der Arbeitszeiterfassung umfasst, jedoch nur für die Mitarbeiter des Innendienstes gilt; für die Mitarbeiter des Außendienstes der Antragsgegnerin existiert eine entsprechende Regelung nicht.
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Der Beteiligte zu 1) beschloss am 11.11.2022, eine Betriebsvereinbarung zur Zeiterfassung im Außendienst zu initiierten. Die Beteiligte zu 2) teilte daraufhin unter dem 30.01.2023 und nochmals am 17.02.2023 mit, sie halte den örtlichen Betriebsrat nicht für zuständig und habe, weil von der Verpflichtung zur Arbeitszeitaufzeichnung auch die übrigen Mitarbeiter der C.-Gruppe betroffen seien, Kontakt mit dem Konzernbetriebsrat aufgenommen. Im Hinblick darauf beschloss der Beteiligte zu 1) am 02.02.2023, dass die Verhandlungen gescheitert und eine Einigungsstelle zu installieren sei.
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Mit seinem Antrag vom 17.03.2023 hat der Beteiligte zu 1) die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Thema Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung für Mitarbeiter im Außendienst begehrt und dazu erstinstanzlich folgenden Antrag gestellt:
Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Außendienst“ wird Herr E eingesetzt.
Die Anzahl der Beisitzer je Seite wird auf 3 festgesetzt
6
Die Beteiligte zu 2) hat
Zurückweisung des Antrags
beantragt.
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Vor dem Arbeitsgericht ist sie weiterhin dabei geblieben, dass der örtliche Betriebsrat für den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung nicht zuständig sei. Die Arbeitszeiterfassung der Innendienstmitarbeiterinnen und -Mitarbeiter erfolge konzerneinheitlich durch das System SAP HCM, weshalb die Einführung und Anwendung der Software in Konzernbetriebsvereinbarungen geregelt sei. Entsprechend habe es erste Gespräche mit dem Konzernbetriebsrat zur Anwendung von SAP HCM auch auf den Außendienst gegeben. Das System könne nicht unterschiedlich geregelt werden.
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Insgesamt sei offensichtlich keine Zuständigkeit der beantragten Einigungsstelle gegeben. Es bestehe kein Mitbestimmungsrecht des örtlichen Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, weil für die Regelungen zu SAP HCM allein der Konzernbetriebsrat zuständig sei.
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Auch aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergebe sich kein Mitbestimmungsrecht: Für das Ob der Arbeitszeiterfassung sei ein solches angesichts gesetzlicher Verpflichtung nicht gegeben; für das Wie sei wiederum der Konzernbetriebsrat zuständig, weil sich die Unternehmensgruppe eben für die Anwendung von SAP HCM entschieden habe.
10
Im Übrigen bestehe kein Einverständnis mit dem vorgeschlagenen Vorsitzenden. Die Beteiligte zu 2) hat angeregt, stattdessen Herrn F. als Vorsitzenden einzusetzen.
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Die beantragte Zahl von drei Beisitzern hat sie außerdem für überdimensioniert und eine Besetzung mit jeweils einem Mitglied für jede Seite für angemessen gehalten.
12
Mit Beschluss vom 20.04.2023, auf den hinsichtlich seiner Sachdarstellung und Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht München unter dem Aktenzeichen 3 BV 61/23 den Anträgen insoweit stattgegeben, als es den beantragten Vorsitzenden für die Einigungsstelle eingesetzt und jeweils zwei Beisitzer installiert hat; soweit mehr Beisitzer beantragt waren, hat es den Antrag abgewiesen.
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Zur Begründung hat es ausgeführt, die beantragte Einigungsstelle sei nicht offenkundig unzuständig: Zwar gebe es keine Mitbestimmung, wo eine gesetzliche Verpflichtung bestehe. Vorliegend gehe es dem Beteiligten zu 1) aber um das Wie der Arbeitszeiterfassung, das offen sei und wozu sich das Recht zur Mitbestimmung aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergebe.
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Gegen den beantragen Vorsitzenden habe die Beteiligte zu 2) keine konkreten Einwände vorgebracht.
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Hinsichtlich der Beisitzer erschienen jeweils zwei als ausreichend.
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Gegen diesen ihr am 25.04.2023 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz vom 04.05.2023, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
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Sie rekurriert dabei vor allem auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.09.2022 (1 ABR 23/22), die eine Zuständigkeit des Betriebsrats abgelehnt habe. Wenn das Arbeitsgericht diesen Beschluss derart verstanden habe, dass die (dort erfolgte) Festlegung auf eine elektronische Erfassung zur Abweisung geführt habe, so sei unverständlich, warum das höchste Gericht überhaupt Aussagen zur Zuständigkeit des Betriebsrats zum Ob der Arbeitszeiterfassung über den Umweg des Gesetzesvorbehalts gemacht habe. Wenn, wie zutreffend, der Betriebsrat allein für Fragen der Ausgestaltung einer Zeiterfassung mitbestimmungsberechtigt sei, so greife dieses Recht erst, wenn der Arbeitgeber eine entsprechende Maßnahme plane. Diese Situation sei derzeit nicht gegeben; sie selbst habe sich entschlossen, zunächst abzuwarten, was die avisierte gesetzliche Regelung bringe, ob nämlich eine tarifliche Öffnungsklausel vorgesehen sei und ob der einschlägige Tarifvertrag diese für den Außendienst aufgreife.
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Schließlich sei in jedem Fall nicht der örtliche, sondern allenfalls der Konzernbetriebsrat zuständig, weil sie nicht eine andere als eine elektronische Erfassung über SAP HCM plane und für deren Regelung der Konzernbetriebsrat mitbestimmungsberechtigt sei.
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Sie beantragt daher folgendermaßen zu erkennen:
I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 25.04.2023, Az.: 3 BV 61/23, wird abgeändert.
II. Die Anträge des Beteiligten zu 1) werden zurückgewiesen.
20
Der Beteiligte zu 2) beantragt
Zurückweisung der Beschwerde.
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Er hat die erstinstanzliche Entscheidung verteidigt. Namentlich entspreche sie dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13.09.2022.
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Hinsichtlich des Vortrags der Beteiligten und ihrer Rechtsansichten wird ergänzend auf ihre Schriftsätze samt Anlagen, namentlich die des Beteiligten zu 1) vom 17.03.2023 (Bl. 1 ff.d.A.) erst- und vom 17.05.2023 (Bl. 384 ff.d.A.) zweitinstanzlich, die der Beteiligten zu 2) vom 17.04.2023 (Bl. 76 ff.d.A.) vor dem Arbeits- und vom 04.05.2023 (Bl. 346 ff.d.A.) vor dem Landesarbeitsgericht, sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 20.04.2023 (Bl. 326 f.d.A.) in erster und vom 22.05.2023 (Bl. 388 d.A.) in zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
24
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
25
Mit ihrem Schriftsatz vom 04.05.2023 hat die Beteiligte zu 2) die Zweiwochenfrist des § 100 Abs. 2 S. 2 ArbGG eingehalten. Diese lief angesichts der Zustellung der angegriffenen Entscheidung am 25.04.2023 gem. §§ 222 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am 09.05.2023 ab.
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2. Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zutreffend hat das Arbeitsgericht die offensichtliche Unzuständigkeit der beantragten Einigungsstelle verneint und den beantragten Vorsitzenden sowie jeweils zwei Beisitzer eingesetzt.
27
a. Über die Einsetzung einer Einigungsstelle ist im summarischen Verfahren zu entscheiden. Nach § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG hat die Bestellung eines unparteiischen Vorsitzenden und die Bestimmung der Zahl der Beisitzer einer Einigungsstelle nur dann nicht stattzufinden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist.
28
Im Hinblick auf die nur eingeschränkte Prüfungskompetenz hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen der Zuständigkeit der Einigungsstelle entspricht es der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass der Antrag nur dann zurückgewiesen werden darf, wenn die Zuständigkeit der Einigungsstelle zur Regelung des strittigen Fragenkomplexes bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht auf den ersten Blick erkennbar unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist. Nur dann, wenn die pflichtgemäße Prüfung des fachkundigen Gerichts ergibt, dass keinerlei vernünftige Zweifel an der Unzuständigkeit der Einigungsstelle bestehen können, darf der Antrag zurückgewiesen werden. Die Klärung streitiger Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Gerichts im Bestellungsverfahren, sondern erster Prüfungsgegenstand der Einigungsstelle (BAG v. 06.12.1983, 1 ABR 41/83 unter II.3.- zitiert nach beck-online; LAG Hessen v. 18.10.2005, 4 TaBV 134/05 Rz.12 – zitiert nach juris; ErfK-Koch § 100 ArbGG Rz. 3). Die Zuständigkeitsprüfung umfasst auch die Zuständigkeitsverteilung zwischen Einzel- und Gesamtbetriebsrat (LAG München v. 31.01.2003, 9 TaBV 59/02 Rz. 24f – zitiert nach juris; LAG Hessen v. 18.10.2005, 4 TaBV 134/05 Rz.13 – zitiert nach juris).
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b. Unter Berücksichtigung dieser begrenzten Prüfung bestehen vorliegend keine Zweifel an der Einsetzung der begehrten Einigungsstelle.
30
i. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, die der Arbeitgeber aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat, bei deren Gestaltung ihm aber Handlungsspielräume verbleiben. Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen (BAG v. 13.09.2022, 1 ABR 23/22 Rn. 61 f.- zitiert nach juris; BAG v. 19.11.2019, 1 ABR 22/18 Rn. 28- zitiert nach juris).
31
ii. Hinsichtlich der Erfassung von Arbeitszeiten ist zu unterscheiden: für die Frage, ob ein derartiges System eingeführt werden soll, besteht nach § 87 Abs. 1 BetrVG kein Mitbestimmungsrecht, weil der Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG dazu gesetzlich verpflichtet ist und damit kein Gestaltungsspielraum besteht, den er gemeinsam mit dem Vertretungsgremium ausfüllen könnte. Für die Ausgestaltung des im Betrieb zu verwendenden Systems zur Erfassung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit hingegen besteht ein Spielraum etwa dahingehend, auf welche Weise – elektronisch oder analog, ggf. getrennt nach Beschäftigungsgruppen – die Erfassung erfolgen soll, und deshalb dem Betriebsrat – vorbehaltlich ggf. anderweitiger künftiger Regelungen durch den Gesetzgeber – nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ein Initiativrecht zu (BAG v. 13.09.2022, 1 ABR 23/22 Rn. 60, 66 – zitiert nach juris).
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iii. Vorliegend besteht ein derartiges Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1) gem. § 87 Abs. 2 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG.
33
Der Beteiligte zu 1) begehrt die Mitgestaltung an der Ausgestaltung der Zeiterfassung für den Außendienst und damit am Wie derselben. Ausdrücklich hat das Bundesarbeitsgericht für diesen Fall ein Initiativrecht bejaht.
34
Anders als die Beteiligte zu 2) meint, ist diese Initiative nicht davon abhängig, dass sie selbst sich für die Einführung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung entscheidet: Das Mitgestaltungsrecht des Betriebsrats hängt nicht davon ab, ob der Arbeitgeber seinen gesetzlichen Pflichten nachkommen will oder nicht; dieser kann sich gegenüber dem Wunsch des Betriebsrats nach einer Regelung nicht darauf berufen, er sei nicht gewillt, der gesetzlichen Verpflichtung zu genügen. Auch dies hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich festgestellt, wenn es das Mitbestimmungsrecht in dem Moment bejaht, in dem eine gesetzliche Pflicht zum Handeln besteht (BAG v. 13.09.2022, 1 ABR 23/22 Rn. 61 – zitiert nach juris; vgl. oben unter i.).
35
Wenn die Beteiligte zu 2) moniert, damit sei die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts falsch verstanden, weil andernfalls dessen Ausführungen zum Gesetzesvorbehalt nicht verständlich und überflüssig wären, kann dem nicht gefolgt werden. Das Bundesarbeitsgericht hatte in dem konkreten Beschluss vor dem Hintergrund seiner Auslegung des dortigen Antrags sowohl über die Zuständigkeit des Betriebsrats zum Ob einer Arbeitszeiterfassung wie zu deren Ausgestaltung (Wie) zu entscheiden. Insofern waren Aussagen zu beiden Punkten veranlasst.
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iv. Die Beteiligte zu 2) kann sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe sich bereits für ein elektronisches Erfassungssystem entschieden und zur Mitbestimmung bei dessen Einführung sei der Konzernbetriebsrat berufen.
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Zum einen ist eine einseitige Festlegung auf ein System ohne vorherige Mitbestimmung gerade nicht möglich. Dies widerspricht dem effektiven Gesundheitsschutz, dem § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG dient. Was das Bundesarbeitsgericht für die Festlegung durch den antragstellenden Betriebsrat entschieden hat, gilt umgekehrt auch hier: Da sich die aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG folgende Pflicht der Arbeitgeber, ein System zur Erfassung von Beginn und Ende der Arbeitszeit im Gemeinschaftsbetrieb zu etablieren, nicht zwingend auf eine Zeiterfassung in elektronischer Form bezieht, kann sich auch das bei der Ausgestaltung eines solchen Zeiterfassungssystems bestehende Initiativrecht nicht lediglich hierauf beschränken. Nach der gesetzlichen Konzeption besteht ein Mitbestimmungsrecht, wenn den Arbeitgeber eine sich aus der Rahmenvorschrift ergebende Handlungspflicht trifft. Anknüpfungspunkt für die Beteiligung des Betriebsrats bildet dann der für den Arbeitgeber bestehende Spielraum bei der Umsetzung bzw. der Erfüllung seiner gesetzlichen Handlungspflicht. Gerade weil zwingende gesetzliche Vorgaben fehlen, muss eine „Regelung“ auf betrieblicher Ebene erfolgen, um den von der ausfüllungsbedürftigen Vorschrift beabsichtigten Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu erreichen. Zweck des in § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG vorgesehenen Mitbestimmungsrechts ist es, im Interesse der betroffenen Beschäftigten durch die gleichberechtigte Mitsprache des Betriebsrats bei der Ausfüllung vorhandener Handlungsspielräume des Arbeitgebers bei betrieblichen Maßnahmen eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb zu gewährleisten (BAG v. 13.09.2022, 1 ABR 23/22 Rn. 60, 67 ff.- zitiert nach juris). Eine unabgestimmte Festlegung auf ein elektronisches Erfassungssystem genügte dem nicht.
38
Zum anderen macht die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats bei der Einführung einer Software nicht notwendig dasselbe Gremium für die Frage des Gesundheitsschutzes zuständig; vielmehr ist zwischen der Mitbestimmung im Gesundheitsschutz nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG einer- und der hinsichtlich elektronischer Einführungen nach Nr. 6 derselben Norm andererseits zu unterscheiden. Zu ersterem ist grundsätzlich das örtliche Gremium berufen, weil es mit der Kenntnis der konkreten Umstände des einzelnen Betriebs sachnäher ist. Entsprechendes hat das Bundesarbeitsgericht in seiner hier mehrfach zitierten Entscheidung angesprochen (dort Rn. 68 – zitiert nach juris).
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c. Die personelle Besetzung ihrerseits ist mit der Beschwerde nicht (mehr) angegriffen worden.