Titel:
Sofortige Beschwerde gegen Unternehmensrestrukturierungsplan
Normenkette:
StaRUG § 64 Abs. 1, § 66 Abs. Nr. 3
Leitsätze:
1. Gemäß § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG muss der Beschwerdeführer kummulativ glaubhaft machen, dass er durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird als er ohne den Plan stünde und dass dieser Nachteil nicht durch eine Zahlung aus den in § 64 Abs. 3 genannten Mitteln ausgeglichen werden kann. Erforderlich ist die Glaubhaftmachung einer sicheren wesentlichen Schlechterstellung. Eine voraussichtliche Schlechterstellung durch den Plan, wie sie Voraussetzung des § 64 Abs. 1 StaRUG ist, genügt nicht. (Rn. 25 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hierbei ist aus den grundsätzlich relevanten Alternativszenarien dasselbe Vergleichsszenarium herauszugreifen wie bei § 64 StaRUG. Bei der Bewertung der wesentlichen Schlechterstellung sind zudem die für den Nachteilsausgleich bereitgestellten Mittel zu berücksichtigen. Dem Beschwerdeführer obliegt bei der Glaubhaftmachung der wesentlichen Schlechterstellung, dass der durch die wesentliche Schlechterstellung eintretende Nachteil nicht durch eine Zahlung aus dem gemäß § 64 Abs. 1 S. 1 StaRUG gebildeten Mittelfonds ausgeglichen werden kann. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unternehmensstabilisierung, Restrukturierungsplan, sofortige Beschwerde, Zulässigkeit, sichere wesentliche Schlechterstellung, Glaubhaftmachung, Nachteilsausgleich, Mittelfonds
Fundstellen:
EWiR 2023, 761
ZIP 2023, 2053
ZInsO 2024, 1115
BeckRS 2023, 17897
LSK 2023, 17897
ZRI 2023, 794
NZI 2023, 966
DZWir 2023, 547
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Planbetroffenen Günther Ulm vom 30.06.2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 21.06.2023, Az. RES 397/23, wird verworfen.
2. Der Planbetroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1
Mit Schreiben vom 31.03.2023 erstattete die Schuldnerin bei dem Amtsgericht Nürnberg eine Anzeige gemäß § 31 StaRUG.
2
Mit Beschluss vom 31.03.2023 wurde durch das Amtsgericht Nürnberg Rechtsanwalt Dr. H2. A. als Restrukturierungsbeauftragter bestellt. Mit Beschlüssen des Amtsgerichts Nürnberg vom 02.05.2023 und 08.05.2023 wurden diesem weitere Befugnisse erteilt und Aufgaben zugewiesen.
3
Mit Schreiben vom 08.05.2023 beantragte die Schuldnerin gemäß § 45 StaRUG die Durchführung eines Anhörungs- und Erörterungstermins, öffentliche Bekanntmachungen und legte den Restrukturierungsplan nebst Anlagen einschließlich der Einschätzung zur Sanierungsfähigkeit der Schuldnerin sowie der Vergleichsrechnung gemäß § 6 Abs. 2 StaRUG vom 04.05.2023 vor.
4
Mit Schriftsätzen vom 09.05.2023, 03.04.2023, 28.04.2023, 04.05.2023 und 30.05.2023 nahm der Restrukturierungsbeauftragte gemäß § 76 Abs. 4 StaRUG hierzu und zu weiteren Themen Stellung. Der Restrukturierungsbeauftragte hält die gesetzlichen Voraussetzungen der Planbestätigung für gegeben. Mit Schriftsatz vom 30.05.2023 erklärte der Restrukturierungsbeauftragte, dass die verbindliche Auskunft des zuständigen Finanzamts vorliegt, die die Steuerfreiheit der Sanierungsgewinne aus der Abtretung von oder den Erlass der nicht nachhaltigen Forderungen bestätigt.
5
Mit Beschluss vom 09.05.2023 bestimmte das Amtsgericht Nürnberg Termin zur Abstimmung und Erörterung gemäß § 45 StaRUG auf den 31.05.2023.
6
Der Termin nebst gesetzlichen Hinweisen wurde auf www.restrukturierungsbekanntmachung.de und im Bundesanzeiger öffentlich bekanntgemacht.
7
Die Zustellungen an die planbetroffenen Gläubiger wurden durch den Restrukturierungsbeauftragten bewirkt. Der Restrukturierungsplan nebst Stellungnahme des Restrukturierungsbeauftragten lag zur Einsicht der Beteiligten im Büro des Bürgerservice des Amtsgerichts Nürnberg vom 10.05.203 bis zum 30.05.2023 aus.
8
Wesentliche Inhalte des Restrukturierungsplans waren zudem auf der Internetseite der Schuldnerin eingestellt.
9
Der Erörterungs- und Abstimmungstermin fand am 31.05.2023 statt. In diesem wurde Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt auf 21.06.2023.
10
Mit angegriffenem Beschluss vom 21.06.2023 (Blatt 505 der Akte) wies das Amtsgericht Nürnberg den Minderheitenschutzantrag gemäß § 64 StaRUG zurück und bestätigte den durch die Schuldnerin am 08.05.2023 vorgelegten Restrukturierungsplan gemäß § 60 Abs. 1 StaRUG.
11
Der Beschluss wurde am 21.06.2023 gemäß § 85 Abs. 1 Nummer 3 StaRUG unter www.restrukturierungsbekanntmachung.de öffentlich bekannt gemacht.
12
Mit Schreiben vom 30.06.2023, eingegangen bei dem Amtsgericht Nürnberg am 01.07.2023, legte der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Restrukturierungsplan ein. Durch den Ausschluss neuer Bezugsrechte sehe er den Gleichbehandlungsgrundsatz als nicht gegeben an. Der Restrukturierungsplan sei für ihn nachteilig, da er an der zukünftigen Entwicklung der L. AG nicht teilhaben könne und einen Totalverlust habe. Diesen sehe er als Enteignung an.
13
Das Amtsgericht Nürnberg – Restrukturierungsgericht – hat mit Beschluss vom 04.07.2023 (Bl. 703 der Akte) der Beschwerde nicht abgeholfen.
14
Der Restrukturierungsbeauftragte hat mit Schriftsatz vom 11.07.2022 (Bl. 721 der Akte) Stellung genommen.
15
Die sofortige Beschwerde ist bereits als unzulässig zu verwerfen.
16
1. Die Beschwerde gegen den Restrukturierungsplan ist als sofortige Beschwerde gegen den diesen bestätigenden Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 21.06.2023 auszulegen.
17
2. Die sofortige Beschwerde gegen den Bestätigungsbeschluss ist nach §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 66 Abs. 1 S. 1 StaRUG statthaft. Sie ist in der Form der § 40 Abs. 1 Satz 2, 38 Satz 1 StaRUG, 569 Abs. 2 ZPO und in der Frist der §§ 38 Satz 1 StaRUG, 569 Abs. 1, 40 Abs. 2 StaRUG eingelegt worden.
18
3. Die Beschwerde ist jedoch nicht zulässig, da bereits die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StaRUG fehlen. Voraussetzung einer zulässigen Beschwerde ist danach, dass der Beschwerdeführer 1. dem Plan im Abstimmungsverfahren widersprochen hat, 2. gegen den Plan gestimmt hat und 3. glaubhaft macht, dass er durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird als er ohne den Plan stünde und dass dieser Nachteil nicht durch eine Zahlung aus den in § 64 Abs. 3 StaRUG genannten Mitteln ausgeglichen werden kann.
19
Auf die Voraussetzung wurde gemäß § 66 Abs. 3 S. 1 StaRUG in der Ladung (Bl. 122, 126 der Akte) sowie nochmals ausdrücklich im Termin vom 31.05.2023 hingewiesen (Bl. 184 der Akte).
20
Durch den Beschwerdeführer wurde zu keinem Zeitpunkt im Abstimmungsverfahren dem Plan widersprochen, so dass es schon an der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzung für die sofortige Beschwerde fehlt (vgl. auch Uhlenbruck/Knof, 16. Aufl. 2023, StaRUG § 66 Rn. 26).
21
Ein Widerspruch ergibt sich weder aus dem Protokoll des Termins vom 31.05.2023 noch aus sonstigen Unterlagen.
22
Einen Antrag auf Protokollberichtigung oder -ergänzung wurde durch den Beschwerdeführer nicht gestellt.
23
Soweit der Beschwerdeführer ausweislich des Beschwerdeschriftsatzes vom 05.07.2023 nunmehr durch die Kanzlei Nieding und Barth vertreten und dort ein erfolgter Widerspruch behauptet wird, ergibt sich weder aus dem Protokoll noch dessen Anlagen eine Vertretung des Beschwerdeführers durch Rechtsanwalt S. bereits am 31.05.2023.
24
4. Die sofortige Beschwerde ist darüber hinaus unzulässig, da der Beschwerdeführer auch die erforderliche materielle Beschwer weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat.
25
Gemäß § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG muss der Beschwerdeführer kummulativ glaubhaft machen, dass er durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird als er ohne den Plan stünde und dass dieser Nachteil nicht durch eine Zahlung aus den in § 64 Absatz 3 genannten Mitteln ausgeglichen werden kann. a)
26
Erforderlich ist die Glaubhaftmachung einer wesentlichen Schlechterstellung. Eine voraussichtliche Schlechterstellung durch den Plan, wie sie Voraussetzung des § 64 Abs. 1 StaRUG ist, genügt indes nicht.
27
Vielmehr muss auch glaubhaft gemacht werden, dass es sicher zu einer wesentlichen Schlechterstellung kommt.
28
In Anlehnung an die Auslegung des insoweit identischen § 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO wird die Auffassung vertreten, dass es sich um eine mindestens 10-prozentige Schlechterstellung handeln muss, wobei eine Mindestbeschwer von 600 € (vgl. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) als erforderlich angesehen wird (Jungmann in MüKo StaRUG, 1. Auflage 2023, § 66 Rn. 77 m.w.N.; Uhlenbruck/Knof, 16. Aufl. 2023, StaRUG § 66 Rn. 40, 41). So muss auch die letztgenannnte absolute Geringwertigkeitsschwelle überschritten werden, mag der geringe absolute Betrag auch eine relative Schlechterstellung von über zehn Prozent begründen (Uhlenbruck/Knof, 16. Aufl. 2023, StaRUG § 66 Rn. 41; Sattler in Seibt/Westpfahl, StaRUG, 1. Auflage 2023, § 66 Rn. 22).
29
Die sichere Schlechterstellung durch den Plan muss sich im Vergleich zu einer Situation ohne den Plan ergeben. Hierbei ist aus den grundsätzlich relevanten Alternativszenarien dasselbe Vergleichsszenarium herauszugreifen wie bei § 64 StaRUG (Jungmann in MüKo StaRUG, 1. Auflage 2023, § 66 Rn. 79; Uhlenbruck/Knof, 16. Aufl. 2023, StaRUG § 66 Rn. 40; Sattler in Seibt/Westpfahl, StaRUG, 1. Auflage 2023, § 66 Rn. 21). Bei der Bewertung der wesentlichen Schlechterstellung sind zudem die für den Nachteilsausgleich bereitgestellten Mittel zu berücksichtigen. Dem Beschwerdeführer obliegt bei der Glaubhaftmachung der wesentlichen Schlechterstellung, dass der durch die wesentliche Schlechterstellung eintretende Nachteil nicht durch eine Zahlung aus dem gemäß § 64 Abs. 1 S. 1 StaRUG gebildeten Mittelfonds ausgeglichen werden kann.
30
Er muss also glaubhaft machen, dass er trotz Erhöhung der Werteallokation im Planszenario durch den Restrukturierungsplan im Vergleich zum Vergleichszenario noch immer wesentlich schlechter gestellt ist (Jungmann in MüKo StaRUG, 1. Auflage 2023, § 66 Rn. 81). Dies kann z. B. darauf gestützt werden, dass die Mittel der Höhe nach nicht ausreichen werden, um (auch) die Nachteile des Beschwerdeführers auszugleichen (LG Dresden, Beschluss vom 01.07.2021 – 5 T 363/21; Jungmann in MüKo StaRUG, 1. Auflage 2023, § 66 Rn.
31
82). Der Beschwerdeführer muss gemäß § 38 StaRUG i. V. m. § 294 ZPO Tatsachen vortragen und glaubhaft machen, aus denen sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass sie zutreffen (BGH, Beschluss vom 21.10. 2010 – V ZB 210/09; BGH, Beschluss vom 26.01.2022 – XII ZB 227/21; BGH, Beschluss vom 17.12.2009 – IX ZB 124/09; Jungmann in MüKo StaRUG, 1. Auflage 2023, § 66 Rn. 84, 85, § 64 Rn. 98)
32
b) Den vorgenannten Grundsätzen genügt die Beschwerde vom 30.06.2023 nicht.
33
Der Beschwerdeführer trägt lediglich vor, dass er den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt sehe, der Restrukturierungsplan mangels Partizipation in Zukunft für ihn nachteilig sei, er einen Totalverlust erleide und dies für ihn eine Enteignung sei.
34
Der Vortrag genügt nicht den dargestellten Anforderungen an eine zulässige Beschwerde, da schon kein Vergleich mit einem Alternativszenario ohne Plan erfolgt. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, ob eine Schlechterstellung wesentlich wäre, ob hierbei eine Geringfügigkeitsschwelle überschritten ist – was bei 320
35
Aktien bereits fraglich erscheint – und inwieweit der durch eine wesentliche Schlechterstellung eintretende Nachteil nicht durch eine Zahlung aus dem gemäß § 64 Abs. 1 S. 1 StaRUG gebildeten Mittelfonds ausgeglichen werden kann.
36
5. Die sofortige Beschwerde ist daher als unzulässig zu verwerfen.
37
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 38 Satz 1 StaRUG, § 97 Abs. 1 ZPO.
38
Ein Beschwerdewert war nicht festzusetzen, da in Restrukturierungssachen nur Festgebühren erhoben werden (Kramer in BeckOK, StaRUG, 9. Edition 01.07.2023, § 38 Rn. 25).
39
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 38 StaRUG i. V. m. § 574 ZPO nicht vorliegen.