Titel:
Vergabeverfahren, Leistungen, Berufung, AGB, Ausschreibung, Zulassung, Leistungserbringung, Bescheid, Verwaltungsakt, Vergabekammer, Genehmigung, Verpflichtungsklage, Fortsetzungsfeststellungsklage, Regierung, Antrag auf Zulassung der Berufung, Zulassung der Berufung, Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Normenketten:
GWB § 103 Abs. 1
EUV Art. 1 Abs. 6 der RL 2014/24/EU i.V.m. Art. 4 Abs. 2
GWB § 97 Abs. 6
Leitsätze:
1. Eine die Erfüllung öffentlicher Aufgaben betreffende Kompetenzübertragung nach Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU i.V.m. Art. 4 Abs. 2 EUV liegt nur dann vor, wenn die Übertragung sowohl die mit der übertragenen Kompetenz verbundenen Zuständigkeiten als auch die damit einhergehenden Befugnisse betrifft, so dass die neuerdings zuständige öffentliche Stelle über eine eigene Entscheidungsbefugnis und eine finanzielle Unabhängigkeit verfügt.
2. Gegen das Vorliegen eines vergaberechtsfreien staatsinternen Organisationsakts spricht, wenn die abgebende Stelle der übernehmenden Stelle nach wie vor Vorgaben machen kann, so dass letztere nicht völlig frei über die Erfüllung ihrer Aufgabe entscheiden kann.
3. Auch wenn eine Aufgabenübertragung nicht unumkehrbar sein muss (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2016 – C-51/15 Remondis), ist ein fixes Enddatum ohne weitere Verlängerungsmöglichkeit ist für eine Zweckvereinbarung – anders als für Verträge – untypisch.
4. Einem Unternehmen droht aus einer Verletzung des Vergaberechts jedenfalls dann kein Schaden, wenn es aus Gründen sonstigen öffentlichen Rechts keinerlei Aussicht hat, den fraglichen Auftrag zu erhalten.
5. Es obliegt nicht der Vergabekammer zu klären, ob die von einer Genehmigungsbehörde vertretene und in der Vergangenheit bereits verwaltungsgerichtlich bestätigte Rechtsansicht zutreffend ist. Im Nachprüfungsverfahren wird nicht inzident geprüft, ob eine Fachbehörde bei der Erteilung oder Versagung einer Genehmigung rechtliche Anforderungen verkannt hat (vgl. OLG München, Beschluss vom 27.07.2018 – Verg 02/18). Dies zu klären, obliegt vielmehr den Verwaltungsgerichten.
Schlagworte:
Vergabeverfahren, Leistungen, Berufung, AGB, Ausschreibung, Zulassung, Leistungserbringung, Bescheid, Verwaltungsakt, Vergabekammer, Genehmigung, Verpflichtungsklage, Fortsetzungsfeststellungsklage, Regierung, Antrag auf Zulassung der Berufung, Zulassung der Berufung, Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 17828
Tenor
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerinträgt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von…,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
Gründe
1
Mit Auftragsbekanntmachung vom 11.12.2019, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 12.12.2019 unter Nr. 2019/S …, schrieb die Antragsgegnerin einen Dienstleistungsauftrag über die Entsorgung von tierischen Nebenprodukten der Kategorien 1 und 2 und von Blut der Kategorie 2 aufgeteilt in drei Lose aus. Los Nr. 2 beinhaltete die Durchführung der ordnungsgemäßen Abholung, Sammlung, Beförderung, Lagerung, Behandlung, Verarbeitung und Beseitigung von ca. 600 Tonnen/Jahr tierischen Nebenprodukten bei der M. GmbH der Kategorie 2 vom 01.04.2020 bis 31.03.2022. Nach Ziffer 1.3 der zugehörigen Leistungsbeschreibung war eine vollständige Übertragung der Beseitigungspflicht gemäß § 3 Abs. 3 TierNebG für das in § 3 Abs. 1 Satz 1 TierNebG bezeichnete Material vorgesehen. Hierzu enthielt Ziffer 1.3 der Leistungsbeschreibung unter anderem folgende Festlegung:
„Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die Übertragung der Beseitigungspflicht gemäß § 3 Abs. 3 TierNebG unverzüglich nach Auftragserteilung zu beantragen und für die Dauer der Vertragslaufzeit zu übernehmen.
Die mit dieser Ausschreibung durchgeführte Vergabe muss noch gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 TierNebG von der zuständigen Behörde (Regierung gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 GesVSV) mit Bescheid genehmigt werden.
Die Übertragung der Beseitigungspflicht durch die Regierung auf den im Vergabeverfahren erfolgreichen AN ist eine Rechtsbedingung dafür, dass die durchgeführte Vergabe wirksam wird. Der AG verpflichtet sich, der vollständigen Übertragung (Beleihung) auf den AN gegenüber der Regierung im Auftragsfall zuzustimmen.
Bis zur Beleihung durch die Regierung ist die Vergabe schwebend unwirksam. Der AN wird darauf hingewiesen, dass erst mit Bescheid der Regierung die vollständige Übertragung der Beseitigungspflicht wirksam wird. Bis dahin bleiben der AG und der AN an die Vergabe gebunden.“
2
An dem als offenem Verfahren durchgeführten Vergabeverfahren beteiligte sich unter anderem die Antragstellerin; auf ihr Angebot für Los Nr. 2 wurde der Zuschlag erteilt.
3
Mit Schreiben vom 11.03.2020 beantragte die Antragstellerin bei der Regierung von O. die Übertragung der Beseitigungspflicht von der Antragsgegnerin auf die Antragstellerin. Mit Bescheid vom 20.03.2020 lehnte die Regierung von O. den Antrag ab mit der Begründung, dass der Übertragung überwiegende öffentliche Interessen im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 TierNebG entgegenstünden. Es bestünden öffentliche Interessen an einer vorrangigen Auslastung inländischer Kapazitäten, an einer dauerhaften Aufrechterhaltung einer leistungsfähigen inländischen Infrastruktur für die Beseitigung von tierischen Nebenprodukten sowie an einer Entsorgung von tierischen Nebenprodukten auf möglichst kurzem Weg.
4
Daraufhin erhob die Antragstellerin am 23.04.2020 vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht M. eine Verpflichtungsklage gegen den Freistaat Bayern, handelnd durch die Regierung von O. Zudem stellte sie am 19.05.2020 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO. Mit Beschluss vom 25.03.2021 wurde der Antrag gemäß § 123 VwGO durch das Bayerische Verwaltungsgericht M. abgelehnt und mit Urteil vom 17.11.2021 auch die Klage der Antragstellerin abgewiesen. Am 02.03.2022 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts M. vom 17.11.2021. Nachdem die Beteiligten vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, erließ dieser am 30.06.2022 einen Einstellungsbeschluss, wobei er feststellte, dass das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts M. vom 17.11.2021 wirkungslos geworden sei. Eine Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage erfolgte nicht.
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In der Zwischenzeit hatte die Antragsgegnerin die auftragsgegenständlichen Leistungen aus Los-Nr. 2 für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis zum 31.12.2020 im Wege einer Interimsvergabe an den Beigeladen vergeben und am 03.08.2020 eine weitere EU-Auftragsbekanntmachung über die Durchführung eines offenen Verfahrens zur Vergabe der auftragsgegenständlichen Leistungen aus Los Nr. 2 für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis 31.03.2022 veröffentlicht. In dieser Ausschreibung war zusätzlich zu den Regelungen zur Übertragung der Beseitigungspflicht aus der vorangegangenen Ausschreibung folgende weitere Regelung in Ziffer 1.3 der Leistungsbeschreibung enthalten:
„Aufgrund der Verpflichtung der europäischen Mitgliedsstaaten, auf ihrem Hoheitsgebiet ein angemessenes Entsorgungssystem für tierische Nebenprodukte zu gewährleisten, und dem damit verbundenen Prinzip der Entsorgungsautarkie, wird der ortsgebundene Benutzungszwang ausgeübt.
Im Interesse des Gesundheitsschutzes soll ein leistungsfähiges, ortsnahes Netz von Tierkörperbeseitigungsanlagen vorgehalten werden, weshalb die Entsorgung der hier ausgeschriebenen tierischen Nebenprodukte innerhalb Deutschlands zu erfolgen hat (vgl. hierzu Art. 4 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1069/2009 sowie Drucksache des deutschen Bundestags Nr. 15/1667 vom 09.10.2003 und Bundesrat Drucksache Nr. 118/16 vom 11.03.2016 zu § 3 Abs. 3 TierNebG).
Die Angabe der Tierkörperbeseitigungsanlage im Leistungsverzeichnis ist daher verpflichtend notwendig. Bei Angabe einer Tierkörperbeseitigungsanlage außerhalb Deutschlands erfolgt der Ausschluss des Angebotes.“
6
Auch in diesem Vergabeverfahren erhielt der Beigeladene den Zuschlag. Die Antragstellerin beteiligte sich an diesem Vergabeverfahren nicht.
7
Für den Zeitraum über den 31.03.2022 hinaus schlossen Antragsgegnerin und Beigeladener mit Datum vom 07.02.2022 eine Zweckvereinbarung zum Zwecke der Übertragung der Tierkörperbeseitigungspflicht der Antragsgegnerin auf den Beigeladenen betreffend die Beseitigung von tierischen Nebenprodukten der Kategorien 1 und 2, die im Bereich der Großviehschlachtung anfallen. Die Laufzeit wurde vom 01.04.2022 bis zum 31.03.2030 festgelegt mit einer Möglichkeit zur Verlängerung im gegenseitigen Einvernehmen um weitere vier Jahre. Die Zweckvereinbarung wurde von der Regierung von N… mit Schreiben vom 16.02.2022 rechtsaufsichtlich genehmigt und am 22.02.2022 im Amtsblatt der Regierung von Niederbayern bekannt gemacht. Der Abfallwirtschaftsbetrieb der Antragsgegnerin war zuvor mit Stadtratsbeschluss vom 15.12.2021 zum Abschluss der Zweckvereinbarung ermächtigt worden. Darin war der Verzicht auf die erneute Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens damit begründet, dass aufgrund fehlender geeigneter Interessenten für die zu erbringende Dienstleistung eine neue Ausschreibung nicht zielführend sei.
8
Mit Schreiben vom 29.06.2022 wandte sich die Antragstellerin an die Antragsgegnerin und teilte dieser mit, dass sie in der 25. Kalenderwoche 2022 erstmalig auf die Beschlussvorlage betreffend den Abschluss einer Zweckvereinbarung über den Transport und die Entsorgung von tierischen Nebenprodukten im Bereich der Großviehschlachtung aufmerksam geworden sei. Die Antragstellerin beanstandete, dass sich der Abschluss einer Zweckvereinbarung unter Verzicht auf ein europaweites Vergabeverfahren als unrechtmäßig darstelle. Es sei nicht zu erkennen, dass einer der in § 14 Abs. 4 VgV genannten Ausnahmetatbestände eine Auftragsvergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb rechtfertige. Insbesondere sei gem. § 14 Abs. 4 Nr. 1 VgV ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb erst dann zulässig, wenn zuvor in einem offenen oder einem nicht offenen Verfahren keine oder keine geeigneten Angebote eingereicht worden sind. Es gebe verschiedene geeignete Unternehmen, die an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert sein dürften. Die Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens sei folglich zwingend geboten. Zudem bat die Antragstellerin die Antragsgegnerin um Mitteilung, ob und ggf. an welchem Datum bereits eine Zweckvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen abgeschlossen wurde. Eine dahingehende Feststellung sei der Antragstellerin nicht möglich gewesen, weil bislang keine Bekanntmachung der Auftragsvergabe im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union erfolgt sei.
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Mit Schreiben vom 04.07.2022 setzte die Antragsgegnerin die Antragstellerin davon in Kenntnis, dass am 07.02.2022 eine Zweckvereinbarung mit Laufzeitbeginn ab 01.04.2022 abgeschlossen und von der Regierung von Niederbayern mit Schreiben vom 16.02.2022 rechtsaufsichtlich genehmigt worden sei. Eine Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union sei nicht erfolgt, da es sich nicht um eine Ausschreibung handle, sondern um den Abschluss einer Zweckvereinbarung im Sinne des KommZG. Die Ausführungen der Antragstellerin zu § 14 VgV teile die Antragsgegnerin nicht.
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Nachdem der Rüge der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte diese mit Schreiben vom 20.07.2022 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
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Die Antragstellerin führt aus, dass sie davon ausgehe, dass die Antragsgegnerin bei einer Neuvergabe wie schon in der Vergangenheit eine getrennte Ausschreibung der Kategorien 1 und 2 vornehme. In diesem Fall sei die Antragstellerin an einer Leistungserbringung in der Kategorie 2 interessiert.
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Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Die Antragsgegnerin decke mit der streitgegenständlichen Beschaffung ihren Bedarf. Der Vorgang stelle sich als öffentlicher Dienstleistungsauftrag gemäß § 103 Abs. 1, 4 GWB dar. Ausgehend von den Markterfahrungen der Antragstellerin liege das Auftragsvolumen deutlich über dem einschlägigen Schwellenwert von 214.000 Euro (netto). Die Antragstellerin sei auch antragsbefugt gemäß § 160 Abs. 2 GWB. Sie sei in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt, da ein Verstoß gegen § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB in Rede stehe. Bei einem Verstoß im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB genüge, dass die Antragstellerin in vergaberechtswidriger Weise nicht am Verfahren beteiligt wurde. Dies stelle bereits eine Verschlechterung der Zuschlagsaussichten und damit einen potentiellen Schaden dar. Mit ihrer Teilnahme an dem für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis 31.03.2022 durchgeführten europaweiten Vergabeverfahren über die ordnungsgemäße Abholung, Sammlung, Beförderung, Lagerung, Behandlung, Verarbeitung und Beseitigung von tierischen Nebenprodukten habe die Antragstellerin gezeigt, dass sie ein konkretes Interesse an der Übernahme der in Rede stehenden Entsorgung von tierischen Nebenprodukten habe. Dieses Interesse sei unverändert vorhanden und werde durch das durchgeführte gerichtliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht M. manifestiert.
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Für die Antragsbefugnis sei nicht erforderlich, dass die Antragstellerin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte, wenn der behauptete Vergabefehler nicht vorgelegen hätte. Ausreichend sei vielmehr, dass die Zuschlagserteilung an die Antragstellerin nicht verlässlich ausgeschlossen werden könne. Der Betrieb der Antragstellerin sei zur Übernahme der Tierkörperbeseitigungspflicht im Bereich der Großviehschlachtung insbesondere in der Kategorie 2 technisch und organisatorisch in der Lage. Die Antragstellerin hätte sich an einem europaweiten Vergabeverfahren für den Zeitraum vom 01.04.2022 bis 31.03.2030 nebst Verlängerungsoption beteiligt, sofern die Antragsgegnerin ein solches durchgeführt hätte.
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Die Frist zur Beantragung der Feststellung der Unwirksamkeit gemäß § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB habe die Antragstellerin eingehalten. Sie sei erstmalig am 04.07.2022 von der Antragsgegnerin über den am 07.02.2022 geschlossenen Vertrag informiert worden und habe daraufhin am 20.07.2022 den gegenständlichen Nachprüfungsantrag eingereicht. Eine Obliegenheit zur Rüge habe gemäß § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB nicht bestanden.
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Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Die Antragsgegnerin habe gegen § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB verstoßen. Sie habe eine europaweite Ausschreibung unterlassen, obwohl ihr dies aufgrund Gesetzes nicht gestattet gewesen sei. Es sei nicht erkennbar, dass einer der in § 14 Abs. 4 VgV genannten Ausnahmetatbestände eine Auftragsvergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb rechtfertige. § 14 Abs. 4 Nr. 1 VgV komme nicht in Betracht, da hiernach eine erfolglose Verfahrensdurchführung, mithin ein vorgelagerter Wettbewerb, gefordert sei. Auch eine Monopolstellung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) VgV liege nicht vor. Insbesondere sei der Betrieb der Antragstellerin zur Übernahme der Tierkörperbeseitigungspflicht im Bereich der Großviehschlachtung – insbesondere in der Kategorie 2 – technisch und organisatorisch in der Lage. Ob die Regierung von O. eine Beseitigungspflicht gemäß § 3 Abs. 3 Satz1 TierNebG für die streitgegenständlichen tierischen Nebenprodukte auf die Antragstellerin oder konkurrierende Bieter übertragen würde, lasse sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht verlässlich beurteilen.
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Es sei auch nicht erkennbar, dass der Verzicht auf die Durchführung einer wettbewerblichen Auftragsvergabe auf Grundlage der von der Rechtsprechung des Gerichtshofes entwickelten Grundsätze einer (kommunalen) Aufgabenübertragung zwischen öffentlichen Stellen gerechtfertigt werden könne. Bei der streitgegenständlichen Zweckvereinbarung handle es sich vielmehr um eine Maßnahme „im Gewand“ interner Organisationsakte, die im Wesentlichen auf den entgeltlichen Erwerb von klassischen Dienstleistungen gerichtet sei. Voraussetzung für eine Ausschreibungsfreiheit sei nach der Rechtsprechung eine operative, regulative und finanzielle Autonomie der neu zuständigen Stelle. Dies setze eine Übertragung der mit der übertragenen Kompetenz verbundenen Zuständigkeiten, der damit einhergehenden Befugnisse sowie eine finanzielle Unabhängigkeit der neu zuständigen Stelle voraus, die es ihr erlaube, die Finanzierung dieser Aufgabe selbst sicherzustellen. Vorliegend umfasse die Zweckvereinbarung lediglich die Übertragung der Pflicht nach § 3 Abs. 1 TierNebG und dies auch nur partiell im Bereich der Großviehschlachtung, die auf Material/Abfälle aus der … GmbH beschränkt sei. Dem Beigeladenen sei auch keine autonome Kompetenz zur Ausgestaltung der ihm anvertrauten Tätigkeiten übertragen worden, da in § 2 der Zweckvereinbarung Umfang, Art und Ausgestaltung der vom Beigeladenen vorzunehmenden Tätigkeiten vorab vertraglich festgelegt worden seien. Auch die Regelungen zur Anwendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beigeladenen sprächen gegen das Bestehen eines autonomen Handlungsspielraums des Beigeladenen, denn durch die Bestimmungen der Zweckvereinbarung werde die eigenständige Regelungsbefugnis des Beigeladenen ausdrücklich abbedungen. Letztlich bestehe auch keine finanzielle Autonomie des Beigeladenen, da § 3 Abs. 2 der Zweckvereinbarung ein vorab festgesetztes, verbrauchsunabhängiges Nutzungsentgelt von … €/Schlachttier vorgebe. Mit der in § 5 der Zweckvereinbarung enthaltenen Gleichbehandlungsklausel behalte sich die Antragsgegnerin zudem einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe des Behandlungs- bzw. Entsorgungsentgelts vor. Nach einer Gesamtbetrachtung der Regelungen der Zweckvereinbarung sei daher von einer klassischen synallagmatischen Leistungsbeziehung auszugehen. Es liege auch keine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung im Sinne von § 108 Abs. 6 GWB vor, da eine solche eine Zusammenarbeit auf Grundlage eines kooperativen Konzepts erfordere. Der Beitrag der Antragsgegnerin beschränke sich aber auf eine bloße Kostenerstattung.
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Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lasse sich gerade aus dem Verlauf der verwaltungsgerichtlichen Verfahren entnehmen, dass die Antragstellerin ein Interesse an der Leistungserbringung hat. Die Antragstellerin habe ihr ursprüngliches Interesse an dem ersten Vergabeverfahren 2020 auf verwaltungsgerichtlichem Weg durchzusetzen beabsichtigt. Im Anschluss an das abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts M. habe die Antragstellerin einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Im Berufungsverfahren vor dem Bayerischen VGH habe jedoch zu einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht konkret vorgetragen werden können, da der Vergabezeitraum aufgrund der langen Verfahrensdauer abgelaufen gewesen sei und die Antragsgegnerin zunächst keine erneute öffentliche Ausschreibung der Entsorgung der tierischen Nebenprodukte initiiert habe. Ausschließlich vor diesem prozessualen Hintergrund sei sodann die Erledigung des Verfahrens erklärt worden. Eine Sachentscheidung der Verwaltungsgerichte über die Frage der Beleihung der Antragsgegnerin liege demnach gerade nicht vor. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lasse sich auch aus einer Nichtbeteiligung der Antragstellerin am weiteren Vergabeverfahren für den Leistungszeitraum 01.01.2021 bis 31.03.2022 auch nicht der Schluss ziehen, dass diese kein Interesse an der streitgegenständlichen Leistungserbringung habe. Der Antragstellerin sei die Initiierung des Vergabeverfahrens weder bekannt gewesen noch sei sie von der Antragsgegnerin über die erneute Beschaffungsabsicht vorab in Kenntnis gesetzt worden.
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Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist für die Antragsbefugnis und die Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichend, dass die Zuschlagserteilung an die Antragstellerin nicht verlässlich ausgeschlossen werden kann. Dies sei vorliegend der Fall. Der Betrieb der Antragstellerin sei zur Übernahme der Tierkörperbeseitigungspflicht im Bereich der Großviehschlachtung – insbesondere in der Kategorie 2 – technisch und organisatorisch in der Lage. Die von der Regierung von O. geäußerte Rechtsauffassung zur Beleihung ausländischer Unternehmen, die sich die Antragsgegnerin zu eigen gemacht habe, könne eine Zuschlagserteilung an die Antragstellerin nicht per se verhindern. Eine Beleihung sei nicht der einzige Weg, wie eine Entsorgung/Verwertung durch Dritte erfolgen kann. Dritte könnten nach § 3 Abs. 1 Satz 3 TierNebG auch im Rahmen eines Auftragsverhältnisses mit der Aufgabenwahrnehmung beauftragt werden. Zudem gelte gem. § 3 Abs. 2 TierNebG die Beseitigungspflicht nicht, wenn aus den tierischen Nebenprodukten bestimmte Folgeprodukte durch zugelassene oder registrierte Unternehmen hergestellt werden sollen, wie vorliegend Biogas durch die Antragstellerin. Die Vorgabe einer Beleihung des Bestbietenden in den Vergabeunterlagen überschreite insoweit die rechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers. Soweit die Regierung von O. den Standpunkt vertrete, dass generell keine ausländischen Unternehmen, insbesondere nicht solche aus einem Drittland, beliehen würden, sei dies ermessensfehlerhaft.
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Soweit die Antragsgegnerin an der Vorgabe festhalte, dass eine Entsorgung der tierischen Nebenprodukte zwingend in Deutschland erfolgen müsse, seien auch hiermit die rechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit überschritten. Die Vorgabe widerspreche bereits der Rechtsprechung des EuGH sowie der Auffassung der EU-Kommission, wonach in Deutschland für die Beseitigung von Material der Kategorien 1 und 2 ein Markt bestehe, der dem Wettbewerb geöffnet sei. Zudem könne eine Beleihung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 TierNebG unter anderem nur abgelehnt werden, wenn überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Hierzu bedürfe es spürbarer Auswirkungen auf die Gewährleistung der Entsorgungssicherheit; reine Vermutungen seien nicht ausreichend. Das Prinzip der Entsorgungsautarkie greife nur bei einer Übertragung der Beseitigungspflicht für beseitigungspflichtiges Material nach § 3 Abs. 1 TierNebG, nicht aber wie auch vorliegend bei der Behandlung von tierischen Nebenprodukten im Sinne von § 3 Abs. 2 TierNebG.
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Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lägen die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien einer ausschreibungsfreien Kompetenz- und Zuständigkeitsübertragung zwischen zwei öffentlichen Stellen hier nicht vor. Regelungsgegenstand der Zweckvereinbarung sei allein die tatsächliche Entsorgung tierischer Nebenprodukte, die ausschließlich bei der … GmbH als Besitzerin der Schlachtabfälle anfallen. Ausweislich eines Schreibens der Antragsgegnerin vom 02.06.2021 habe diese vorgeschlagen, neben der Entgeltliste etwaige Mehraufwendungen in Rechnung zu stellen, was letztlich auch Einzug in die Zweckvereinbarung gefunden habe. Hieraus folge, dass der Beigeladene von der betreffenden operativen und finanziellen Befugnis nicht selbständig und eigenverantwortlich Gebrauch machen könne. Hinzu käme, dass der Beigeladene den die übertragenen Entsorgungsleistungen betreffenden rechtlichen Rahmen nicht eigenverantwortlich regeln könne, da § 7 Abs. 3 der Zweckvereinbarung bestimme, dass die Regelungen der Zweckvereinbarung stets den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beigeladenen vorgehen. Auch würden in § 2 der Zweckvereinbarung verbindliche Vorgaben zum Umfang der Beseitigungstätigkeiten geregelt wie die zu verwendenden Behälter- und Tankgrößen oder der Entleerungsrhythmus. Soweit die Antragsgegnerin behaupte, eine derartige Detailregelung könne nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beigeladenen geregelt werden, belege dies die Tatsache, dass sich die Antragsgegnerin ausschlaggebenden Einfluss auf die Durchführung der Entsorgungsleistungen vorbehalte. Darüber hinaus enthalte § 5 Abs. 1 der Zweckvereinbarung eine Gleichbehandlungsklausel, wonach eine finanzielle Benachteiligung der sonstigen benutzungspflichtigen Eigentümer und Besitzer von tierischen Nebenprodukten im Hoheitsgebiet der Antragsgegnerin im Vergleich zur … GmbH verbindlich ausgeschlossen werden soll. Die Klausel gebe der Antragsgegnerin das einseitige Recht, das in Rede stehende Vertragsverhältnis bei Änderungen der – vertraglich festgelegten – Entgeltregelungen zu kündigen. Nach Maßgabe einer Gesamtbetrachtung handle es sich im Ergebnis daher nicht um eine tatsächliche Kompetenzübertragung, sondern ein synallagmatisches Verhältnis, das sich in einer reinen Dienstleistung gegen einen finanziellen Ausgleich erschöpfe.
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Die Antragstellerin beantragt
1. gegen die Antragsgegnerin ein Vergabenachprüfungsverfahren gemäß §§ 160 ff. GWB durchzuführen;
2. festzustellen, dass der Abschluss einer Zweckvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und dem Zweckverband für Tierkörper- und Schlachtabfallbeseitigung P… (ZTS) über den Transport und die Entsorgung von tierischen Nebenprodukten (Schlachtabfälle der Kategorien 1 und 2) im Bereich der Großviehschlachtung – dieser ist nach Informationen der Antragstellerin für die Zeit vom 01.04.2022 bis zum 31.03.2030 mit Verlängerungsoption bis zum 31.03.2034 gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB abgeschlossen worden – unwirksam ist;
3. der Antragsgegnerin aufzugeben, den Transport und die Entsorgung von tierischen Nebenprodukten (Schlachtabfälle der Kategorien 1 und 2) im Bereich der Großviehschlachtung bei fortbestehendem Beschaffungsbedarf in einem wettbewerblichen Verfahren neu zu vergeben;
4. der Antragstellerin gemäß § 165 GWB in dem zu einer effektiven Rechtswahrnehmung gebotenen Maße Einsicht in die Akten zu gewähren;
5. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;
6. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen.
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Die Antragsgegnerin beantragt
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen. Die Anträge der Antragstellerin in Ziffer 2 und 3 des Antrags werden dementsprechend zurückgewiesen.
2. Die beantragte Akteneinsicht in die Vergabeakten der Antragsgegnerin wird versagt.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin.
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Die Antragsgegnerin führt aus, dass sie sich nach Zuleitung des Nachprüfungsantrags bei der Regierung von O. erkundigt habe, ob sich an einer Ablehnung der Übertragung der Beseitigungspflicht auf ausländische Tierkörperbeseitigungsanlagen etwas geändert habe. Mit E-Mail vom 25.07.2022 habe die Regierung mitgeteilt, dass an der Auffassung, generell keine ausländischen Anlagen mit den Beseitigungspflichten tierischer Nebenprodukte zu beleihen, festgehalten werde.
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Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, da die Antragstellerin nicht antragsbefugt nach § 160 Abs. 2 GWB sei. Es werde angezweifelt, dass die Antragstellerin tatsächlich noch ein Interesse an der streitgegenständlichen Leistungserbringung hat und es ihr nicht nur um eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle geht. Die Antragstellerin habe das damalige Verfahren zur Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts M. vom 17.11.2021 nicht weiter betrieben, obwohl ihr dies durch Darlegung eines schutzwürdigen Interesses wie beispielsweise einer Wiederholungsgefahr trotz Erledigung möglich gewesen wäre. Da die Leistung aufgrund der fehlenden Genehmigung der Regierung von O. neu vergeben werden musste, hätte die Antragstellerin zu einer konkreten Wiederholungsgefahr ausführen können. Zudem habe sich die Antragstellerin an dem europaweiten Vergabeverfahren über die streitgegenständliche Leistung für den Zeitraum 01.01.2021 bis 31.03.2022 nicht beteiligt. Zwar erfülle die Entsorgungsanlage der Antragstellerin in der Schweiz das in den damaligen Vergabeunterlagen enthaltene Ausschlusskriterium einer inländischen Tierkörperbeseitigungsanlage nicht; jedoch hätte die Antragstellerin beispielsweise durch Einbindung eines Subunternehmers mit einer inländischen Tierkörperbeseitigungsanlage die Möglichkeit gehabt, sich am Verfahren zu beteiligen. Die Antragstellerin habe auch nicht im Wege eines Nachprüfungsverfahrens Rechtsschutz gegen die entsprechende Passage zur Inlandsbeseitigung gesucht. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei es nicht erforderlich gewesen, die Antragstellerin von der europaweit bekannt gemachten Ausschreibung in Kenntnis zu setzen.
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Ungeachtet dessen drohe der Antragstellerin kein Schaden. Selbst wenn die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Leistung erneut ausgeschrieben und keine Zweckvereinbarung abgeschlossen hätte, hätte die Antragstellerin den Zuschlag nicht erhalten. Da die Regierung von O. an ihrer damals im Bescheid und vor Gericht vorgetragenen Rechtsauffassung noch immer festhalte, wäre es in einem Vergabeverfahren nie zu einem Zuschlag an die Antragstellerin gekommen. Darüber hinaus hätte die Antragsgegnerin auch bei einer Folgeausschreibung über den 01.04.2022 hinaus die Einschränkung gemacht, dass sich die Entsorgungsanlage in Deutschland befinden muss. Angesichts der eindeutigen Positionierung der Regierung von O., von deren Zustimmung die Übertragung der Beseitigungspflicht abhänge, bliebe der Antragsgegnerin gar nichts anderes übrig, um nicht sehenden Auges den Erfolg der Ausschreibung und daraus folgend die Gefährdung der Entsorgungssicherheit zu riskieren. Der Forderung einer inländischen Entsorgungsanlage hätte die Antragstellerin nicht genügt, sodass ihr in keinem Fall der Zuschlag erteilt worden wäre. Der Ablehnungsbescheid der Regierung von O. sei seitens der Verwaltungsgerichte nicht aufgehoben worden. Auch müsse davon ausgegangen werden, dass das Verwaltungsgericht M. bei erneuter Befassung gleich entscheiden würde. Wie die Antragstellerin vortrage, habe eine Behörde verschiedene Möglichkeiten, ihre Beseitigungspflicht auf Dritte zu übertragen. Die Antragsgegnerin habe das ihr diesbezüglich zustehende Ermessen dahingehend ausgeübt, eine Beleihung mit Zustimmung der Regierung von O. vorzunehmen. Zudem habe sich die Regierung von O. als zuständige Behörde im Sinne von § 3 Abs. 3 TierNebG und als Rechtsaufsichtsbehörde der Antragsgegnerin auch hier klar positioniert.
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Der Nachprüfungsantrag sei überdies unbegründet. Die Zweckvereinbarung zwischen dem Beigeladenen und der Antragsgegnerin unterfalle nach Art. 1 Abs. 6 der RL 2014/24/EU als Maßnahme der internen Organisation nicht dem Vergaberecht. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin erfülle die zwischen dem Beigeladenen und der Antragsgegnerin abgeschlossene Zweckvereinbarung als delegierende Zweckvereinbarung die insoweit vom EuGH aufgestellten Kriterien.
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Die Zweckvereinbarung beinhalte die vollständige Übertragung der Beseitigungsaufgabe hinsichtlich tierischer Nebenprodukte der Kategorien 1 und 2 auf den Beigeladenen. Mit der Übertragung der Pflichten verbunden seien gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 der Zweckvereinbarung die zur Erfüllung der Aufgabe notwendigen Befugnisse. Der Beigeladene sei auch befugt, die übertragenen Aufgaben selbstständig zu organisieren und dafür den diese Aufgaben betreffenden rechtlichen Rahmen zu schaffen. Hinsichtlich der Organisation der übernommenen Aufgabe ergebe sich dies aus der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beigeladenen, welche auf die Großviehschlachtung M. nach § 3 Abs. 1 der Zweckvereinbarung angewendet würden. Diese beinhalteten die wesentlichen Rahmenbedingungen der Abholung der tierischen Nebenprodukte bei der Großviehschlachtung M., sodass eine autonome Aufgabenerledigung erfolge. Einflussmöglichkeiten oder Zustimmungsvorbehalte der Antragsgegnerin, welche die Handlungsfreiheit des Beigeladenen beschränken würden, bestünden nicht. Gegen eine Handlungsautonomie des Beigeladenen spreche auch nicht § 2 der Zweckvereinbarung. Hierin würde der Aufgabenumfang, welcher sich aus § 3 Abs. 1 TierNebG ergebe, wiederholt und der zu erledigende Pflichtenkatalog klarer umschrieben. Derartige Detailregelungen, die mitunter den Örtlichkeiten/Verhältnissen vor Ort Rechnung trügen, könnten nicht in den AGB des Beigeladenen abgebildet werden. Es sei richtig, dass in § 7 Abs. 3 der Zweckvereinbarung ein Vorrang der Zweckvereinbarung vor den AGB des Beigeladenen normiert sei. Dies betreffe jedoch nur § 5 Abs. 2 und § 4 Abs. 2 b Punkt 3 der AGB und sei ebenfalls den Verhältnissen des Schlachthofs M. geschuldet. Gemäß § 3 Abs. 2 der Zweckvereinbarung erfolge die Finanzierung der Aufgabe als Kostenersatz über die Entgeltliste des Beigeladenen. Die in § 3 Abs. 3 und 4 der Zweckvereinbarung aufgestellten Sonderregelungen trügen ebenfalls den Besonderheiten vor Ort Rechnung, die nicht in der Entgeltliste abgebildet werden könnten. Das verbrauchsunabhängige Entgelt sei auf Wunsch des Beigeladenen in der Zweckvereinbarung festgelegt worden. Dem Beigeladenen bleibe es unbenommen, die Entgeltliste im Rahmen der rechtlichen Spielräume zu ändern. Die Antragsgegnerin habe keinen Einfluss auf die Finanzen des Beigeladenen und zahle auch keine Vergütung.
28
Entgegen der Behauptung der Antragstellerin finde kein entgeltlicher Leistungsaustausch zwischen der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen statt; eine synallagmatisches Austauschverhältnis liege nicht vor. Das Entgelt für die vom Beigeladenen erbrachten Leistungen im Sinne der Zweckvereinbarung erbringe ausschließlich die entsorgte … GmbH. Dass nur Entsorgungsleistungen in Bezug auf ein einziges Unternehmen übertragen wurden, sei dem Umstand geschuldet, dass es lediglich einen Großviehschlachthof im Gebiet der Antragsgegnerin gebe. Somit liege auch nur eine Anfallstelle vor, für die Aufgaben und Befugnisse hätten übertragen werden können. Der Antragsgegnerin seien weder in der Zweckvereinbarung noch in sonstigen Regelungen Einflussmöglichkeiten gegeben. Die entscheidungsbefugten Organe des Beigeladenen seien abschließend in dessen Betriebssatzung genannt. Ein Einfluss der Antragsgegnerin auf dieses Unternehmen sei nicht vorgesehen, auch nicht mittelbar. Die von der Antragstellerin in Bezug genommenen Gesprächsnotizen belegten, dass den Vorgaben/Wünschen des Beigeladenen durch die Antragsgegnerin Rechnung getragen worden sei. Ziel sei gewesen, Streitigkeiten zwischen Beigeladenem und der … GmbH über Zusatzkosten vorzubeugen. Dass das Handeln des Beigeladenen von der Genehmigung der Antragsgegnerin abhänge, wie die Antragstellerin vortrage, sei nicht korrekt. Die Zweckvereinbarung beinhalte keine von den AGB abweichenden, konkurrierenden Regelungen, so dass die AGB, welche der Beigeladene eigenständig erlasse, gälten. Diese gäben den maßgeblichen rechtlichen Rahmen für die Entsorgungsleistung vor. Streitigkeiten im Rahmen der Aufgabenerledigung seien ausschließlich zwischen dem Beigeladenen und der … GmbH zu klären.
29
Mit Beschluss vom 28.07.2022 wurde der Beigeladene zum Verfahren beigeladen.
30
Der Beigeladene stellt keine Anträge. Zur Sache führt er aus, dass es sich bei der Zweckvereinbarung um eine sogenannte Aufgabenübertragungsvereinbarung nach Art. 7 Abs. 2 Halbsatz 1 KommZG handle. Es sei eine vollständige Aufgaben- und Kompetenzübertragung erfolgt. Aufgrund des „einmaligen“ Charakters der Großviehschlachtung seien einzelne Punkte der Abwicklung vorab verbindlich geregelt worden, um für alle Beteiligten individuelle Klarheit für diese „einmalige“ Entsorgungsaufgabe zu schaffen. Dass die Aufgabenübertragung der Großviehschlachtung mit dem Betrieb der … GmbH deckungsgleich sei, spreche nicht gegen eine vollständige Aufgabenübertragung, sondern sei wegen der vollständigen Kompetenzübertragung auf den Beigeladenen zwingend erforderlich gewesen. Die Konkretisierungen innerhalb der Zweckvereinbarung, die über den Inhalt der AGB hinausgehen, seien gerade Ausdruck der Eigenverantwortlichkeit des Beigeladenen. Diese seien durch den Beigeladenen getroffen worden als individuelle Klarstellung für die übertragene Aufgabe aufgrund jahrzehntelanger Entsorgungspraxis an diesem Standort. Eine Einmischung in konkrete Modalitäten durch die Antragsgegnerin habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Die vorab festgelegte Höhe des Nutzungsentgelts für Vorhaltekapazitäten sei klarer Ausdruck für die finanzielle Unabhängigkeit. Mit der Übertragung der Aufgabe sei das komplette Auslastungsrisiko auf den Beigeladenen übergegangen. Er könne keine Vollauslastung seiner Anlage durch Drittmengen vornehmen, da er jederzeit damit rechnen müsse, dass aus dem Gebiet der Großviehschlachtung ein Mehrfaches als die aktuell tatsächlich überlassene Menge angeliefert werde. Die Kalkulation der üblichen Entsorgung erfolge durch den Beigeladenen für alle Nutzer der Anlagen einheitlich. Die entsprechende Regelung in der Zweckvereinbarung habe somit nur deklaratorischen Charakter.
31
Am 17.01.2023 fand in den Räumen der Regierung von Oberbayern die mündliche Verhandlung statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Die Antragstellerin erhielt Schriftsatzfrist, um nochmals zur Frage der Antragsbefugnis Stellung nehmen zu können.
32
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 24.01.2023 hob die Antragstellerin hervor, dass es für die Antragsbefugnis und die Möglichkeit eines Schadenseintritts nicht erforderlich sei, dass die Antragstellerin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte, wenn der behauptete Vergabefehler einer unzulässigen De-facto-Vergabe nicht vorgelegen hätte. Ausreichend sei vielmehr, dass die Zuschlagserteilung an die Antragstellerin nicht verlässlich ausgeschlossen werden könne, was vorliegend der Fall sei. Dem stehe auch nicht die nach Ansicht der Antragsgegnerin eindeutige Positionierung der Regierung von O. entgegen, ausländische Anlagen nicht für die Entsorgung der streitgegenständlichen Materialien zuzulassen. Insoweit sei auf den Bescheid der Regierung von O. vom 20.03.2020 zu verweisen, in der die Tatbestandswirkung unter zeitlichen Gesichtspunkten bereits am 31.03.2022 geendet habe. Der Verwaltungsakt gehe somit ins Leere und dürfe in dem gegenständlichen Nachprüfungsverfahren nicht zur Auslegung der Sach- und Rechtslage herangezogen werden. Auch könnten sich öffentliche Auftraggeber auf einfache Weise eines Bieters entledigen, wenn sich diese auf eine gerichtlich nicht bestätigte Rechtsauffassung einer Verwaltungsbehörde berufen dürften. Zudem sei die gesetzliche Regelung des § 122 GWB zu beachten. Danach würden öffentliche Aufträge an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach § 123 GWB oder § 124 GWB ausgeschlossen worden sind. Anhaltspunkte für eine fehlende Eignung der Antragstellerin nach diesen Vorschriften seien von der Antragsgegnerin bislang nicht vorgetragen worden. Eine von der Antragsgegnerin lediglich behauptete fehlende rechtliche Leistungsfähigkeit der Antragstellerin sei nach der neueren Rechtsprechung des OLG Düsseldorf hingegen kein taugliches Kriterium. Auch sei eine verwaltungsrechtliche Inzidenzprüfung aufgrund des verfahrensrechtlichen Beschleunigungsgebots nur dann zulässig, wenn ein Verstoß der Antragstellerin gegen geltendes Recht feststeht oder ohne weitere zeitaufwendige Prüfung zweifelsfrei festgestellt werden kann. Dies sei vorliegend mangels einer die Rechtsauffassung der Regierung von O. bestätigenden obergerichtlichen Rechtsprechung nicht der Fall.
33
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer, die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2023 sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
34
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
35
Zwar ist vorliegend fraglich, ob Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ein öffentlicher Auftrag i. S. d. § 103 Abs. 1GWB ist. Da diese Frage jedoch auch die Begründetheit des Nachprüfungsantrags – namentlich die Anwendbarkeit des vierten Teils des GWB – betrifft, ist für deren Bewertung im Rahmen der Zulässigkeit allein der diesbezügliche Vortrag der Antragstellerin maßgeblich (sog. doppelrelevante Tatsache, vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 31.10.2022 – 11 Verg 7/21). In diesem Fall genügt, dass sich nach der schlüssigen Darlegung bzw. der geäußerten Rechtsansicht der Antragstellerin eine Zuständigkeit der Vergabenachprüfungsinstanzen begründen lässt. Dies ist vorliegend der Fall. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, dass die zwischen Antragsgegnerin und Beigeladenem geschlossene Zweckvereinbarung einen öffentlichen Auftrag darstelle, der lediglich im Gewand einer Zweckvereinbarung, also eines staatsinternen Organisationsakts, geschlossen worden sei. Im Kern handle es sich um eine Maßnahme, die auf den entgeltlichen Erwerb einer klassischen Dienstleistung gerichtet sei. Die Antragsgegnerin decke damit ihren Bedarf. Diese Rechtsansicht der Antragstellerin als zutreffend unterstellt, läge ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB vor.
36
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragstellerin liegt das Volumen der Maßnahme deutlich über 215.000 Euro und damit auch über dem aktuell gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert. Da die Antragsgegnerin zudem Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB ist und eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB nicht vorliegt, ist die Zuständigkeit der Vergabekammer insgesamt gegeben.
37
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
38
Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
39
Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Einreichung des Nachprüfungsantrags nachgewiesen. Zwar wird das für die Antragsbefugnis erforderliche Interesse am Auftrag in der Regel durch die Abgabe eines Angebots dokumentiert. Werden jedoch angebotshindernde Vergaberechtsverstöße geltend gemacht, bedarf es eines Angebots nicht; vielmehr wird das Interesse am Auftrag in diesen Fällen durch die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens belegt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.06.2017 – VII-Verg 2/17). Vorliegend hatte die Antragstellerin mangels eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens keine Möglichkeit, sich um den Auftrag zu bewerben. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin mit dem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten.
40
Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB geltend gemacht, indem sie darlegte, dass der Auftrag nicht im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemacht worden ist, obwohl dies geboten gewesen wäre. Im Hinblick auf den darzulegenden entstandenen oder drohenden Schaden ist zu berücksichtigen, dass es sich auch bei der Antragsbefugnis um eine sog. doppelrelevante Tatsache handelt. Für die Zulässigkeitsprüfung genügt die schlüssige Darlegung, dass eine Rechtsverletzung geschehen ist und dadurch dem Antragsteller ein Schaden droht; ob dies tatsächlich der Fall ist, wird erst im Rahmen der Begründetheitsprüfung festgestellt (vgl. OLG München, Beschluss vom 06.12.2012 – Verg 25/12). Eine schlüssige Darlegung ist dann gegeben, wenn sich bei Unterstellung des Vortrags des Antragstellers als zutreffend eine Rechtsverletzung und ein drohender Schaden ergeben (OLG München, aaO). Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu bejahen. Sie hat dargelegt, dass sie in dem ihrer Ansicht nach gebotenem EUweiten Vergabeverfahren realistische Chancen auf den Zuschlag hätte. Der Betrieb der Antragstellerin sei zur Übernahme der Tierkörperbeseitigungspflicht im Bereich der Großviehschlachtung – insbesondere in der Kategorie 2 – technisch und organisatorisch in der Lage. Die Vorgabe einer Beleihung des Bestbietenden in den Vergabeunterlagen überschreite die rechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers. Soweit die Regierung von O. den Standpunkt vertrete, dass generell keine ausländischen Unternehmen, insbesondere nicht solche aus einem Drittland, beliehen würden, sei dies ermessensfehlerhaft. Soweit man die Rechtsansicht der Antragstellerin als zutreffend unterstellt, lässt sich eine Chance der Antragstellerin auf Erhalt des Zuschlags in einem wettbewerblichen Vergabeverfahren nicht in Abrede stellen. Ob die Rechtsansicht der Antragstellerin demgegenüber auch tatsächlich zutrifft, ist eine Frage der Begründetheit.
41
Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB entgegen, da gem. § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB bei einem Feststellungsantrag nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB keine Rügeobliegenheit besteht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29.07.2022 – Verg 13/21). Der Nachprüfungsantrag ist auch rechtzeitig innerhalb der Fristen des § 135 Abs. 2 GWB gestellt worden. Ungeachtet der Frage, ob die Frist gemäß § 135 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 GWB im Falle einer Direktvergabe überhaupt Anwendung findet (dagegen OLG Koblenz, Beschluss vom 27.01.2021 – Verg 1/19) hat die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag jedenfalls innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Information über den Abschluss des Vertrages durch die Antragsgegnerin gestellt. Auch die Frist von sechs Monaten gemäß § 135 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 GWB war im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verstrichen. Eine Vergabebekanntmachung ist vorliegend nicht erfolgt.
42
2. Der Nachprüfungsantrag istjedoch unbegründet.
43
Es kann im vorliegenden Fall offenbleiben, ob der Anwendungsbereich des vierten Teils des GWB eröffnet ist und die streitgegenständliche Vereinbarung zwischen Antragsgegnerin und Beigeladenem einen öffentlichen Auftrag i.S.v. § 103 Abs. 1 GWB darstellt oder vielmehr als staatsinterner Organisationsakt i.S.v. Art. 1 Abs. 6 der RL 2014/24/EU i.V.m. Art. 4 Abs. 2 EUV aufzufassen ist.
44
Der Antragstellerin kann nämlich durch eine möglicherweise anzunehmende vergaberechtswidrige Auftragsvergabe ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union kein Schaden entstehen, da die Antragsgegnerin ihr Leistungsbestimmungsrecht derart ausüben könnte und auch ausüben würde, dass die Antragstellerin von vorne herein nicht für einen Zuschlag in Betracht käme.
45
2.1. Es spricht Einiges dafür, dass der Nachprüfungsantrag schon deshalb unbegründet ist, weil vorliegend der Anwendungsbereich des vierten Teils des GWB gar nicht eröffnet ist und die streitgegenständliche Vereinbarung zwischen Antragsgegnerin und Beigeladenem keinen öffentlichen Auftrag i.S.v. § 103 Abs. 1 GWB darstellt, sondern vielmehr als interner Organisationsakt i.S.v. Art. 1 Abs. 6 der RL 2014/24/EU i.V.m. Art. 4 Abs. 2 EUV aufzufassen ist.
46
Allerdings gibt es durchaus auch Aspekte, die für einen öffentlichen Auftrag sprechen könnten und die Fallgestaltung ist nur eingeschränkt mit den bisher vom EuGH entschiedenen Fällen vergleichbar. Eine abschließende Klärung bedürfte möglicherweise einer Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), da insoweit die Auslegung der RL 2014/24/EU betroffen ist und sich die Frage anhand der bisher ergangenen Rechtsprechung des EuGH nicht ohne Weiteres klären lässt.
47
Nach Art. 1 Abs. 6 der RL 2014/24/EU i.V.m. Art. 4 Abs. 2 EUV werden Vereinbarungen, Beschlüsse oder andere Rechtsinstrumente, die die Übertragung von Befugnissen und Zuständigkeiten für die Ausführung öffentlicher Aufgaben zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Gruppen von öffentlichen Auftraggebern regeln und die keine Vergütung für vertragliche Leistungen vorsehen, als Angelegenheit der internen Organisation des betreffenden Mitgliedstaats betrachtet und als solche nicht von dieser Richtlinie berührt. Wird daher die Zuständigkeit für die Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe von einer bisher zuständigen auf eine andere öffentliche Stelle verlagert, so unterliegt dieser Vorgang nicht dem Vergaberecht. Im Übrigen ist eine solche Aufgabenverlagerung auch nicht durch das einen öffentlichen Auftrag i.S.v. § 103 GWB kennzeichnende Synallagma von Leistung und Gegenleistung geprägt (Ziekow in Ziekow/Völlink, Vergaberecht § 108 GWB Rn. 5a).
48
Nach der Rechtsprechung des EuGH (grundlegend EuGH, Urteil vom 21.12.2016 – C-51/15 Remondis) liegt eine solche die Erfüllung öffentlicher Aufgaben betreffende Kompetenzübertragung jedoch nur dann vor, wenn die Übertragung sowohl die mit der übertragenen Kompetenz verbundenen Zuständigkeiten als auch die damit einhergehenden Befugnisse betrifft, so dass die neuerdings zuständige öffentliche Stelle über eine eigene Entscheidungsbefugnis und eine finanzielle Unabhängigkeit verfügt. Es fehlt an der erforderlichen Übertragung der Befugnisse zur selbständigen und eigenverantwortlichen Wahrnehmung, wenn der bisherige Aufgabenträger, der die Aufgabe übertragen hat, die Aufgabenerfüllung weiterhin kontrolliert oder sich sogar ein Zustimmungserfordernis zu Maßnahmen der nunmehr zuständigen Stelle vorbehält (EuGH, a.a.O.; Ziekow in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 108 GWB Rn. 5c).
49
Maßgeblich für das Vorliegen eines vergaberechtsfreien Organisationsakts spricht, dass die Zweckvereinbarung die vollständige Übertragung der Beseitigungsaufgabe hinsichtlich tierischer Nebenprodukte der Kategorien 1 und 2, die im Bereich der Großviehschlachtung anfallen, von der Antragsgegnerin auf den Beigeladenen umfasst. Es liegt faktisch auch keine nur teilweise oder selektive Übertragung der Beseitigungsaufgabe vor, da die … GmbH die einzige Großviehschlachtung im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin betreibt. Mit der Übertragung der Pflichten verbunden sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 der Zweckvereinbarung auch die zur Erfüllung der Aufgabe notwendigen Befugnisse. Wie Art. 2 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 und Abs. 2 BayAGTierNebG zeigt, zählt hierzu die Befugnis zur Entgeltfestsetzung. Nach § 3 Abs. 2 der Zweckvereinbarung bemisst sich der Kostenersatz grundsätzlich nach der Entgeltliste der Beigeladenen in der jeweils gültigen Fassung. Die Antragsgegnerin schuldet der Beigeladenen kein Entgelt für die Übernahme der Beseitigungspflicht, sondern diese erhält die Befugnis, vom Besitzer der tierischen Nebenprodukte, der … GmbH, die anfallenden Entgelte nach ihrer Entgeltliste zu verlangen. Dies spricht deutlich gegen die Annahme eines entgeltlichen öffentlichen Auftrags.
50
Gegen das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags spricht ebenfalls, dass die Antragsgegnerin die Aufgabenerfüllung durch die Beigeladene nicht weiterhin kontrolliert und die Zweckvereinbarung keine Zustimmungserfordernisse zu Maßnahmen des nunmehr zuständigen Beigeladenen enthält. Es besteht nicht einmal ein gemeinsames Gremium von Antragsgegnerin und Beigeladenem und die Antragsgegnerin ist auch nicht dem Zweckverband des Beigeladenen beigetreten.
51
Gegen das Vorliegen eines vergaberechtsfreien Organisationsakts spricht dagegen, dass der Beigeladene aufgrund von teilweise recht detaillierten Regelungen in der Zweckvereinbarung zur Auftragsdurchführung nicht völlig frei über die Erfüllung seiner Aufgabe entscheiden kann. § 2 Abs. 1 Satz 3 der Zweckvereinbarung macht Vorgaben zu den einzusetzenden Containern und § 2 Abs. 2 Satz 2 der Zweckvereinbarung schreibt – insoweit wie bei einem Vertrag – die grundsätzliche Verpflichtung der Beigeladenen zur schlachttäglichen Abholung fest. Hinzu kommt, dass die Beteiligten in § 3 Abs. 3 und 4 der Zweckvereinbarung besondere Entgeltregelungen vereinbart haben, die die Entgeltliste des Beigeladenen ergänzen und von diesem nicht autonom geändert werden können. Im Übrigen bestimmt § 7 Abs. 3 der Zweckvereinbarung den Vorrang der Regelungen der Zweckvereinbarung vor jenen der AGB des Beigeladenen und § 3 Abs. 1 schreibt die Geltung der allgemeinen Geschäftsbedingungen über die Entsorgung von tierischen Nebenprodukten des Beigeladenen in ihrer Fassung vom 01.01.2021 fest. Dies führt dazu, dass eine etwaige Änderung der AGB des Beigeladenen für die übertragene Aufgabe mit der Antragsgegnerin nach § 7 Abs. 1 der Zweckvereinbarung vereinbart werden müsste; der Beigeladene kann sie insoweit nicht autonom ändern.
52
Deutlich vertragsähnlichen Charakter hat auch die definierte Laufzeit der Zweckvereinbarung vom 01.04.2022 bis 31.03.2030 mit einer einvernehmlichen Verlängerungsmöglichkeit um weitere vier Jahre bis längstens 31.03.2034 in § 4 der Zweckvereinbarung. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Aufgabenübertragung nicht unumkehrbar sein muss (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2016 – C-51/15 Remondis), aber ein fixes Enddatum ohne weitere Verlängerungsmöglichkeit ist für eine Zweckvereinbarung – anders als für Verträge – untypisch. Gleiches gilt für die Sonderkündigungsregelung des § 5 Abs. 1 der Zweckvereinbarung im Falle einer Benachteiligung der benutzungspflichtigen Eigentümer und Besitzer von Tierkörpern, Tierkörperteilen und Erzeugnissen aus dem Gebiet der Antragsgegnerin gegenüber anderen Benutzungspflichtigen durch den Beigeladenen.
53
Trotz dieser Aspekte hat die Vergabekammer erhebliche Zweifel, ob die Zweckvereinbarung als synallagmatischer, entgeltlicher Vertrag zwischen der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen und damit als öffentlicher Auftrag i.S.v. § 103 GWB angesehen werden kann und damit dem Vergaberecht unterfällt.
54
2.2. Die Frage muss jedoch nicht abschließend entschieden werden, da der Antragstellerin selbst im Falle einer vergaberechtswidrigen Auftragsvergabe ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union kein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
55
Die Nachprüfungsinstanzen sind keine allgemeinen Kontrollinstanzen, die abstrakt für die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der objektiven Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens sorgen (BayObLG, Beschluss vom 29.07.2022 – Verg 13/21). Droht wegen einer Rechtsverletzung kein Schaden, mithin keine Beeinträchtigung der Aussichten auf Erhalt des Auftrags, sind die Vergabenachprüfungsinstanzen auch im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens zur Feststellung eines Verstoßes nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht berechtigt, in das Vergabeverfahren einzugreifen (vgl. BayObLG,aaO). Dies folgt nicht zuletzt aus dem Wortlaut des § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB, wonach geeignete Maßnahmen zu treffen sind, um eine Rechtsverletzung des Antragstellers zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern.
56
Einem Unternehmen droht aus einer Rechtsverletzung jedenfalls dann kein Schaden, wenn es keinerlei Aussicht hat, den fraglichen Auftrag zu erhalten (vgl. BayObLG, aaO). Dies ist nach Ansicht der Vergabekammer vorliegend der Fall. Die Antragstellerin hatte zwar in der zum Jahreswechsel 2019/2020 durchgeführten Ausschreibung das wirtschaftlichste Angebot gelegt und war für die Erteilung des (damaligen) Auftrags vorgesehen. Die Übernahme des Auftrags scheiterte jedoch an dem Umstand, dass die Regierung von O. einer Übertragung der Beseitigungspflicht i.S.v. § 3 Abs. 1 TierNebG ihre Zustimmung versagte. Aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten E-Mail-Schreiben der Regierung von O. vom 25.07.2022 geht hervor, dass diese an ihrer Rechtsauffassung festhält, generell keine ausländischen Anlagen mit den Beseitigungspflichten tierischer Nebenprodukte zu beleihen. Die Vergabekammer geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass auch ein neuerlicher Antrag der Antragstellerin auf Übertragung der Beseitigungspflicht gem. § 3 Abs. 3 Satz 1 TierNebG seitens der Regierung von O. abgelehnt würde.
57
Der Einwand der Antragstellerin, dass die geäußerte Rechtsauffassung der Regierung von O. ermessensfehlerhaft sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Es obliegt nicht der Vergabekammer zu klären, ob die von einer Genehmigungsbehörde vertretene und in der Vergangenheit bereits verwaltungsgerichtlich bestätigte Rechtsansicht zutreffend ist. Im Nachprüfungsverfahren wird nicht inzident geprüft, ob eine Fachbehörde bei der Erteilung oder Versagung einer Genehmigung rechtliche Anforderungen verkannt hat (vgl. OLG München, Beschluss vom 27.07.2018 – Verg 02/18). Dies zu klären, obliegt vielmehr den Verwaltungsgerichten. Dass der ablehnende Bescheid der Regierung von O. vom 20.03.2020 nach Ansicht der Antragstellerin keine Tatbestandswirkung mehr entfaltet, führt zu keiner anderen Beurteilung. Maßgeblich für die Frage der Auftragschance ist allein, dass die Regierung von O. in einem vergleichbaren Fall erneut ihre Zustimmung zur Übertragung der Beseitigungspflicht nach § 3 Abs. 1 TierNebG versagen würde und dies nicht offensichtlich rechtswidrig wäre. Hiervon ist die Vergabekammer vorliegend überzeugt.
58
Auch der Einwand der Antragstellerin, die Vorgabe einer Beleihung des Bestbietenden in den Vergabeunterlagen überschreite die rechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers, verhilft dem Nachprüfungsantrag nicht zum Erfolg. Einem Auftraggeber steht das Bestimmungsrecht zu, ob und welchen Gegenstand er beschaffen will. Diese Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers und damit auch die Frage, welche Anforderungen an die zu beschaffenden Leistungen gestellt werden dürfen, unterliegt den allgemeinen vergaberechtlichen Grenzen. Die konkrete Bestimmung des Auftragsgegenstands durch den öffentlichen Auftraggeber muss sachlich gerechtfertigt sein und es bedarf nachvollziehbarer, objektiver und auftragsbezogener Gründe hierfür. Die Festlegung hat willkür- und diskriminierungsfrei zu erfolgen und die Vorgaben des § 31 Abs. 6 VgV zu beachten (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29.07.2022 – Verg 13/21 m. w. N.). Ob die Vorgaben erforderlich oder zweckmäßig sind, ist demgegenüber ohne Belang (OLG Rostock, Beschluss vom 01.09.2021 – 17 Verg 2/21; BayObLG, aaO).
59
Die Antragsgegnerin hat sich im Rahmen des ihr gem. § 3 Abs. 3 Satz 1 TierNebG eröffneten Ermessens dazu entschieden, eine Übertragung der Beseitigungspflicht auf den Anlagenbetreiber vorzusehen. Ausweislich des Beschlusses des Stadtrats der Antragsgegnerin vom 15.12.2021 sieht die Antragsgegnerin die Verarbeitung und Beseitigung tierischer Nebenprodukte der Kategorien 1 und 2 trotz ihrer wirtschaftlichen Bedeutung vorrangig als eine seuchenhygienische, dem Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier dienende Aufgabe. Von der geschlossenen Zweckvereinbarung zur Übertragung der Beseitigungspflicht auf den Beigeladenen verspricht sich die Antragsgegnerin eine dauerhafte und langfristige Entsorgungssicherheit. Als weiteren Aspekt stellt die Antragsgegnerin zudem heraus, dass die gesamte Geschäftsabwicklung unmittelbar zwischen dem Beigeladenen und der … GmbH als Besitzerin der Schlachtabfälle erfolge.
60
Die Vergabekammer sieht hierin hinreichende sachliche Gründe, die es rechtfertigen, die Übertragung der Beseitigungspflicht gem. § 3 Abs. 3 Satz 1 TierNebG einer bloßen Beauftragung eines Anlagenbetreibers mit der Aufgabenwahrnehmung vorzuziehen. Mit der Übertragung entledigt sich die Antragsgegnerin vollständig der ihr originär obliegenden Beseitigungspflicht nach § 3 Abs. 1 TierNebG. Damit einher geht ein Übergang der Verantwortlichkeit für die ordnungsgemäße Erledigung der damit verbundenen Aufgaben. Detaillierte vertragliche Regelungen zur Ausgestaltung der Leistungsbeziehung zwischen Beseitigungspflichtigem und Anlagenbetreiber sind so obsolet und Leistungsstörungen, welche die Entsorgungssicherheit gefährden könnten, mangels Vertragsverhältnis nicht zu besorgen. Überdies wäre es im Wege einer Beauftragung eines Anlagenbetreibers mit der Aufgabenwahrnehmung aufgrund des Verbots von Verträgen zulasten Dritter nicht möglich, eine unmittelbare Entgeltpflichtigkeit der Besitzer der Schlachtabfälle gegenüber dem Anlagenbetreiber zu begründen. Hierzu bedarf es vielmehr einer Übertragung der mit der Beseitigungspflicht einhergehenden Befugnisse zur Entgelterhebung. Letztlich hat die Regierung von O. mit E-Mail-Schreiben vom 25.07.2022 bekräftigt, auch einer Beauftragung ohne Beleihung aus fachlicher Sicht kritisch gegenüberzustehen und eine solche voraussichtlich aufsichtlich zu beanstanden. Dass sich ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen seines Bestimmungsrechts gegen die Ansicht seiner Rechtsaufsichtsbehörde stemmt, kann aber auch aus dem Blickwinkel des Vergaberechts kaum erwartet werden. Den hiergegen gerichteten Einwand der Antragstellerin, dass sich so öffentliche Auftraggeber unter Berufung auf eine gerichtlich nicht bestätigte Rechtsauffassung einer Verwaltungsbehörde auf einfache Weise eines Bieters entledigen könnten, erachtet die Vergabekammer aufgrund des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung für fernliegend. Im Übrigen wurde die Rechtsauffassung der Regierung von O. sowohl im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als auch im Hauptsacheverfahren vom Verwaltungsgericht M. bestätigt, auch wenn die Hauptsacheentscheidung durch die übereinstimmende Erledigungserklärung im Berufungsverfahren inzwischen gegenstandslos ist. Eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Rechtsauffassung der Regierung von O. hat die Antragstellerin vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit gerade nicht erwirken können, so dass die Antragsgegnerin gute Gründe hat, diese Rechtsauffassung ihrer Leistungsbestimmung zugrunde zu legen.
61
Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass die Beseitigungspflicht gem. § 3 Abs. 2 TierNebG nicht gelte, wenn aus den tierischen Nebenprodukten bestimmte Folgeprodukte durch zugelassene oder registrierte Unternehmen hergestellt werden sollen, ist dies unbeachtlich, da sich die Zweckvereinbarung und mithin der in Frage stehende Auftrag lediglich auf die Beseitigung von tierischen Nebenprodukten der Kategorien 1 und 2 im Rahmen einer bestehenden Beseitigungspflicht nach § 3 Abs. 1 TierNebG bezieht.
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3. Kosten des Verfahrens
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Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend die Antragstellerin.
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Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
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Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Da weder ein Angebot der Antragstellerin noch eine Auftragswertschätzung der Antragsgegnerin vorliegt, bemisst die Vergabekammer die Gebühr auf Basis des für öffentliche Dienstleistungsaufträge aktuell maßgeblichen Schwellenwerts in Höhe von 215.000 Euro. Sie wird auf …,00 Euro festgelegt.
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Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraftverrechnet.
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Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.
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Auch wenn der Beigeladene keine Anträge gestellt hat, muss die Vergabekammer von Amts wegen über die Aufwendungen des Beigeladenen entscheiden.
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Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09). Dafür muss eine den Beitritt eines Streithelfers vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, an Hand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-) Ziel ein Beigeladener in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2008, Az.: 13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen des Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.02.2010, Az.: 1 VK 76/10).
70
Der Beigeladene hat keine Anträge gestellt und sich nur punktuell zur Sache geäußert. Er hat das Verfahren nicht wesentlich gefördert und trägt daher seine Aufwendungen selbst.