Titel:
Anspruch auf Weiterbelieferung aus einem Energieliefervertrag
Normenkette:
ZPO § 935, § 940
Leitsätze:
1. Einer Partei ist es grundsätzlich unbenommen, in einem Verfahren, für das in der Hauptsache ein Schiedsgericht zuständig ist, um einstweiligen Rechtsschutz vor einem staatlichen Gericht nachzusuchen; eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Parteien ausdrücklich vereinbaren, auch den einstweiligen Rechtsschutz durch staatliche Gerichte auszuschließen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Anspruch auf Anpassung der Lieferpflicht aus einem Energieliefervertrag kann im Verfügungsverfahren nicht dadurch glaubhaft gemacht werden, dass pauschal auf Rohstoffmangel und den Krieg in der Ukraine verwiesen wird, welche allgemein zu Beschaffungsengpässen führen würden; vielmehr ist konkret vorzutragen, welche Gesamtmenge von den jeweiligen Lieferanten zu welchem Preis realistischerweise zu erlangen ist, selbst produziert werden kann und wie die Liefermenge an die jeweiligen Kunden weitergeleitet wird. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweilige Verfügung, Weiterbelieferung, Vertragsanpassung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 17806
Tenor
1. Die Verfügungsbeklagte wird im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet, es zu unterlassen, die Lieferung von gemäß dem zwischen den Parteien geschlossenen vom samt Nachträgen vom, und für die Monate und vollständig einzustellen.
2. Im Einzelnen hat es die Verfügungsbeklagte zu unterlassen, die Lieferung der für den Monat in Höhe von 4.594.944 kWh, für den Monat in Höhe von 2.500.560 kWh, für den Monat in Höhe von 2.500.584 kWh, für den Monat in Höhe von 4.810.704 kWh und für den Monat in Höhe von 2.500.560 kWh zu unterschreiten.
3. Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung angedroht, dass – für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1 und 2 ausgesprochenen Verpflichtungen – ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festgesetzt werden kann.
4. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin 80% und die Verfügungsbeklagte 20%.
6. Das Urteil ist in Ziffer 5 für die Verfügungsbeklagte vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 1.978.366,25 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens über die (Weiter-)belieferung mit .
2
Die Verfügungsklägerin ist ein Kommunalunternehmen, die in der tätig ist und auch den, das sowie das örtliche in betreibt. Sie verfügt über drei Bei der Verfügungsbeklagten handelt es sich um einen Vermarkter von .
3
Mit Vertragsschluss vom vereinbarte die Verfügungsklägerin mit der Rechtsvorgängerin der Verfügungsbeklagten unter „Einzelliefervertrag zur Belieferung von die Lieferung von mindestens () jährlich (). Diese Vereinbarung sollte rückwirkend ab dem gelten. Aufgrund von zwischen den Parteien bzw. deren Rechtsvorgängern geschlossenen Nachträgen zu oben genannter Vereinbarung gilt der Vertrag bis zum .
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Dort ist geregelt, dass die maximale Jahresliefermenge derzeit pro Lieferjahr, und die Mindestabnahmemenge pro Lieferjahr beträgt. Innerhalb des gesteckten Rahmens bis zur Höchstabnahmemenge von sollte die Verfügungsklägerin die gewünschte Liefermenge – durch entsprechende Mitteilung in Form von Lieferfahrplänen – bestimmen können.
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§ 9 des streitgegenständlichen Einzelliefervertrages zur Belieferung von enthält eine Regelung zur „Vertragsanpassung und Preisanpassung in besonderen Fällen“.
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Dort heißt es unter Absatz 1:
Sollten sich während der Vertragslaufzeit die wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse oder die Grundlagen, auf denen der Vertrag beruht, gegenüber dem Stand bei Vertragsabschluss so wesentlich ändern, dass Leistung und Gegenleistung in keinem angemessenen Verhältnis mehr zueinander stehen, so ist der Vertrag den geänderten Verhältnissen anzupassen. Vorrang hat eine Preisanpassung gemäß nachfolgenden Absätzen. Sollte insbes. auf Abnehmerseite der Betrieb bestimmter oder auf Lieferantenseite bestimmter – bzw. aus technischen oder genehmigungsrechtlichen Gründen nicht möglich sein, begründet dies keinen Anspruch nach Satz 1.
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Unter § 14 Streitschlichtung, Schiedsverfahren ist unter Absatz 2 geregelt, dass alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit oder aus diesem Vertrag ergeben, einschließlich solcher über die Anpassung des Vertrages oder der vereinbarten Preise, sowie sämtliche Streitigkeiten über die Gültigkeit dieses Vertrages einschließlich der Schiedsklausel durch ein Schiedsgericht nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. in ihrer jeweils gültigen Fassung unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden werden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarungen samt Nachträgen) wird auf die Bezug genommen.
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Mit Nominierungsfahrplan vom für das bestellte die Verfügungsklägerin eine Gesamtmenge von bei der Verfügungsbeklagten, die diesen am bestätigte.
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Mit Nominierungsfahrplan vom wurde die Liefermenge auf insgesamt für das seitens der Verfügungsklägerin geändert Mit Schreiben der Verfügungsbeklagten vom an die Verfügungsklägerin berichtete diese über die dramatische Entwicklung auf dem insbesondere über die Preissteigerung von 6 Cent bis zu 24 Cent pro kWh sowie über die Verknappung der benötigten Substrate. Das Schreiben endete damit, dass um Verständnis dafür gebeten werde, dass ab sofort bis zum Ende der Vertragslaufzeit nur noch max. zu dem vereinbarten Preis geliefert werden könne, und bat um Zustimmung zur Vertragsänderung.
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Dieser Vertragsanpassung widersetzte sich die Verfügungsklägerin mit Schreiben vom .
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Der seitens der Verfügungsbeklagten daraufhin selbst aufgestellte Nominierungsfahrplan vom sah für die Monate eine monatliche Nominierung in kWh von und vor sowie ab bis keine weitere Lieferung mehr.
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Die Monate und entsprechen dem Nominierungsfahrplan der Verfügungsklägerin vom . Die Diskrepanz im Hinblick auf die Liefermenge findet erst ab dem Monat statt Dieser seitens der Verfügungsbeklagten vorgegebene „Fahrplan“ wurde bis zur mündlichen Verhandlung – wie seitens der Verfügungsbeklagten beabsichtigt – auch umgesetzt. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig, und war Thema der mündlichen Verhandlung.
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Am fand zwischen den Parteien ein gemeinsames Treffen statt, um möglicherweise eine gütliche Einigung zu finden. Am kam es zu einer schriftlichen Rückmeldung seitens der Verfügungsbeklagten mit dem zusammenfassenden Inhalt, dass über die Belieferung von hinaus keine weitere möglich sei.
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In den Jahren und erhielt die Verfügungsbeklagte an von den vereinbarten zurück. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig, und war Thema der mündlichen Verhandlung.
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Die Verfügungsklägerin trägt vor, dass der Verfügungsbeklagten kein Vertragsanpassungsanspruch nach § 9 Abs. 1 der gemeinsamen Vereinbarung zustehe, weil ihre Angaben zur Preissteigerung von und die Verknappung der Rohstoffe nur allgemeiner Natur seien, ohne hierzu konkret und substantiiert vorzutragen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie die Verfügungsbeklagte zu einer Reduzierung der um ca. 60% komme.
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Für eine Unmöglichkeit zur Erlangung der entsprechenden Substrate bestünden weder Anhaltspunkte, noch sei eine solche dargelegt oder gar bewiesen. Vielmehr sei dies lediglich eine Frage der von der Verfügungsbeklagten vorgenommene Zuordnung einzelner Erzeugungsanlagen zu bestimmten Kunden.
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Weiter trägt die Verfügungsklägerin vor, dass ihr im Falle der Lieferbeschränkung und -einstellung auch ganz erhebliche, teils nicht mehr restituierbare Nachteile drohen. Insbesondere könne unter Verwendung von die Belieferung der Kunden mit grüner Wärme eben aus zumindest weitgehend nicht aufrechterhalten werden. Die Fernwärmekunden bekämen dann ein anderes, minderwertigeres Produkt geliefert, als vertraglich mit diesen vereinbart. Mit lediglich Liefervolumen könnte im Ergebnis nur ein einziges betrieben werden.
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Für eine „Umstellung“ auf eine, falls zulässig, bedürfte es eines größeren zeitlichen Vorlaufs. Zudem bedeute der Einsatz von in den von der Antragstellerin betriebenen – zumindest über einen längeren Einsatzzeitraum – den Verlust der, was bereits einen nicht unerheblichen wirtschaftlichen Schaden darstelle. Auch eine Ersatzbeschaffung von sei kurzfristig nicht möglich.
20
Auch die Wärmenetzförderung nach dem würde bei wegfallen.
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Dem Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung durch das Gericht stehe insbesondere nicht die in § 14 des zwischen den Parteien vereinbarte Schiedsvereinbarung entgegen. Denn auch bei Vorliegen einer wirksamen Schiedsvereinbarung sei das angerufene Gericht gemäß nicht daran gehindert, in Bezug auf den Streitgegenstand vorläufige oder sichernde Maßnahmen anzuordnen.
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Die Verfügungsklägerin beantragt daher,
I. Die Antragsgegnerin hat es zu unterlassen, die nach dem vom (angepasst und modifiziert durch Nachträge vom und in Verbindung mit dem Nominierungsfahrplan vom ) geschuldete Lieferung von 1 für das Kalenderjahr zu beschränken oder einzustellen.
II. Im Einzelnen hat es die Antragsgegnerin zu unterlassen, die Lieferung der vertraglich vereinbarten für das Lieferjahr nach dem Lieferfahrplan vom in Höhe von
zu beschränken oder auszusetzen.
III. Der Antragsgegnerin wird angedroht, dass – für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1. und 2. ausgesprochene Verpflichtung – ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festgesetzt werden kann.
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Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, hilfsweise nur gegen Anordnung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 2,5 Millionen Euro zu erlassen.
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Die Verfügungsbeklagte trägt vor, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im ordentlichen Verfahren sei wegen der vereinbarten Schiedsgerichtsklausel unzulässig.
25
Dem Anspruch der Antragstellerin stehe darüber hinaus das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Die Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache seien nicht erfüllt.
26
Es fehle sowohl am Verfügungsgrund als auch am Verfügungsanspruch.
27
Da die Verfügungsklägerin in Wahrheit Vertragserfüllung begehre und nicht lediglich die vorläufige Sicherung ihres Anspruchs, bedürfe es einer dringenden Not- oder Zwangslage oder einer Existenzgefährdung, die nicht gegeben sei. Alle seitens der Verfügungsklägerin genannten Nachteile seien reversibel und durch Schadensersatz kompensationsfähig.
28
So zeige die Rückgabe von in den Jahren und, dass auch für das Jahr der keine Notwendigkeit für die Lieferung der vollen bestehe, sondern der Betrieb bereits mit ca. gut möglich sei.
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Auch ein Verfügungsgrund in der Gestalt allgemeiner Dringlichkeit bestehe nicht, wenn die Verfügungsklägerin Monate zuwarte, obwohl die Verfügungsklägerin bereits seit den Lieferfahrplan der Verfügungsbeklagten gekannt habe.
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Ein Verfügungsanspruch fehle, weil die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 9 Abs. 1 des Liefervertrags habe. Ihren Anspruch auf Mitwirkung an der Vertragsanpassung könne die Verfügungsbeklagte dem Lieferbegehren als Einrede entgegenhalten, .
31
Die Lage am sei prekär. Hintergrund seien vor allem die Verwerfungen an den Energiemärkten und die Folgen des Ukrainekriegs. Die Beschaffung der vereinbarten Liefermengen sei nicht mehr, schon gar nicht zu kaufmännisch vertretbaren Preisen möglich.
32
Es genüge nach § 9 des Liefervertrages bereits eine wesentliche Änderung, welche das Äquivalenzverhältnis störe; dies sei streitgegenständlich gegeben.
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Zudem wendet die Verfügungsbeklagte die Unmöglichkeit der Erfüllung ein. Die Verfügungsbeklagte versuche, die vorhandenen Mengen bestmöglich unter ihren Kunden aufzuteilen. Dies sei Ausfluss ihrer Privatautonomie, nämlich zu entscheiden, welche der Kunden sie mit den vorhandenen Mengen beliefere, und welchen Kunden gegenüber sie notfalls etwaige Schäden ersetze. Nur so sei eine Zuteilung der vorhandenen Mengen bei gleichzeitiger Schadensminimierung möglich.
34
Die Verfügungsbeklagte sei derzeit unfähig zur Lieferung von jenseits der bereits für gelieferten Des Weiteren scheitere der Verfügungsanspruch daran, dass die Verfügungsbeklagte nur Zug um Zug gegen Zahlung Gas liefern müsse und verweist auf § 10 a Abs. 1 des Fünften Nachtrags zum Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze jeweils nebst Anlagen sowie auf die mündliche Verhandlung vom verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der zulässige Antrag ist teilweise begründet.
36
Die zwischen den Parteien getroffene Schiedsvereinbarung in § 14 des streitgegenständlichen Vertrages hindert die Zulässigkeit nicht. Einer Partei ist es grundsätzlich unbenommen, in einem Verfahren, für das in der Hauptsache ein Schiedsgericht zuständig ist, um einstweiligen Rechtsschutz vor einem staatlichen Gericht nachzusuchen . Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Parteien ausdrücklich vereinbaren, (auch) den einstweiligen Rechtsschutz durch staatliche Gerichte auszuschließen, was nach möglich ist. Eine „normale“ Schiedsvereinbarung schließt einstweiligen Rechtsschutz durch staatliche Gerichte nicht aus .
37
Ein solcher ausdrücklicher Ausschluss des einstweiligen Rechtsschutzes durch staatliche Gerichte ist der streitgegenständlichen Vereinbarung nicht zu entnehmen.
38
Die Verfügungsklägerin hat ihren Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht.
39
Die Verfügungsbeklagte hat sich in § 2 des streitgegenständlichen Vertrages von verpflichtet, die vertraglich vereinbarte Menge an in der in § 5 näher definierten Qualität entsprechend den Vorgaben des § 4 und § 7 zu liefern. Diese Lieferung, wie von der Verfügungsklägerin beantragt, war zwischen den Parteien geschuldet.
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Der seitens der Verfügungsklägerin erstellte Nominierungsfahrplan vom über eine Liefermenge an von insgesamt für das Jahr hielt sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung Der Verfügungsbeklagten steht möglicherweise ein Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 9 I der Vereinbarung zu, wenn sie hierzu – was bislang nicht geschehen ist – substantiiert vorträgt, nicht aber in der Form, wie die Verfügungsbeklagte es in ihrem Schreiben vom begehrt, nämlich dass ab sofort bis zum Ende der Vertragslaufzeit (Hervorhebung durch das Gericht) nur noch max. zu dem vereinbarten Preis geliefert werden, und die Verfügungsbeklagte selbst entscheidet, wie diese Menge im Jahr zu verteilen ist.
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Streitgegenständlich wäre das Vertragsende der . Dass sich die Verfügungsklägerin geweigert hatte, dieser seitens der Verfügungsbeklagten gewünschten Vertragsanpassung zuzustimmen, ist nachvollziehbar; zumal derzeit keiner die Situation auf dem in den nächsten 11 Jahren vorausschauend realistisch beurteilen kann.
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Der seitens der Verfügungsbeklagten erhobene Einwand der mangelnden Mitwirkung der Verfügungsklägerin an der Vertragsanpassung geht daher fehl, wenn die Verfügungsbeklagte ihrem Vertragspartner eine Vereinbarung aufoktroyieren möchte, die bereits im Hinblick auf den zeitlichen Aspekt nicht interessengerecht erscheint.
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Zudem kommt hinzu, dass die Verfügungsbeklagte eigenständig vorgab, in welchen Monaten sie die Verfügungsklägerin beliefert, nämlich nur in den ersten drei Monaten des Jahres bzw. eines Jahres, ohne dass dabei mögliche Verluste der auf Seiten der Verfügungsklägerin bei einem längeren Nichtbetrieb der Anlagen mitberücksichtigt wurden.
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Die Verfügungsbeklagte hat ihren (möglichen) Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 9 I der Vereinbarung auch im Hinblick auf den Lieferumfang) nicht glaubhaft gemacht. Zwar mag es allgemein wegen des Rohstoffmangels und des Krieges in der Ukraine zu Engpässen bei der Beschaffung von kommen; die Verfügungsbeklagte hat es aber unterlassen, konkret vorzutragen, welche Gesamtmenge sie von ihren Lieferanten zu welchem Preis realistisch erhalten kann, selbst produzieren kann bzw. tatsächlich erhält, und wie sie diese Liefermengen gemäß ihrem „eigenem Verteilungsschlüssel“, zu dem sie nicht ansatzweise vortrug, an die jeweiligen Kunden weiterleitet. Allein die seitens der Verfügungsbeklagten vorgenommene Anpassung auf jährlich ist nicht nachvollziehbar.
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Daher wurde auch die seitens der Verfügungsbeklagten eingewandte Unmöglichkeit der Lieferung nach nicht glaubhaft gemacht. Nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten ist ihr die Lieferung der seitens der Verfügungsklägerin bestellten Mengen nur deshalb unmöglich, weil sie intern eine Verteilung vornahm, wie die vorhandenen Liefermengen an die jeweiligen Kunden der Verfügungsbeklagten zu verteilen sind, und sie von diesem Verteilungsschlüssel nicht abweichen will/kann.
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Ohne detaillierten Vortrag ist auch dieser Einwand der Unmöglichkeit nicht glaubhaft gemacht. Der Vortrag der Verfügungsbeklagten erschöpft sich vielmehr in einem allgemein gehaltenen Vortrag, dass der Erhalt von derzeit schwierig sei.
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Die Verfügungsklägerin hat auch einen Verfügungsgrund (Dringlichkeit) glaubhaft gemacht.
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Die Dringlichkeit besteht in der (objektiv begründeten) Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Dass er Schadensersatz in Geld leisten könnte, ist unerheblich Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten ist die Dringlichkeitsvermutung nicht durch Zeitablauf widerlegt.
49
Wie lange ein Antragsteller mit dem Antrag zuwarten darf, lässt sich nicht allgemein bestimmen und hängt von der Art des Anspruchs und den Umständen des Einzelfalls ab. Hier war zu berücksichtigen, dass die Parteien im Januar noch Verhandlungen führten, und die Verfügungsbeklagte nach ihrem eigenen Nominierungsfahrplan vom für die ersten beiden Monate des Jahres auch beabsichtigte, die seitens der Verfügungsklägerin bestellte Menge an zu liefern, was dann auch geschah.
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Der Unterschied in der Mengenlieferung zeigte sich erst im, so dass ein Zuwarten von nur ca. 1 Monat streitgegenständlich zu berücksichtigen war. Dies ist aber noch nicht dringlichkeitsschädlich.
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Die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr bei der beabsichtigten Nichtlieferung von zumindest ab dem Monat (laut Vortrag der Verfügungsklägerin in der mündlcihen Verhandlung vom reicht das noch vorhandene Biomethan von bis ) die Betreibung ihrer nicht möglich ist und ihr hierdurch wesentliche Nachteile in Form von einem Verlust der g entstehen würden, weil im nächsten 3/4 Jahr keinerlei Lieferung von Biomenthan seitens der Verfügungsbeklagten beabsichtigt ist. Hinzu kommt der Wegfall der Wärmenetzförderung und die Nichtmehraufrechterhaltung der Fernwärmeversorgung in beabsichtigtem Umfang.
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Innerhalb der kurzen Vorlaufzeit zwischen der endgültigen Ankündigung der Verfügungsbeklagten, nämlich Ende , nur entsprechend dem von ihr aufgestellten Nominierungsfahrplan vom an die Verfügungsklägerin zu liefern und dem Monat der beabsichtigten Nichtlieferung, hier von nur ca. 2 Monaten, ist es der Verfügungsklägerin auch nicht möglich ihre Anlagen auf Erdgas umzustellen, falls dies überhaupt machbar ist, noch anderweitig eine Ersatzlieferung von Biomethan zu besorgen, nachdem der Markt auch nach Vortrag der Verfügungsbeklagten derzeit sehr angespannt ist, und es keinen Spotmarkt gibt, über den derart kurzfristige Einkäufe erfolgen könnten.
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Nach kann das Gericht nach freiem Ermessen bestimmen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind; dies auch im Hinblick darauf, dass es sich um einen vorläufigen Rechtsschutz handelt, und die Hauptsache grundsätzlich nicht vorweg genommen werden soll. Dabei muss die Anordnung sich im Rahmen des gestellten Antrags halten, kann aber hinter ihm zurückbleiben iS eines „minus“, insbesondere im Hinblick auf den Zeitraum und die Mengenlieferung.
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Hier war der Zeitraum der einstweiligen Anordnung grundsätzlich auf 6 Monate zu begrenzen, mithin von bis einschließlich, weil dieser Zeitraum üblicherweise ausreicht, um im Schiedsverfahren einen Schiedsspruch zu erlangen.
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Dabei ist es unerheblich, ob „die Lieferung für den faktisch nicht mehr vollstreckbar sein werde“, wie die Verfügungsklägerin in ihrem Schriftsatz vom meint, weil sie selbst mit dem Zuwarten von ca. einem Monat (siehe oben) hierzu beigetragen hat.
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Hätte die Verfügungsklägerin bereits ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt und diesen nicht erst mit Schriftsatz vom eingereicht, hätte sich diese seitens der Verfügungsklägerin vorgetragene „Problematik“ überhaupt nicht ergeben.
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Bei der Berechnung des 6-monatigen Zeitraums war daher der Monat, wie die Verfügungsklägerin vorschlug, nicht mehr einzubeziehen.
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Hinsichtlich des Umfangs der benötigten Liefermenge an Biomenthan hat die Verfügungsklägerin nicht vollumfänglich glaubhaft gemacht, dass sie tatsächlich die im Nominierungsplan bestellte Menge an zur Aufrechterhaltung ihrer benötigt.
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So gab die Verfügungsklägerin selbst in der mündlichen Verhandlung an, derzeit noch an zu haben; dies Mitte, obwohl die Verfügungsbeklagte bereits im Monat eine reduzierte Menge an geliefert hat.
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Unbestritten blieb auch der Vortrag der Verfügungsbeklagten, dass in den Jahren und seitens der Verfügungsklägerin mehr bestellt wurde, als tatsächlich verbraucht wurde. So hat die Verfügungsbeklagte ca. von der gelieferten Menge zurückerhalten.
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Da die einstweilige Anordnung eine vorläufige Regelung treffen und gerade die Hauptsache nicht vorwegnehmen soll, war für den Monat eine Anordnung zu treffen, da nach eigenem Vortrag die vorhandene Menge noch für diesen Monat ausreicht. Für den Monat war lediglich eine reduzierte Mengenlieferung anzuordnen.
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Die bestellten Liefermengen gemäß Nominierungsfahrplan vom für die Monate und in Höhe von für , für , für für erscheinen dem Gericht realistisch, um eine Aufrechterhaltung des Betriebs in den Sommermonaten zu gewährleisten.
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Dass hingegen für den Monat tatsächlich eine Liefermenge von benötigt wird, erscheint fraglich, zumal im Nominierungsfahrplan vom , ohne zu diesem Zeitpunkt schon die Auswirkungen des Ukrainekrieges zu erfassen, die Liefermengen ähnlich der anderen Sommermonate bestellt worden sind, nämlich für den in Höhe von Die Bestellung der Liefermengen mag im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung sein, bei der Anordnung einstweiliger Maßnahmen steht dieser Gesichtspunkt aber nicht im Vordergrund, sondern nur die Frage, welche Liefermenge für die Verfügungsklägerin gerade so notwendig ist, dass die Verwirklichung ihres Rechts nicht vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.
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Einschränkungen hat die Verfügungsklägerin im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes hinzunehmen.
65
Für den Monat war daher abweichend zum Nominierungsplan vom eine Liefermenge von anzuordnen. Anhaltspunkte dafür, dass für diesen Monat tatsächlich wesentlich mehr an Biomethan benötigt wird als in den anderen Sommermonaten, trug die Verfügungsklägerin nicht vor.
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Zwischen der Lieferung von und der Zahlung besteht auch kein Zug-um-Zug-Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Die Verfügungsbeklagte ist weiterhin vorleistungspflichtig.
67
Daran ändert auch § 10a Abs. 4 des 5. Nachtrags zum nichts, nach dem § 10 Abs. 1 des ursprünglichen Liefervertrags entfällt.
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§ 10 Abs. 2 des Liefervertrages vom gilt weiterhin, wonach Rechnungsbeträge 10 Tage nach Rechnungserhalt fällig sind, mag auch nunmehr die Abrechnung monatlich in Form eines vorgegebenen Zahlungsplans erfolgen.
69
Im Übrigen war der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückzuweisen:
70
Für den beantragten Monat besteht schon wegen Zeitablaufs kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Zum anderen hat die Verfügungsklägerin durch ihr Handeln selbst gezeigt, dass für diesen Monat die gelieferte (Teil-)menge tatsächlich ausgereicht hat. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass die Verfügungsklägerin ihren Antrag erst am eingereicht hat.
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Für den Monat trug die Verfügungsklägerin selbst vor, dass die noch vorhandene Menge von für ausreiche.
72
Für die Monate bis war keine vorläufige Anordnung zu treffen, weil der Zeitraum von 6 Monaten bis zur Erlangung eines Schiedsspruchs in der Hauptsache ausreicht (siehe hierzu oben).
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Der Ausspruch in Ziffer 3 des Endurteils beruht auf .
74
Die Kostenentscheidung beruht auf Das Verhältnis bestimmt sich nach der zugesprochenen Gesamtliefermenge im Vergleich zu der beantragten:
Von der beantragten Gesamtliefermenge für den Zeitraum bis in Höhe von wurde eine Gesamtliefermenge im Zeitraum bis in Höhe von zugesprochen.
75
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Teilabweisung beruht auf … .
76
Eines Ausspruchs über die Vollziehbarkeit der dem Antrag stattgebenden Verfügung bedarf es nicht. Arreste und einstweilige Verfügungen sind ohne besondere Anordnung vorläufig vollstreckbar (siehe Eine Sicherheitsleistung kommt im Verfügungsverfahren nur gemäß – nicht - in Betracht, um gegebenenfalls das Risiko zu kompensieren, dass aus einem mit tatsächlichen oder rechtlichen Unsicherheiten behafteten Beschluss oder Urteil ein besonders großer Schaden entsteht. Eine Vollziehungssicherheit ist nur anzuordnen, wenn dem Verfügungsbeklagten durch die Vollziehung ein besonders großer Schaden droht (siehe Vollkommer in: .
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Hierzu fehlt jeglicher Vortrag, insbesondere im Hinblick auf die ausgeurteilte Gesamtliefermenge.