Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 25.05.2023 – 202 ObOWi 264/23
Titel:

Differenzierung zwischen nach dem GwG bestehender Verpflichtungen zur Durchführung von Risikoanalysen einerseits und deren Dokumentation andererseits

Normenketten:
GwG § 5, § 56
StPO § 264 Abs. 1
Leitsätze:
1. Das Geldwäschegesetz differenziert auch in der Bußgeldbewehrung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG zwischen der aus § 5 Abs. 1 GwG resultierenden Verpflichtung zur Durchführung einer Risikoanalyse und der Pflicht zur Dokumentation nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 GwG. (Rn. 8)
2. Der Umstand, dass ein Betroffener eine Dokumentation der Risikoanalyse unterlassen hat, rechtfertigt deshalb schon aufgrund dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung nicht ohne weiteres den Schluss darauf, dass auch eine Analyse der Risiken tatsächlich unterblieben ist. (Rn. 8)
Das Unterlassen einer Risikoanalyse und das Unterlassen der Dokumentation einer tatsächlich durchgeführten Risikoanalyse stellen eine prozessuale Tat dar (Ergänzung zu BGH BeckRS 2022, 40237). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Geldwäschegesetz, Rechtsbeschwerde, Verfahrensrüge, Sachrüge, Ordnungswidrigkeit, Schuldspruch, Rechtsfolgenausspruch, Vorsatz, Bußgeldbewehrung, Geldwäscherisiko, Terrorismusfinanzierung, Risikoermittlung, Risikoanalyse, Risikobewertung, Dokumentation, Dokumentationspflicht, Befreiung, Erfüllung, nachträglich, Unterlassung, Unrichtigkeit, Steuerberater, freiberuflich, Verpflichteter, Aufsichtsbehörde, Fragebogen, Fragebogeneintragung, Identifizierung, Vertragspartner, Aufklärungspflicht, Tatsachenbehauptung, bestimmt, Beweismittelbenennung, Beweiswürdigung, lückenhaft, Tatbegriff, prozessual, Verfahrenshindernis, Schuldspruchberichtigung, Wiedereinsetzung, Wiedereinsetzungsantrag, Protokoll, Protokollfertigstellung, Wiedereinsetzungsfrist, Rechtsbeschwerdebegründungsfrist, Rechtsantragstelle, Urkundsbeamter, Verschulden, Nachholung, Wiedereinsetzungsbewilligung
Fundstellen:
BeckRS 2023, 17750
LSK 2023, 17750
NStZ 2024, 103
GewA 2023, 479

Tenor

I. Dem Betroffenen wird von Amts wegen Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist und auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 24.10.2022 gewährt.
II. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 24.10.2022 aufgehoben, soweit er verurteilt wurde.
III. Der Betroffene ist schuldig des vorsätzlichen Unterlassens der Dokumentation einer Analyse der Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung.
IV. Er wird deswegen zu einer Geldbuße in Höhe von 200 Euro verurteilt.
V. Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird als unbegründet verworfen.
VI. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Jedoch wird die Gebühr für das Rechtsbeschwerdeverfahren um 4/5 ermäßigt. Die Staatskasse trägt die Auslagen im Rechtsbeschwerdeverfahren und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu jeweils 4/5.

Gründe

I.
1
Das Amtsgericht hat den Betroffenen, einen Finanzbeamten im Ruhestand, der in geringem Umfang als freiberuflicher Steuerberater tätig ist, mit Urteil vom 24.10.2022 wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 GwG schuldig gesprochen, weil er in seiner Eigenschaft als Steuerberater im Zeitraum von Juli 2017 bis zum 22.11.2020 die Risiken der Geldwäsche und der Terrorfinanzierung nicht ermittelt und nicht bewertet hat, und deswegen gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 1.000 Euro verhängt. Im Übrigen hat das Amtsgericht den Betroffenen vom Vorwurf eines Verstoßes gegen § 10 Abs. 1 Nr. 1 GwG wegen unterlassener Identifizierung seiner Vertragspartner aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Der Betroffene wendet sich gegen die Verurteilung mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde, die er mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet. Zugleich beantragt er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur formgerechten Begründung der Rechtsbeschwerde.
II.
2
Der Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde hat Erfolg, weil aufgrund eines Fehlers der Rechtsantragstelle des Amtsgerichts Nördlingen die am 20.12.2022 innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG zu Protokoll erklärte Begründung seines Rechtsmittels formell unwirksam war, was auf ein alleiniges Verschulden des Urkundsbeamten des Amtsgerichts zurückzuführen ist, und der Betroffene am 16.03.2022 nach entsprechendem Hinweis in der Zuleitungsschrift der Generalstaatsanwaltschaft München vom 27.02.2023, die ihm am 15.03.2023 zugestellt wurde, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und eine der Vorschrift des § 344 Abs. 1 und 2 Satz 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG entsprechende Begründung seines Rechtsmittels durch erneute Erklärung zu Protokoll der Rechtsantragstelle des Amtsgerichts Nördlingen nachgeholt hat. Der Umstand, dass der zuständige Rechtspfleger das am 16.03.2023 aufgenommene Protokoll zunächst nicht unterzeichnet hatte, dies vielmehr – auf Veranlassung des Senats – erst am 13.04.2023, also nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist, nachgeholt hat, erfordert eine Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist von Amts wegen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG, weil den Betroffenen an dieser verspäteten Fertigstellung des Protokolls ebenfalls kein Verschulden trifft.
III.
3
Die nach Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässige Rechtsbeschwerde hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
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1. Die erhobenen Formalrügen, mit denen die Rechtsbeschwerde die Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG) geltend macht, versagen, weil zum einen die Tatsachen, deren Ermittlung der Beschwerdeführer vermisst, nicht bestimmt behauptet werden (vgl. hierzu nur BayObLG, Beschluss vom 07.06.2022 – 202 ObOWi 678/22 = VerkMitt 2022, Nr. 46 = NStZ-RR 2022, 318 m.w.N.) und zum anderen auch keine konkreten Beweismittel, mit denen die Aufklärung hätte erfolgen sollen (vgl. hierzu nur BGH, Urt. v. 03.03.2022 – 5 StR 366/21 bei juris), benannt werden.
5
2. Die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GwG hält einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil die Beweiswürdigung des Tatgerichts durchgreifend rechtsfehlerhaft ist.
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a) Das Amtsgericht stützt seine Überzeugung davon, dass der Betroffene, der als Steuerberater Verpflichteter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 12 Var. 3 GwG war, entgegen der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 GwG die erforderliche Risikoermittlung und Bewertung nicht vorgenommen habe, zum einen auf eine vom Betroffenen selbst vorgenommene Eintragung in einem Fragebogen der Aufsichtsbehörde zur Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtungen nach dem Geldwäschegesetz unter Punkt C. I. („Nein, nicht vorliegend“). Zum anderen beruft sich das Amtsgericht auf die Aussage einer vernommenen Zeugin, die angegeben hat, der Betroffene habe bis zum 22.11.2020 keine Bewertung der Risiken seiner Mandantschaft vorgenommen.
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b) Die Beweiswürdigung des Tatgerichts ist in mehrfacher Hinsicht lückenhaft.
8
aa) Soweit das Amtsgericht aufgrund der vom Betroffenen vorgenommenen Eintragung in dem Fragebogen der Aufsichtsbehörde, den dieser am 10.08.2020 ausgefüllt hat, unter C. I. „Nein, nicht vorliegend“ zur Frage, ob Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung ermittelt und bewertet wurden, einen Nachweis für den angenommenen Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 5 Abs. 1 Satz 1 GwG ableiten möchte, hat es sich nicht hinreichend mit der Einlassung des Betroffenen auseinandergesetzt. Der Betroffene hat ausweislich der Urteilsgründe geltend gemacht, er habe diese Eintragung in dem Formular so gemeint, dass „kein Risiko vorläge“. Diese Einlassung kann – nachdem das Amtsgericht dies nicht weiter hinterfragt hat – bei verständiger Würdigung nur dahingehend interpretiert werden, er habe Risiken jedenfalls gedanklich ermittelt und bewertet. Dies ist auch keineswegs unplausibel, zumal sich nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GwG der Umfang der Risikoanalyse nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit zu richten hat und der Betroffene nach den Urteilsfeststellungen nur in kleinem Umfang und in erster Linie nur für Arbeitnehmer, Rentner und Familienangehörige beratend tätig wurde, bei denen Risiken, deren Aufdeckung durch das Geldwäschegesetz bezweckt wird, entweder schon gar nicht gegeben sind oder zumindest ohne weiteres erkennbar wären. Sollte der Betroffene aber jedenfalls gedanklich die Risiken ermittelt und bewertet haben, würde ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Durchführung einer Risikoanalyse nach § 5 Abs. 1 GwG ausscheiden. Das Gesetz differenziert insoweit zwischen der Risikoanalyse (Ermittlung und Bewertung der Risiken) nach § 5 Abs. 1 GwG einerseits und deren Dokumentation nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 GwG andererseits. Es handelt sich damit nach dem gesetzgeberischen Willen um unterschiedliche Verhaltensanforderungen, die auch jeweils gesondert bußgeldbewehrt sind (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG). Hieraus folgt, dass es für die Risikoanalyse nach § 5 Abs. 1 GwG keiner Verkörperung bedarf. Das Amtsgericht setzt sich damit aber nicht ansatzweise auseinander und teilt insbesondere auch nicht mit, dass und gegebenenfalls aus welchen Gründen es die Einlassung des Betroffenen als widerlegt ansieht. Insbesondere kann aus der jedenfalls bis zum 22.11.2020 unterlassenen Dokumentation einer Risikoanalyse, die dem Betroffenen nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 GwG oblag, für sich genommen nicht ohne weiteres abgeleitet werden, dass die erforderliche Risikoanalyse nicht erfolgt sei. Im Übrigen käme es auch nicht darauf an, ob die vom Betroffenen gegebenenfalls gedanklich vorgenommene Risikoanalyse, die mit Blick auf den geringen Umfang seiner beratenden Tätigkeit und seiner Mandantschaft inhaltlich den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen hätte. Denn von § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GwG ist nur das Unterlassen einer Risikoanalyse erfasst, nicht aber eine etwaige inhaltliche Unrichtigkeit der Risikoermittlung oder -bewertung (vgl. auch Erbs/Kohlhaas/Häberle [244. EL, Stand: Dezember 2022] GwG § 56 Rn. 7; BeckOK GwG/Pelz [13. Ed., Stand: 01.33.2023 § 56 Rn. 15; Herzog/Barreto da Rosa 4. Aufl. GwG § 56 Rn. 20).
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bb) Soweit das Amtsgericht seine Überzeugungsbildung hinsichtlich der unterlassenen Ermittlung und Bewertung der Risiken auf die Aussage der vernommenen Zeugin stützt, ist bereits unklar, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände die Zeugin über hinreichende Erkenntnisse verfügte. Nachdem deren Rolle nicht beschrieben wird, kann der Senat nur mutmaßen, dass es sich bei der Zeugin gegebenenfalls um eine Mitarbeiterin der Aufsichtsbehörde handelte. Aber selbst wenn Letzteres unterstellt wird, bleibt im Dunkeln, inwiefern die Zeugin Angaben dazu machen konnte, die über die Aktenlage, insbesondere den vom Betroffenen ausgefüllten Fragebogen, hinausgingen. Sollten die Erkenntnisse der Zeugin, was den Urteilsgründen ebenfalls nicht mit der gebotenen Klarheit entnommen werden kann, auf dem vom Betroffenen ausgefüllten Fragebogen beruhen, ist aus den dargelegten Gründen jedenfalls das Unterlassen einer Risikoanalyse damit noch keineswegs belegt. Hinzu kommt, dass die Zeugin auf eine am 23.11.2020 vom Betroffenen schriftlich erstellte Risikoanalyse Bezug genommen hat. Gerade der Hinweis in diesem Zusammenhang, dass der Betroffene „in dieser Form“ [sic!] bis dahin keine Risikoanalyse vorgenommen habe, deutet darauf hin, dass das Amtsgericht die Verpflichtungen zur Risikoanalyse nach § 5 Abs. 1 GwG und zu deren Dokumentation nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 GwG auch in diesem Zusammenhang miteinander vermengt hat.
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3. Allerdings wird durch die Urteilsfeststellungen ein Verstoß des Betroffenen gegen die nach § 56 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GwG bußgeldbewehrte Pflicht zur Dokumentation der Risikoanalyse nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 GwG belegt.
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a) Der Betroffene hat entgegen § 5 Abs. 2 Nr. 1 GwG eine Dokumentation der Risikoanalyse bis zum 22.11.2020 nicht vorgenommen und er war hiervon auch nicht nach § 5 Abs. 4 GwG befreit. Da die Dokumentationspflicht unmittelbar im Anschluss an die getroffenen Feststellungen, mithin bei jedem Geschäftsvorfall, falls der Betroffene die Risikoanalyse pflichtgemäß vorgenommen hat, entsteht (Herzog/Herzog 4. Aufl. GwG § 5 Rn. 18), ändert die erst im November 2020 nachgeholte Dokumentation nichts mehr an der Erfüllung des Tatbestands, sondern führt lediglich zur Beendigung der Ordnungswidrigkeit. Dass die Dokumentation der Risikoanalyse jeweils zeitnah zu erfolgen hat, lässt sich unschwer auch aus der Bestimmung des § 5 Abs. 2 Nr. 2 GwG ableiten, wonach deren regelmäßige Überprüfung und gegebenenfalls Aktualisierung vorschrieben wird.
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b) Da es gänzlich unwahrscheinlich ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch ausreichende Feststellungen zu einem Verstoß gegen § 5 Abs. 1 GwG getroffen werden können, wird davon abgesehen, die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG.
13
aa) Die Berichtigung des Schuldspruchs ist nicht etwa wegen eines Verfahrenshindernisses ausgeschlossen, sondern aufgrund der Kognitionspflicht sogar geboten. Bei dem Verstoß gegen die Verpflichtung zur Dokumentation der Risikoanalyse nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 GWG handelt es sich um dieselbe Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO, die vom Bußgeldbescheid erfasst war. Zwar wurde dem Betroffenen im Bußgeldbescheid vom 16.03.2021 insoweit lediglich zur Last gelegt, entgegen § 5 Abs. 1 Satz 1 GWG keine Risikoanalyse erstellt zu haben. Das Unterlassen einer Risikoanalyse und das Unterlassen der Dokumentation einer tatsächlich durchgeführten Risikoanalyse stellen aber ein einheitliches Vorkommnis und damit eine prozessuale Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO dar. Tat im Sinne dieser Vorschrift ist ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet und innerhalb dessen der Betroffene eine Ordnungswidrigkeit verwirklicht haben soll. Hierzu gehört das gesamte Verhalten des Betroffenen, soweit es mit dem durch den Bußgeldbescheid bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Auffassung des Lebens ein einheitliches Geschehen bildet (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 09.11.2022 – 2 StR 368/21 m.w.N. bei juris). Diese Voraussetzungen sind schon deshalb erfüllt, weil – wie aufgezeigt – die Dokumentationspflicht in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der durchgeführten Risikoanalyse zu erfüllen ist und zudem das dem Betroffenen im Bußgeldbescheid zur Last gelegte Unterlassen einer Risikoanalyse denknotwendig mit dem Unterlassen der Dokumentation einhergeht.
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bb) Die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG steht der Schuldspruchberichtigung ebenfalls nicht entgegen, weil nicht ersichtlich ist, dass sich der Betroffene anders als geschehen hätte verteidigen können. Dies gilt umso mehr, als er sogar in der Rechtsbeschwerde noch darauf hinweist, dass ihm eine Befreiung von der Dokumentationspflicht nicht erteilt worden war, sondern er diese erst während des anhängigen Bußgeldverfahrens bei der Aufsichtsbehörde beantragt hat. Eine Rückwirkung könnte einer Befreiung, sollte sie überhaupt in der Folgezeit erteilt worden sein, ohnehin nicht zukommen.
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4. Die Rechtsfolgenentscheidung des Amtsgerichts kann keinen Bestand haben. Dies gilt schon deshalb, weil das Amtsgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, dass der Betroffene gar keine Risikoanalyse vorgenommen hat, während aus den dargelegten Gründen nur nachgewiesen ist, dass er deren zeitnahe Dokumentation unterließ. Dieser Verstoß weist aber gegenüber dem vom Amtsgericht zugrunde gelegten Schuldvorwurf einen geringeren Unrechtsgehalt auf. Der Senat macht, weil weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, von der Befugnis zu eigener Sachentscheidung nach § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch und setzt die Geldbuße auf 200 Euro fest.
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Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind der hohe Bußgeldrahmen bis zu 150.000 Euro (§ 56 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 OWiG), die geordneten Verhältnisse, in denen der Betroffene lebt, und die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit (§ 17 Abs. 3 OWiG). Im Zusammenhang mit dem zuletzt genannten Gesichtspunkt ist zwar zu Lasten des Betroffenen zu berücksichtigen, dass er über einen längeren Zeitraum der Dokumentationspflicht nicht nachkam. Andererseits spricht für ihn, dass bei der von ihm betreuten Mandantschaft, die sich in erster Linie aus Arbeitnehmern, Rentnern und Familienangehörigen zusammensetzte, Risiken einer Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung von vornherein gänzlich fern lagen. Überdies ist zu seinen Gunsten zu werten, dass er schließlich im November 2020 seine Dokumentationspflicht nachträglich erfüllt hat.
IV.
17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Kosten für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden nicht erhoben (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG).
18
Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.