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OLG Nürnberg, Beschluss v. 22.06.2023 – 10 UF 1043/22
Titel:

Ausbildungsunterhalt des volljährigen Kindes – enger sachlicher Zusammenhang zwischen Berufsausbildung zum Holzbildhauer und dem Studium der Architektur

Normenketten:
BGB § 1610 Abs. 2
FamFG § 243 S. 1, S. 2 Nr. 1
BAföG § 35
FamGKG § 51 Abs. 2
Leitsätze:
Zwischen einer Berufsausbildung zum Holzbildhauer und dem Studium der Architektur kann je nach Ausgestaltung im Einzelfall ein derart enger sachlicher Zusammenhang bestehen, dass es sich hierbei um eine einheitliche Erstausbildung des unterhaltsberechtigten Kindes handelt. (Rn. 18 – 22)
Besteht ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Lehre und Studium muss der Entschluss des volljährigen Kindes zur Durchführung des Studiums nicht bereits zu Beginn der Ausbildung gefasst werden. Es reicht aus, wenn sich das Kind erst im Laufe oder gar nach Beendigung der Ausbildung dafür entscheidet, im Anschluss an die Ausbildung ein Studium aufzunehmen (ebenso BGH BeckRS 2006, 7696). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnwert, Studium der Architektur, Berufsausbildung zum Holzbildhauer, Obliegenheitsverletzung, zügige und stringente Durchführung der Ausbildung, einheitliche Ausbildung, volljähriges Kind, Ausbildungsabschnitte, Unterhalt
Vorinstanz:
AG Regensburg, Endbeschluss vom 15.11.2022 – 209 F 748/22
Fundstellen:
FamRZ 2023, 1712
MDR 2023, 1190
NJW 2023, 2493
BeckRS 2023, 17727
LSK 2023, 17727

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 15.11.2022, Az. 209 F 748/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.332,28 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsgegner beanstandet, dass er von dem Amtsgericht zur Zahlung von Kindesunterhalt für seine bereits volljährige Tochter verpflichtet wurde.
2
Der Antragsgegner ist Vater des Kindes T… D…, geb. ....1996. Die Tochter T… D…besuchte bis Juli 2015 das Gymnasium und schloss es mit dem Abitur ab. Nach einem freiwilligen sozialen Jahr absolvierte die Tochter des Antragsgegners eine Ausbildung zur Holzbildhauerin an der Berufsfachschule für Holzschnitzerei und Schreinerei des Landkreises B. L., die sie im Juli 2019 erfolgreich abschloss. Seit Oktober 2019 studiert sie an der Hochschule A. Architektur (B.A.).
3
Mit Bescheid vom 17.04.2020 wurden der Tochter des Antragsgegners BAföG-Leistungen als Vorauszahlungen gemäß § 35 BAföG ab dem 01.10.2019 in Höhe von 277,69 Euro monatlich bewilligt. In der Zeit vom 01.10.2019 bis 30.09.2020 wurden entsprechende monatliche Beträge im Umfang von insgesamt 3.332,28 Euro an sie ausgezahlt.
4
Mit Schreiben vom 03.03.2021 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner den Übergang von Unterhaltsansprüchen für den Bewilligungszeitraum mit und forderte vom Antragsgegner erfolglos die Erstattung der gewährten BAföG-Leistungen in Höhe des Gesamtbetrags von 3.332,28 Euro.
5
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2022 hat das Amtsgericht den Antragsgegner mit Endbeschluss vom 15.11.2022 antragsgemäß zur Zahlung von 3.332,28 Euro zuzüglich Zinsen verpflichtet. Der Endbeschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 15.11.2022 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 01.12.2022, eingegangen an diesem Tag, hat der Antragsgegner gegen den Endbeschluss vom 15.11.2022 Beschwerde eingelegt.
6
In seiner Beschwerdebegründung vom 12.01.2023 führt er aus, er sei zu Unrecht zur Zahlung verpflichtet worden. Ein Unterhaltsanspruch der Tochter bestehe nicht. Bei dem Studium der bereits volljährigen Tochter handele es sich nicht etwa um den Teil einer einheitlichen Erstausbildung, sondern um eine fachfremde Zweitausbildung. Zwischen der abgeschlossenen Ausbildung und dem Studium bestehe kein enger sachlicher Zusammenhang. Bei dem Beruf der Holzbildhauerin handele es sich um ein künstlerisches Handwerk, wohingegen eine Architektin plane, überwache und steuere. Die Ausbildung und das Studium würden eine inhaltlich völlig verschiedene Wissensvermittlung zum Gegenstand haben. Zudem hätte die Tochter gegen Obliegenheiten verstoßen, indem sie ihre Ausbildung nicht abgebrochen, sondern zu Ende geführt hätte, obwohl sie bereits während der Ausbildung gewusst hätte, dass sie beruflich als Holzbildhauerin nicht tätig sein wolle. Schließlich sei der Anspruch auch der Höhe nach nicht gegeben. Der Wohnvorteil sei mit 1000 Euro monatlich zu hoch bemessen. Seine Eltern wohnten kraft des ihnen zustehenden Mitbenutzungsrechts ebenfalls in dem von ihm bewohnten Anwesen. Er selbst bedürfe keiner großen Unterkunft. Daher sei seinem Einkommen allenfalls ein Wohnvorteil in Höhe von 600 Euro hinzuzurechnen.
7
Der Antragsteller beantragt, den erstinstanzlichen Endbeschluss zu bestätigen. Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Ausbildung und Studium liege vor. Hierfür sei ausreichend, dass Ausbildung und Studium so zusammenhingen, dass das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeute oder dass die praktische Ausbildung eine sinnvolle und nützliche Vorbereitung auf das Studium darstelle. Dies sei der Fall. Außerdem sei die Tochter des Antragsgegners nicht verpflichtet gewesen, ihre Ausbildung zur Kürzung ihrer Unterhaltsansprüche vorzeitig zu beenden. Ansonsten hätte sie spätere berufliche Nachteile befürchten müssen. Der Wohnvorteil sei von dem Gericht rechtsfehlerfrei ermittelt worden. Maßgeblich sei in diesem Zusammenhang die objektive Marktmiete.
8
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung erster Instanz und die von den Beteiligten übermittelten Unterlagen verwiesen.
II.
9
Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch ansonsten gemäß §§ 59 ff. FamFG zulässig. Sie wurde insbesondere rechtzeitig eingelegt.
10
In der Sache hat die Beschwerde allerdings keinen Erfolg.
1.
11
Zu Recht hat das Amtsgericht einen Unterhaltsanspruch der volljährigen Tochter für den relevanten Zeitraum bejaht. Zutreffend ist es von einem engen sachlichen Zusammenhang zwischen der von der Tochter des Antragsgegners abgeschlossenen Berufsausbildung zur Holzbildhauerin und ihrem Studium der Architektur ausgegangen.
a.
12
Nach § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt eines Kindes die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Geschuldet wird danach eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsausbildung gewährt haben, sind daher nicht mehr verpflichtet, Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Absolviert das Kind eine Berufsausbildung und nimmt im Anschluss ein Studium auf, so besteht ein Unterhaltsanspruch des Kindes während des Studiums nur dann, wenn Ausbildung und Studium in ihrer Gesamtheit als einheitliche Ausbildung angesehen werden können (BeckOGK-BGB/Wendtland, Stand 01.05.23, § 1610 Rn. 102 ff.).
13
Eine einheitliche Ausbildung in diesem Sinne liegt nur dann vor, wenn die einzelnen Ausbildungsabschnitte in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und die praktische Ausbildung und das Studium sich jedenfalls sinnvoll ergänzen (BGH NJW 2006, 2984). Dies wurde von dem Bundesgerichtshof etwa im Falle einer Bauzeichnerlehre und dem anschließenden Studium der Architektur mit der Begründung angenommen, diese Ausbildung hätte eine sachliche Beziehung zu dem Studium der Architektur und stelle eine sinnvolle, fachbezogene Vorbereitung auf das Studium dar (BGH NJW 1989, 2253).
14
Ein derartiger Zusammenhang wurde in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs demgegenüber vorwiegend dann verneint, wenn der erlernte Beruf und das Studium aus unterschiedlichen Berufssparten ohne entsprechende Berührungspunkte stammen, so etwa im Falle einer kaufmännischen Lehre und einem Medizinstudium (BGH FamRZ 1991, 1044) bzw. einem Maschinenbau-Studium (BGH NJW 1993, 2238), oder einer Ausbildung zum Speditionskaufmann und einem anschließenden Jurastudium (BGH NJW-RR 1992, 1090).
15
Die praktische Ausbildung bzw. Fachschulausbildung einerseits und das Studium andererseits müssen allerdings nicht zwingend derselben Berufssparte angehören. Es reicht aus, wenn das eine für das andere im Einzelfall eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeutet oder die praktische Ausbildung eine sinnvolle und nützliche Vorbereitung auf das Studium darstellt (BGH NJW 2017, 1478; BGH NJW 1992, 501). Für einen derartigen engen sachlichen Zusammenhang spricht etwa, wenn die während der Vorausbildung erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse für das anschließende Studium spezifisch verwendbar sind in Form eines besseren Verständnisses der im Studium zu erwerbenden theoretischen Kenntnisse (MüKoBGB/Langeheine, 8. Auflage, § 1610 Rn. 202).
16
Das Oberlandesgericht Köln (FamRZ 2003, 1409) hat etwa einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen der Ausbildung zum gestaltungstechnischen Assistenten für Grafik-Design und einem Pädagogikstudium mit der Begründung bejaht, dass die gewählte Vorausbildung im Rahmen einer einheitlichen Gesamtausbildung als sinnvolle Vorbereitung auf das Studium angesehen werden kann. So werde auch für das Pädagogikstudium mit Schwerpunkt Kunst gefordert, dass der Student, wenn er zugelassen werden will, praktische Arbeiten abgibt. Bereits von daher sei die praktische Vorbildung für das gewählte Studium sinnvoll. Damit könne der enge sachliche Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungen nicht verneint werden.
17
Der Entschluss des volljährigen Kindes zur Durchführung des Studiums muss hierbei nicht bereits zu Beginn der Ausbildung gefasst werden. Es reicht aus, wenn sich das Kind erst im Laufe oder gar nach Beendigung der Ausbildung dafür entscheidet, ein Studium im Anschluss an die Ausbildung aufzunehmen, weil es gerade der Eigenart des vom früheren Bild abweichenden Ausbildungsverhaltens entspricht, dass sich der Abiturient bei Aufnahme der praktischen Ausbildung vielfach noch nicht über ein anschließendes Studium schlüssig ist (BGH NJW 2006, 2984).
b.
18
Hieran gemessen, hat das Amtsgericht einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen der von der Tochter des Antragsgegners abgeschlossenen Ausbildung zur Holzbildhauerin und ihrem Studium der Architektur zu Recht bejaht.
19
In diesem Zusammenhang ist nicht von Belang, dass der Beruf der Holzbildhauerin gemäß Auffassung des Antragsgegners im Gegensatz zu dem Beruf der Architektin eher dem künstlerischen Bereich zuzuordnen sei. Denn auch das an der Hochschule A. angebotene Studium der Architektur hat ausdrücklich eine künstlerische Komponente. So ist gemäß dem Internetauftritt der Hochschule A. vor Aufnahme des Studiums im Rahmen eines Eignungstests die künstlerische Begabung des Studienbewerbers nachzuweisen. Bewerber haben bei der Hochschule eine digitalisierte Mappe einzureichen, die aus zehn freien Arbeiten aus den Bereichen Grafik, Plastik, Malerei und Fotografie und vier thematisch gebundenen Arbeiten besteht und Freude am kreativen Arbeiten ausdrücken soll. Für den Fall, dass zuvor eine Ausbildung in einem Handwerk abgeschlossen worden sein sollte, wird empfohlen, ein Foto des Gesellen- oder Meisterstücks beizufügen. Im Rahmen des Studiums findet sodann gemäß der dortigen Beschreibung der Studieninhalte u.a. der Aspekt der ästhetisch-künstlerischen Gestaltung Berücksichtigung. Wesentliche Studieninhalte sind u.a. das Entwerfen, Gestalten, Konstruieren und Kontextualisieren. Auch gemäß Internetauftritt der Bundesagentur für Arbeit (Steckbrief des Informationsportals „...“) sind Pflichtmodule des Studiums der Architektur u.a. „Bildende Kunst, Darstellen und Gestalten, Entwerfen und Baukonstruktion“. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners weist das Studium der Architektur neben den eher technisch geprägten Studieninhalten demnach ausdrücklich eine gestalterische künstlerische Seite auf. Es liegt auf der Hand, dass die Ausbildung der Tochter des Antragsgegners zur Holzbildhauerin die für das Studium erforderliche Fähigkeit zum künstlerischen, kreativen Arbeiten gefördert hat.
20
Hierfür spricht auch, dass der Tochter des Antragsgegners im Hinblick auf ihre Ausbildung das Grundpraktikum von der Hochschule erlassen wurde. Auch die Tatsache, dass die Hochschule das Gesellen- oder Meisterstück einer etwaigen vorherigen handwerklichen Ausbildung für die Beurteilung der Eignung eines Studienbewerbers für relevant hält, weist deutlich in diese Richtung.
21
Hinzu kommt, dass die Ausbildung zur Holzbildhauerin gemäß Internetauftritt der Bundesagentur für Arbeit (...) nicht nur künstlerische Inhalt zum Gegenstand hat, sondern z.B. auch das „Lesen und Anfertigen von Skizzen, Zeichnungen, technischen Unterlagen“ und das „Erstellen von Modellen“. Auch diese Ausbildungsinhalte werden sich erkennbar im Rahmen des Studiums der Architektur, in dem das Entwerfen und Konstruieren unterrichtet wird (vgl. oben), verwerten lassen.
22
Zur Überzeugung des Senats sind die im Rahmen der Ausbildung zur Holzbildhauerin erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse daher für das anschließende Studium der Architektur durchaus spezifisch verwendbar und können so als sinnvolle Vorbereitung auf das Studium verstanden werden. Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten liegt vor.
2.
23
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners hat das Amtsgericht eine Obliegenheitsverletzung der Tochter des Antragsgegners zu Recht verneint. Der Antragsgegner beruft sich darauf, seine Tochter hätte ihre Ausbildung noch vor deren Abschluss abbrechen und sogleich das beabsichtigte Studium antreten müssen, da sie bereits während der Ausbildung geplant hätte, in dem Beruf nicht zu arbeiten. Andernfalls käme sie ihrer Obliegenheit zur zügigen und stringenten Durchführung der Ausbildung nicht nach. Diese Argumentation überzeugt bereits deshalb nicht, weil die Tochter des Antragsgegners – wie bereits dargelegt – eine einheitliche Ausbildung absolviert, die aus zwei Abschnitten – der Ausbildung zur Holzbildhauerin und dem Studium der Architektur – besteht. Die Obliegenheit zur zügigen und stringenten Durchführung der Ausbildung bezieht sich in diesem Fall auf die einheitliche Ausbildung insgesamt. Es wäre umgekehrt sogar schädlich, den ersten Abschnitt dieser einheitlichen Ausbildung vor dessen Beendigung abzubrechen und sogleich mit dem zweiten Abschnitt der Ausbildung zu beginnen, denn ansonsten würde ein Teil der einheitlichen Gesamtausbildung und die oben näher erläuterten – im anschließenden Studium verwertbaren – Kenntnisse und Fähigkeiten des ersten Ausbildungsabschnitts fehlen.
24
In diesem Zusammenhang ist zudem nicht von Bedeutung, zu welchem Zeitpunkt sich die Tochter des Antragsgegners dazu entschlossen hat, nach ihrer Ausbildung das Studium der Architektur anzutreten (vgl. oben). Das Studium wurde ferner im unmittelbaren Anschluss an die Ausbildung aufgenommen, so dass auch in dieser Hinsicht eine zügige und stringente Durchführung der Ausbildung nicht in Frage steht.
3.
25
Der Antragsgegner wendet schließlich zu Unrecht ein, der ihm zukommende Wohnwert sei von dem Amtsgericht zu hoch angesetzt worden und betrage tatsächlich wesentlich weniger als 1.000 Euro. Er macht in diesem Zusammenhang geltend, seine Eltern hätten an dem von ihm bewohnten Anwesen ein Mitbenutzungsrecht und ein alleiniges Nutzungsrecht an ihrem Schlafzimmer. Der Antragsgegner selbst sei alleinstehend und bedürfe keiner großen Unterkunft. Als ersparte Mietaufwendungen seien dem Einkommen des Antragsgegners maximal 600 Euro hinzuzurechnen.
26
Das mietfreie Wohnen im Eigenheim ist auch für die Einkommensermittlung beim Kindesunterhalt als Vermögensertrag zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2014, 923). Hierbei ist in der Regel von dem objektiven Mietwert der Wohnung auszugehen (BGH NJW 2014, 1531).
27
Das Amtsgericht hat bei der Schätzung des Mietwerts gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 287 ZPO neben den wertbildenden Faktoren der Wohnung (die Lage des Anwesens, das Alter des Hauses, die Wohnfläche und die Tatsache, dass es sich um ein landwirtschaftliches Anwesen handelt) den Umstand berücksichtigt, dass den Eltern des Antragsgegners ein alleiniges Nutzungsrecht am Schlafzimmer im Erdgeschoss zusteht.
28
Die auf dieser Grundlage angestellte Einschätzung des Wohnwerts und des damit einhergehenden Gebrauchsvorteils ist nicht zu beanstanden. Ein mit Ort und Mietpreisen vertrauter Richter kann den Mietwert in der Regel gemäß § 287 ZPO schätzen. Die Einschaltung eines Sachverständigen erscheint in den meisten Fällen entbehrlich (Wendl/Dose/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 10. Auflage, § 1 Rn. 485). Das Amtsgericht hat den auf diesem Wege ermittelten Betrag zu Recht im Rahmen der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Antragsgegners berücksichtigt.
29
Einfluss auf den Bedarf der Tochter des Antragsgegners hat die Höhe des ermittelten Wohnwerts demgegenüber von vornherein deshalb nicht, weil der Bedarf eines volljährigen Unterhaltsberechtigten mit eigenem Hausstand zumindest im Grundsatz nicht von den Einkommensverhältnissen der Eltern abhängt, sondern pauschal bemessen wird (SüdL Ziff. 13.1.2).
30
Wäre der Wohnwert lediglich mit 600 Euro zu veranschlagen – wie es der Antragsgegner fordert – so läge das verbleibende Einkommen des Antragsgegners nach Ermittlung des entsprechenden Haftungsanteils und nach Abzug der hieraus resultierenden Unterhaltsleistungen im Übrigen noch immer über dem angemessenen Selbstbehalt von 1300 Euro (2019) bzw. 1400 Euro (2020). Dies hat zur Folge, dass der Antragsgegner auch bei einem unterstellten Wohnwert von nur 600 Euro ebenfalls zur Zahlung des Unterhalts fähig und daher verpflichtet wäre.
III.
31
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Satz 1, Satz 2 Ziff. 1 FamFG. § 243 FamFG ist auch im Rechtsmittelverfahren anzuwenden (KG NJW 2010, 3588; OLG Karlsruhe NJOZ 2022, 1114).
32
Die Bemessung des Verfahrenswerts folgt § 51 Abs. 2 FamGKG.
33
Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde sind nicht erkennbar. Der Endbeschluss ist deshalb mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar.