Titel:
Streitwert eines Unterlassungsanspruchs wegen unberechtigtem Parken
Normenketten:
ZPO § 3, § 8, § 9, § 36
GKG § 41
Leitsätze:
1. Der negative Kompetenzkonflikt zwischen Amtsgericht und Landgericht über die sachliche Zuständigkeit als Eingangsinstanz ist im Verfahren nach oder analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu entscheiden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Wert eines Unterlassungsanspruchs ist gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen, aber nicht im Sinne eines „freien Beliebens“ zu bestimmen Maßgeblich ist das anhand objektiver Gesichtspunkte zu bewertende Interesse des Klägers an der Unterbindung künftiger Störungen der beanstandeten Art, somit nach dem Umfang der Beeinträchtigung, die dem Kläger im Falle einer Vornahme der besorgten Zuwiderhandlung droht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wie bei jeder Wertbestimmung nach pflichtgemäßem Ermessen sind alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls abzuwägen. Zu den maßgeblichen Umständen zählen insbesondere die Art des abzuwehrenden Verstoßes und dessen wirtschaftliche Schädlichkeit für den Kläger. Indizwirkung für die Wertbemessung kommt der Gefährlichkeit der bereits begangenen Verletzungshandlung zu. Auch anderen, von der Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren – etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen – kann Rechnung zu tragen sein. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es ist nicht sachgerecht, wenn der Streitwert für den Unterlassungsanspruch wegen unberechtigtem Parken schematisch auf der Grundlage eines fiktiven Mietzinses unter Heranziehung der §§ 8, 9 ZPO, § 41 Abs. 1 S. 1 GKG oder gar des § 41 Abs. 5 GKG, der nur Wohnraummiete betrifft, bestimmt würde. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Streitwert, Unterlassungsanspruch, unberechtigtes Parken, Kompetenzkonflikt
Fundstelle:
BeckRS 2023, 17722
Tenor
Sachlich zuständig ist das Amtsgericht München.
Gründe
1
Der Kläger, ein sich selbst vertretender Rechtsanwalt, erwirkte gegen die Beklagten als Gesamtschuldner Mahnbescheide über eine Hauptforderung in Höhe von 6,77 € wegen „Nutzungsentschädigung-Besitzstörung vom 14.12.22“ zuzüglich 76,44 € Rechtsanwaltskosten für vorgerichtliche Tätigkeit und Zinsen. Nach Widerspruch verfolgte er sein Begehren vor dem Amtsgericht München als Streitgericht fort. Er trug mit der Anspruchsbegründung vom 23. Januar 2023 vor: Die Beklagte zu 2) habe am Vormittag des besagten Tags den auf den Beklagten zu 1) zugelassenen Pkw für mindestens 22 Minuten unbefugt auf privatem Grund unmittelbar vor dem Hauseingang zu den von ihm, dem Kläger, angemieteten Kanzleiräumen geparkt. Wegen verbotener Eigenmacht könne er Schadensersatz beanspruchen. Ausgehend von einer ortsüblichen Monatsmiete von 50,00 € netto für einen Parkplatz bemesse er die Höhe seines Anspruchs auf 1,67 € netto (Nutzungsentschädigung für einen Tag). Hinzu kämen die aufgewendeten Kosten für die Halterermittlung in Höhe von 5,10 €. Die Rechtsanwaltskosten seien für sein vorgerichtliches Schreiben vom 29. Dezember 2022 (Anlage K 7) angefallen. Die Beklagten traten dem Klagebegehren mit Einwänden gegen den Grund und die Höhe des Anspruchs entgegen. Mit Schriftsatz vom 3. März 2023 erweiterte der Kläger seinen Antrag dahingehend, dass zusätzlich zur Zahlung von Schadensersatz von beiden Beklagten Unterlassung begehrt werde. Diese hätten es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 5.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu einem Jahr, oder Ordnungshaft bis zu einem Jahr zu unterlassen, den Parkplatz und Eingangsbereich vor seiner Anwaltskanzlei mit Kraftfahrzeugen zum Parken und / oder Halten zu nutzen.
2
Das Amtsgericht München wies die Parteien mit Beschluss vom 9. März 2023 darauf hin, dass eine Neubestimmung des Streitwerts erforderlich sei. Regelmäßig werde für einen Unterlassungsanspruch ein Streitwert von 5.000,00 € angesetzt. Der daneben erhobene Zahlungsanspruch sei zu addieren. Dies bedinge die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts.
3
Der Kläger wandte sich gegen die angekündigte Bewertung. Er machte geltend, der Unterlassungsanspruch betreffe eine vermögensrechtliche Streitigkeit i. S. d. § 48 Abs. 1 GKG. Dessen Wert sei entsprechend § 41 Abs. 1 GKG mit dem Jahreswert der Nutzungsentschädigung in Höhe von 600,00 €, maximal entsprechend § 9 ZPO mit deren dreieinhalbjährigen Wert in Höhe von 2.500,00 € anzusetzen. Selbst bei Annahme einer nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit i. S. d. § 48 Abs. 2 GKG sei mit Blick auf Umfang und Bedeutung der Sache kein Streitwert im Betrag von über 2.100,00 € festzusetzen. Da der Zahlungsanspruch aus dem Unterlassungsanspruch hergeleitet werde, habe zudem nach § 48 Abs. 3 GKG eine Zusammenrechnung zu unterbleiben. Nur vorsorglich werde die Verweisung an das Landgericht München I beantragt.
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Die Beklagten vertraten im Schriftsatz vom 22. März 2023 die Auffassung, der nach § 3 ZPO zu schätzende Zuständigkeitsstreitwert für den Unterlassungsanspruch sei mit 5.000,00 € pro Unterlassungsschuldner zu bewerten, denn dem Kläger sei es erkennbar extrem wichtig, seine Klageansprüche inklusive der geltend gemachten Unterlassungsansprüche gerichtlich durchzusetzen. Die Werte für den Zahlungsanspruch und die Unterlassungsansprüche seien gemäß § 5 ZPO zu addieren.
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Mit Beschluss ebenfalls vom 22. März 2023 hat das Amtsgericht München den Streitwert für das bei ihm anhängige Verfahren vorläufig auf 10.083,00 € festgesetzt, sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht München I verwiesen. Die Verweisung beruhe auf § 506 Abs. 1, § 281 Abs. 1 ZPO. Die jeweiligen Streitwerte der auf Zahlung und Unterlassung gerichteten Ansprüche seien zu addieren, wobei die Unterlassungsansprüche zwei prozessuale Ansprüche bildeten. Wegen deren Bewertung schließe sich das Gericht der Argumentation der beklagten Partei an. Es gehe dem Kläger erkennbar um die Verhinderung weiterer Vorfälle der streitgegenständlichen Art und nicht vorrangig darum, eine Nutzungsentschädigung für „wildes Parken“ durchzusetzen. Es handele sich um eine Streitigkeit nichtvermögensrechtlicher Natur. Daher sei der Streitwert gemäß § 39 Abs. 1, § 48 Abs. 2 GKG, § 23 Abs. 3 RVG mit jeweils 5.000,00 € anzusetzen.
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Über die dagegen gerichtete Gegenvorstellung des Klägers vom 23. März 2023 hat das Amtsgericht nicht entschieden.
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Das Landgericht München I hat die Parteien darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht der Streitwert des Verfahrens den Betrag von 5.000,00 € nicht übersteige. Dem Kläger gehe es um die ungestörte Benutzung des Zugangs zu den von ihm angemieteten Kanzleiräumen. Es erscheine sachgerecht, sein Interesse in entsprechender Anwendung des § 41 Abs. 5 GKG auf der Grundlage einer in Betracht kommenden Mietminderung zu bewerten. Es liege eine vermögensrechtliche Streitigkeit vor. Der Verweisungsbeschluss binde wegen objektiver Willkür nicht.
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Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 4. Mai 2023 den Ausführungen des Landgerichts beigepflichtet, die Beklagten haben ihnen mit Schriftsatz vom 26. Mai 2023 widersprochen.
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Mit Beschluss vom 30. Mai 2023 hat sich das Landgericht München I ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt. Die Begründung der eigenen Unzuständigkeit entspricht im Wesentlichen dem vorausgegangenen Hinweis.
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Im Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung hat sich der Kläger den Ausführungen des Landgerichts angeschlossen, die Beklagten haben sich auf ihre Stellungnahmen vom 22. März 2023 und 26. Mai 2023 bezogen.
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Auf die zulässige Vorlage des Landgerichts ist auszusprechen, dass für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits das Amtsgericht München sachlich zuständig ist.
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1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung in (entsprechender) Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 36 Rn. 34 m. w. N.) durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.
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Die mit der Sache befassten Gerichte haben sich im Sinne dieser Vorschrift „rechtskräftig“ für unzuständig erklärt, das Amtsgericht München durch den nach Rechtshängigkeit der Streitsache ergangenen Verweisungsbeschluss vom 22. März 2023, das Landgericht München I durch die zuständigkeitsverneinende Entscheidung vom 30. Mai 2023. Beide Beschlüsse sind den Parteien bekanntgegeben worden. Die in dieser Weise jeweils ausdrücklich ausgesprochene verbindliche Leugnung der eigenen sachlichen Zuständigkeit erfüllt mithin alle Anforderungen, die an das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12 m. w. N.; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 35).
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Auch der negative Kompetenzkonflikt zwischen Amtsgericht und Landgericht über die sachliche Zuständigkeit als Eingangsinstanz ist im Verfahren nach oder analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu entscheiden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 14. Februar 2022, 102 AR 190/21, juris Rn. 14; Beschluss vom 28. Oktober 2020, 101 AR 114/20, juris Rn. 14; Toussaint in BeckOK ZPO, 48. Ed. 1. März 2023, § 36 Rn. 38.1).
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Zuständig für die Bestimmungsentscheidung ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i.V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht, weil das im Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht über dem Amtsgericht München und dem Landgericht München I in der hier vorliegenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der Bundesgerichtshof ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 19. September 2022, 102 AR 5/22, juris Rn. 32 m. w. N.; Toussaint in BeckOK, ZPO, § 36 Rn. 45.2).
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2. Sachlich zuständig ist das Amtsgericht München. Dessen Verweisungsbeschluss entfaltet nicht die im Gesetz angeordnete Bindungswirkung.
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a) Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts für den Streitfall folgt aus § 23 Nr. 1 GVG.
18
Nach dieser Vorschrift sind die Amtsgerichte unabhängig davon, ob die Streitigkeit vermögensrechtlicher oder nichtvermögensrechtlicher Art ist, zuständig für einen Rechtsstreit über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von fünftausend Euro nicht übersteigt. Die Ermittlung des Zuständigkeitswerts richtet sich nach §§ 3 ff. ZPO.
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Der hier vorliegende Rechtsstreit fällt aufgrund seines Streitwerts in die Zuständigkeit der Amtsgerichte.
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aa) Der Wert der Unterlassungsansprüche, die den Gegenstand der Klageerweiterung bilden, ist gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen, aber nicht im Sinne eines „freien Beliebens“ zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 1990, III ZR 45/90, juris Rn. 9). Maßgeblich ist das anhand objektiver Gesichtspunkte zu bewertende Interesse des Klägers an der Unterbindung künftiger Störungen der beanstandeten Art, somit nach dem Umfang der Beeinträchtigung, die dem Kläger im Falle einer Vornahme der besorgten Zuwiderhandlung droht (Elzer in Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl. 2023, ZPO § 3 Rn. 23 Stichworte „Besitz [Störungsunterlassung; § 862 BGB]“ und „Unterlassung“ Unterpunkt „Zuständigkeitsstreitwert“).
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Maßgebend ist danach das Interesse des Klägers an der nicht durch ein geparktes Auto beeinträchtigten Benutzung der auf privatem Grund liegenden Zugangsfläche, die zwischen den seiner Kanzlei zugewiesenen Parkplätzen und der Parkfläche für die benachbarte physiotherapeutische Praxis liegt (vgl. Kurpat in Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl. 2021, Rn. 2.759). Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich aus der Formulierung des Klageantrags, wonach es die Beklagten zu unterlassen haben, „den Parkplatz und Eingangsbereich der Rechtsanwaltskanzlei des Klägers … mit Kraftfahrzeugen zum Parken und / oder Halten zu nutzen“, nicht, dass sich das Unterlassungsbegehren zusätzlich auf die zur Rechtsanwaltskanzlei gehörenden Parkplätze beziehe. Das zutreffende enge Verständnis folgt aus der gebotenen Berücksichtigung der Begründung der Klageerweiterung, in der sich der Kläger ausschließlich auf die Blockade der Zugangsfläche bezieht, auf der die Beklagte zu 2) den Pkw des Beklagten zu 1) geparkt hatte; diese Fläche sei nicht als Parkplatz vorgesehen, jedoch nach ihren Ausmaßen geeignet, als Parkplatz genutzt zu werden. Die Formulierung „Parkplatz und Eingangsbereich“ bezeichnet mithin nur diesen Zugangsbereich. Auch der Umstand, dass die Nutzung sowohl in der Form des Parkens als auch in derjenigen des Haltens untersagt werden soll, erlaubt keine Vervielfachung des für das Unterlassungsbegehren anzusetzenden Werts.
22
Wie bei jeder Wertbestimmung nach pflichtgemäßem Ermessen sind alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls abzuwägen. Zu den maßgeblichen Umständen zählen insbesondere die Art des abzuwehrenden Verstoßes und dessen wirtschaftliche Schädlichkeit für den Kläger. Indizwirkung für die Wertbemessung kommt der Gefährlichkeit der bereits begangenen Verletzungshandlung zu. Auch anderen, von der Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren – etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen – kann Rechnung zu tragen sein (vgl. z. B. BGH, Urt. v. 12. Mai 2016, I ZR 272/14 – Tannöd, juris Rn. 37 ff. m. w. N. zum Gegenstandswert eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs; OLG Dresden, Beschluss vom 1. Dezember 2021, 4 W 797/21, juris Rn. 3 f.; OLG Saarbrücken, Urt. v. 5. Dezember 2018, 5 U 58/18, juris Rn. 26 [jeweils zum Streitwert eines nichtvermögensrechtlichen Anspruchs auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen]; OLG Hamm, Urt. v. 4. September 2018, 4 U 34/18, juris Rn. 6 [zum Wert eines Anspruchs auf Unterlassung einer Schutzrechtsverletzung]; OLG Hamm, Urt. v. 17. Oktober 2013, 6 U 95/13, juris Rn. 18 ff. [Unterlassung unerbetener E-MailWerbung]; OLG Koblenz, Beschluss vom 4. Juli 2007, 5 W 503/07, juris Rn. 2 f. [Unterlassung einer Sperre der Gasversorgung]; AG Brandenburg, Beschluss vom 26. Februar 2019, 31 C 250/18, juris Rn. 1 m. w. N. [Unterlassung einer Videoüberwachung mittels digitalen Türspions]; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 3 Rn. 36 Stichwort „Unterlassung“; Wendtland in BeckOK ZPO, § 3 Rn. Rn. 33 Stichwort „Unterlassung“; Hunke in Anders/Gehle, ZPO, 81. Aufl. 2023, GVG § 23 Rn. 4; Hartmann in Hartmann, Kostengesetze online, Stand: 11.2022, ZPO § 3 Rn. 118 – 123 [unter Darstellung thematischer Untergruppen]; Herget in Zöller, ZPO, § 3 Rn. 16.172 m. w. N.; Seggewiße in Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, Rn. 2.4889, 2.1042 und 2.4900a).
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Streitwerterhöhend wirkt es sich aus, wenn die zu unterbindende Besitzstörung in aggressiver Weise und unter Verletzung von Strafgesetzen erfolgte (vgl. Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, § 3 Rn. 24 Stichwort „Besitzstörungsklage“; Herget in Zöller, ZPO, § 3 Rn. 16.46; Kurpat in Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, Rn. 2.758) oder wenn die besorgte Besitzstörung erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen für den Unterlassungskläger hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. März 2012, 24 W 17/12, juris Rn. 4).
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Für Unterlassungsansprüche bei Besitzstörungen wegen unberechtigten Parkens auf Kundenparkplätzen, die der Berechtigte zur Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit vorhält, sind von den Gerichten unter Abwägung des Klägerinteresses Streitwerte zwischen 1.500,00 € und 2.000,00 € angesetzt worden (vgl. AG Kleve, Urt. v. 10. Juli 2020, 3 C 223/19, juris Rn. 21; AG Pfaffenhofen, Beschluss vom 15. November 2019, 1 C 552/19, juris; AG München, Urt. v. 22. Dezember 2009, 241 C 7703/09, juris). In einem besonders gelagerten Fall, in dem es um die Unterbindung eines Parkverstoßes zur Verhinderung einer Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs nach wiederholten vergeblichen Abmahnungen ging, hat das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen den geltend gemachten Unterlassungsanspruch mit 5.000,00 DM bewertet (Beschluss vom 1. Juli 1992, 2 W 26/92, juris Rn. 10).
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bb) In der vorliegenden Streitsache unterschreitet der Wert des gegenüber den Beklagten jeweils inhaltsgleich geltend gemachten Unterlassungsanspruchs jedenfalls deutlich den Betrag von 2.500,00 €. Denn ein gewichtiges Interesse des Klägers daran, für die Zukunft das Abstellen eines Fahrzeugs auf der Zugangsfläche zu seinen Kanzleiräumen gerade durch die Beklagten zu unterbinden, ist nicht erkennbar.
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Den dargestellten Maßstäben würde es nicht gerecht, wenn der Streitwert für die Unterlassungsansprüche schematisch auf der Grundlage eines fiktiven Mietzinses unter Heranziehung der §§ 8, 9 ZPO, § 41 Abs. 1 Satz 1 GKG oder gar – wie das Landgericht meint – des § 41 Abs. 5 GKG, der nur Wohnraummiete betrifft, bestimmt würde (dazu: OLG Rostock, Beschluss vom 14. August 2006, 3 W 78/06, juris Rn. 10 m. w. N.; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, § 3 Rn. 24). Der als Schadensersatz für die unbefugte Nutzung geltend gemachte Betrag hat dennoch eine gewisse Indizwirkung für die wirtschaftliche Bedeutung, die der Kläger dem Unterlassungsanspruch beimisst, zumal weder eine Beeinträchtigung des Kanzleibetriebs oder wirtschaftliche Auswirkungen auf diesen noch sonstige Interessen dargelegt sind, die über den Entzug der Nutzungsmöglichkeit hinausweisen. Die geringe Höhe der im Raum stehenden wirtschaftlichen Interessen muss sich in einer moderaten Streitwertbemessung widerspiegeln.
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Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Parkvorgang, der den Anlass für die Unterlassungsklage gesetzt hat, von geringer Dauer war. Es handelte sich zudem um einen singulären Vorfall, dessen Wiederholung nach dem Akteninhalt äußerst unwahrscheinlich erscheint. Angesichts des einsichtigen Verhaltens der Beklagten zu 2), die unstreitig auf die Aufforderung des Klägers ohne Zögern das unberechtigt abgestellte Fahrzeug entfernte und hierfür ihre physiotherapeutische Behandlung unterbrechen ließ, kann davon ausgegangen werden, dass ein erneuter Parkverstoß durch sie kaum zu erwarten sein dürfte. Dieselbe Prognose ist in Bezug auf den Beklagten zu 1) anzustellen. Dieser erklärte vorprozessual mit Schreiben vom 3. Januar 2023 (Anlage K 6), er garantiere, „in Zukunft unseren PKW nicht auf einen von Ihrer Kanzlei gekennzeichneten Parkplatz abzustellen“. Da er auf Seite 2 Absatz 3 des Aufforderungsschreibens vom 29. Dezember 2022 (Anlage K 7) Bezug nahm und der Kläger dort gefordert hatte, „zukünftig jedwede weitere Beeinträchtigung meines Kanzleieingangsbereichs auf dem im Betreff genannten Grundstück durch unbefugtes Parken und / oder Halten auf diesen Bereichen (sic) zu unterlassen und mir dies schriftlich bis spätestens Freitag, den 13.01.2023, rechtsverbindlich zu bestätigen“, spricht nichts dafür, dass sich der Wortlaut der „Garantie“ aus taktischen Gründen nicht auf den Zugangsbereich, sondern auf die Parkfläche bezieht. Vielmehr deutet die umfassende Formulierung darauf hin, dass der Beklagte zu 1) zwischen diesen Bereichen nicht differenzierte, zumal der Kläger in seinem Aufforderungsschreiben den Plural verwendet und von „Bereichen“ gesprochen hatte. Dementsprechend ist auch das Interesse des Klägers an einer Abwehr künftiger Rechtsverletzungen durch die Beklagten niedrig zu bewerten.
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Generalpräventive Erwägungen, die in urheberrechtlichen Streitigkeiten in Betracht gezogen werden, sind für die Wertbemessung der konkret vorliegenden Streitigkeit ohne Bedeutung, zumal die Gefahr einer Nachahmung mit der Gefahr eines erneuten Verstoßes korrespondiert und aus den dargelegten Gründen in dem vorliegenden Streitfall entsprechend gering einzustufen ist (vgl. BGH, Urt. v. 6. Oktober 2016, I ZR 97/15, MMR 2017, 618 Rn. 32; Urt. v. 12. Mai 2016, I ZR 1/15, NJW 2017, 814 Rn. 34; OLG Celle, Beschluss vom 7. Dezember 2011, 13 U 130/11, MDR 2012, 727 [juris Rn. 5]; Elzer in Toussaint, Kostenrecht, ZPO § 3 Rn. 19 Stichwort „Generalpräventive Erwägungen“).
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Entgegen der Ansicht der Beklagten kann dem Umstand, dass der Kläger das Verfahren mit Entschlossenheit und erheblichem Aufwand betreibt, keine streitwerterhöhende Bedeutung zugemessen werden. Daraus ergibt sich lediglich, dass er nicht gewillt ist, die unbefugte Inanspruchnahme der Zugangsfläche zu seinen Kanzleiräumen für Parkzwecke hinzunehmen. Objektive Gesichtspunkte, die für ein bedeutsames Gewicht seines Interesses an der ungestörten Benutzung der Zugangsfläche sprächen, ergeben sich daraus nicht.
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cc) Obwohl die Werte des gegen zwei Beklagte geltend gemachten Unterlassungsantrags gemäß § 5 Halbs. 1 ZPO zu addieren sind (vgl. BGH, Beschl. v. 15. April 2008, X ZB 12/06, juris Rn. 7 f. [zum Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit]; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Januar 2017, 6 W 119/16, juris Rn. 2) und der daneben geforderte, bezifferte Schadensersatzanspruch in Höhe von 6,77 € hinzukommt (Seggewiße in Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, Rn. 2.4884), liegt der Streitwert des Verfahrens aus den dargestellten Gründen klar unter der Zuständigkeitsschwelle des § 23 Abs. 1 GVG. Die Kosten der vorgerichtlichen Tätigkeit bleiben als Nebenforderung unberücksichtigt, § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO.
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b) Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts vom 22. März 2023 ändert an dessen Zuständigkeit nichts, denn er ist als objektiv willkürlich anzusehen und daher nicht geeignet, die Zuständigkeit des Landgerichts zu begründen.
32
aa) Der Gesetzgeber hat in § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Dies ist im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten (BGH NJW-RR 2017, 1213 Rn. 15; BayObLG, Beschluss vom 15. Dezember 2022, 102 AR 84/22, juris Rn. 26; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 38). Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist daher grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist.
33
Die Bindungswirkung entfällt allerdings dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, etwa weil er unter Versagung des rechtlichen Gehörs zustande gekommen oder nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen worden ist oder weil er als objektiv willkürlich betrachtet werden muss (st. Rspr., vgl. BGH NJW-RR 2017, 1213 Rn. 15; Greger in Zöller, ZPO, § 281 Rn. 16 f.; jeweils m. w. N.).
34
Als objektiv willkürlich ist der Verweisungsbeschluss zu werten, wenn sich die Entscheidung bei der Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen so weit von dem sie beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie bei objektiver Würdigung, auf die allein abzustellen ist, jeder Rechtsgrundlage entbehrt und daher offensichtlich unhaltbar ist (st. Rspr., vgl. BVerfGE 29, 45 [49, juris Rn. 18]; BGH NJW-RR 2017, 1213 Rn. 15; zum Ganzen auch: Greger in Zöller, ZPO, § 281 Rn. 17).
35
Grobe Rechtsfehler bei der Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder bei ihrer Handhabung können als gravierender Verstoß gegen die den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) determinierenden Rechtsvorschriften zu qualifizieren sein und dazu führen, dass ein Verweisungsbeschluss nicht mehr als „im Rahmen der Gesetze ergangen“ angesehen werden kann.
36
bb) Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts München als objektiv willkürlich zu bewerten, weil die Begründung für die Bewertung der Unterlassungsansprüche in sich widersprüchlich ist und zudem eine evident nicht einschlägige Vorschrift herangezogen sowie grob fehlerhaft angewendet worden ist.
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Das Amtsgericht geht selbst zutreffend davon aus, dass es dem Kläger „erkennbar um die Verhinderung weiterer Vorfälle der streitgegenständlichen Art“ geht. Zur Geringfügigkeit des Vorfalls, dessen Art und Umfang unstreitig sind, und zur geringen Gefahr einer Wiederholung derartiger Vorfälle, die aufgrund der Reaktion der Beklagten auf der Hand liegt, steht die Annahme eines Streitwerts von jeweils 5.000,00 € in krassem Widerspruch. Bereits deshalb erscheint die auf den angeblich hohen Streitwert gestützte Verweisung unhaltbar.
38
Angesichts des Verfahrensverlaufs ist zudem die Annahme, dem Kläger gehe es nicht vorrangig darum, eine Nutzungsentschädigung für das unbefugte Parken durchzusetzen, nicht recht nachvollziehbar. Immerhin hatte sich der Kläger zunächst mit der vorprozessual abgegebenen „Garantie“-Erklärung des Beklagten zu 2) zufriedengegeben und die Klage auf die Durchsetzung der finanziellen Entschädigung beschränkt. Darauf kommt es jedoch entscheidungserheblich nicht mehr an.
39
Schlechterdings unvertretbar ist die Auffassung, die Streitigkeit sei nichtvermögensrechtlicher Natur. Ansprüche sind nicht nur dann vermögensrechtlicher Art, wenn sie aus einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis resultieren oder auf eine vermögenswerte Leistung gerichtet sind. Vermögensrechtlicher Art sind auch diejenigen Streitigkeiten, die im Wesentlichen der Wahrung wirtschaftlicher Belange dienen; für die Einordnung ist allein der Vortrag des Klägers maßgeblich (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2009, II ZB 16/08, NJW 2009, 3161 [juris Rn. 5]; Urt. v. 26. Oktober 1999, VI ZR 322/98, NJW 2000, 656 [juris Rn. 12]; Urt. v. 20. Dezember 1983, VI ZR 94/82, BGHZ 89, 198 [200, juris Rn. 13]; Heinrich in Musielak, ZPO, § 3 Rn. 12; Toussaint in BeckOK Kostenrecht, GKG § 48 Rn. 17 f.; Toussaint in BeckOK ZPO, 48. Ed. Stand: 1. März 2023, § 20 Rn. 1; Kurpat in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, GKG § 48 Rn. 8 f.) . Andere als wirtschaftliche Belange für das Unterlassungsbegehren sind in der vorliegenden Sache nicht ansatzweise erkennbar. Irgendwelche ideellen Belange sind nicht zutage getreten.
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Die sodann auf der verfehlten Annahme einer nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit herangezogene Vorschrift des § 23 Abs. 3 RVG betrifft ausweislich ihres Wortlauts und des Regelungszusammenhangs den Gegenstandswert anwaltlicher Tätigkeit. Sie ist für den Zuständigkeitsstreitwert nicht einschlägig. Eine analoge Anwendung scheidet bereits deshalb aus, weil angesichts der Regelung in § 3 ZPO für den Zuständigkeitswert, die den vorliegenden Sachverhalt erfasst, keine Lücke besteht. Die Annahme eines Regelstreitwerts in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 RVG ist mit § 3 ZPO und der darin geforderten Ermessensausübung zudem unvereinbar (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2015, I ZR 95/14, juris Rn. 2). Dabei liegt der Zivilprozessordnung die Vorstellung zugrunde, dass für jeden vermögensrechtlichen Streitgegenstand eine Wertberechnung möglich ist (vgl. Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, § 3 Rn. 7 unter Bezugnahme auf RG, Urt. v. 7. Juni 1882, I 260/82, RGZ 10, 321 [322]). Allenfalls in einer nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit wäre eine Orientierung an dem Auffangwert für Anwaltsgebühren denkbar (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2022, V ZB 75/21, NZM 2022, 754 Rn. 7; großzügiger: Elzer in Toussaint, Kostenrecht, ZPO § 3 Rn. 14). Voraussetzung ist aber stets nach dem Gesetzeswortlaut, dass es an hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung des Interesses fehlt. Auch darüber hat sich das Amtsgericht hinweggesetzt.