Titel:
Unverhältnismäßiger Durchsuchungsantrag zur Durchsetzung einer waffenrechtlichen Sicherstellung
Normenkette:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 45 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 4
Leitsätze:
1. Eine notwendige hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Fehlverhaltens iSv § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WaffG, d.h. der Benutzung einer Waffe entgegen dem vom Gesetzgeber erlaubten Zweck ihres Gebrauchs, setzt nicht bloß die Befürchtung des Missbrauchs voraus, vielmehr muss das Vorliegen der Tatschengrundlagen für die Besorgnis missbräuchlicher Waffenanwendung grundsätzlich erwiesen sein. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Verfahren der gerichtlichen Entscheidung über eine Durchsuchungsanordnung gem § 46 Abs. 4 S. 2 WaffG sind die Widerrufsvoraussetzungen des § 5 WaffG nicht abschließend zu prüfen. Die Rechtmäßigkeit des der Durchsuchungsanordnung zugrundeliegenden Verwaltungsakts ist nicht Gegenstand der Durchsuchungsanordnung, das Gericht hat vielmehr nur das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen zu prüfen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Durchsuchungsanordnung, Betreten und Durchsuchen von Wohnräumen, Widerruf der erteilten Waffenbesitzkarten, Sofortige Sicherstellung von Waffen, Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung, verneint, Waffenmissbrauch, Abgabeverpflichtung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 17709
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 32.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die richterliche Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners zum Zwecke der Sicherstellung von Waffenbesitzkarten und weiterer Dokumente sowie der beim Antragsgegner bei der Durchsuchung aufgefundenen Schusswaffen, Schusswaffenteile und Munition.
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1. Der Antragsgegner ist Inhaber von elf, zwischen dem Jahr 2004 und dem Jahr 2021 ausgestellten Waffenbesitzkarten, in die insgesamt 66 Waffen eingetragen sind. Nach dem weiteren Vortrag des Antragstellers hat der Antragsgegner nach dem Vorfall vom 23. April 2023 weitere zwei Waffen erworben, die bisher nicht in eine Waffenbesitzkarte eingetragen sind. Weiter ist dem Antragsgegner ein Europäischer Waffenpass, eine Einfuhrerlaubnis und ein Drei-Jahres-Jagdschein ausgestellt.
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Mit einem Bescheid vom 19. Mai 2023, der dem Antragsgegner noch nicht zugstellt ist, widerruft der Antragsteller die dem Antragsgegner erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse (11 Waffenbesitzkarten, Europäischer Waffenpass; Ziffer I), und erklärt den Drei-Jahres-Jagdschein für ungültig und zieht diesen ein (Ziffer II.1), für die Wiedererteilung des Jagdscheins wird eine Sperrfrist von fünf Jahren ab Bestandskraft des Bescheids verhängt (Ziffer II.2). Gemäß Ziffer III des Bescheids werden die in den Ziffern I und II benannten Erlaubnisurkunden sowie die im Besitz des Antragsgegners befindlichen erlaubnispflichtigen Waffen und die Munition im Rahmen der Vollzugshilfe durch die Polizei sofort sichergestellt. Die sofortige Vollziehung von Ziffer II.1 und Ziffer III wird in Bezug auf die Ungültigerklärung, Einziehung und Sicherstellung des Jagdscheines verfügt (Ziffer IV).
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Zur Begründung des Bescheids wird zum Sachverhalt im Wesentlichen ausgeführt, dass nach einer Mitteilung durch die Kriminalpolizei der Antragsgegner am 23. April 2023 einen Polizeibeamten in der Nähe von dessen Wohnhaus angesprochen und Bezug genommen habe auf ein etwa zehn Jahre zurückliegendes, abgeschlossenes Ermittlungsverfahren, das der Polizeibeamte als Verantwortlicher geführt habe. Der Antragsgegner habe dabei dem Polizeibeamten das damalige Ermittlungsverfahren vorgehalten, dem Polizeibeamten Falschaussagen vorgeworfen und gefordert, dass der Polizeibeamte deshalb eingesperrt werden müsse. Auf die Aufforderung durch den Polizeibeamten an den Antragsgegner, diese alten lange zurückliegenden Vorgänge nicht ständig wiederholend zum Thema zu machen, habe der Antragsgegner dem Polizeibeamten gegenüber geäußert: „Wenn ich von der Jagd komme und nach dem Ansitz das Gewehr zum Auto bringe, dann überlege ich mir, ob ich nicht bei Dir vorbeifahren soll. Du weißt doch, ich bin traumatisiert.“ Weiter wurde ein an dem damaligen Ermittlungsverfahren beteiligter Veterinärbeamter vom Antragsgegner benannt, den der Antragsgegner in Anschluss an das Gespräch aufsuchen wolle.
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Aufgrund dieses Sachverhalts wären nachträglich Tatsachen eingetreten, die zu der in den Ziffern I und II des Bescheids geregelten Versagung der waffenrechtlichen Erlaubnisse, sowie zur Ungültigerklärung des Jagdscheins führen müssten. Sowohl in waffenwie in jagdrechtlicher Hinsicht fehle es beim Antragsgegner an der erforderlichen Zuverlässigkeit, da Tatsachen die Annahme rechtfertigen würden, dass der Antragsgegner die von ihm inne gehabten Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwende. Dieser Prognose, an die im Hinblick auf die von Waffen ausgehenden Gefahren keine zu strengen Anforderungen zu stellen sei, läge das Verhalten des Antragsgegners vom 23. April 2023 zugrunde, aus der sich nach dem objektiven Empfängerhorizont eine Bedrohung des angesprochenen Polizeibeamten ergebe. Aber auch wenn in der Aussage des Antragsgegners keine Bedrohung, sondern nur eine (weitere) Provokation gelegen hätte, stelle diese auf eine missbräuchliche Verwendung einer Waffe ab. Ein ordnungsgemäßer Umgang mit Waffen durch den Antragsgegner sei deshalb nicht zu erwarten. Auch die vom Antragsgegner bei dem Vorfall vom 23. April 2023 geltend gemachte Traumatisierung lasse eine derartige Prognose nachvollziehbar erscheinen. Aufgrund der damit zu bejahenden Unzuverlässigkeit müsse dies nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zum Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse sowie gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 18 Satz 1 BJagdG zur Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins führen.
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Die in Ziffer III des Bescheids geregelte Sicherstellung von Erlaubnisurkunden sowie Waffen und Munition beruhe auf § 46 WaffG. Wegen des gesetzlich sofort vollziehbaren Widerrufs könne auch die sofortige Sicherstellung von Erlaubnisurkunden und Waffen bzw. Munition nach § 46 Abs. 4 WaffG erfolgen. Auch wenn der Antragsgegner nach dem 23. April 2023 zu dem angesprochenen Polizeibeamten keinen Kontakt mehr gehabt habe, drohe bei einer verständigen Würdigung des Sachverhalts eine missbräuchliche Verwendung der Waffen durch den Antragsgegner. Insoweit dürften keine zu strengen Anforderungen gestellt werden, da bei einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen erhebliche Gefahren für Leib und Leben bestehen würden. Insbesondere sei eine „Kurzschlussreaktion“ nicht auszuschließen, so dass nur durch eine sofortige Sicherstellung die Gefahr hinreichend minimiert werden könne. Die sofortige Sicherstellung sei verhältnismäßig, eine Fristsetzung zur Abgabe wegen der drohenden Gefahren nicht als milderes Mittel sachgerecht. Hinzu komme, dass bei einer Fristsetzung die Gefahr des Beiseiteschaffens der Waffen bestehen würde.
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Eine Kopie des Bescheids vom 19. Mai 2023 übermittelte der Antragsteller am gleichen Tag dem Gericht.
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2. Mit Schriftsatz vom 12. Mai 2023, ergänzt mit der Begründung zum Erlass des Bescheids vom 19. Mai 2023, beantragte der Antragsteller den Erlass einer gerichtlichen Durchsuchungsgestattung der Wohnung und sämtlicher Nebengebäude im Anwesen des Antragsgegners zum Zwecke der Sicherstellung der Waffenbesitzkarten, des Europäischen Waffenpasses, der Einfuhrerlaubnis, des aktuell gültigen Jagdscheins sowie sämtlicher in der Wohnung befindlichen erlaubnispflichtigen Schusswaffen, Schusswaffenteile und sämtlicher Munition. Weiter wurde die Erlaubnis zum Öffnen von verschlossenen Türen und Behältnissen beantragt.
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Die Rechtsgrundlage für die Anordnung der Durchsuchung zur Sicherstellung ergebe sich aus § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG. Der im Einzelnen im Bescheid vom 19. Mai 2023 dargelegte Sachverhalt begründe Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsgegner Waffen und Munition missbräuchlich verwende. Für die Prognose sei insbesondere auch die schwierige Persönlichkeitsstruktur des Antragsgegners zu berücksichtigen. Bei dem Vorfall vom 23. April 2023 habe der Antragsgegner zwar nicht mit einer Waffe gedroht. Allerdings ergebe sich aus der Äußerung der hinreichende Verdacht, dass der Antragsgegner die Waffe auch gegenüber Personen nutzen würde und somit Gefahren für Leib und Leben bestünden. Die Durchsuchung diene der Vollstreckung einer waffenrechtlichen Sicherstellungsanordnung. Das entsprechende Widerrufsverfahren sei eingeleitet, ausnahmsweise sei der Widerrufs- und Sicherstellungsbescheid noch nicht zugestellt. Dies sei aber vorliegend notwendig, um einen Erfolg der sofortigen Sicherstellung nicht zu gefährden. Eine Fristsetzung zur freiwilligen Abgabe berge die Gefahr, dass der Antragsgegner als Adressat der Anordnung eine ihm eingeräumte Frist dazu nutze, die betreffenden Waffen dem späteren Zugriff der Behörde zu entziehen.
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Der zwischenzeitlich unter dem 19. Mai 2023 erstellte Widerrufs- und Sicherstellungsbescheid solle dem Antragsgegner zusammen mit dem Beschluss des Gerichts zur Durchsuchungsanordnung im Rahmen der Durchführung der Durchsuchung durch die Polizei im Wege der Vollzugshilfe übergeben werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Zum Verfahren beigezogen wurde die Behördenakte, die die Waffenrechtsbehörde für die Person des Antragsgegners führt.
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Für den zulässig erhobenen Antrag vom 12. Mai 2023 auf die richterliche Anordnung der Durchsuchung der Wohn- und sonstigen Nebenräume auf dem Anwesen des Antragsgegners ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, weil die begehrte Durchsuchungsanordnung nach § 46 Abs. 4 WaffG im Zusammenhang mit einer Vollstreckung einer waffenrechtlichen Sicherstellungsanordnung steht (vgl. VG Trier, B.v. 13.3.2012 – 1 N 261/12.TR – juris Rn. 1). Die Anordnung der Durchsuchung, die über das bloße Betreten hinausgeht und das ziel- und zweckgerichtete Suchen der Vollstreckungsorgane, die vorliegend insbesondere auch das Öffnen von verschlossenen Türen und Behältnissen umfasst, unterliegt dem Richtervorbehalt des Art. 13 Abs. 2 GG (vgl. § 46 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 WaffG; VG Trier, B.v. 13.3.2012 a.a.O. Rn. 2).
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Der Antrag bleibt ohne Erfolg, die Durchsuchung der Wohnräume des Antragsgegners ist unverhältnismäßig.
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1. Die vorliegend beantragte richterliche Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners hat die verfassungsrechtlichen Grenzen des Art. 13 Abs. 1 GG zu beachten. Nach den von der Verfassung vorgegebenen Grundsätzen (vgl. BVerfG, B.v. 28.4.2004 – 2 BvR 2105/03 – NJW 2005, 275 f. = juris Rn. 4 ff. m.w.N.; stRspr) ist die Durchsuchung der Wohnung, die den Kern der durch das Grundgesetz geschützten Privatsphäre des Betroffenen darstellt, als schwerwiegender (Grundrechts-) Eingriff nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach richterlicher Prüfung zulässig. Dabei ist insbesondere, weil auch regelmäßig eine vorherige Anhörung des Betroffenen nicht erfolgt, zu prüfen, ob die Schwere des der Durchsuchung zugrundeliegenden Sachverhalts so bedeutend ist, dass gerade diese Zwangsmaßnahme im angeordneten Umfang notwendig ist.
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Für den Prüfungsmaßstab hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung dargelegt, dass sich die gerichtliche Beurteilung – da sich aus der Regelung in Art. 13 Abs. 2 GG neben dem Richtervorbehalt keine unmittelbaren Anhaltspunkte dafür ergeben – „in erster Linie (an) den gesetzlichen Bestimmungen, welche die Voraussetzungen für die Durchsuchung festlegen“, zu orientieren hat (BayVGH, B.v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 25). Notwendig ist somit die Prüfung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Vollstreckungsmaßnahme, die im Rahmen der Durchsuchung erfolgen soll, vorliegen und ob ohne die Durchsuchung der Vollstreckungserfolg gefährdet wäre (BayVGH, B.v. 23.2.2000 a.a.O.).
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2. Unter Beachtung dieser verfassungs- und einfachrechtlichen Grundsätze gilt vorliegend das Folgende:
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a) Die Regelung in § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG, auf die vorliegend der Antragsteller den Antrag auf Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners und der Nebenräume auf dem Wohngrundstück stützt, betrifft nach dem eindeutigen Wortlaut („zu diesem Zweck“) und seiner systematischen Stellung im Anschluss an die Regelung der sofortigen Sicherstellung in § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG nur die Durchsuchung zum Zweck der sofortigen Sicherstellung. Die danach eingeräumte Befugnis dient der unverzüglichen Wegnahme unter Begründung behördlichen Gewahrsams entweder zur Sicherung einer Besitzuntersagung nach § 41 Abs. 1 und Abs. 2 WaffG (§ 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WaffG) oder bei tatsachengestützten Anhaltspunkten einer Gefahr für die Allgemeinheit zur umgehenden Beseitigung dieser Gefahr (§ 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG). Mit der sofortigen Sicherstellung soll daher entweder schon für die Zeit bis zur Erfüllung aller Vollzugsvoraussetzungen das Unterlaufen einer Besitzuntersagung verhindert werden oder es sollen – wie hier – ohne eine Besitzuntersagung, bei tatsachengestützten Anhaltspunkten für eine missbräuchliche Waffen- und Munitionsverwendung bzw. für einen Erwerb vom Nichtberechtigten Gefahren für die Allgemeinheit umgehend unterbunden werden.
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Vorliegend dient die Durchsuchung der Vollziehung dem mit dem noch nicht zugestellten Bescheid (Entwurf) vom 19. Mai 2023 verfügten Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse und der Sicherstellung der vom Antragsgegner (mit Bescheidszustellung) nach § 46 Abs. 2 WaffG einem Berechtigten zu überlassenden oder abzugebenden Waffen zur Abwehr von Gefahren für die Allgemeinheit.
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b) Grundlage der Widerrufsverfügung ist die Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WaffG, nach der die erforderliche Zuverlässigkeit für den Umgang mit Waffen (vgl. § 1 Abs. 3 WaffG) Personen nicht besitzen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden. Für diese Prognoseentscheidung ist ein auf tatsächlichen Feststellungen beruhender Verdacht des Waffenmissbrauchs notwendig. Die insoweit notwendige hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Fehlverhaltens, d.h. der Benutzung einer Waffe entgegen dem vom Gesetzgeber erlaubten Zweck ihres Gebrauchs, setzt nicht bloß die Befürchtung des Missbrauchs voraus, vielmehr muss das Vorliegen der Tatschengrundlagen für die Besorgnis missbräuchlicher Waffenanwendung grundsätzlich erwiesen sein (VG Augsburg, B.v. 18.4.2018 – Au 4 V 14.1198 – Rn. 13 des BA; vgl. ausführlich etwa zuletzt OVG LSA, B.v. 12.6.2023 – 3 L 23/23.Z – juris Rn. 12; Papsthart in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 5 WaffG Rn. 31).
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c) Im vorliegenden Verfahren der gerichtlichen Entscheidung über die Durchsuchungsanordnung sind abschließend allerdings nicht die Widerrufsvoraussetzungen des § 5 WaffG zu prüfen. Die Rechtmäßigkeit des der Durchsuchungsanordnung nach § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG zugrundeliegenden Verwaltungsakts – vorliegend des (Entwurfs) Bescheids vom 19. Mai 2023 – ist nicht Gegenstand der Durchsuchungsanordnung, das Gericht hat vorliegend vielmehr nur das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen zu prüfen (VG Augsburg, B.v. 18.4.2018 – Au 4 V 14.1198 – Rn. 11 des BA; VG Trier, B.v. 13.3.2012 – 1 N 261/12.TR – juris Rn. 3).
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Der (Entwurf des) Bescheid(s) vom 19. Mai 2023 ist weder offenkundig rechtswidrig noch ist ein sonstiger durchgreifender rechtlicher Mangel zu erkennen (zu diesem Ausschlusskriterium für den Erlass einer Durchsuchungsanordnung vgl. VG Augsburg, B.v. 18.4.2018 – Au 4 V 14.1198 – Rn. 11 des BA m.w.N.). Damit ist die Vollstreckung dieses Bescheids durch die Durchsuchung der Wohnung und der Nebenräume des Wohnanwesens des Antragsgegners und der damit verbundene schwerwiegende Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung nach einer richterlichen Erlaubnis durch den Antragsgegner zu dulden, wenn ohne diese Durchsuchungsanordnung der Erfolg eines Verfahrens zum Widerruf der waffenrechtlichen bzw. zur Ungültigerklärung der jagdrechtlichen Erlaubnisse gefährdet wäre (BayVGH, B.v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 25).
22
Die vom Antragsteller insoweit vorgelegten Unterlagen lassen dies nicht erkennen.
23
Der Antragsgegner ist nach den im Verfahren vorgelegten Akten, die im Rahmen der ihm erteilten waffenrechtlichen Erlaubnissen angefallen sind, seit etwa zwanzig Jahren im Besitz von Waffen und den dazugehörigen Erlaubnissen. Beanstandungen des Waffenbesitzes, der Aufbewahrung der Waffen etc. sind in dieser Zeit erkennbar nicht erfolgt. Dass der Antragsgegner entgegen der waffenrechtlichen Bestimmungen unsachgemäß oder nicht ausreichend sorgfältig mit Waffen umgegangen ist, ist insoweit nicht erkennbar.
24
Der Anlass für die Prüfung der Zuverlässigkeit des Antragsgegners, der Vorfall vom 23. April 2023, lässt erkennbar die Befürchtung des unsachgemäßen Umgangs mit Waffen entstehen. Dass der Antragsgegner die bei ihm zur Ausübung der Jagd vorhandenen Waffen auch gegenüber den angesprochenen Personen einsetzen könnte, erscheint nach der Äußerung des Antragsgegners möglich. Allerdings ist zur Bewertung der Äußerung auch zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner und der angesprochene Polizeibeamte offensichtlich seit über zehn Jahren im Streit über ein abgeschlossenes Ermittlungsverfahren stehen und insoweit offenbar vielfache verbale Auseinandersetzungen in der Vergangenheit stattgefunden haben.
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Vor diesem Hintergrund geht das Gericht nicht davon aus, dass für den Fall, dass die Waffenrechtsbehörde ein Widerrufsverfahren einleitet bzw. die Ungültigerklärung des Jagdscheins verfolgt, der Antragsgegner nicht bereit ist, vollziehbaren behördlichen Anordnungen nachzukommen. Der Antragsgegner hat in diesen Verfahren die Möglichkeit zur Äußerung. Diese Beteiligtenrechte lassen nach dem Vorstehenden nicht darauf schließen, dass eine vorherige, mit der Durchsuchungsanordnung verfolgte Sicherstellung von Urkunden und Waffen notwendig ist, und dass ohne diese Durchsuchung der Erfolg eines Widerrufsverfahrens gefährdet ist. Insbesondere ist es für das Gericht nicht erkennbar, dass der Antragsgegner die in seinem Besitz befindlichen Waffen einer vollziehbaren Abgabeverpflichtung entziehen könnte.
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d) In Abwägung mit der grundrechtlich geschützten Position des Antragsgegners ist für das Gericht die Anordnung der Durchsuchung der Wohnräume und der Nebenräume auf dem Wohnanwesen des Antragsgegners unverhältnismäßig. Dass kein weniger einschneidendes Mittel, um eine mögliche Gefahr abzuwehren, besteht (vgl. zu diesem Kriterium BVerfG (Kammer), B.v. 26.10.2011 – 2 BvR 1774/10 – BVerfGK 19,167 = juris Rn. 26), ist nicht erkennbar.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt die Ziffern 50.2, 20.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Unter Berücksichtigung des Widerrufs der Waffenbesitzkarten, der darin eingetragenen bzw. vom Antragsgegner im Besitz befindlichen Waffen und der Ungültigerklärung des Jagescheins ergibt sich insgesamt ein Gegenstandswert von 64.000,- EUR, der vorliegend halbiert worden ist.