Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 15.05.2023 – W 8 K 23.240
Titel:

Beauftragung als weiterer Leistungserbringer für Corona-Teststellen, Rückwirkung der Beauftragung, besonderes Feststellungsinteresse, Antragstellung, Anzeige der Betriebsübernahme genügt nicht für Beauftragung

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
VwGO § 43
TestV § 6 Abs. 1 Nr. 2
GewO § 30
Schlagworte:
Beauftragung als weiterer Leistungserbringer für Corona-Teststellen, Rückwirkung der Beauftragung, besonderes Feststellungsinteresse, Antragstellung, Anzeige der Betriebsübernahme genügt nicht für Beauftragung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 17373

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.  

Tatbestand

1
I. Der Kläger begehrt die rückwirkende Beauftragung als weiterer Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 – Coronavirus-Testverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 21. September 2021 (im Folgenden: TestV) für zwei Corona-Teststellen.
2
Mit E-Mail vom 21. Dezember 2021 an das Landratsamt H. … erkundigte sich der Kläger, ob es grundsätzlich möglich sei, dass er in K. … auf dem E. … ein Testzentrum zur Bekämpfung der Corona-Pandemie eröffne, und bat, ihm die notwendigen Unterlagen zukommen zu lassen.
3
Mit E-Mail des Landratsamts H. … vom 21. Dezember 2021 wurde der Kläger über die für die Beauftragung als Teststelle erforderlichen Unterlagen informiert.
4
Mit E-Mail vom 4. April 2022 teilte Herr … R. … – mit Bescheid des Landratsamts H. … vom 28. Dezember 2021 beauftragt als weiterer Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV für Bürgertestungen nach § 4a TestV für die Teststelle S. …, … K. … sowie mit Bescheid des Landratsamts H. … vom 18. Januar 2022 für die Teststelle am Re. …, Ri. … …, … Ho. … – dem Landratsamt H. … mit, dass sich der Ansprechpartner in der Firma geändert habe. Die Firma ändere sich nicht. Der neue Ansprechpartner sei der Kläger.
5
Mit Bescheid des Landratsamtes H. … vom 15. November 2022 wurden die Beauftragungen für den Betreiber … R. … für die Teststellen in K. …, S. …, und Ho. …, Ri. … …, ab sofort widerrufen.
6
Mit E-Mail vom 28. November 2022 an das Landratsamt H. … ließ der Kläger um seine Nachtragung als neuer Betreiber rückwirkend zum 28. März 2022 bitten. Mit E-Mail vom 15. Dezember 2022 ließ er die hierfür erforderlichen Unterlagen übersenden.
7
Mit Schreiben vom 2. Dezember 2022 und 19. Dezember 2022 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers führte das Landratsamt H. … aus, dass eine Beauftragung nicht mehr stattfinden könne, da gemäß § 6 Abs. 2 Satz 6 TestV ab dem 1. Juli 2022 keine Beauftragungen mehr erfolgen dürften.
8
Mit Bescheid vom 17. Januar 2023 lehnte das Landratsamt H. … den Antrag auf rückwirkende Beauftragung als weiterer Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV für die Teststellen in K. …, S. … . und Ho. …, Ri. … … ab (Nr. 1). Für den Bescheid wurden keine Kosten erhoben (Nr. 2). In den Gründen des Bescheides ist im Wesentlichen ausgeführt: Rechtsgrundlage für die Entscheidung sei § 6 Abs. 1 Satz 6 TestV (gemeint wohl: § 6 Abs. 2 Satz 6 TestV). Hiernach dürften ab dem 1. Juli 2022 keine weiteren Beauftragungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV erfolgen. Der Kläger habe sich mit seiner E-Mail vom 21. Dezember 2021 lediglich nach den Voraussetzungen für den Betrieb einer Teststelle erkundigt. Erst am 15. Dezember 2022 seien dann die vollständigen Antragsunterlagen eingereicht worden. Eine Beauftragung sei bis zum 30. Juni 2022 nicht erlassen worden. Eine formelle Beauftragung sei damit bereits schon nicht mehr möglich. Ergänzend werde sicherheitshalber darauf hingewiesen, dass eine Beauftragung auch aus materiellen Gründen nicht in Betracht komme. Im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV sei es möglich gewesen, sich als weiterer Leistungserbringer beauftragen zu lassen, wenn man die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 TestV erfülle. Allerdings seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt. § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TestV setze die erforderliche Zuverlässigkeit voraus. Beim Betrieb einer Teststelle handle es sich um eine Tätigkeit in einem sensiblen medizinisch-hygienischen Bereich. Aufgrund der besonderen Bedeutung des Infektionsschutzes sei der Zuverlässigkeitsbegriff deshalb weiter zu fassen als der Begriff der Zuverlässigkeit im Sinn der Gewerbeordnung. Unter anderem bestehe das Erfordernis, sich vor dem Betrieb ausreichend zu informieren. Durch seine E-Mail vom 21. Dezember 2021 habe sich der Kläger bereits beim Gesundheitsamt erkundigt, was für den Betrieb einer Teststelle notwendig sei. Er habe also gewusst, dass der Betrieb der Teststelle erlaubnisbedürftig sei und welche Unterlagen für die Beauftragung erforderlich seien. Herrn R. … sei ebenfalls im März 2022 telefonisch dargelegt worden, dass für einen möglichen Betreiberwechsel eine Neubeauftragung des Klägers erforderlich sei, eine Kontaktaufnahme durch den Kläger in Bezug auf den Betreiberwechsel und die erforderliche Neubeauftragung sei in der Folge nicht erfolgt. Zwar seien inzwischen mit Mail vom 15. Dezember 2022 die erforderlichen Unterlagen vorgelegt worden, aber nachdem der Kläger bereits seit April 2022 die Teststellen ohne Beauftragung durch das Gesundheitsamt betrieben habe, sei von einer fehlenden Zuverlässigkeit auszugehen und die Beauftragung zu versagen. Der Teststellenbetrieb sei bewusst ohne Beauftragung aufgenommen worden, obwohl der Kläger zumindest aufgrund der Mail vom 21. Dezember 2021 gewusst habe und habe wissen müssen, dass eine Beauftragung nötig sei, welche Voraussetzungen für die Beauftragung bestünden und welche Unterlagen hierfür vorgelegt werden müssten. Nach der Verordnungsbegründung zur TestV fehle die Zuverlässigkeit z.B. insbesondere auch dann, wenn der Betreiber der Teststelle in der Vergangenheit vorsätzlich, wiederholt oder in erheblichem Maße unrichtige Zeugnisse oder Testzertifikate ausgestellt habe. Dies sei bei ohne notwendiger Beauftragung betriebenen Teststellen regelmäßig der Fall, da diese infolge fehlender Beauftragungen mangels Leistungserbringereigenschaft i.S.d. § 6 Abs. 1 TestV keine gültigen Testnachweise i. S. d. § 2 Nr. 6b Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) i.V. m. § 22a Abs. 3 Nr. 3 Infektionsschutzgesetz (lfSG) ausstellen könnten.
9
II. 1. Am 17. Februar 2023 ließ der Kläger Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben und zur Begründung im Wesentlichen ausführen: Der Kläger habe in der Vergangenheit die Corona-Testzentren, entsprechend dem Klageantrag, vom ursprünglichen Betreiber mit dessen Einverständnis übernommen. Die Übernahme sei dem Landratsamt angezeigt worden. Sie sei insbesondere im Einvernehmen mit der zuständigen ärztlichen Leiterin erfolgt. Nachdem der Kläger sodann in erheblichen Umfang Corona-Schnelltests in den von ihm übernommenen Testzentren vorgenommen habe, habe sich der Beklagte geweigert, die hierfür angefallenen Kosten zu tragen, da angeblich eine Übernahme nicht wirksam erfolgt sei. Stattdessen habe sich der Beklagte auf eine angebliche rückwirkende Beauftragung des Klägers bezogen, welche unzulässig sei. Ersichtlich geschehe dies ausschließlich im fiskalischen Interesse, um die vom Kläger erbrachten Leistungen nicht zahlen zu müssen. Der Kläger verfüge unzweifelhaft bereits ausweislich des angegriffenen Bescheides über die erforderlichen Unterlagen und Qualifikationen zum Betrieb der Teststellen. Der Betreiberwechsel sei dem Beklagten rechtzeitig angezeigt und genehmigt worden. Soweit der Beklagte nunmehr im angegriffenen Bescheid ausführe, der Kläger sei ohne Beauftragung durch das Gesundheitsamt tätig geworden, weshalb von seiner fehlenden Zuverlässigkeit auszugehen und die Beauftragung zu versagen sei, gehe das Landratsamt fehl. Die behauptete Unzuverlässigkeit sei nicht gegeben. Eine erforderliche Genehmigung sei daher (abermals) zu erteilen, damit auch die Grundlage für die Begleichung der Rechnungen des Klägers gegeben sei.
10
Mit Schriftsatz vom 24. April 2023 ließ der Kläger weiter vorbringen, im April 2022 habe ein Betreiberwechsel der Teststellen auf den Kläger erfolgen sollen. Hierum habe sich Herr R. … kümmern wollen. Laut dessen Mitteilung habe dieser mit einer Mitarbeiterin des Beklagten telefoniert und ihr mitgeteilt, dass zukünftiger Betreiber der Kläger sei. Die Mitarbeiterin solle daraufhin gegenüber dem Kläger mitgeteilt haben, dass dieser Betreiberwechsel unproblematisch vonstattengehen könne. Sodann sei der Testbetrieb durch den Kläger aufgenommen worden, was dem Beklagten auch bekannt gewesen sei. Erst nachdem die vom Kläger als Betreiber vorgenommenen Testungen gegenüber der KVB abgerechnet worden seien, habe die KVB die entsprechenden Zahlungen verweigert. Als Begründung sei aufgeführt worden, dass der Kläger nicht über die Zulassung für die Durchführung der Testungen verfüge. Das Landratsamt H. … habe auf Nachfrage des Klägers mitgeteilt, dass eine neue Zulassung erforderlich sei, diese jedoch mangels Bedarf nicht ausgehändigt würde. Dieses Gespräch habe um den 20. November 2022 herum stattgefunden. Entgegen den Ausführungen des Beklagten sei der Kläger auch nicht unzuverlässig. Er verfüge über sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung des Teststellenbetriebes. Soweit die Unzuverlässigkeit damit begründet werde, dass der Kläger ohne entsprechende Zulassung Testbetriebe unterhalten habe, dürfte es sich um einen Zirkelschluss handeln. So habe der Kläger im Bewusstsein der in Kenntnis durch den Beklagten erfolgten Übertragung der Testbetriebe auf den Kläger gehandelt. Diese sei laut Information des Klägers nämlich vom Beklagten gegenüber … R. … zugesichert worden. Der Kläger könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die mangelnde Zuverlässigkeit sowie die nunmehr aufgestellte Voraussetzung zur Erteilung einer neuen Zulassung allein vorgeschoben würden, um die Zahlung der offenen Rechnungen des Klägers zu verweigern. In anderen Landkreisen seien durch die dort zuständigen Landratsämter jedenfalls die hier erstmals geäußerten Zuverlässigkeitsrügen nicht erhoben worden. Dort seien auch die angefallenen Rechnungen des Klägers ausgeglichen worden.
11
2. Das Landratsamt H. … ließ für den Beklagten mit Schriftsatz vom 6. März 2023 zur Klageerwiderung in Ergänzung zur Bescheidsbegründung im Wesentlichen vorbringen: Auf die telefonische Mitteilung des Herrn R. … im März 2022 hin, dass der Kläger die Teststellen übernehmen wolle, sei ihm die Auskunft gegeben worden, dass hierfür eine neue Beauftragung des Klägers notwendig sei, solange er aber selbst als Verantwortlicher und beauftragter Betreiber tätig bleibe, könne er einzelne organisatorische Aufgaben grundsätzlich auch zu seiner Entlastung auf seine Beschäftigten übertragen. Herr R. … sei gebeten worden, Änderungen dann schriftlich mitzuteilen. Der Kläger sei daraufhin vom ursprünglichen Betreiber mit Mail vom 4. April 2022 nur als Ansprechpartner und nicht als Betreiber benannt worden. Er habe sich nach dem 4. April 2022 nicht wegen einer neuen bzw. eigenen Beauftragung nach TestV an das Landratsamt H. … gewandt oder Unterlagen dazu eingereicht. Der Kläger habe am 11. April 2022 eine Änderung der Öffnungszeiten mitgeteilt, in der Folge sei die Kommunikation tatsächlich aber weiter über den Betreiber, Herrn R. …, gelaufen. Auch bei einem Telefonat am 15. November 2022 habe Herr R. … auf Nachfrage bestätigt, dass er der Teststellenbetreiber sei. Im Widerrufsverfahren der Beauftragung von Herrn R. … sei von diesem vorgebracht worden, dass die Teststellen seit April 2022 vom Kläger betrieben würden und er bei ihm angestellt sei. Der Kläger betreibe nach eigenen bzw. auch nach Angaben des Herrn R. … seit 1. April 2022 die Teststellen K. …, S. … . und Ho. …, Ri. … … ohne die Beauftragung nach TestV. Eine Kontaktaufnahme durch den Kläger in Bezug auf den Betreiberwechsel und die erforderliche Neubeauftragung sei bis 28. November 2022 nicht erfolgt. Eine Übernahme des Testbetriebs bzw. ein Inhaberwechsel sei zum damaligen Zeitpunkt weder angezeigt worden, noch habe er sich aus den Umständen ergeben. Erst im Zuge des Klageverfahrens des ursprünglichen Betreibers gegen den Widerruf der Beauftragung habe das Landratsamt H. … Kenntnis vom Inhaberwechsel erhalten und es seien bis zum 14. Dezember 2022 auch keine für die Beauftragung erforderlichen Unterlagen trotz Kenntnis der notwendigen Unterlagen eingereicht worden. Der Betreiberwechsel sei daher beim Landratsamt weder rechtzeitig beantragt, noch von Seiten des Landratsamtes genehmigt worden. Da im Zuge des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht (W 8 S 22.1790) vom Kläger selbst vorgebracht worden sei, dass er die Teststellen betreibe, aber eben ohne entsprechende Beauftragung, müsse dies in der Prüfung der Zuverlässigkeit des Klägers zum Zeitpunkt der Antragstellung berücksichtigt werden. Da die Abrechnung der erbrachten Testleistungen ausschließlich über die Kassenärztliche Vereinigung erfolge, bestehe auch kein finanzielles Interesse des Landratsamtes H. … an der Ablehnung des Antrags auf Beauftragung.
12
3. In der mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2023 beantragte der Klägerbevollmächtigte:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Landratsamtes H. … vom 17. Januar 2023 verpflichtet, den Kläger rückwirkend ab 28. März 2022 bis zum 28. Februar 2023 als weiterer Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV für Bürgertestungen nach § 4a TestV zu beauftragen, in der Teststelle S. …, … K. … und in der Teststelle am Re.. … Ri. … …, … Ho. … Bürgertestungen nach § 1 Abs. 1 TestV durchzuführen.
Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Landratsamtes H. … vom 17. Januar 2023 rechtswidrig war und der Kläger einen Anspruch auf Beauftragung als weiterer Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV für Bürgertestungen nach § 4a TestV für den Zeitraum vom 28. März 2022 bis 28. Februar 2023 hatte.
13
Der Beklagtenvertreter beantragte,
die Klage abzuweisen.
14
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Klageverfahrens … R. … gegen Freistaat Bayern W 8 K 22.1788 und des dazugehörigen Sofortverfahrens W 8 S 22.1790) und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15
Die Klage hat keinen Erfolg.
16
1. Die Klage ist im Hauptantrag zulässig, aber unbegründet.
17
Der Kläger hat keinen Anspruch auf rückwirkende Beauftragung als weiterer Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV für die Teststellen in K. …, S. …, und Ho. …, Ri. … … Der ablehnende Bescheid des Landratsamtes H. … vom 17. Januar 2023 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
18
Statthafter Rechtsbehelf für das klägerische Begehren im Hauptantrag ist die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gegen den Bescheid des Landratsamtes H. … vom 17. Januar 2023 nach § 42 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 1 VwGO.
19
Die Verpflichtungsklage ist jedoch unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf rückwirkende Beauftragung als weiterer Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV für die beiden Teststellen hat.
20
Maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt der Verpflichtungsklage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.
21
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV (gleichlautend in allen Fassungen, die im Zeitraum der begehrten rückwirkenden Beauftragung gültig waren) sind zur Erbringung der Leistung nach § 1 Abs. 1 TestV die von den Stellen nach Nummer 1 als weitere Leistungserbringer beauftragten Dritten berechtigt. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 TestV können als weitere Leistungserbringer im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV weitere Anbieter nur beauftragt werden, wenn sie unter Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen, medizinproduktrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen eine ordnungsgemäße Erbringung der Leistung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 TestV gewährleisten (Nr. 1), die erforderliche Zuverlässigkeit aufweisen, sowie einer Geheimhaltungspflicht nach § 203 des Strafgesetzbuches oder einer vertraglich vereinbarten Geheimhaltungspflicht unterliegen (Nr. 2) und gegenüber der beauftragenden Stelle begründete Angaben zur vorhandenen Testkapazität machen (Nr. 3).
22
Unabhängig vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ist das klägerische Begehren auf die Erteilung einer Beauftragung für einen vollständig in der Vergangenheit liegenden Zeitraum gerichtet. Die Erteilung einer rückwirkenden Beauftragung ist jedoch in der vorliegenden Konstellation materiell-rechtlich nicht zulässig.
23
Ein Verwaltungsakt mit der in ihm enthaltenen Regelung wird grundsätzlich erst von seiner Bekanntgabe an wirksam (vgl. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG). Der Verwaltungsakt wird allerdings mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekanntgegeben wird, Art. 43 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG, wobei zum Inhalt auch die Regelung von dessen zeitlichem Geltungsbereich gehört, der – soweit es das materielle Recht zulässt – vor oder nach seiner Bekanntgabe liegen kann (BVerwG, U.v. 6.6.1991 – 3 C 46/86 – juris Rn. 19). Folglich ist die Anordnung der Rückwirkung einer behördlichen Genehmigung oder Beauftragung rechtmäßig, soweit sie im materiellen öffentlichen Recht ausdrücklich oder nach dessen Sinn und Zweck zugelassen ist (VG Saarlouis, U.v. 6.5.2020 – 1 K 53/20 – BeckRS 2020, 52802 Rn. 42; VG Gelsenkirchen, U.v. 1.2.2018 – 8 K 2964/15 – juris Rn. 89 f. m.w.N.).
24
Die rückwirkende Beauftragung als weiterer Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV ist weder gesetzlich ausdrücklich noch dem Sinn nach zugelassen. Vielmehr schließt § 6 TestV seinem Sinn nach die Rückwirkung der Beauftragung gerade aus. Die Regelung zur Leistungserbringung im Rahmen der Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 dient (auch) dem Gesundheitsschutz bzw. der Abwehr von Gefahren für die Gesundheit. Aus der Begründung zur TestV vom 24. Juni 2021 (B. Lösung 3. Spiegelstrich) ergibt sich, dass die Beauftragung Dritter nur erfolgen soll, wenn die ordnungsgemäße Durchführung der Testung und die Zuverlässigkeit des Beauftragten gewährleistet ist. Dies setzt die Überprüfung der Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 TestV bereits vor der Leistungserbringung voraus. Damit ist eine rückwirkende Erteilung einer Beauftragung nicht zu vereinbaren. Denn eventuell bestehende Risiken bei nicht ordnungsgemäßer Durchführung der Testung können nicht rückwirkend abgewehrt werden (vgl. für einen Fall des Immissionsschutzes VG Gelsenkirchen, U.v. 1.2.2018 – 8 K 2964/15 – juris Rn. 89 f.). Für die fehlende Zulässigkeit der rückwirkenden Beauftragung als weiterer Leistungserbringer nach der TestV spricht auch ein Vergleich mit der für Unternehmer von Privatkrankenanstalten erforderlichen Konzession nach § 30 GewO, deren Erteilung konstitutiv und rückwirkend nicht möglich ist (Büschner/Harney in Pielow, BeckOK GewO, 58. Edition, Stand: 1.6.2022, § 30 Rn. 14 ff.).
25
Die vom Kläger begehrte nachträgliche Beauftragung für den genannten abgeschlossenen Zeitraum ist damit rechtlich nicht zulässig.
26
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Landratsamt H. … nach dem klägerischen Vorbringen Kenntnis von der Aufnahme des Testbetriebs durch ihn gehabt habe.
27
Laut dem Beklagten wurde der ursprüngliche Betreiber Herr R. … auf dessen telefonische Mitteilung am 28. März 2022 hin, dass der Kläger die beiden Teststellen übernehme, jedoch darauf hingewiesen, dass die Beauftragung nicht übertragbar sei, der Kläger aber selbst die Beauftragung für die beiden Teststellen beantragen könne, wenn er deren offizieller Betreiber sein wolle. Es sei aber möglich, dass der Kläger als Personal vor Ort eingesetzt werde, wenn Herr R. … der beauftragte und verantwortliche Betreiber bleibe (Gedächtnisprotokoll vom 29. November 2022, Bl. 26 der Behördenakte). Am 4. April 2022 wurde dann seitens Herrn R. … per E-Mail lediglich mitgeteilt, dass sich der Ansprechpartner der Firma geändert habe. In einem Telefonat einer Vertreterin des Landratsamt H. … mit Herrn R. … am 14. November 2022 (Aktenvermerk Bl. 15 der Behördenakte) wurde dieser u.a. darauf hingewiesen, dass die Beauftragung laut Bescheid auf ihn allein laufe und er dort nur namentlich genannt und keine Firma aufgeführt sei. Damit sei er alleine beauftragt, die Teststellen zu führen. Herr R. … habe gemeint, dass das ja so stimme.
28
Zudem war dem Kläger aus der E-Mail des Landratsamts H. … vom 21. Dezember 2021 bekannt, dass für die Beauftragung als Teststelle bestimmte Unterlagen vorzulegen sind, die er jedoch erst mit E-Mail vom 15. Dezember 2022 vollständig vorlegen ließ.
29
Es bestehen damit keine Anhaltspunkte, dass der Kläger davon ausgehen konnten, dass das Landratsamt ihn als Beauftragten der Teststellen ansieht. Vielmehr war ihm das Erfordernis seiner (vorherigen) Beauftragung bekannt.
30
Auch wenn dem Landratsamt jedoch über die Betriebsübernahme durch den Kläger informiert worden sein sollte, genügt die bloße Mitteilung, dass zukünftiger Betreiber der Kläger sei, nicht für eine Beauftragung, die für jeden Leistungserbringer gesondert erfolgen muss, § 6 Abs. 2 Satz 2 TestV. Insbesondere ergibt sich daraus kein Anspruch des Klägers auf seine nachträgliche Beauftragung.
31
Selbst wenn es gewerberechtlich zulässig sein sollte, ein – erlaubnisfreies – Gewerbe durch jemanden anderen (weiter) betreiben zu lassen, gilt dies nicht automatisch (ohne vorherige behördliche Erlaubnis) für ein erlaubnispflichtiges Gewerbe (vgl. VG Augsburg, B.v. 10.3.2022 – Au 9 S 22.434 – juris Rn. 72; VGH BW, B.v. 15.12.2021 – 1 S 3449/21 – juris Rn. 10), wie den Betrieb einer Teststelle, der nach § 6 Abs. 2 Satz 2 TestV einer gesonderten Beauftragung einer anderen Person als Leistungserbringer bedarf. Die schlichte Weitergabe der eigenen Beauftragung durch einen Beauftragten an einen Dritten ist rechtlich nicht möglich. Vielmehr muss der betreffende neue Leistungserbringer in eigener Person gegenüber dem Auftraggeber, hier dem Landratsamt H. …, nachweisen, dass er die Voraussetzungen gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 TestV erfüllt. Anders als die meisten anderen Gewerbe ist der Betrieb einer Corona-Teststelle zur Bürgertestung nicht frei, sondern ausdrücklich erlaubnispflichtig. Die Beauftragung eines Dritten als Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV und § 6 Abs. 2 TestV ist nicht betriebsbezogen, sondern personenbezogen, weil gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TestV gerade die persönliche Zuverlässigkeit des jeweiligen Beauftragten zwingende Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis ist und diese nicht mit der Übergabe des Betriebes auf den neuen Betreiber übergeht.
32
Die Erlaubnis zur zum Betrieb einer Teststelle als beauftragter Leistungserbringer ist personengebunden, da die (gewerberechtlich) relevanten Eigenschaften des Antragstellers im Vordergrund stehen, konkret das höchstpersönliche Merkmal der eigenen Zuverlässigkeit. Dies bedeutet, dass die Erlaubnis für die konkrete natürliche Person bzw. für die juristische Person erteilt wird und weder übertragen, noch in eine andere Gesellschaft eingebracht werden kann. Die einer natürlichen Person erteilte Erlaubnis geht nicht auf die Gesellschaft über, in die diese eintritt oder an der sie beteiligt ist (vgl. Schönleiter in Landmann/Rohmer, GewO, 87. EL September 2021, § 34d Rn. 15 zur Vertreter- und Maklererlaubnis; Schüren in Schüren/Hamann, AÜG, 6. Aufl. 2022, AÜG § 3 Rn. 29 f.; Kock in Thüsing, AÜG, 4. Aufl. 2018, § 3 Rn. 15 zum Arbeitnehmerüberlassungsrecht; vgl. zum Ganzen schon VG Würzburg, B.v. 12.12.2022 – W 8 S 22.1790 – juris Rn. 31 zum Verfahren des Widerrufs der Beauftragung des ehemaligen Betreibers der Teststellen).
33
Eine einseitige Weitergabe der erteilten Erlaubnis des Herrn R. … an einen Dritten ist weder nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV rechtlich möglich, noch hat das Landratsamt H. … eine solche bewusst geduldet oder gar gebilligt. Auch eine nach Art. 38 BayVwVfG formwirksame schriftliche Zusage ist seitens des Landratsamts H. … nicht erfolgt.
34
Das Vorbringen des Klägers, dass in anderen Landkreisen von den dort zuständigen Landratsämtern die hier geäußerten Zuverlässigkeitsrügen nicht erhoben worden seien, führt ebenfalls nicht zu einem Anspruch des Klägers auf rückwirkende Beauftragung. Unabhängig davon, dass zum Vorgehen der anderen Landratsämter nähere Ausführungen fehlen, ist das Landratsamt H. … insoweit nicht gebunden (vgl. zur Beschränkung der Selbstbindung der Verwaltung bei Ermessensentscheidungen auf die jeweilige Behörde Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Auflage 2022, § 40 Rn. 55).
35
2. Wegen der Erfolglosigkeit des Hauptantrags war über den Hilfsantrag zu entscheiden. Dieser ist auf die Feststellung gerichtet, dass der Kläger einen Anspruch auf Beauftragung als weiterer Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV für den Zeitraum vom 28. März 2022 bis 28. Februar 2023 hatte, § 43 Abs. 1 VwGO.
36
Nach der Klageerhebung hat sich das zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht auf eine bestimmte Dauer der Beauftragung gerichtete Verpflichtungsbegehren des Klägers infolge der Änderung der Rechtslage dadurch, dass in der ab 1. März 2023 geltenden TestV der die Leistungserbringung regelnde § 6 entfallen und ab 1. März 2023 keine Leistungserbringung der Teststellen mehr vorgesehen ist, für den Zeitraum nach 28. Februar 2023 erledigt, so dass es für die Zeit danach am besonderen Feststellungsinteresse des Klägers angesichts der generellen Schließung der Corona-Teststellen ab 1. März 2023 fehlt. Das klägerische Begehren ist entsprechend auf die Beauftragung im Zeitraum vom 28. März 2022 bis 28. Februar 2023 gerichtet.
37
Weicht der für die Frage nach einem Anspruch maßgebliche Zeitpunkt – wie hier – von dem Zeitpunkt kurz vor Eintritt des erledigenden Ereignisses ab, handelt es sich um einen von dem der ursprünglichen Verpflichtungsklage zu Grunde liegenden abweichenden Streitgegenstand, so dass es sich in der Sache nicht um eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog, sondern um eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO handelt (Decker in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, 65. Edition Stand: 1.4.2023, § 113 Rn. 98; Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 43. EL August 2022, § 113 Rn. 99).
38
Es bestehen vorliegend jedoch Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO. Zwar kann ein Feststellungsinteresse des Klägers hier aufgrund der beabsichtigten Abrechnung der vorgenommenen Testungen mit der KVB, für die grundsätzlich eine Beauftragung erforderlich ist, bzw. im Hinblick auf die Geltendmachung etwaiger Amtshaftungsansprüche bejaht werden. Streitgegenstand des klägerischen Feststellungsbegehrens ist hier allerdings der Anspruch des Klägers auf Beauftragung als weiterer Leistungserbringer, der bereits mit dem Verpflichtungsbegehren in der Hauptsache verfolgt wurde. Die Feststellungsklage ist gegenüber Gestaltungs- oder Leistungsklagen nach § 43 Abs. 2 VwGO grundsätzlich subsidiär. Nicht mehr subsidiär ist die Feststellungsklage allerdings, wenn bzw. soweit sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat (Pietzcker in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 43. EL August 2022, § 43 Rn. 51). Dies ist wie oben gezeigt hier jedoch erst ab dem 1. März 2023 und damit außerhalb des vom Klagebegehren umfassten Zeitraums der Fall.
39
Unabhängig von den Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des hilfsweise gestellten Feststellungsantrags ist dieser jedenfalls unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung.
40
Zu Beginn des beantragten Gültigkeitszeitraums der begehrten Beauftragung lag kein Antrag des Klägers auf Erteilung einer Beauftragung vor. Die im Übrigen durch Herrn R. … – und nicht durch den Kläger – telefonisch am 28. März 2022 (Bl. 26 der Behördenakte) erfolgte Anzeige der Übernahme der betreffenden Corona-Testzentren vom ursprünglichen Betreiber mit dessen Einverständnis an das Landratsamt – der jedoch die Mitarbeiterin des Landratsamts widersprochen hat – genügt hierfür nicht. Dies gilt auch für die Telefonate des Herrn R. … mit dem Landratsamt H. … am 4. April 2022 und 14. November 2022. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der E-Mail des Klägers vom 21. Dezember 2021 an das Landratsamt H. …, in der der Kläger nur mitteilte, dass er gern ein Testzentrum eröffnen würde, und sich erkundigte, ob dies grundsätzlich möglich sei, und, wenn ja, um die Übersendung der notwenigen Unterlagen bat. Erst mit anwaltlicher E-Mail vom 28. November 2022 ließ der Kläger um seine rückwirkende Nachtragung als neuer Betreiber zum 28. März 2022 bitten. Insbesondere wurden die erforderlichen Unterlagen erst mit E-Mail vom 15. Dezember 2022 vollständig vorgelegt. Eine rückwirkende Beauftragung ist wie oben dargelegt jedoch nicht möglich.
41
Ab dem 1. Juli 2022 durften zudem keine weiteren Beauftragungen Dritter als Leistungsbringer für Corona-Teststellen erfolgen (§ 6 Abs. 2 Satz 6 TestV), weil der Verordnungsgeber mit dieser Regelung den Zweck verfolgte, die bundesweite Testinfrastruktur zu verringern. Damit bestand bzw. besteht ab dem Zeitpunkt des Vorliegens der vollständigen Antragsunterlagen kein Anspruch auf eine (rückwirkende) weitere Beauftragung (vgl. VG Koblenz, B.v. 3.11.2022 – 3 L 898/22.KO – BeckRS 2022, 32735 Rn. 8 mit Bezug auf die Begründung des Verordnungsentwurfs). Die mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Landratsamts H. … erfolgte Ablehnung des Antrags des Klägers auf rückwirkende Beauftragung als weiterer Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV war rechtmäßig.
42
Die Klage erweist sich demnach auch im Hilfsantrag als unbegründet und war deshalb insgesamt abzuweisen.
43
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
44
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.