Inhalt

VGH München, Beschluss v. 05.07.2023 – 8 C 23.807
Titel:

Rechtsmittelausschluss bei einstweiliger Einstellung der Zwangsvollstreckung aus gerichtlichem Vergleich

Normenketten:
VwGO § 167 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 1
ZPO § 707 Abs. 2 S. 2, § 769, § 793
Leitsatz:
Der Rechtsmittelausschluss gegen die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts über einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO iVm § 769 ZPO ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO (vgl. VGH München BeckRS 2014, 56744). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
unzulässige Beschwerde, Zwangsvollstreckung aus gerichtlichem Vergleich,, Ablehnung eines Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, Vollstreckungsgericht, Rechtsmittelausschluss, Beschwerde, Einstellung der Zwangsvollstreckung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 19.04.2023 – RN 2 E 23.369
Fundstelle:
BeckRS 2023, 17264

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Prozessvergleich, mit dem sie sich zur Einräumung eines Geh- und Fahrtrechts in Gestalt einer Grunddienstbarkeit zugunsten des Antragsgegners verpflichtet hat.
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Am 5. März 2023 hat sie Vollstreckungsabwehrklage beim Verwaltungsgericht Regensburg erhoben und zudem beantragt, die Zwangsvollstreckung bis zum Erlass eines Urteils im Hauptsacheverfahren gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 769 ZPO einstweilen einzustellen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 19. April 2023 abgelehnt.
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Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde erhoben. Diese sei zulässig, weil der eindeutige Wortlaut des § 146 Abs. 1 VwGO nur die Statthaftigkeit ausnehme, „soweit nicht in diesem Gesetz (Anm.: also nur der VwGO) etwas anderes bestimmt ist“; dies sei vorliegend gerade nicht der Fall. Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung sei geboten, weil sie dem Antragsgegner inzwischen ein Geh- und Fahrtrecht eingeräumt habe und die Vollstreckung rechtsmissbräuchlich sei.
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Sie beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 19. April 2023 aufzuheben und im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 769 ZPO) die Vollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 17. August 2010 bis zum Erlass eines Urteils im Hauptsacheverfahren einstweilen einzustellen.
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6. Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
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Beschlüsse in Bezug auf die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 ZPO seien entsprechend § 707 Abs. 2 ZPO nicht anfechtbar.
II.
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A. Die Beschwerde ist unzulässig.
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Gegen die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts – hier des Verwaltungsgerichts Regensburg als Gericht des ersten Rechtszugs (§ 167 Abs. 1 Satz 2 VwGO) – über einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 769 ZPO ist die Beschwerde nicht statthaft.
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Der Rechtsmittelausschluss ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO, der gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren heranzuziehen ist. Zur Begründung wird auf den Senatsbeschluss vom 28. August 2014 verwiesen, der zwischen den Beteiligten ergangen ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.8.2014 – 8 C 12.2559 – BayVBl 2015, 65 = juris Rn. 5). Diese Rechtsprechung des Senats entspricht der in der obergerichtlichen Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung (vgl. SächsOVG, B.v. 14.12.2022 – 6 B 23/22 – juris Rn. 4; OVG MV, B.v. 20.10.2015 – 1 M 319/15 – juris Rn. 27; VGH BW, B.v. 26.2.2014 – 5 S 2583/13 – VBlBW 2014, 432 = juris Rn. 4; OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.8.2013 – OVG 1 L 128.12 – NVwZ-RR 2013, 945 = juris Rn. 3 ff.; HessVGH, B.v. 30.4.2009 – 7 B 675/09 – NVwZ-RR 2009, 989 = juris Rn. 14; vgl. auch Bamberger in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 167 Rn. 11; Porz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 167 VwGO Rn. 11; a.A. Pietzner/Möller in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 167 VwGO Rn. 42). Der Vorhalt der Antragstellerin, ein Beschwerdeausschluss bedürfe wegen des Wortlauts des § 146 Abs. 1 VwGO („soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist“) einer expliziten Regelung in der Verwaltungsgerichtsordnung, geht fehl. Die Beschwerde nach § 146 Abs. 1 VwGO tritt im Vollstreckungsverfahren (nur dann) an die Stelle der sofortigen Beschwerde nach § 793 ZPO, wenn eine solche gegeben ist (vgl. SächsOVG, B.v. 14.12.2022 – 6 B 23/22 – juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 26.2.2014 – 5 S 2583/13 – VBlBW 2014, 432 = juris Rn. 5). Dies ist hinsichtlich der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 769 ZPO nicht der Fall (vgl. BGH, B.v. 21.4.2004 – XII ZB 279/03 – BGHZ 159, 14 = juris Rn. 3 ff.; BT-Drs. 10/3054 S. 14).
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B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Einer Streitwertfestsetzung bedarf es angesichts der in Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) genannten Festgebühr nicht.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).