Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.06.2023 – 3 ZB 23.526
Titel:

Abgelehnte Berufungszulassung: Aufzeigen ernstlicher Zweifel in Bezug auf einen Schadensersatzanspruch wegen verspäteter Beförderung

Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Leitsatz:
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils, mit dem einem Beamten ein Schadensersatzanspruch wegen einer verspäteten Beförderung infolge eines unterlassenen Primärrechtsschutzes versagt wird, liegen nicht vor, falls der Beamte nicht aufzeigt, dass die dabei vom Gericht vorgenommenen Unterstellungen (hier: Kausalität zwischen unterlassenem Primärrechtsschutz und Schaden in Form der verspäteten Beförderung, sowie ein schuldhaftes Verhalten des Beamten) ernstlich falsch sind. Dafür genügen Ausführungen dazu, das unterlassene Ergreifen eines Rechtsbehelfs sei deswegen nicht schuldhaft, weil dem Beamten keine Konkurrenten- bzw. Negativmitteilungen zugegangen seien, nicht. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Fürsorgepflicht, Zurückstellung der Beförderung, Disziplinarverfahren, Berufung, Beförderung, Beamtenrecht, Zurückstellung, Verschulden
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 01.02.2023 – M 5 K 19.6448
Fundstelle:
BeckRS 2023, 17238

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 22.933,73 € festgesetzt.

Gründe

1
Der allein auf den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
2
1. Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Das ist hier nicht der Fall.
3
Der Kläger, seit 1. Mai 2017 Brandschutzinspektor (Besoldungsgruppe A 9), beansprucht im Wege des Schadensersatzes dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so gestellt zu werden, als wäre seine Beförderung bereits zum 1. Juni 2015 erfolgt. Der Dienstherr habe sein berufliches Fortkommen ohne rechtlichen Grund behindert und seine Beförderung wegen zunächst disziplinarischer Untersuchungen und dann eines förmlichen Disziplinarverfahrens zurückgestellt. Die abschließend ergangene Disziplinarverfügung vom 12. April 2017 – ein Verweis – sei auf seine Klage hin mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 22. November 2017 (M 19L DB 17.2139) aufgehoben worden.
4
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gerichtet auf Schadensersatz mit Urteil vom 1. Februar 2023 abgewiesen. Dabei ist es ohne weitere Begründung davon ausgegangen, dass die Beklagte den Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers offensichtlich schuldhaft verletzt hat. Die Frage, ob der Kläger tatsächlich wie andere Teilnehmer des Führungslehrgangs II mit Wirkung zum 1. Juni 2015 befördert worden wäre, wurde vom Gericht nicht weiter thematisiert. Die Klage wurde abgewiesen, weil der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch entsprechend § 839 Abs. 3 BGB wegen der Nichtinanspruchnahme gerichtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschlossen sei.
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1.1 Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe mit Art. 33 Abs. 2 GG die unzutreffende Rechtsgrundlage für den begehrten Schadensersatz herangezogen, diese zudem nur unvollständig bzw. nicht mit der erforderlichen Gründlichkeit geprüft. Diese Rüge kann auf sich beruhen, da er durch die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass „die Beklagte den Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers offensichtlich schuldhaft“ (UA Rn. 25), nicht beschwert ist.
6
1.2 In Anwendung des auch im Beamtenrecht geltenden Rechtsgedankens des § 839 Abs. 3 BGB (BVerwG, U.v. 28.3.2023 – 2 C 6.21 – juris Rn. 30) hat das Verwaltungsgericht zu Recht einen Verlust des Schadensersatzanspruchs (vgl. BVerwG, U.v. 28.3.2023 – 2 C 6.21 – juris Rn. 30, 32) angenommen.
7
Dem Kläger kann zwar nicht vorgeworfen werden, dass er das gegen ihn gerichtete Disziplinarverfahren erst mit Schreiben vom 26. März 2017 (Antrag nach Art. 60 BayDG) und damit letztlich zu spät gefördert hat (vgl. dazu BVerwG, U.v. 13.5.1987 – 6 C 32.85 – juris Rn. 16 ff.; Wingler in jurisPK-BGB, 10. Aufl. 2023, § 839 BGB Rn. 308.). Dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch steht jedoch entgegen, dass der Kläger zwar wiederholt (E-Mail vom 19.6.2015, anwaltliche Schreiben vom 25.6.2015, 25.1. und 11.4.2016) seine Beförderung beantragt hat, diese Anträge aber nicht mit Widerspruch und Verpflichtungs-/Leistungsklage in Form der Untätigkeitsklage sowie der Beantragung einer einstweiligen Anordnung gerichtlich verfolgt hat (BayVGH, B.v. 13.9.2019 – 3 ZB 18.711 – juris Rn. 8, vgl. auch BVerwG, U.v. 18.4.2002 – 2 C 19.01 – juris Rn. 13; zur Stellung eines Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO: siehe BayVGH, B.v. 17.12.2013 – 3 CE 13.2171 – juris Rn. 7). Weil er dies unterlassen hat, handelte der Kläger vorwerfbar im Sinne eines „Verschuldens gegen sich selbst“ (BGH, U.v. 15.11.1990 – III ZR 302/89 – juris Rn. 14).
8
Die hiergegen vorgetragenen Argumente vermögen keine Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu begründen. Der Umstand, dass das Gericht die Kausalität zwischen unterlassenem Primärrechtsschutz und Schaden in Form der verspäteten Beförderung ebenso unterstellt hat, wie ein schuldhaftes Verhalten des Beamten, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Hier hätte der Kläger aufzeigen müssen, dass die Unterstellungen des Gerichts ernstlich falsch sind. Dies leistet die Zulassungsbegründung nur insoweit, als sie ausführt, das unterlassene Ergreifen seines Rechtsbehelfs sei deswegen nicht schuldhaft, weil ihm keine Konkurrenten- bzw. Negativmitteilungen zugegangen seien. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich hieraus nicht. Denn Rechtsmittel im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB sind nicht nur die Rechtsbehelfe des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes gegen bevorstehende Ernennungen, sondern auch der an den Dienstherrn gerichteten Antrag, befördert zu werden (BayVGH, B.v. 13.9.2019 – 3 ZB 18.711 – juris Rn. 9; BVerwG, U.v. 15.6.2018 – 2 C 19.17 juris Rn. 27). Der Kläger ist einzig und allein deswegen erst zum 1. Mai 2017 befördert worden, weil seine Beförderung wegen der disziplinaren Untersuchungen zurückgestellt worden war, was diesem bereits im Juni 2016 bekannt war. Konsequent hatte er deshalb – noch ganz richtig – Anträge auf „Weiterführung des Beförderungsverfahrens“ bzw. Beförderung gestellt, in denen die Rechtmäßigkeit der Zurückstellung inzident hätte geprüft werden können. Nachdem diese Anträge von der Beklagten sämtlich nicht bearbeitet worden sind, hätte der Kläger gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen müssen. Hier liegt der Vorwurf des nicht ergriffenen Primärrechtsschutzes.
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1.3 Der Senat hat auch die weiteren Argumente des Klägers, die er in der Zulassungsbegründung vom 16. April 2023 vorgebracht hat, erwogen. Er hat sie jedoch ebenfalls nicht für geeignet gehalten, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung aufzuzeigen, ohne dass es insoweit im vorliegenden Beschluss einer ausdrücklichen Auseinandersetzung bedurft hätte.
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2. Der Zulassungsantrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG (wie Vorinstanz).
12
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).