Inhalt

VGH München, Beschluss v. 30.06.2023 – 22 ZB 22.2158
Titel:

Fehlende Relevanz eines pandemiebedingten steuerrechtlichen Vollstreckungsaufschubs

Normenketten:
GG Art. 103 Abs. 1
GewO § 35 Abs. 1, Abs. 7a
AO § 220, § 258, § 361
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 5
Leitsätze:
1. An der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit, die sich auf steuerliche Rückstände gründet, ändert ein Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) grundsätzlich nichts, es sei denn, ein solcher Aufschub ist Teil eines sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzepts, nach dem der Gewerbetreibende arbeitet. (Rn. 23)
2. Zur fehlenden Relevanz eines wegen der Auswirkungen der COVID19-Pandemie von Amts wegen gewährten Vollstreckungsaufschubs für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit, wenn die steuerlichen Rückstände ganz überwiegend bereits vor Beginn der Pandemie entstanden sind. (Rn. 29)
Schlagworte:
erweiterte Gewerbeuntersagung, vor Pandemiebeginn aufgelaufene Steuerrückstände, fehlende Relevanz eines pandemiebedingten steuerrechtlichen Vollstreckungsaufschubs, Steuerrückstände, Pandemie, steuerrechtlicher Vollstreckungsaufschub, erfolgversprechendes Sanierungskonzept, Steuerbescheid, Stundung, Aussetzung der Vollziehung, COVID 19-Pandemie
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 29.04.2022 – M 16 K 21.1106
Fundstellen:
BayVBl 2024, 93
NVwZ-RR 2023, 992
LSK 2023, 17220
BeckRS 2023, 17220

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 29. April 2022 – M 16 K 21.1106 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter, welches auf die Aufhebung einer gegen ihn gerichteten erweiterten Gewerbeuntersagung zielte.
2
Die Beklagte leitete auf Anregung des Finanzamts, welches ihr Steuerrückstände des Klägers in siebenstelliger Höhe mitgeteilt hatte, im September 2019 ein Gewerbeuntersagungsverfahren gegen den Kläger ein. Mit Schreiben vom 24. April 2020 gewährte das Finanzamt dem Kläger aufgrund der aktuellen Situation (COVID19-Pandemie) antragsgemäß einen Vollstreckungsaufschub bis zum 31. Dezember 2020. Hierauf setzte die Beklagte das Gewerbeuntersagungsverfahren bis 31. Dezember 2020 aus. Mit Schreiben vom 12. Januar 2021 teilte das Finanzamt der Beklagten mit, dass der Vollstreckungsaufschub ausgelaufen und ein neuer Antrag nicht eingegangen sei.
3
Darauf untersagte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 22. Januar 2021 gem. § 35 Abs. 7a i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GewO die künftige selbstständige Ausübung des Gewerbes „Verwaltung von Unternehmen“ – bisher unselbstständig in der Firma M W B. GmbH ausgeübt – im stehenden Gewerbe (1.). Die Untersagung wurde auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter einer Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie auf die Ausübung jeglicher selbständigen gewerblichen Tätigkeit erweitert (2.). Dem Kläger wurde aufgegeben, seine in leitender Stellung abhängige Beschäftigung spätestens zehn Tage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung einzustellen (Nr. 3). Für den Fall, dass der Kläger dieser Verpflichtung nicht nachkomme, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Nr. 4). Zur Begründung der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers führte der Bescheid im Wesentlichen Rückstände des Klägers beim Finanzamt sowie eine Eintragung der vom Kläger als Geschäftsführer (mit-) vertretenen GmbH im Schuldnerverzeichnis an.
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Mit Schreiben vom 3. Februar 2021 teilte das Finanzamt der Beklagten mit, dass der dem Kläger gewährte Vollstreckungsaufschub aufgrund eines Schreibens des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 22. Dezember 2020 von Amts wegen bis 30. Juni 2021 verlängert worden sei.
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Die vom Kläger gegen den Bescheid vom 22. Januar 2021 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 29. April 2022, dem Kläger zugestellt am 5. September 2022, ab.
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Mit Schriftsatz vom 30. September 2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht am gleichen Tag, beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung. Er begründete diesen Antrag mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2022, eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am 1. November 2022. Der Kläger macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sowie Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) geltend.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (2.). Ein Verfahrensmangel liegt ebenfalls nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; 3.).
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.). Solche Zweifel ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungszulassungsverfahren nicht.
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1.1 Das Verwaltungsgericht hat zur gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers (§ 35 Abs. 7a i.V.m. Abs. 1 GewO) – allein unter diesem Gesichtspunkt greift der Kläger das erstinstanzliche Urteil an – im Wesentlichen ausgeführt (UA Rn. 34 ff., insbesondere Rn. 42 ff.): Nach den Feststellungen der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid, denen der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten sei, habe der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses insbesondere die Veranlagungsjahre 2010 bis 2013 und 2016 bis 2019 umfassende (Steuer-)Rückstände beim Finanzamt in einer Gesamthöhe von etwa einer Million Euro gehabt. Auch sei der Kläger nach Angaben des Finanzamts für die Veranlagungszeiträume 2013 bis 2017 seinen steuerlichen Erklärungspflichten nicht nachgekommen. Die Rückstände des Klägers beim Finanzamt seien sowohl vor als auch seit Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens weiter gestiegen. Soweit der Kläger unter Verweis auf mehrere Schreiben des BMF eingewendet habe, das Anwachsen der Steuerschuld beruhe allein auf Säumniszuschlägen, welche vom Finanzamt ohne Rechtsgrundlage erhoben worden seien, verfange dies schon deshalb nicht, weil nicht nur Säumniszuschläge, sondern auch die Einkommensteuer 2018/2019 und die Umsatzsteuer 2018 betreffende Positionen (Fälligkeit September 2019 bis August 2020) in einer Gesamthöhe von rund 35.000 Euro die Rückstände hätten anwachsen lassen. Der klägerische Vortrag zu Teilzahlungen von insgesamt rund 140.000 Euro sei unsubstantiiert geblieben. Nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept habe der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt nicht gearbeitet. Eine auf einer Schätzung der Besteuerungsgrundlage beruhende Steuerfestsetzung sei nicht von einer anderen rechtlichen Qualität und daher bei der Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit nicht anders zu würdigen als eine Steuerschuld, die sich aus exakt ermittelten Besteuerungsgrundlagen ergebe. Unabhängig davon seien die im Rahmen der Steuerfahndungsprüfung angesetzten Zuschätzungen zwar nach unten korrigiert worden. Sie seien aber immer noch erheblich gewesen. An der Rechtmäßigkeit des Bescheids ändere auch der dem Kläger vom Finanzamt wegen der Auswirkungen des Coronavirus gewährte Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) nichts.
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1.2 Das Vorbringen des Klägers in der Zulassungsbegründung lässt die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich zweifelhaft erscheinen.
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1.2.1 Der Kläger kritisiert die Sachverhaltsdarstellung im Urteil als in wesentlichen Teilen ungenau und teilweise falsch (Antragsbegründung unter I.1). Das Verwaltungsgericht sei Behauptungen der Beklagten gefolgt, ohne den Vortrag des Klägers einzubeziehen.
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Substantiierte Einwendungen zur Höhe der steuerlichen Rückstände des Klägers und zum Zeitraum ihrer Entstehung (vgl. UA Rn. 42) lassen sich dem Zulassungsvorbringen allerdings nicht entnehmen. So setzt sich der Kläger betreffend die von ihm thematisierte Reduzierung von Zuschätzungen des Finanzamts nicht damit auseinander, dass das Verwaltungsgericht die danach verbleibenden Steuerrückstände unter Bezugnahme auf vom Kläger selbst vorgelegte Unterlagen immer noch für erheblich gehalten hat (UA Rn. 45). Der vom Kläger angeführte außergerichtliche Vergleich mit der Finanzverwaltung ist erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses geschlossen worden. Überdies hat das Verwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass diese Einigung die Steuerschuld des Klägers zwar verringern würde, dass sie aber noch kein Konzept zur Tilgung der verbleibenden erheblichen Steuerschuld enthalte (vgl. UA Rn. 44); auch hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander.
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Im Übrigen trägt der Kläger zu seiner Rüge, das Verwaltungsgericht sei bei seinen Rechtsausführungen zur Beurteilung der Zuverlässigkeit von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen, letztlich selbst vor, dass es hierauf im Ergebnis nicht ankomme (Antragsbegründung unter I.1 a.E.).
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1.2.2 Die Antragsbegründung macht im Kern ernstliche Richtigkeitszweifel unter Berufung auf den dem Kläger vom Finanzamt wegen der Auswirkungen der COVID19-Pandemie seit April 2020 durchgehend gewährten Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) geltend (Antragsbegründung unter I.2 bis I.4 sowie II.3 und II.4; vgl. auch II.5 zur grundsätzlichen Bedeutung). Hieraus ergeben sich jedoch ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
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1.2.2.1 Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt (UA Rn. 47): Der Vollstreckungsaufschub sei von der Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO, § 69 FGO) zu unterscheiden. Er lasse die Fälligkeit der offenen Forderungen unberührt und stelle im vorliegenden Fall auch kein Sanierungskonzept bzw. Teil eines Sanierungskonzepts dar, das eine für den Kläger günstigere Prognose zuließe, zumal der Kläger bereits über einen erheblichen Zeitraum vor Ausbruch der Corona-Pandemie seinen steuerlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten nicht hinreichend nachgekommen sei.
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1.2.2.2 Der Kläger wendet hierzu im Wesentlichen ein: Entscheidend sei, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid zu einem Zeitpunkt erlassen habe, als dem Kläger auf Grund von Schreiben des BMF mit Blick auf die COVID19-Pandemie von Amts wegen ein Vollstreckungsaufschub gewährt worden sei; dieser Aufschub habe durchgehend bestanden. Deswegen habe die Beklagte aus der Nichtzahlung von Steuerrückständen keine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers ableiten dürfen.
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Die Beklagte habe (zutreffend) zunächst eine Bindung durch den Vollstreckungsaufschub angenommen. Entgegen der Annahme der Beklagten sei für die Verlängerung des Aufschubs kein Antrag des Klägers nötig gewesen. Der Kläger sei als Schausteller unstreitig im Sinne der BMF-Schreiben unmittelbar und nicht unerheblich von der Pandemie betroffen gewesen. Der durch die BMF-Schreiben vorgegebene Vollstreckungsaufschub bilde eine quasigesetzliche kompensatorische Maßnahme zum gesetzlich verordneten Berufsausübungsverbot während der Pandemie. Die Strenge der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit wegen Steuerschulden müsse in gleicher Weise zugunsten des Gewerbetreibenden gelten, wenn aus dem Steuerbescheid – wie hier – aufgrund einer abstrakt-generellen Regelung mit materiellem Gesetzescharakter nicht vollstreckt werden könne.
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Der Gesetzgeber habe nicht nur im Steuerrecht weitreichende Maßnahmen getroffen, die die Gewerbetreibenden vor den Folgen der Corona-Pandemie schützen sollten. Es sei erkennbar der Wille des Gesetzgebers gewesen, auch gewerberechtliche Sanktionen auszuschließen, soweit sie mit einer vorübergehend eingeschränkten Zahlungsfähigkeit oder bestehenden Steuerschulden begründet worden seien. Sollte nur gegenüber dem Kläger trotz des Vollstreckungsaufschubs eine Gewerbeuntersagung ausgesprochen worden sein, verstoße dies gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
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Das Verwaltungsgericht habe sich der Frage nach der Wirkung des vom BMF verordneten Vollstreckungsaufschubs nur sehr knapp gewidmet; seine Begründung sei insoweit willkürlich und oberflächlich. Die entsprechenden Ausführungen enthielten keinen Bezug zum konkreten Fall und insbesondere zur Natur des Vollstreckungsaufschubs. Die für die Auffassung, der Vollstreckungsaufschub habe nicht dieselbe Wirkung wie eine Aussetzung der Vollziehung, angeführten Gerichtsentscheidungen beträfen andere Sachverhalte.
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1.2.2.3 Mit seinem Vorbringen zu dem ihm gewährten Vollstreckungsaufschub erweckt der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.
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1.2.2.3.1 In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Steuerrückstände, die zur Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit führen können, solche nicht gezahlten Steuern sind, die der Steuerschuldner von Rechts wegen bereits hätte zahlen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 30.9.1998 – 1 B 100.98 – juris Rn. 6; B.v. 12.1.1996 – 1 B 177.95 – juris Rn. 5; B.v. 22.6.1994 – 1 B 114.9 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 4.2.2010 – 22 ZB 09.3179 – juris Rn. 3; OVG Berlin-Bbg, B.v. 26.4.2017 – OVG 1 N 49.15 – juris Rn. 5). Abzustellen ist mithin darauf, ob die Steuerschuld fällig war. Wann dies der Fall ist, ergibt sich aus den einzelnen Steuergesetzen und im Übrigen aus § 220 AO. Ein Steuerbescheid ist grundsätzlich, auch wenn ein Rechtsbehelf dagegen eingelegt wird, vollziehbar. Ist die Vollziehung ausgesetzt worden (§ 361 AO, § 69 FGO), so braucht der Steuerpflichtige die festgesetzte Steuer noch nicht zu entrichten (vgl. BVerwG, B.v. 30.9.1998 – 1 B 100.98 – juris Rn. 6; B.v. 5.3.1997 – 1 B 56.97 – juris Rn. 5; B.v. 25.10.1996 – 1 B 214.96 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 27.5.2010 – 22 ZB 10.1039 – juris Rn. 2; OVG NW, B.v. 26.9.2016 – 4 B 641/16 – juris Rn. 17).
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Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) nicht dazu führte, dass der Kläger seine Steuerrückstände nicht in dem vorstehend genannten Sinne hätte entrichten müssen, weil es an deren Fälligkeit fehlte. Der Vollstreckungsaufschub ist u.a. von der Stundung (§ 222 AO) und der Aussetzung der Vollziehung (vgl. § 361 AO, § 69 FGO) abzugrenzen. Mit dem Vollstreckungsaufschub wird lediglich zeitweilig auf die zwangsweise Durchsetzung des Zahlungsanspruchs verzichtet (Rüsken in Klein, AO, 16. Aufl. 2022, § 240 Rn. 62). Er ändert nichts an der Fälligkeit der Steuerschuld (vgl. Rüsken, a.a.O.; Werth in Klein, AO, § 258 Rn. 3, Rn. 15; Holzner in Pfirrmann/Rosenke/Wagner, BeckOK AO, Stand 11.4.2023, § 258 Rn. 7). Dementsprechend ist nach der vom Verwaltungsgericht (UA Rn. 47) angeführten Rechtsprechung ein Vollstreckungsaufschub nicht geeignet, die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit wegen Steuerschulden in Frage zu stellen (vgl. HessVGH, B.v. 9.3.2009 – 8 B 2066/08 – juris Rn. 2; VG Ansbach, U.v. 29.8.2012 – AN 4 K 12.00668 – juris Rn. 22). Die Beschränkung des Aufschubs nach § 258 AO auf das Unterlassen von Vollstreckungsmaßnahmen und den Umstand, dass dieser die Fälligkeit unberührt lässt, greift auch das vom Kläger wiedergegebene Schreiben des BMF vom 19. März 2020 auf („…Vollstreckungsmaßnahmen bei allen rückständigen oder bis zu diesem Zeitpunkt fällig werdenden Steuern…“). Allenfalls bei einer Stundung nach § 222 AO – diese hätte eine Verschiebung der Fälligkeit bewirkt, so dass schon eine Vollstreckungsvoraussetzung nach § 254 AO gefehlt hätte – oder einer Aussetzung der Vollziehung, welche (bereits) den zu vollstreckenden Verwaltungsakt und nicht (erst) die Zwangsvollstreckung an sich oder eine Vollstreckungsmaßnahme betrifft (vgl. Holzner in Pfirrmann/Rosenke/Wagner, BeckOK AO, § 258 Rn. 7; Krüger in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 258 Rn. 2), hätte sich die Frage gestellt, ob die steuerlichen Rückstände des Klägers von Rechts wegen bereits hätten bezahlt werden müssen. Dass auf der Grundlage der BMF-Schreiben zu seinen Gunsten solche Maßnahmen von den Finanzbehörden getroffen worden wären, trägt der Kläger aber nicht vor.
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1.2.2.3.2 Der Vorwurf des Klägers, das Verwaltungsgericht habe Rechtsprechung zu nicht vergleichbaren Sachverhalten angeführt, greift nicht durch.
25
Aus den beiden vom Verwaltungsgericht genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 5.3.1997 – 1 B 56.97 – juris Rn. 5; BVerwG, B.v. 25.10.1996 – 1 B 214.96 – juris Rn. 4) ergibt sich vielmehr ebenfalls, dass für die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit solche nicht gezahlten Steuern relevant sind, die der Steuerschuldner von Rechts wegen hätte entrichten müssen, weil sie fällig sind. Dem steht nicht entgegen, dass in der Entscheidung vom 25. Oktober 1996 von „vollstreckbaren Steuerschulden“ (a.a.O., juris Rn. 3) die Rede ist. Hierdurch werden die folgenden Ausführungen (a.a.O., juris Rn. 4) dazu, dass es für die gewerberechtliche Zuverlässigkeit darauf ankommt, ob Steuern von Rechts wegen bereits hätten entrichtet werden müssen, nicht in Frage gestellt, zumal der Vollstreckungsaufschub, anders als die vom Bundesverwaltungsgericht auch in jener Entscheidung angesprochene Aussetzung der Vollziehung, nicht die Vollstreckbarkeit des Verwaltungsakts, sondern lediglich die Durchführung der Zwangsvollstreckung betrifft (vgl. auch § 251 Abs. 1 Nr. 1 AO).
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Soweit der Kläger zur Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. März 2009 (HessVGH, B.v. 9.3.2009 – 8 B 2066/08) einwendet, dieser betreffe einen individuell gestellten Antrag auf Gewährung eines Vollstreckungsaufschubs, ist nicht erkennbar, weshalb ein von Amts wegen gewährter Vollstreckungsaufschub andere Rechtsfolgen haben sollte als ein solcher, der auf Antrag des Gewerbetreibenden ergangen ist. § 258 AO enthält für eine solche Differenzierung keine Anhaltspunkte. Auch das vom Kläger zitierte Schreiben des BMF vom 19. März 2020 zielt – abgesehen davon, dass ein solches ministerielles Schreiben ohne Einfluss auf die Gesetzeslage ist – erkennbar lediglich auf die sich aus der AO ergebenden Rechtsfolgen des Vollstreckungsaufschubs.
27
Entgegen dem Vorbringen des Klägers betrifft die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 24. Februar 2016 (VG Würzburg, U.v. 24.2.2016 – W 6 K 14.713 – juris Rn. 22) einen Vollstreckungsaufschub, der vor dem maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses gewährt worden war. Im Einklang mit den obigen Ausführungen ist in jener Entscheidung zudem ein solcher Aufschub nicht für ausreichend erachtet worden, um trotz erheblicher steuerlicher Rückstände von einer Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden auszugehen. Zwar mag im Einzelfall, wovon sowohl das Verwaltungsgericht Würzburg in jener Entscheidung als auch das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall ausgegangen ist (UA Rn. 47), ein Vollstreckungsaufschub Teil eines Sanierungskonzepts des Gewerbetreibenden sein (vgl. zu einem Stundungsantrag BVerwG, B.v. 5.3.1997 – 1 B 56.97 – juris Rn. 5). Dass ein solches – sinnvolles und erfolgversprechendes – Konzept hier im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorlag und der Kläger auch hiernach gearbeitet hat (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14), ist jedoch weder dargelegt noch ersichtlich.
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1.2.2.3.3 Das Vorbringen des Klägers dazu, dass der Vollstreckungsaufschub von Amts wegen angesichts der Folgen der COVID19-Pandemie für die Gewerbeausübung erfolgt sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
29
Entscheidend ist insoweit, dass – worauf auch das Verwaltungsgericht (UA Rn. 47) zutreffend abgehoben hat – die steuerlichen Rückstände und die weiteren steuerlichen Pflichtverletzungen des Klägers Zeiträume betreffen, die überwiegend (z.T. weit) vor Pandemiebeginn lagen (vgl. UA Rn. 42 f.; vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 1.6.2023 – 22 ZB 22.2472 – Rn. 14; bisher n.v.). Es ist nicht dargelegt und nicht ersichtlich, dass die Nichterfüllung steuerlicher Pflichten durch den Kläger ihre Ursache in der Pandemie – insbesondere in den (rechtlichen) Beschränkungen der Gewerbeausübung – hatte, und auch nicht, dass der Kläger ohne die mit der Pandemie einhergehenden Beschränkungen willens und in der Lage gewesen wäre, seine erheblichen steuerlichen Rückstände – ggfs. nach einem mit den Finanzbehörden abgestimmten Sanierungskonzept – zu begleichen. Vielmehr war es ausweislich des streitgegenständlichen Bescheids bereits vor Pandemiebeginn erfolglos zu Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger gekommen. Eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung erfordert aber, dass der Gewerbetreibende Schulden bei öffentlichen Kassen von sich aus tilgt und es zu Vollstreckungsmaßnahmen möglichst gar nicht erst kommen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2020 – 22 ZB 20.362 – juris Rn. 24 m.w.N.). Unterlassene Zwangsvollstreckungen von Gläubigern – wie der Finanzbehörde – beseitigen die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Schuldners nicht (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2012 – 22 ZB 11.2845 – juris Rn. 24; BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 52.78 – juris Rn. 18). Auch insoweit folgt also aus dem gewährten Vollstreckungsaufschub nichts zu Gunsten der klägerischen gewerberechtlichen Zuverlässigkeit.
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Für den vom Kläger ausgemachten Willen des Gesetzgebers, angesichts der Pandemie solle es zu keinerlei gewerberechtlichen Sanktionen kommen, soweit solche mit einer vorübergehend eingeschränkten Zahlungsfähigkeit oder bestehenden Steuerschulden begründet würden, fehlt, insbesondere in § 35 GewO, jede Stütze im Gesetz. Auch das vom Kläger zitierte BMF-Schreiben beinhaltete lediglich einen Vollstreckungsaufschub gem. § 258 AO (und überdies den Erlass von Säumniszuschlägen), nicht aber die Stundung fälliger Steuerschulden oder die Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden. Ein grundsätzliches pandemiebedingtes „Moratorium“ in Bezug auf Gewerbeuntersagungen wegen steuerlicher Pflichtverletzungen lässt sich damit weder der GewO noch – abgesehen davon, ob das BMF hierfür überhaupt zuständig gewesen wäre – den vom Kläger angeführten BMF-Schreiben entnehmen.
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Zudem ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb Gewerbetreibende, die wie der Kläger bereits – z.T. weit – vor Pandemiebeginn ihren steuerlichen Pflichten nicht nachgekommen waren, wegen Maßnahmen, die zur Erleichterung und Bewältigung der pandemiebedingten Auswirkungen getroffen worden waren, nunmehr wieder als zuverlässig gelten sollten. Ungeachtet dessen, ob die Annahme des Klägers zutrifft, der Vollstreckungsaufschub bilde eine formale kompensatorische Maßnahme zum gesetzlich verordneten Berufsausübungsverbot während der Pandemie, kann daher jedenfalls der Kläger hieraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Auch dafür, dass der Kläger unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) benachteiligt worden sei, weil nur ihm gegenüber eine Gewerbeuntersagung trotz des Vollstreckungsaufschubs ausgesprochen worden sei, bestehen mithin keine Anhaltspunkte. Dass die Beklagte sich hinsichtlich des Zeitpunkts des Bescheiderlasses wohl an dem zunächst bis 31. Dezember 2020 gewährten Vollstreckungsaufschub orientiert hat, ist insoweit unerheblich.
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2. Aus der Zulassungsbegründung ergibt sich auch nicht, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
33
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 – 6 B 58.10 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 16.5.2023 – 22 ZB 22.1468 – juris Rn. 36). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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2.1 Für grundsätzlich bedeutsam erachtet der Kläger die Frage,
35
ob der Vollstreckungsaufschub gemäß Rundschreiben des BMF als Vollstreckungshindernis gilt mit der Folge, dass während dessen Geltung auch gewerberechtliche Maßnahmen wegen unterstellter Unzuverlässigkeit aufgrund von Steuerschulden ausgesetzt waren.
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Der Kläger macht damit – wie schon beim Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO – geltend, dass (im Sinne eines „Moratoriums“) allein wegen des Vollstreckungsaufschubs keine Gewerbeuntersagungen wegen Unzuverlässigkeit aufgrund von Steuerschulden hätten ausgesprochen werden dürfen.
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2.1.1 Die vom Kläger aufgeworfene Frage ist jedoch nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich ohne weiteres anhand der zur gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit wegen Steuerschulden ergangenen Rechtsprechung, des Wortlauts und der Systematik der einschlägigen Vorschriften der AO sowie des Wortlauts des vom Kläger zitierten BMF-Schreibens verneinen. Wie ausgeführt, sind Steuerrückstände, die zur Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit führen können, solche nicht gezahlten Steuern, die der Steuerschuldner von Rechts wegen bereits hätte zahlen müssen; abzustellen ist mithin darauf, ob die Steuerschuld fällig waren. Der Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO führte nicht dazu, dass die vom Kläger geschuldeten Steuern nicht mehr fällig gewesen wären. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger zitierten Formulierungen des BMF-Schreibens vom 19. März 2020. Die regelmäßige Irrelevanz eines Vollstreckungsaufschubs in Bezug auf die Beitreibung rückständiger Steuern ergibt sich auch aus dem in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz, dass es der Gewerbetreibende auf Vollstreckungsmaßnahmen erst gar nicht ankommen lassen darf und dass unterbliebene Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzbehörden dem Gewerbetreibenden in Bezug auf die Beurteilung seiner Zuverlässigkeit nicht zu Gute kommen können. Nur dann, wenn der Vollstreckungsaufschub Teil eines sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzepts ist und der Gewerbetreibende danach arbeitet, entfällt der Grund für die Unzuverlässigkeit. Wann dies der Fall ist, lässt sich aber nicht grundsätzlich, sondern nur im Einzelfall beantworten. Vorliegend ist – wie ebenfalls ausgeführt – für ein solches Sanierungskonzept weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
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2.1.2 Zudem ist die Frage mangels Entscheidungserheblichkeit nicht klärungsfähig. Sie beruht auf der Prämisse, dass der Vollstreckungsaufschub Kompensation für die pandemiebedingten staatlichen Eingriffe in die Gewerbeausübung gewesen sei bzw. dafür, dass Gewerbetreibende wegen dieser Eingriffe nicht mehr in der Lage gewesen seien, Steuern und Abgaben zu entrichten. Unabhängig davon, ob diese Prämissen zutreffen, ist ein Zusammenhang zwischen Pandemie und der Nichterfüllung steuerlicher Pflichten vorliegend nicht dargelegt und nicht ersichtlich. Auch wenn der Kläger als Schausteller ebenfalls pandemiebedingte Eingriffe in seine Gewerbeausübung erfahren haben mag, stammen die zur Annahme seiner Unzuverlässigkeit führenden steuerlichen Rückstände weitgehend aus einer Zeit (z.T. weit) vor Pandemiebeginn. Diese Erwägungen zeigen zudem, dass sich die vom Kläger aufgeworfene Frage auch insoweit allenfalls im Einzelfall beantworten lässt.
39
2.2 Die weitere vom Kläger aufgeworfene Frage,
40
ob ein Vollstreckungsaufschub im Zusammenhang mit der Pandemie einen Ausschlusstatbestand bildet in dem Sinne, dass eine Feststellung fehlender Zuverlässigkeit im Sinne des Gewerberechts nicht auf einen während der Pandemie bestehenden Steuerrückstand gestützt werden kann,
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beruht auf den gleichen Annahmen bzw. Prämissen (allein wegen des Vollstreckungsaufschubs keine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit; Vollstreckungsaufschub als Ausgleich der pandemiebedingten Einschränkungen der Gewerbeausübung). Ihr kommt daher aus den gleichen Gründen keine grundsätzliche Bedeutung zu.
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3. Auch ein Verfahrensmangel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor.
43
3.1 Dies gilt zunächst für eine Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
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3.1.1 Der Kläger begründet seine Rüge im Wesentlichen damit, dass das Verwaltungsgericht auf die Frage der Wirkung des vom BMF verordneten Vollstreckungsaufschubs nur sehr knapp eingegangen sei und seine Auffassung mit Gerichtsentscheidungen begründet habe, die keinen Bezug zur vorliegenden Fallgestaltung hätten. Mit den Umständen und den Grundlagen des Vollstreckungsaufschubs, die der Kläger ausführlich dargelegt habe, und damit dem Kern des Klagevorbringens, habe sich das Verwaltungsgericht nicht befasst.
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3.1.2 Ein Gehörsverstoß liegt jedoch nicht vor. Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch, deren (Rechts-)Auffassung zu folgen (BVerfG, B.v. 31.1.2020 – 2 BvR 2592/18 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 16.1.2023 – 4 BN 46.22 – juris Rn. 2).
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Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass sich das Verwaltungsgericht mit der von ihm aufgeworfenen Frage, ob der Gewerbeuntersagungsbescheid angesichts des gewährten Vollstreckungsaufschubs rechtswidrig ist, befasst hat (UA Rn. 47). Die Gerichte sind durch Art. 103 Abs. 1 GG auch nicht verpflichtet, auf jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich einzugehen. Die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen und Rechtsausführungen müssen zwar in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Nur dann, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.2022 – 2 BvR 354/21 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 28.7.2022 – 22 ZB 21.2655 – juris Rn. 27, jeweils m.w.N.).
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Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Wie ausgeführt, hat sich das Verwaltungsgericht mit der vom Kläger aufgeworfenen Problematik der Konsequenzen des steuerrechtlichen Vollstreckungsaufschubs befasst. Einer ins Einzelne gehenden Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen – ohnehin nicht sonderlich vertieften (vgl. Klagebegründung vom 27.1.2022 S. 5 f.) – erstinstanzlichen Vortrag des Klägers bedurfte es nicht, weil sich aus der bisherigen Rechtsprechung zur gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit bei steuerlichen Rückständen sowie aus den einschlägigen Vorschriften der AO ohne Weiteres ergibt, dass der Vollstreckungsaufschub auf das maßgebliche Kriterium, dass der Kläger seiner Pflicht, Steuern, die er von Rechts wegen hätte bezahlen müssen (weil sie fällig waren), nicht nachgekommen war, keinen Einfluss gehabt hatte. Überdies hat das Verwaltungsgericht, wie erwähnt, auch darauf abgestellt, dass der Kläger bereits über einen erheblichen Zeitraum vor Ausbruch der COVID19-Pandemie seinen steuerlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten nicht hinreichend nachgekommen war. Auf diese zutreffende Erwägung geht der Kläger (auch) im Rahmen seiner Gehörsrüge nicht ein.
48
Die Rüge des Klägers, die vom Verwaltungsgericht zum Beleg seiner Auffassung aufgeführte Rechtsprechung betreffe nicht vergleichbare Sachverhalte, betrifft nicht das Verfahrensrecht, sondern die Anwendung materiellen Rechts. Im Übrigen stützt die vom Verwaltungsgericht angeführte Rechtsprechung, wie ausgeführt, dessen Rechtsauffassung.
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3.2 Ein Verfahrensmangel liegt auch nicht im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) bzw. rechtsstaatliche Grundsätze (Art. 20 Abs. 3 GG) vor.
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Mit seinen diesbezüglichen Ausführungen greift der Kläger erneut die Begründung des Verwaltungsgerichts zur Frage der Relevanz des steuerrechtlichen Vollstreckungsaufschubs an. Insoweit geht es jedoch, wie ausgeführt, nicht um Verfahrensrecht, sondern um die Anwendung materiellen Rechts. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts ist über dies nicht willkürlich, sondern zutreffend (vgl. 1.2.2.3).
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Für die willkürliche Anwendung einer Norm des Verfahrensrechts (vgl. BVerwG, B.v. 2.5.2017 – 5 B 75/15 D – juris Rn. 18 ff.) ist nichts dargelegt und auch nichts ersichtlich. Hinsichtlich einer Verletzung des § 108 Abs. 2 VwGO – als einfach-gesetzlicher Ausprägung des Rechts auf rechtliches Gehör (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, § 108 Rn. 77) – gelten die Ausführungen unter 3.1 entsprechend.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).