Titel:
Erfolgloser Eilantrag der Nachbarn gegen Mehrfamilienhaus
Normenketten:
BayVwVfG Art. 37
BauGB § 34 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine Genehmigung ist hinreichend bestimmt, wenn sich einem Nachbarn ggf. unter Heranziehung der Gründe des Bescheids und sonstiger ihm bekannter oder für ihn ohne Weiteres erkennbarer Umstände Zweck, Sinn und Inhalt der Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erschließen, dass er feststellen kann, ob und in welchem Umfang er betroffen ist und er sein Verhalten entsprechend ausrichten kann. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sofern die Abstandsflächen eingehalten sind, kommt regelmäßig ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in Form einer erdrückenden Wirkung aus tatsächlichen Gründen nicht in Betracht. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die mit einer Bebauung verbundenen Beeinträchtigungen und Unannehmlichkeiten durch den dadurch verursachten An- und Abfahrts- und Parkverkehr sind grundsätzlich im Regelfall hinzunehmen. Das gilt auch dann, wenn sich die verkehrliche Situation gegenüber dem bisherigen Zustand merklich verschlechtert. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die durch eine Wohnnutzung zwangsläufig bedingten Lichtimmissionen sind sozialüblich und daher grundsätzlich hinzunehmen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtimmissionen – anders als der Schutz vor Lärm oder Gerüchen – ohne Einbußen für die Wohnqualität durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude und Hecken oder Rankgerüsten in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden kann. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Hinreichende Bestimmtheit der Baugenehmigung, Gebot der Rücksichtnahme, erdrückende Wirkung (verneint), Einsichtsmöglichkeiten, Verkehrszunahme, Parksuchverkehr, Verschattungseffekte, Lichtimmissionen
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 12.05.2023 – M 11 SN 23.2133
Fundstelle:
BeckRS 2023, 17185
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts wird der Streitwert für beide Rechtszüge jeweils auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Antragsteller wenden sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit zehn Wohneinheiten nebst Tiefgarage auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung G. Sie sind Eigentümer des Grundstücks Flurnummer … das getrennt durch die ca. 9 m breite R.straße nordöstlich des Vorhabengrundstücks liegt und mit einem Einfamilienhaus bebaut ist.
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Gegen die am 10. August 2022 erteilte Baugenehmigung erhoben sie Klage und stellten einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, den das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt hat. Die Baugenehmigung verletze die Antragsteller nicht in ihren Rechten. Die Abstandsflächen seien eingehalten. Das Vorhaben verstoße nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Zwar handele es sich bei dem Vorhaben mit einer Länge von 30,99 m und einer Firsthöhe von 10,80 m um ein relativ großes Gebäude; eine erdrückende oder unzumutbar einengende Wirkung für das Grundstück der Antragsteller ergebe sich hieraus jedoch nicht.
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Mit der Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Der Beigeladene sowie der Antragsgegner traten der Beschwerde entgegen.
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Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Nachbarklage der Antragsteller im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben wird, sodass das Interesse an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegenüber dem Vollzugsinteresse des Beigeladenen nachrangig ist.
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1. Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
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Das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO kann mit der Behauptung von Verfahrensfehlern des Verwaltungsgerichts grundsätzlich nicht geführt werden. Denn das Beschwerdeverfahren eröffnet im Rahmen der durch § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO gezogenen Grenzen eine umfassende Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof, sodass die Antragsteller ausreichend Möglichkeit haben, ihre Einwände vorzubringen (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2022 – 1 CE 21.2757 – juris Rn. 10; B.v. 8.2.2021 – 6 CS 21.111 – juris Rn. 8).
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2. Die angegriffene Genehmigung verstößt nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise gegen das Bestimmtheitsgebot im Sinn des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
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Eine Rechtsverletzung des Nachbarn durch eine fehlende hinreichende Bestimmtheit der Baugenehmigung kommt nur in Betracht, wenn die Bauvorlagen hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Merkmale nicht hinreichend bestimmt sind und damit nicht geprüft werden kann, ob das Vorhaben nachbarschützenden Vorschriften entspricht (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2020 – 1 CS 20.1595 – juris Rn. 3; B.v. 18.5.2018 – 9 CS 18.10 – juris Rn. 13). Eine Genehmigung ist dann hinreichend bestimmt, wenn sich einem Nachbarn gegebenenfalls unter Heranziehung der Gründe des Bescheids und sonstiger dem Nachbarn bekannter oder für ihn ohne Weiteres erkennbarer Umstände Zweck, Sinn und Inhalt der Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erschließen, dass er feststellen kann, ob und in welchem Umfang er betroffen ist und er sein Verhalten entsprechend ausrichten kann. Insbesondere muss der Nachbar aus der Baugenehmigung in Verbindung mit den ihr zugrunde liegenden Unterlagen die Reichweite des genehmigten Vorhabens und deren Nutzung erkennen können (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2019 – 1 ZB 17.2407 – juris Rn. 5).
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Nach diesen Maßstäben zeigt das Beschwerdevorbringen keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitserfordernis der angegriffenen Genehmigung auf. Die der Genehmigung zugrunde gelegten Bauzeichnungen lassen eine ausreichende Prüfung der nachbarschützenden Vorschriften – insbesondere der Abstandsflächen – zu, insbesondere anhand des im Maßstab 1:100 vorliegenden Grundrisses „Erdgeschoss mit Abstandsflächen mit Handeinträgen vom 9.8.2022“. Auch wenn dort der Abstand an der nordwestlichen Ecke des Vorhabens zur nördlichen Grundstücksgrenze nicht vermaßt ist, lässt sich aus dem Plan anhand einer Messung mittels Lineals unschwer ermitteln, dass der Abstand jedenfalls 4,30 m beträgt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts weist die R.straße im Bereich des Vorhabengrundstücks eine Breite von ca. 9 m auf, sodass mit hinreichender Sicherheit – trotz teilweise fehlender Maßangaben in den zur Genehmigung gestellten Plänen – ein Abstandsflächenverstoß zu Lasten der Antragsteller ausgeschlossen werden kann. Bei Anwendung der Abstandsflächensatzung der Gemeinde G. hält das Bauvorhaben ein volles H (6,20 m) zum Grundstück der Antragsteller ein, wobei die Abstandsflächen teilweise, jedoch nicht weiter als bis zu der Mitte der R.straße zum Liegen kommen (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO). Auch im Bereich des – zurückversetzten – Treppenhauses wird die Abstandsfläche offenkundig eingehalten. Ausgehend von deren Höhe (8,40 m) reichen die Abstandsflächen – wie sich aus dem genehmigten Plan „Grundriss Erdgeschoss mit Abstandsflächen mit Handeinträgen vom 09.08.22“ entnehmen lässt – bis maximal 2,50 m auf die Straßenfläche und bleiben damit deutlich hinter der Mitte der rund 9 m breiten Straße zurück. Bei unterstellter Unwirksamkeit der Abstandsflächensatzung und unter Zugrundelegung der gesetzlichen Abstandsflächenregelung der BayBO kommen nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sämtliche Abstandsflächen des Gebäudes an der Nordseite auf dem Vorhabengrundstück selbst zum Liegen. Anhand der genehmigten Pläne lässt sich ein Abstandsflächenverstoß zulasten der Antragsteller offensichtlich ausschließen, sodass insoweit ein nachbarrechtsrelevanter Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot nicht vorliegt. Auch der Vortrag der Antragsteller, dass das Bauvorhaben einen um bis zu 13 cm geringeren Grenzabstand einhalte als den Bauvorlagen zu entnehmen, zeigt keine nachbarrechtsrelevante Unbestimmtheit der Baugenehmigung auf. Sie gehen hierbei unzutreffend davon aus, dass im nordwestlichen Bereich der Abstand des Gebäudes zur Grundstücksgrenze 4,46 m beträgt. Es lässt sich den genehmigten Plänen allerdings unschwer entnehmen, dass der Abstand in diesem Bereich bei mindestens 4,30 m liegt. Im Übrigen ist Prüfungsgegenstand des hiesigen Verfahrens die Baugenehmigung, nicht die tatsächliche Bauausführung. Soweit die Antragsteller rügen, die Baugenehmigung sei unbestimmt, da die Heizungsart nicht geregelt sei und sie Immissionen durch eine Wärmepumpe befürchten, lassen sie unberücksichtigt, dass die Wärmepumpenanlage hier nicht Gegenstand der Baugenehmigung ist, mithin eine Rechtsverletzung der Antragsteller insoweit nicht in Betracht kommt. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der von den Antragstellern zitierten Stellungnahme des Landratsamts vom 15. Mai 2023. Unabhängig davon, dass die nach erteilter Genehmigung ergangene Stellungnahme nicht geeignet ist, den objektiven Regelungsinhalt der Genehmigung zu modifizieren, lassen sie unberücksichtigt, dass das Landratsamt in dieser Stellungnahme explizit ausführt, dass die Wärmepumpenanlage nicht Bestandteil des genehmigten Vorhabens ist.
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3. Die angegriffene Baugenehmigung verstößt im Hinblick auf die Dimensionierung des Vorhabens nicht gegen drittschützende Vorschriften.
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§ 34 BauGB vermittelt hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung grundsätzlich keinen Drittschutz. Für eine Verletzung der nachbarlichen Rechte der Antragsteller kommt es insoweit allein darauf an, ob das Vorhaben die mit dem Gebot des Einfügens (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) geforderte Rücksichtnahme wahrt (vgl. BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – BVerwGE 148, 290). Eine Rücksichtslosigkeit aufgrund einer vom Baukörper ausgehenden „abriegelnden“ oder „erdrückenden“ Wirkung in Folge des Nutzungsmaßes eines Bauvorhabens kann ungeachtet des grundsätzlich fehlenden Nachbarschutzes bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung als unzumutbare Beeinträchtigung nach der Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls nur bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht kommen (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – DVBl. 1981, 928: elf- bzw. zwölfgeschossiges Gebäude in naher Entfernung zu zweieinhalb geschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – DVBl. 1986, 1271: grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem sieben Meter breiten Nachbargrundstück).
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Das Verwaltungsgericht hat die für die Beurteilung hierzu notwendige Gesamtschau vorgenommen und die konkrete Grundstückssituation einschließlich der Bebauung auf dem Grundstück der Antragsteller, der Lage und Abstände der Baukörper bewertet. Angesichts der Abstände zwischen den Gebäuden von ca. 22 m sowie der Höhenentwicklung des Vorhabens (6,20 m Wandhöhe, 37 Grad Dachneigung des Satteldachs, Firsthöhe 10,80 m) begegnet die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass das Gebäude keine erdrückende Wirkung gegenüber dem Grundstück der Antragsteller entfaltet, keinen Bedenken. Im Übrigen hat der bayerische Gesetzgeber- ähnlich wie in anderen Bundesländern – mit dem ab 1. Februar 2021 in Kraft getretenen Gesetz zur Vereinfachung baurechtlicher Regelungen und zur Beschleunigung sowie Förderung des Wohnungsbaus eine Anpassung der regulären Abstandsfläche vorgenommen und geht davon aus, dass bei einer Tiefe der Abstandsflächen von 0,4 H regelmäßig eine ausreichende Belichtung und Besonnung der Bebauung gewährleistet ist. Nach den mit der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hält das Vorhaben diese Abstandsflächen sowie auch die großzügigeren Abstandsflächen der Gemeinde ein. Sofern die Abstandsflächen eingehalten sind, kommt regelmäßig ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in Form einer erdrückenden Wirkung aus tatsächlichen Gründen nicht in Betracht (vgl. zur Indizwirkung: BayVGH, B.v. 4.10.2022 – 1 CS 22.1871 – juris Rn. 10; U.v. 25.2.2022 – 15 N 21.2219 – juris Rn. 20; B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – BayVBl. 2020, 340). Diese Indizwirkung steht im Einklang mit der von den Antragstellern zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 11.1.1999 – 4 B 128.98 – BayVBl 1999, 568), in der ebenfalls darauf abgestellt wird, dass die Einhaltung der landesrechtlichen Abstandsvorschriften regelmäßig dazu führt, dass aus tatsächlichen Gründen das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt sein wird. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf die von den Antragstellern herangezogene Einschränkung der südseitigen Blickbeziehung veranlasst. Einschränkungen der Blickbeziehungen sind – zumal innerorts – hinzunehmen. Aus den vorgelegten Lichtbildern, die ein stattliches Gebäude im Rohbau in einiger Entfernung zeigen, lässt sich ebenfalls nichts für eine erdrückende Wirkung entnehmen. Soweit die Antragsteller zur Stützung ihrer Auffassung eine Vielzahl verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen zur erdrückenden Wirkung zitieren, ergibt sich hieraus keine andere Beurteilung, da die Frage einer erdrückenden Wirkung – wie vom Verwaltungsgericht vorgenommen – bezogen auf den jeweiligen Einzelfall zu beurteilen ist.
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4. Auch im Hinblick auf die vorgetragenen Einblickmöglichkeiten auf das Grundstück der Antragsteller – insbesondere durch das verglaste Treppenhaus des Vorhabens -ist ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht dargetan.
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Das Bauplanungsrecht vermittelt keinen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken. In bebauten Bereichen gehört es zur Normalität, dass von benachbarten Grundstücken bzw. Gebäuden aus Einsicht in andere Grundstücke und Gebäude genommen werden kann. Auch über das Gebot der Rücksichtnahme wird in bebauten Ortslagen daher kein genereller Schutz des Nachbarn vor jeglichen (weiteren) Einsichtsmöglichkeiten vermittelt, allenfalls in besonderen, von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls geprägten Ausnahmefällen kann sich etwas anderes ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 13.4.2018 – 15 ZB 17.342 – juris Rn. 15). Dafür bestehen hier jedoch keine Anhaltspunkte.
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5. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot im Hinblick auf die Tiefgaragenplanung bzw. die vorhabenbedingte Verkehrszunahme liegt ebenfalls nicht vor.
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Soweit die Antragsteller im Zweifel ziehen, ob aufgrund der steilen und schmalen Tiefgaragenabfahrt, die nach ihrer Einschätzung nicht für größere Fahrzeuge geeignet sei, überhaupt die erforderlichen Stellplätze nachgewiesen seien, kommt eine Verletzung in nachbarschützenden Rechten bereits deshalb nicht in Betracht, da bauordnungsrechtliche Regelungen über die erforderliche Anzahl von Stellplätzen als solche nicht drittschützend sind. Die Anforderungen an die Anzahl der notwendigen Stellplätze dienen vielmehr ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2023 – 9 ZB 22.1686 – juris Rn. 12; B.v. 7.9.2020 – 15 CS 20.1832 – juris Rn. 15). Die mit einer Bebauung verbundenen Beeinträchtigungen und Unannehmlichkeiten durch den dadurch verursachten An- und Abfahrts- und Parkverkehr sind grundsätzlich im Regelfall hinzunehmen. Das gilt auch dann, wenn sich die verkehrliche Situation gegenüber dem bisherigen Zustand merklich verschlechtert. Die Grenze zur Rücksichtslosigkeit ist erst dann überschritten, wenn die Beeinträchtigungen und Störungen aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse das vorgenannte Maß handgreiflich überschreiten und sich in der Umgebung des Baugrundstücks als unzumutbar darstellen. Das kann in Einzelfällen – unabhängig von konkreten Lärmwerten und Lärmmessungen – der Fall sein, wenn sich die Erschließungs- oder Wohnsituation eines Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück des Betroffenen erschließenden Straße oder durch unkontrollierten Parksuchverkehr erheblich verschlechtert (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 9 CS 19.1468 – juris Rn. 28; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 32). Für eine vorhabenbedingte Überlastung der Erschließungssituation finden sich hier keine Anhaltspunkte. Das Vorhaben weist lediglich zehn Wohneinheiten auf und wird direkt nicht von der R.straße, sondern von dem L.Weg erschlossen. Soweit die Antragsteller auf den Parksuchverkehr abstellen, vermittelt ihnen das Eigentumsrecht an ihrem Grundstück kein Recht auf bevorzugte Nutzung des angrenzenden Parkraums (vgl. OVG LSA, B.v. 5.3.2014 – 2 M 164/13 – BauR 2015, 641).
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6. Im Hinblick auf die vorhabenbedingte Verschattung für das Anwesen der Antragsteller wird nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen.
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Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Belichtung und Besonnung verschont zu bleiben (BayVGH, B.v. 6.2.2019 – 1 CS 18.2514 – juris Rn. 10). Verschattungseffekte sind regelmäßig hinzunehmen, wenn die landesrechtlichen Abstandsflächen, die gerade darauf abzielen, eine ausreichende Belüftung und Besonnung von Nachbargrundstücken sicherzustellen eingehalten sind. (vgl. B.v. 23.9.2022 – 1 ZB 22.1296 – juris Rn. 16; OVG NW, B.v. 16.11.2020 – 2 B 1537/20 – juris Rn. 24). Dass sich die Situation im vorliegenden Einzelfall abweichend von diesen Grundsätzen ausnahmsweise dennoch als für die Antragsteller unzumutbar darstellen könnte, zeigt das Beschwerdevorbringen nicht auf. Die vorgetragene Verschattung des Erdgeschosses und des Obergeschosses an der Südseite des Gebäudes der Antragsteller in den Monaten November bis Januar für einen Zeitraum von täglich maximal zwei bis zweieinhalb Stunden ist innerorts hinzunehmen. Sie betrifft nur einen kurzen Zeitraum des Jahres und nur einen geringen Anteil der Tagesstunden. Dies mag für die Antragsteller ein nachvollziehbares Ärgernis darstellen, eine rechtlich relevante unzumutbare Beeinträchtigung ergibt sich hieraus nicht.
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7. Auch im Hinblick auf die von den Antragstellern befürchtete Lichtimmission durch das verglaste Treppenhaus liegt ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht vor.
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Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die durch eine Wohnnutzung zwangsläufig bedingten Lichtimmissionen sozialüblich und daher grundsätzlich hinzunehmen sind. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtimmissionen – anders als der Schutz vor Lärm oder Gerüchen – ohne Einbußen für die Wohnqualität durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude und Hecken oder Rankgerüsten in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 17.3.1999 – 4 B 14.99 – BauR 1999, 1279).
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 159 Satz 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, weil der Beigeladene einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. 1.1.3, 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Abänderungsbefugnis hinsichtlich des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren auf § 63 Abs. 3 GKG. Der Streitwertkatalog sieht in Nr. 9.7.1 bei der Klage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung für die Streitwertfestsetzung einen Rahmen von 7.500,- bis 15.000,- Euro in der Hauptsache vor, soweit nicht ein höherer Schaden feststellbar ist. Innerhalb dieses Rahmens ist der Streitwert nach dem Maß der geltend gemachten Beeinträchtigungen, die der Kläger abwehren will, und den Rechtsgütern, die geschützt werden sollen, nach Ermessen festzusetzen (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.1994 – 4 B 188.94 – juris Rn. 5). Angesichts des geltend gemachten Interesses an der Verhinderung der Bebauung des Nachbargrundstücks mit einem Mehrfamilienhaus (10 Wohneinheiten) erscheint hier in der Hauptsache eine Streitwertfestsetzung in Höhe von 10.000,- Euro angemessen, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte reduziert wird (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).