Inhalt

VG München, Beschluss v. 22.05.2023 – M 9 SN 22.5578
Titel:

Nachbarantrag gegen Baugenehmigung

Normenketten:
BauGB § 212a Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Var. 1
BayBO Art. 6 Abs. 6 S. 1 Nr. 2
Leitsätze:
1. Bei Gebäuden, die einen ober- und einen unterirdischen Teil haben, bleiben die unterirdischen Teile für die Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Firstrichtung vermittelt regelmäßig keinen Drittschutz. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die DIN 5034-1 „Tageslicht in Innenräumen – allgemeine Anforderungen“ und die DIN EN 17037 „Tageslicht in Gebäuden“ stellen keine rechtlich bindende Vorgabe für die Beurteilung der Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit einer Verschattung dar. Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Verschattung sind die Umstände des Einzelfalls. Es besteht kein Anspruch aus dem Bauplanungsrecht, von jeder Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung verschont zu bleiben. Mögliche Verringerungen des Lichteinfalls bzw. eine weiter zunehmende Verschattung sind vielmehr in aller Regel im Rahmen der Veränderung der baulichen Situation in bebauten Ortslagen grundsätzlich nicht rücksichtslos und daher hinzunehmen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarantrag gegen Baugenehmigung, Einfügen nach der überbaubaren Grundstücksfläche, Gebäudeausrichtung, Rücksichtnahmegebot, (Keine) erdrückende Wirkung, Verschattung, Verschattungsstudie, (Keine) Abstandsflächenrelevanz von Lichtschächten bzw. Lichthöfen, Tageslicht, Firstrichtung, Abstandsflächen, unterirdischer Gebäudeteil
Fundstelle:
BeckRS 2023, 17179

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf EUR 3.750,-- festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren als Nachbarn die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Landratsamts M. (nachfolgend: Landratsamt) vom 18. Mai 2022 für den Neubau eines (laut Betreff der Baugenehmigung) Doppelhauses auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung … (Anschrift: …str. 17, … …, im Folgenden Baugrundstück).
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Die Antragsteller sind Miteigentümer des Grundstücks mit der FlNr. …, Gemarkung … (Anschrift: …str. 15, … …), das nördlich an das Baugrundstück angrenzt. Auf dem Grundstück der Antragsteller befindet sich ein Wohnhaus. Dieses ist nach Aktenlage in seinem westlichen Bauteil zweigeschossig, im östlichen Anbau eingeschossig. Der westliche Bauteil ist auf die nördliche Grundstücksgrenze gesetzt und dort mit dem hinsichtlich der Grundfläche erheblich kleineren und hinsichtlich der zur …straße gelegenen Längsseiten deutlich kürzeren Gebäude auf dem Grundstück FlNr. … aneinandergebaut. Im Übrigen wird wegen des Gebäudes der Antragsteller auf die Angaben ihres Bevollmächtigten Bezug genommen.
3
Sowohl das Baugrundstück als auch das Grundstück der Antragsteller befinden sich im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans Nr. B 35 der Gemeinde G. … für die Gemeindeteile Gr. … und Ge. …, in Kraft getreten am 31. Januar 1997, mit dem Stand der 2. Änderung, in Kraft getreten am 8. November 2012. Auf den vom Antragsgegner vorgelegten Bebauungsplan samt der beiden Änderungen und der jeweiligen Begründungen wird Bezug genommen. Außerdem liegen das Baugrundstück und das Grundstück der Antragsteller im Geltungsbereich der Abstandsflächen- und der Ortsgestaltungssatzung der Gemeinde Gr. …
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Auf dem Baugrundstück befand sich eine mittlerweile abgebrochene, kommun an das Gebäude auf dem Grundstück FlNr. … angebaute Doppelhaushälfte. Die Eigentümer des Grundstücks FlNr. … und die Eigentümer des Baugrundstücks haben jeweils das Einverständnis bzw. den Willen zur Auflösung der Doppelhausbebauung erklärt. Für das Grundstück FlNr. … existiert ein bestandskräftiger Vorbescheid zum Neubau eines Wohnhauses abgelöst von der Grenze. Unter dem 19. Oktober 2021 beantragten die Beigeladenen unter dem Betreff Neubau eines Doppelhauses die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines freistehenden Wohnhauses mit zwei Wohneinheiten auf dem (ungeteilten) Baugrundstück. Wegen der Einzelheiten wird auf die genehmigten Bauvorlagen Bezug genommen. Die Gemeinde Gr. … hat ihr Einvernehmen erteilt.
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Mit Bescheid des Landratsamts vom 18. Mai 2022 wurde den Beigeladenen die Baugenehmigung für das o.g. Vorhaben erteilt. Von der Ortsgestaltungssatzung der Gemeinde Gr. … wurde wegen der Überschreitung der dort festgelegten Wandhöhe um 0,79 m durch die Giebel an der Nord- und Südseite eine Abweichung erteilt. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen. Der Bescheid wurde den Antragstellern jeweils am 20. Mai 2022 zugestellt (Bl. 137 f. der vorgelegten Behördenakten – BA).
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Die Antragsteller ließen hiergegen mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 3. Juni 2022, beim Verwaltungsgericht eingegangen am selben Tag, Klage erheben (Az. M 9 K 22.2921). Die Behördenakten wurden vom Beklagten auf entsprechende Aufforderung des Gerichts vorgelegt. Dem Bevollmächtigten der Antragsteller wurde Akteneinsicht gewährt. Bislang sind weder Antragstellung noch Klagebegründung erfolgt.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 10. November 2022 ließen die Antragsteller beantragen,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung vom 18. Mai 2022 anzuordnen und
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„dem Antragsgegner aufzugeben, die von den Beigeladenen begonnenen Arbeiten auf dem Grundstück FlNr. … mit einer für sofort vollziehbar erklärten Verfügung stillzulegen“.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung bestünden und die Antragsteller in ihren geschützten Rechten als Nachbarn verletzt würden. Das Bauvorhaben verstoße mit seinem im östlichen Teil der nördlichen Außenwand gelegenen Lichthof (richtig handelt es sich um zwei Lichthöfe) gegen die Abstandsflächenvorschriften. Die hier einzuhaltende Abstandsfläche von 4,00 m würde nicht eingehalten, da die Entfernung der nördlichen Außenwand zur Grundstücksgrenze in diesem Bereich nur 3,90 m betrage. Unproblematisch in Bezug auf die Bestimmung der Wandhöhe und damit im Hinblick auf Abstandsflächenvorschriften seien nur untergeordnete Vertiefungen vor einem Teil einer Außenwand, die dem Baukörper unmittelbar zugeordnet seien, technisch mit dem Baukörper verbunden seien und der Funktion der angrenzenden Räume dienten, wie zum Beispiel Kellerlichtschächte oder Kellereingangstreppen. Diese blieben bei der Bestimmung der Wandhöhe unberücksichtigt. Bei größeren Abgrabungen, die häufig der Schaffung von Aufenthaltsräumen in Untergeschossen dienten, sei jedoch das durch die Abgrabung geschaffene Geländeniveau der untere Bezugspunkt zur Ermittlung der Wandhöhe. Die zwei geplanten Lichthöfe an der nördlichen Außenwand seien nicht mehr untergeordnet. Bei einer Breite von 1,30 m und einer Länge von 2 m lägen keine untergeordneten Abgrabungen mehr vor. Die Lichthöfe sollten gerade die anliegenden Hobbyräume beleuchten und damit im Ergebnis deren Nutzung vergleichbar mit Aufenthaltsräumen ermöglichen. Der Bezugspunkt zur Ermittlung der Wandhöhe bei der Bestimmung der Abstandsflächentiefe sei damit vorliegend nicht mehr die natürliche Geländeoberfläche, sondern das durch die Abgrabung bzw. die Lichthöfe geschaffene niedrigere Geländeniveau. Aufgrund des Abstands zur Grundstücksgrenze von nur 3,90 m werde die erforderliche Abstandsflächentiefe von 4,00 m nicht eingehalten. Zudem füge sich das genehmigte Bauvorhaben nicht gemäß § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche entsprechend der in der Umgebung vorherrschenden Lage der vorhandenen Bebauung ein. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass sich auch die in der Umgebung vorherrschende Lage der Gebäude grundsätzlich rahmenbildend auswirken könne. So habe das Bundesverwaltungsgericht das Einfügen für ein lang gestrecktes Gebäude in Nord-Süd-Richtung bei einer Umgebungsbebauung in West-Ost-Anordnung verneint. Ein vergleichbarer Fall liege hier vor. Der durch die Umgebungsbebauung geprägte Rahmen bestimme eine ausschließliche Gebäudeausrichtung in Nord-Süd-Richtung. Dem widerspreche die Gebäudeausrichtung des genehmigten Bauvorhabens mit seiner West-Ost-Ausrichtung. Schließlich liege eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme unter den Gesichtspunkten einer erdrückenden Wirkung und einer unzumutbaren Verschattung vor. Auch wenn grundsätzlich kein Anspruch bestehe, von Beeinträchtigungen der Belichtung, Belüftung und Besoldung verschont zu bleiben, sei vorliegend ausnahmsweise eine unzumutbare Beeinträchtigung anzunehmen. Insbesondere aufgrund der um 90 Grad gedrehten Ausrichtung des streitgegenständlichen Bauvorhabens von vormals einer Nord-Süd-Ausrichtung in eine jetzt West-Ost-Ausrichtung lägen besondere Umstände vor, die eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme bedingen würden. Aus dem Lageplan sei ersichtlich, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben vollständig entlang der Gebäudelinie der Gebäude der Antragsteller verlaufe, sodass hierdurch über eine Länge von ca. 20 m eine Riegelwirkung in Bezug auf das Grundstück der Antragsteller entstehe. Auch wenn das streitgegenständliche Gebäude bezüglich seiner Firsthöhe nur ca. 1 m höher sei als der First des Gebäudes der Antragsteller, werde trotzdem eine unzumutbare Einschränkung der Belichtung, Besonnung und Belüftung verursacht. Durch den Standort des Bauvorhabens im Süden des Grundstücks der Antragsteller werde eine unzumutbare Verschattung ihres Grundstücks verursacht, besonders im Winter werde eine Besonnung der Südfassade des Gebäudes der Antragsteller verhindert. Aus einer als Anlage zum Schriftsatz vorgelegten „indikativen Übersicht“ über die Verschattungssituation ergebe sich, dass „selbst zur Zeit des Sonnenhöchststandes“ am 21. Dezember eines Jahres die Sonne allenfalls die beiden Arbeitszimmer im 1. Stock des Gebäudes der Antragsteller beleuchten könne. Insbesondere die beiden Fenster im Erdgeschoss, die Südterrasse und der Wohnzimmeranbau im hinteren Bereich des Grundstücks würden jedoch keine Besonnung mehr erhalten. Selbst in der Übergangszeit, beispielsweise am 21. März eines Jahres, verursache das Bauvorhaben noch die Verschattung des nicht bebauten Grundstücksstreifens zwischen dem Gebäude der Antragsteller und dem Bauvorhaben. Die Situation werde insbesondere dadurch verschärft, dass das in West-Ost-Richtung ausgerichtete Bauvorhaben vollständig entlang des Gebäudebestandes des Grundstücks der Antragsteller verlaufe und nur eine Entfernung zur Grundstücksgrenze zum Grundstück der Antragsteller von 4,02 m im westlichen Bereich bis zu nur 3,90 m im östlichen Bereich aufweise. Die ursprüngliche Bebauung der Flurnummer … mit der Doppelhaushälfte in Nord-Süd-Richtung in einer Entfernung von ca. 10 m zur Grundstücksgrenze habe den Verlauf der südlichen Außenwand der Gebäude der Antragsteller dagegen nur in geringerem Umfang verdeckt. Diese Bebauungssituation habe noch den Vorgaben der Ortsgestaltungssatzung der Gemeinde Gr. … entsprochen. Die äußere Gestaltung der bestehenden baulichen Anlagen habe sich noch in das durch den historisch begründeten Gr. … Villenstil geprägte und aufgelockerte Ortsbild eingefügt. Das genehmigte Bauvorhaben mit seiner Kubatur und seiner Ost-West-Ausrichtung sowie die weiterhin vorhandene südliche Doppelhaushälfte direkt an der Grundstücksgrenze zum Baugrundstück widersprächen diesen Zielen.
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Mit Schriftsatz des Antragstellerbevollmächtigten vom 16. Dezember 2022 wurde die Antragsbegründung ergänzt und eine von den Antragstellern in Auftrag gegebene „Verschattungsstudie“ vom 12. Dezember 2022 vorgelegt. Sowohl auf den Schriftsatz als auch auf die Verschattungsstudie wird Bezug genommen, ebenfalls auf die weiteren Schriftsätze vom 11. Januar, vom 12. Januar und vom 31. März 2023.
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Der Bevollmächtigte der Beigeladenen nahm mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2022 Stellung. Auf den Schriftsatz wird Bezug genommen.
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Der Antragsgegner beantragt mit Schrifttsatz vom 4. Januar 2023
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Antragsablehnung.
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Auf den Schriftsatz wird Bezug genommen.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem sowie im zugehörigen Klageverfahren, Az. M 9 K 22.2921, und auf die vorgelegten Behördenakten samt genehmigter Bauvorlagen Bezug genommen.
II.
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Der Antrag hat keinen Erfolg. Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die Klage wird voraussichtlich keinen Erfolg haben, da die streitgegenständliche Baugenehmigung nach summarischer Prüfung keine zugunsten der Antragsteller drittschützenden Vorschriften verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bzw. § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag eines Dritten, hier des Nachbarn, die gemäß § 212a Abs. 1 BauGB i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Var. 1 VwGO grundsätzlich ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessungsentscheidung darüber, ob die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Interessen oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Hauptsache als Indiz heranzuziehen, wie sie sich aufgrund der summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung darstellen. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, so kommt es darauf an, ob das Interesse eines Beteiligten es verlangt, dass die Betroffenen sich so behandeln lassen müssen, als ob der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei.
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Dies zugrunde gelegt, überwiegt vorliegend das Vollzugsinteresse gegenüber dem entgegenstehenden Aussetzungsinteresse der Antragsteller, da die Klage der Antragsteller voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Denn die mit der Klage angegriffene Baugenehmigung ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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In der hier vorliegenden Konstellation der Drittanfechtung verspricht die Klage der Antragsteller in der Hauptsache nur dann Erfolg, wenn durch die streitgegenständliche Baugenehmigung öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, welche gerade auch dem Schutz der Antragsteller dienen und Gegenstand des hier einschlägigen vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 Satz 1 BayBO sind (vgl. BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Solche Vorschriften sind im vorliegenden Fall jedoch aller Voraussicht nach nicht verletzt. Weder liegt ein Verstoß gegen abstandsflächenrehtliche Vorschriften vor (1.), noch verstößt das Vorhaben gegen nachbarschützende Vorschriften hinsichtlich des Einfügens nach der überbaubaren Grundstücksfläche bzw. der Ausrichtung (2.), schließlich liegt auch keine Verletzung im sogenannten Rücksichtnahmegebot, insbesondere hinsichtlich einer erdrückenden Wirkung und einer unzumutbaren Verschattung vor (3.) und auch weitere Einwendungen gegen die Baugenehmigung sind unbegründet (4).
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1. Die Baugenehmigung verstößt nicht gegen abstandsflächenrechtliche Vorschriften.
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Die Baugenehmigung hält die Abstandsflächen nicht nur „weitgehend“, sondern vollständig ein. Das ergibt sich ohne weiteres aus den genehmigten Bauvorlagen, insbesondere aus der genehmigten Bauvorlage Abstandsflächen, sowie ergänzend aus den genehmigten Bauvorlagen Grundrisse sowie Freiflächengestaltungsplan. Die Annahme eines (geringfügigen) Abstandsflächenverstoßes durch die beiden Lichthöfe auf der Nordseite des Vorhabens trifft nicht zu. Die Lichthöfe sind nicht abstandsflächenrelevant. Dazu bedarf es keiner – direkt hierfür gar nicht möglichen – Anwendung von Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BayBO. Vielmehr unterliegen die Lichthöfe als unterirdische Bauteile bzw. Anlagen bereits nicht dem Abstandsflächenrecht gemäß Art. 6 BayBO. Bei Gebäuden, die einen ober- und einen unterirdischen Teil haben, bleiben die unterirdischen Teile für die Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht (vgl. statt vieler Kraus in Busse/Kraus, BayBO, Stand 149. EL Januar 2023, Art. 6 Rn. 17; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 26.4.2023 – 7 A 2968/21 – juris Rn. 10 für die vergleichbare nordrhein-westfälische Gesetzeslage). Das folgt aus Sinn und Zweck des Abstandsflächenrechts, der von den konkret hier gegenständlichen Lichthöfen nicht tangiert wird; ob das bei wesentlich größer dimensionierten Lichtschächten, die beispielsweise ein Heraustreten bzw. einen Aufenthalt davor ermöglichen würden, anders wäre, ist hier nicht relevant. Die für die beiden Lichthöfe erforderliche Vertiefung verändert daher den unteren Bezugspunkt für die Berechnung der Wandhöhe nicht. Die vom Antragstellerbevollmächtigten herangezogene Rechtsprechung zur Abgrenzung von Abgrabungen, die den Bezugspunkt für die Berechnung der Wandhöhe verändern und solchen, die das nicht tun, ist hier nicht einschlägig, da es sich dabei um von der hiesigen grundlegend unterschiedliche Fallgestaltungen handelt. Hier geht es um die fehlende Abstandsflächenpflichtigkeit der unterirdisch gelegenen Lichtschächte – um nichts anderes handelt es sich bei den in den Bauvorlagen so bezeichneten Lichthöfen größenmäßig und funktionell unter Berücksichtigung ihrer Darstellung in den genehmigten Bauvorlagen. Das gilt auch unter Berücksichtigung der in der Bauvorlage Freiflächengestaltungsplan eingetragenen Brüstungen. Unabhängig davon sind die beiden Lichthöfe auch unter Anlegung der Kriterien, die der Antragstellerbevollmächtigte anwenden will, lediglich untergeordnet. Sie dienen der Belichtung der beiden in den Bauvorlagen als Hobbyräume und ausdrücklich nicht als Aufenthaltsräume bezeichneten Räume. Schließlich und wiederum unabhängig davon zeigt die Heranziehung der Regelung des Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BayBO durch das Landratsamt zumindest wertungsmäßig, dass die Annahme einer Abstandsflächenrelevanz der beiden Lichthöfe einschließlich der erforderlichen „Ausgrabung“ erst recht nicht in Frage kommt, wenn oberirdische Bauteile bzw. Anlagen mit denselben Maßen nicht abstandsrelevant wären.
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2. Die Baugenehmigung verstößt hinsichtlich des Einfügens nach der überbaubaren Grundstücksfläche, hier gemäß § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, bzw. hinsichtlich der Ausrichtung des Vorhabens bzw. hinsichtlich seiner konkreten Lage nicht gegen nachbarschützende Vorschriften.
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Unabhängig von der unter den Beteiligten umstrittenen Einordnung – der Antragsgegner macht geltend, dass die Firstrichtung bereits keinem der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Einfügensmerkmale zugeordnet werden kann und deshalb nicht relevant ist, der Antragstellerbevollmächtigte macht geltend, es gehe um die Lage der Gebäude – vermittelt hier jedenfalls keiner der von den Beteiligten genannten Gesichtspunkte Drittschutz.
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Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, dass die Firstrichtung als solche keines der in § 34 Abs. 1 BauGB genannten vier Einfügensmerkmale anspricht und deswegen die Firstrichtung als solche auch bei der Prüfung des Einfügens in die nähere Umgebung keine Rolle spielt. Denn der Antragstellerbevollmächtigte weist im Grundsatz zutreffend darauf hin, dass (jedenfalls) nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts tatsächlich auch die Ausrichtung der Gebäude nach den Himmelsrichtungen bei der Prüfung des Einfügens nach der überbaubaren Grundstücksfläche hinsichtlich der Lage der Gebäude eine Rolle spielen kann (so ausdrücklich im B.v. 15.4.1987 – 4 B 60.87 – juris Rn. 3: „[…] das Vorhaben der Klägerin fügt sich […] bereits deswegen nicht in den durch die vorhandene Umgebungsbebauung geprägten Rahmen ein, weil sich in dem maßgeblichen Bereich im wesentlichen nur Gebäude befinden, die von Westen nach Osten angeordnet sind, während sich das von der Klägerin geplante langgestreckte Gebäude in Nordsüdrichtung erstrecken soll“; vgl. auch BayVGH, B.v. 19.3.2002 – 25 ZS 02.17 – juris Rn. 3).
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Auch wenn man diese Rechtsprechung zugrundelegt, kommt es aber trotzdem nicht darauf an, ob (auch) nach diesem Kriterium ein Einfügen des Vorhabens zu bejahen ist, da einerseits dem Einfügen hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, ebenso wie dem Einfügen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung und der Bauweise kein generell drittschützender Charakter innewohnt (vgl. nur VG München, U.v. 29.9.2021 – M 9 K 20.1677 – juris Rn. 33), weswegen sich die Antragsteller hierauf grundsätzlich nicht berufen könnten.
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Zwar kann auch den Einfügensmerkmalen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll und der Bauweise ausnahmsweise dann Drittschutz zukommen, wenn das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist. Das ist aber hier deswegen nicht der Fall, da sich das Vorhaben, unabhängig davon, dass eine Rücksichtslosigkeit durch die Ausrichtung des Vorhabens als solche auch ansonsten nicht besteht, andererseits (auch) hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Denn selbst wenn man die Ausrichtung nach der Himmelsrichtung als solche als Komponente des Einfügens nach der überbaubaren Grundstücksfläche akzeptiert, ist das Vorhaben mit seiner West-Ost-Ausrichtung nicht das einzige Vorhaben in seiner näheren Umgebung, welches die – unterstellt – vorherrschende Nord-Süd-Ausrichtung verlässt; ob eine solche vorherrschende Ausrichtung hier überhaupt besteht, bleibt offen: Da sich auch insbesondere aus den Grundstückszuschnitten im Verhältnis zu den jeweils verwirklichten Bebauungen hinsichtlich der Ausrichtung der Gebäude keine Einheitlichkeit in der näheren Umgebung ablesen lässt, verbleibt für eine als vorherrschend angenommene Nord-Süd-Ausrichtung nur noch ein sehr kleiner Bereich, lediglich östlich der …straße und auch das nur unter Einschluss der nicht mehr vorhandenen früheren Bebauung auf dem Baugrundstück und unter Ausklammerung der Bebauung auf dem Grundstück FlNr. … Aber selbst bei Unterstellung einer vorherrschenden Nord-Süd-Ausrichtung wäre das Vorhaben mit seiner West-Ost-Ausrichtung nicht das einzige Vorhaben in seiner näheren Umgebung, welches eine Nord-Süd-Ausrichtung verlässt. Insbesondere die Bebauung einschließlich des östlichen Anbaus auf dem Grundstück der Antragsteller selbst hält diese Ausrichtung nicht ein. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein maßgeblichen Aktenlage handelt es sich dabei auch nicht um einen „Ausreißer“, vielmehr besteht unter Einschluss des Anbaus auf dem Grundstück der Antragsteller ein Gebäude mit einer Länge in West-Ost-Ausrichtung, gemessen aus den Bauvorlagen und aus dem Bayern Atlas, von etwa 18 Metern (aus der mit als Anlage zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 4. Januar 2023 vorgelegten Bauvorlage zur Baugenehmigung des Anbaus vom 29. Januar 1990 ergibt sich als Summe der Länge von damaligem Bestand und dem Anbau knapp 17 Meter) und damit jedenfalls nur unwesentlich kürzer als die West-Ost Ausdehnung des Vorhabens mit knapp 20 Metern. Der Umstand, dass der Anbau und damit etwa die Hälfte der in West-Ost-Richtung verlaufenden Gesamt-Gebäudelänge des Hauses der Antragsteller eingeschossig ist, sorgt nach Aktenlage nicht dafür, dass es sich deswegen um einen hinsichtlich des Ausbrechens aus der vorherrschenden Nord-Süd-Ausrichtung unmaßgeblichen Ausreißer handelt. Denn auch dem „nur“ eingeschossigen Anbau, der sowohl baulich als auch funktionell Teil des Gebäudes ist und eine sogenannte Hauptnutzung darstellt bzw. beinhaltet, kommt zweifellos eine bodenrechtlich spürbare und maßgebliche Wirkung zu, die es nicht zulässt, das damit bestehende Verlassen der ansonsten in der Umgebung vorherrschenden Nord-Ost-Ausrichtung auf dem Grundstück der Antragsteller zu ignorieren. Vielmehr ist nach Aktenlage auf dem Grundstück der Antragsteller eine maßgebliche Bebauung in West-Ost-Richtung bereits etabliert, was sich angesichts der Grundstückszuschnitte sowohl im Fall des Grundstücks der Antragsteller als auch des Baugrundstücks auch anbietet. Begründete Umstände, von einem „Ausreißer“ auszugehen, bestehen dagegen nicht, insbesondere liegt nicht etwa ein möglicherweise unmaßgebliches Nebengebäude vor oder auch wenigstens eine sogenannte Nebennutzung. Eine Art „Trennung“ des Gebäudes der Antragsteller in einen maßgeblichen westlichen und einen unmaßgeblicheren östlichen Teil, wie sie in der Argumentation des Antragstellerbevollmächtigten aufscheint, kommt nicht in Betracht. Es handelt sich schließlich nicht deswegen um einen Ausreißer, weil die damit verbundene bodenrechtliche Wirkung den Antragstellern nicht erwünscht ist. Dass das Vorhaben anders als das Gebäude auf dem Grundstück der Antragsteller durchgehend mehr als eingeschossig ist, steht dem nicht entgegen. Denn bei der Betrachtung, ob in der näheren Umgebung, die ohnehin aus vergleichsweise wenigen als Bezugsobjekten in Frage kommenden Gebäuden besteht, bereits maßgebliche Bebauung (auch) in West-Ost-Richtung vorhanden ist, sind nicht nur mindestens exakt entsprechende Gebäude zu berücksichtigen, sondern alle, die bodenrechtlich spürbar sind, was beim Gebäude der Antragsteller, so, wie es tatsächlich besteht, der Fall ist. Eine Rücksichtslosigkeit aus diesem Gesichtspunkt scheidet daher aus, die Antragsteller können den Beigeladenen nicht das verbieten, was auf ihrem Grundstück realisiert ist. Unabhängig davon bietet die nähere Umgebung auch noch weitere Beispiele von Bebauung, die bereits jetzt in West-Ost-Ausrichtung orientiert ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diesbezüglich die Bebauung südlich der S. straße zur näheren Umgebung zählt, was offen bleibt. Jedenfalls aber zählt nach Aktenlage die Bebauung südlich der V. …straße dazu. Insbesondere die in West-Ost-Richtung ausgerichteten Gebäude auf den Grundstücken Fl.Nr. … … und … (insbesondere Anwesen V. …str. 2a, 4 und 6) zeigen, dass in der näheren Umgebung keine Beschränkung auf Gebäude in Nord-Süd-Ausrichtung besteht. Die Argumentation des Antragstellerbevollmächtigten, warum diese insofern nicht zur näheren Umgebung zählen sollen, überzeugt nicht. Diese Grundstücke grenzen beide direkt an das Grundstück der Antragsteller und befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Baugrundstück und erheblich näher als andere Grundstücke, die ebenso zur näheren Umgebung zählen, z.B. FlNr. … mit dem Anwesen S. …straße 7. Entsprechende Sichtbeziehungen dürften allenfalls durch Bewuchs, der notwendigerweise vorübergehenden Charakter aufweist, erschwert sein. Die Überlegung, diese Grundstücke bildeten wegen der in der Antragsbegründung näher genannten Umstände, auf die Bezug genommen wird, einen eigenen Bereich, der keine Auswirkung auf die Ausrichtung des Gebäudes auf dem Baugrundstück habe, überzeugt nicht, zumal die als Argument bemühte Aufweitung bzw. „Platzbildung“ im Verlauf der V. …straße, falls man dieses Argument überhaupt als stichhaltig ansieht, frühestens auf Höhe des Grundstücks Fl.Nr. … greifen kann. Die nähere Umgebung bestimmt sich nach objektiven, bodenrechtlichen Kriterien, nicht danach, welches Ergebnis der Betrachtung für Betroffene günstig ist.
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3. Schließlich ist die Baugenehmigung auch nicht rücksichtslos zu Lasten der Antragsteller. Vom genehmigten Vorhaben geht keine erdrückende Wirkung aus, ebensowenig führt es zu einer unzumutbaren Verschattung.
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Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme jeweils stellt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und anderseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U. v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris Rn. 23). Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht.
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Eine Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme, gleich ob auf der Grundlage von § 30 Abs. 3 BauGB, § 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO oder § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB im Merkmal des „Einfügens“, ergibt, dass das Vorhaben gegenüber den Antragstellern nicht rücksichtslos ist. Hinsichtlich des Umstands der Ausrichtung wird auch hinsichtlich des Rücksichtnahmegebots auf das oben unter 2. Gesagte Bezug genommen. Aber auch in Bezug auf eine geltend gemachte erdrückende Wirkung (a.) als auch eine unzumutbare Verschattung (b.) ist das Bauvorhaben nicht rücksichtslos zu Lasten der Antragsteller:
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a. Die angefochtene Baugenemigung verstößt unter dem Gesichtspunkt der Befürchtung einer erdrückenden, abriegelnden bzw. einmauernden Wirkung nicht gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot, weil die Errichtung des damit genehmigten Gebäudes gegenüber den Antragstellern keine einmauernde, abriegelnde bzw. erdrückende Wirkung hat. Solches ist nur anzunehmen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, in dem es diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht oder wenn die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls derart übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden Gebäude“ dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 2.10.2018 – 2 ZB 16.2168 – juris Rn. 4). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme einer erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes besteht grundsätzlich schon dann kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2020 – 2 ZB 18.1193 – juris Rn. 8; B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 24; B.v. 12.6.2019 – 2 ZB 17.67 – juris Rn. 9; B.v. 2.10.2018 – 2 ZB 16.2168 – juris Rn. 4; B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris Rn. 5). Das mit dem angefochtenen Bescheid genehmigte Vorhaben ist mit einer Wandhöhe von 6,35 Metern nur unwesentlich höher als das Gebäude auf dem Grundstück der Antragsteller, bei dem nach den Angaben in der Antragsbegründung die Wandhöhe knapp unter 6 Meter beträgt; aus den jeweiligen Firsthöhen (9,03 m einerseits, 8 Meter andererseits) ergibt sich nichts anderes. Unter Berücksichtigung der genannten Maßgaben kommt die Annahme einer sogenannten erdrückenden oder einmauernden Wirkung somit nicht in Betracht. Trotz der Länge des Vorhabens ist auf Grund des Umstands, dass das Vorhaben nicht erheblich höher ist als das Gebäude auf dem Grundstück der Antragsteller, entgegen der Argumentation in der Antragsbegründung keine einmauerde Wirkung gegeben; der Umstand, dass das Vorhaben „vollständig entlang der Gebäudelinie der [sic!] Gebäude der Antragsteller“ verlaufe, genügt dafür nicht. Wegen der kaum vorhandenen Höhendifferenz ergibt sich daraus noch keine einmauernde bzw. abriegelnde Wirkung, zumal hinsichtlich der Wirkung des Vorhabens zu berücksichtigen ist, dass wegen des eingerückten Obergeschosses, das als solches um vier Meter kürzer (15,90 m im Vergleich zu 19,90 m) ist, das Vorhaben in seiner Höhenentwicklung noch weniger „erdrückend“ in Erscheinung tritt. Dass es sich bei dem Anbau oder genauer ausgedrückt bei dem Zubau nicht um ein zweites, selbständiges Gebäude handelt, sondern ein (gemeinsames) Gebäude entstanden ist, ist dabei nicht entscheidend. Auch der Umstand, dass ein Teil des im Vergleich zum Vorhaben nur unwesentlich kürzeren Gesamtgebäudes auf dem Grundstück der Antragsteller niedriger ist, führt nicht zur Annahme einer einmauernden, abriegelnden bzw. erdrückenden Wirkung. Unabhängig davon bleibt auf dem Grundstück der Antragsteller auch unter Berücksichtigung des Vorhabens noch genug Freiraum.
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b. Die angefochtene Baugenehmigung verstößt nicht deshalb gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, weil die Errichtung des Vorhabens zu Beeinträchtigungen der Belichtung und Besonnung auf dem benachbarten Grundstück der Antragsteller führt. Eine unzumutbare Verschattung liegt auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Verschattungsstudie nicht vor, weshalb die Baugenehmigung auch insofern nicht gegen das Rücksichtnahmegebot vertößt.
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Da es keine Rechtsvorschriften oder (technischen) Richtlinien gibt, welche für den Fall einer Verschattung die Grenze des Zumutbaren konkretisieren – die DIN 5034-1 „Tageslicht in Innenräumen – allgemeine Anforderungen“ stellt keine rechtlich bindende Vorgabe für die Beurteilung der Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit einer Verschattung dar (vgl. hierzu etwa BayVGH, B.v. 13.9.2022 – 15 CS 22.1851 – juris Rn. 22), gleiches dürfte für die neue DIN EN 17037 „Tageslicht in Gebäuden“ gelten – sind Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Verschattung mangels anderer Maßstäbe die Umstände des Einzelfalls (BVerwG, U.v. 23.2.2005 – 4 A 4.04 – juris Rn. 58 m.w.N.; vgl. z.B. auch BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 31). Zu berücksichtigen ist dabei, dass grundsätzlich kein Anspruch aus dem Bauplanungsrecht besteht, von jeder Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung verschont zu bleiben. Mögliche Verringerungen des Lichteinfalls bzw. eine weiter zunehmende Verschattung sind vielmehr in aller Regel im Rahmen der Veränderung der baulichen Situation in bebauten Ortslagen grundsätzlich nicht rücksichtslos und daher hinzunehmen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 23; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 28; B.v. 15.1.2018 – 15 ZB 16.2508 – juris Rn. 19; B.v. 15.12.2016 – 9 ZB 15.376 – juris Rn. 15; B.v. 9.12.2016 – 15 CS 16.1417 – juris Rn. 16; B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 31); das gilt grundsätzlich auch dann, wenn Verschattungen zu finanziellen Einbußen hinsichtlich der Energiegewinnung durch Photovoltaikanlagen führen (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 28; B.v. 12.12.2013 – 15 CS 13.1561 – juris Rn. 15; VG Köln, B.v. 5.10.2017 – 23 L 3346/17 – juris Rn. 22 m.w.N.). Auch mit Blick auf eine zu prognostizierende Beeinträchtigung durch eine Verschattung durch ein geplantes Gebäude gilt zumindest indiziell, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots regelmäßig aus tatsächlichen Gründen ausscheidet, sofern die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten sind (speziell zur Verschattungsproblematik vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 23).
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Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe führt die Errichtung des Vorhabens nicht zu Beeinträchtigungen der Belichtung und Besonnung auf dem benachbarten Grundstück der Antragsteller, die für diese unzumutbar sind:
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Maßgeblich hierfür ist zunächst der Umstand, dass das Vorhaben zu den Antragstellern die Abstandsflächen (vollständig, siehe dazu oben unter 1.) einhält. In einem solchen Fall spricht dies indiziell nicht nur gegen eine sogenannte erdrückende oder einmauernde Wirkung, da die Wertungen, die den landesrechtlichen Abstandsvorschriften zugrunde liegen, auch Anhaltspunkte für die Zumutbarkeit im Städtebaurecht bieten (BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris Rn. 6; vgl. auch B.v. 11.8.2021 – 15 CS 21.1775 – juris Rn. 28), sondern mehr noch gegen eine Rücksichtslosigkeit wegen einer ungenügenden Besonnung und Belichtung oder, anders gewendet, wegen einer unzumutbaren Verschattung, da es sich bei diesen Schutzgütern gerade um dieselben handelt, welche den Sinn und Zweck der Abstandsflächenvorschriften ausmachen. Das bedeutet, dass die Einhaltung der landesrechtlichen Abstandsflächen wie hier grundsätzlich – indiziell bzw. in tatsächlicher Hinsicht – dagegen spricht, dass gleichzeitig das bundesrechtliche Rücksichtnahmegebot wegen denselben Gesichtspunkten der Besonnung und Belichtung verletzt ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine Einschränkung bisheriger Besonnungs- und Belichtungsumstände im Fall wie hier der Einhaltung der landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften insoweit erlaubt ist. Sofern in besonderen Ausnahmefällen selbst bei Einhaltung der Anforderungen des Art. 6 BayBO eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots aufgrund des Heranrückens eines größeren Vorhabens möglich bleibt, sind vorliegend keine besonderen Umstände des Einzelfalls ersichtlich, die dennoch eine unzumutbare Betroffenheit der Antragsteller begründen könnten.
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Ein Ausnahmefall, in dem das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot trotzdem verletzt ist, liegt nämlich nicht vor. Auch jenseits der eingehaltenen Abstandsflächenvorschriften ist die mit der Verwirklichung des durch den angefochtenen Bescheid genehmigten Gebäudes verbundene Einschränkung der Belichtung und Besonnung auf dem Grundstück der Antragsteller nicht unzumutbar. Das folgt u.a. insbesondere gerade auch aus den Ergebnissen der vorgelegten Verschattungsstudie bzw. genauer gesagt aus den tatsächlichen Feststellungen derselben.
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Das gilt unabhängig davon, dass die Verschattungsstudie aus mehreren Gründen Zweifeln ausgesetzt ist: Zunächst ist zu konstatieren, dass – worauf der Bevollmächtigte der Beigeladenen zurecht hinweist – sich die Studie im Wesentlichen darauf beschränkt, die jeweiligen Sonnenstunden darzustellen bzw. wann über eine wie lange Zeit bestimmte Flächen (nicht) von der Sonne bestrahlt werden können, dagegen befasst sich die Studie im erklärenden bzw. beschreibenden Teil gar nicht mit dem tatsächlichen Lichteinfall. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass, ausgehend von der als Anlage zum Schriftsatz des Antragstellerbevollmächtigten vom 10. November 2022 vorgelegten „indikativen Übersicht Verschattungssituation“ beispielsweise Lichteinfallswinkel von 45° (vgl. dazu z.B. BayVGH, U.v. 4.5.2017 – 2 B 16.2432 – juris Rn. 31), die als solche auch nicht verbindlich die Grenze zur Rücksichtslosigkeit abstecken, eingehalten sind bzw. im Wesentlichen eingehalten sind. Schließlich ist zu bemerken, dass die Verschattungsstudie außerhalb der Darstellung ihrer tatsächlichen Feststellungen Wertungen und Einstufungen vornimmt (insbesondere auf S. 25, aber auch vielfach davor: Oberflächen, die „stark“ betroffen sind, solche, die „etwas weniger stark“ betroffen sind und solche die „weniger“ betroffen sind), ohne methodisch nachvollziehbar oder überhaupt zu erläutern, worauf diese Einstufungen und insbesondere die graduellen Wertungen fachlich genau beruhen, abgesehen davon, dass die Bewertung, wann z.B. eine „starke“ Verschattung vorliegt, bei der Prüfung, ob die Anforderungen des Rücksichtnahmegebots eingehalten sind, dem Gericht obliegt.
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Aber auch unabhängig davon gehen aus den tatsächlichen Ergebnissen der vorgelegten Verschattungsstudie lediglich geringfügige, räumlich und zeitlich (teilweise sehr) begrenzte Beeinträchtigungen hinsichtlich Belichtung und Besonnung des Grundstücks der Antragsteller hervor, die nicht einen Umfang und / oder eine Qualität aufweisen, um hierauf einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot stützen zu können.
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Einschränkungen hinsichtlich der Belichtung des Grundstücks bzw. des Gebäudes der Antragsteller ergeben sich bezüglich des nach Westen gerichteten Fensters des Anbaus, der Fenster im Erdgeschoss im Süden, der im Süden gelegenen Terrasse und der südlichen Dachfläche des Anbaus. Das zeigt, dass bereits quantitativ die Einschränkungen nicht zahlreich sind, vielmehr verbleiben bei der großen Mehrzahl der zu belichtenden Flächen auf dem Grundstück der Antragsteller die Verhältnisse ohne Beeinträchtigung wie bisher. Die somit in quantitiaiver Hinsicht gemessen an der Gesamtsituation von Grundstück und Gebäude der Antragsteller bereits wenigen Beeinträchtigungen sind in qualitiativer Hinsicht in je unterschiedlichem Ausmaß lediglich partiell. Eine deutlich spürbare Verringerung der Sonneneinstrahlung ist im Wesentlichen nur bezüglich des nach Westen gerichteten Fensters des Anbaus, der Südterrasse und der südlichen Dachfläche des Anbaus zu verzeichnen, daneben bezüglich der südlichen Bereiche des Erdgeschosses und der Räume im südlichen Bereich des Obergeschosses. Aber auch insofern beziehen sich diese teilweise deutlich spürbaren Einschränkungen nur auf wenige Monate in den Wintermonaten einschließlich den Monaten unmitelbar davor und danach, im übrigen Jahresverlauf sind die Einschränkungen erheblich weniger bis kaum noch vorhanden. Zudem beziehen sich die Feststellungen aus der vorgelegten Verschattungsstudie nur auf die (direkte) Sonneneinstrahlung, d.h. das bedeutet nicht, dass die genannten Bereiche (auch in den Wintermonaten) nicht mehr belichtet sind. Die Beeinträchtigungen beziehen sich außerdem nur auf einzelnen Räume, es verbleiben dagegen noch genug Bereiche auf dem Grundstück der Antragsteller bzw. in ihrem Gebäude, hinsichtlich derer die Besonnung nicht beeinträchtigt wird. Gemessen an dem damit verbundenen Grad der Einschränkungen liegt eine Unzumutbarkeit hinsichtlich der Belichtung unter Beachtung der Maßgaben zum Rücksichtnahmegebot nicht vor. Das gilt auch unter Berücksichtigung der im Jahresverlauf teilweise geringeren Besonnung der Terrasse und des südlichen Dachs des Anbaus einschließlich von dessen Besatz mit Photovoltaik- oder Solarmodulen (siehe zu letzterem Gesichtspunkt bereits den obigen Hinweis auf die Rechtsprechung insbesondere des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, z.B. B.v. 12.12.2013 – 15 CS 13.1561 – juris Rn. 15; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 28).
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4. Schließlich greifen auch die weiteren, in der Antragsbegründung erhobenen Einwände gegen die angefochtene Baugenehmigung nicht durch.
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Soweit geltend gemacht wird, dass die auf dem Grundstück FlNr. … verbliebene Doppelhaushälfte auch nach der einvernehmlichen Auflösung der Doppelhausbebauung zusammen mit der früheren Bebauung auf dem Baugrundstück immer noch stehe (und die Kommunwand nach dem Abriss der Doppelhaushälfte auf dem Baugrundstück mittlerweile gedämmt und verputzt worden sei), entfaltet dieser Umstand schon keine drittschützende Wirkung zu Gunsten der Antragsteller, die hiervon auf Grund der Belegenheit ihres Grundstücks außerdem auch gar nicht betroffen sind.
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Soweit auf die Regelungen der Ortsgestaltungssatzung verwiesen wird, denen die auf dem Baugrundstück genehmigte Planung nicht entspreche, bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diesen Regelungen, unabhängig davon, dass die Gemeinde ihr Einvernehmen zum streitgegenständlichen Bauantrag ja erteilt hat und nichts dafür spricht, dass diese Regelungen nicht eingehalten wären, Drittschutz zukäme.
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Auch im Übrigen enthalten die Schriftsätze des Antragstellerbevollmächtigten keine durchgreifenden Einwendungen gegen die mit der Klage angegriffene Baugenehmigung.
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5. Der Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners, begonnene Arbeiten auf dem Baugrundstück „mit einer für sofort vollziehbar erklärten Verfügung stillzulegen“, hat unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage keinen Erfolg hat, notwendigerweise ebenfalls keinen Erfolg.
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6. Der zwischenzeitlich gestellte Antrag auf Erlass eines sogenannten Hänge- bzw. Schiebebeschlusses (richtig: Zwischenverfügung) ist bereits unzulässig, da kein Rechtsschutzbedürfnis hierfür erkennbar ist (hierzu umfassend VG München, B.v. 9.7.2018 – M 9 SN 18.1319 – juris Rn. 28 – 30 m.w.N.).
46
Nach alldem wird der Antrag abgelehnt. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie aus § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. dem Rechtsgedanken des § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO. Die Beigeladenen haben keinen Antrag stellen lassen und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt, weshalb es nicht der Billigkeit entspricht, ihre außergerichtlichen Kosten den unterliegenden Antragstellern aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, dort Nrn. 9.7.1 sowie 1.5. Obwohl hierzu nichts ausdrücklich vorgetragen ist, wird im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich der Antragsteller von einer Rechtsgemeinschaft ausgegangen, demzufolge wird der halbierte Streitwert der Nachbarklage nur einmal festgesetzt. Die Anträge auf Verpflichtung zur Baueinstellung und auf Erlass einer Zwischenverfügung werden im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nicht als streitwerterhöhend gewertet.