Titel:
Erfolgloser Eilantrag, Anforderung eines Nachweises über vollständigen Schutz gegen Masern
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
IfSG § 20 Abs. 9 S. 1 Nr. 2
IfSG § 20 Abs. 12 S. 1 Nr. 1
IfSG § 20 Abs. 13
Leitsatz:
Mindestanforderungen zur Plausibilitätskontrolle der inhaltlichen Richtigkeit eines ärztlichen Zeugnisses über eine Kontraindikation durch bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts nicht erfüllt.
Schlagworte:
Erfolgloser Eilantrag, Anforderung eines Nachweises über vollständigen Schutz gegen Masern
Fundstelle:
BeckRS 2023, 17154
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Gegenstand des Verfahrens ist die Pflicht der Antragsteller, einen Masernschutz für ihr Schulkind nachzuweisen.
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Die Antragsteller sind die Eltern eines am … 2009 geborenen Sohn, der derzeit die 8. Klasse des A.Gymnasiums A. besucht.
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Am … Dezember 2021 meldete das Gymnasium dem zuständigen Gesundheitsamt, dass für den Schüler der erforderliche Nachweis über einen ausreichenden Masernschutz in Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 20 Abs. 9 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) nicht erbracht worden sei. Nach zweifacher Aufforderung durch das Gesundheitsamt legten die Antragsteller schließlich am … September 2022 eine ärztliche Bescheinigung des praktischen Arztes und Homöopathen … K. aus K. vor, mit der unter dem … Oktober 2020 bescheinigt wurde:
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„Befreiung von einer Masern-Impfung: Es liegt eine dauerhafte, medizinische Kontraindikation vor, aufgrund derer nicht gegen Masern geimpft werden kann.“
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Mit Schreiben vom 26. September 2022 forderte das Gesundheitsamt die Antragsteller unter Bezugnahme auf § 20 Abs. 12 IfSG auf, bis zum 9. November 2022 ein neues Attest mit Angaben zur Art der Kontraindikation oder alternativ einen anderen gesetzlich vorgesehenen Nachweis zum Masernschutz für ihr Kind vorzulegen. Das vorgelegte Attest entspreche nicht den Anforderungen, da es nicht wenigstens solche Angaben zur Art der Kontraindikation enthalte, die das Gesundheitsamt in die Lage versetzten, das ärztliche Zeugnis auf Plausibilität zu überprüfen. Könne ein ärztliches Attest aufgrund einer fehlenden Art der Kontraindikation nicht überprüft werden bzw. lägen hinreichende gewichtige Indizien vor, die geeignet seien, den Beweiswert eines ausgestellten Attests zu erschüttern, so hätten die zum Nachweis der Masernimpfung Verpflichteten den vollen Beweis darüber zu erbringen, dass tatsächlich eine Impfungsunfähigkeit vorliege. Hierfür bedürfe es in der Regel eines Zeugnisses des behandelnden Arztes nach Entbindung von der Schweigepflicht.
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Mit Schreiben vom 14. November 2022 wiederholte das Gesundheitsamt die Aufforderung und setzte eine Frist bis zum 14. Dezember 2022. In dem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass eine kostenpflichtige, Zwangsgeld bewehrte Anordnung erlassen werden könne, wenn ein Nachweis nicht fristgerecht vorgelegt werde. Das Schreiben sei gleichzeitig als Anhörung vor Erlass eines entsprechenden Zwangsbescheides zu verstehen. Gleichzeitig wurde ein Beratungsgespräch angeboten und gebeten, für eine Terminvergabe innerhalb der nächsten 14 Tage Kontakt aufzunehmen.
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Mit Bescheid vom 15. März 2023, zugestellt am 18. März 2023, forderte das Gesundheitsamt die Antragsteller in Ziffer 1 des Bescheids auf, für ihren am … 2009 in A. geborenen Sohn innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Bescheids einen Nachweis im Sinne von § 20 Abs. 9 IfSG vorzulegen. Dieser könne unter anderem erfolgen durch ein „ärztliches Zeugnis darüber, dass das Kind aus medizinischen Gründen nicht oder erst später geimpft werden kann (mit Art der Kontraindikation sowie Angabe der Dauer*)“ ergänzt durch eine Fußnote „* siehe Beschluss des BayVGH vom 7.7.2021, Az. 25 CS 21.1651, sowie Beschluss des VG Meiningen vom 10.11.2020, Az. 2 E 1144/20“. Unter Ziffer 2 wurde die sofortige Vollziehbarkeit gemäß § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG festgestellt. Zur Begründung wurde ausgeführt, als Eltern eines in einer Schule als Gemeinschaftseinrichtungen betreuten minderjährigen Kindes seien die Antragsteller verpflichtet, für die Einhaltung der Nachweispflicht zu sorgen.
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Am 18. April 2023 ließen die Antragsteller durch ihren Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid vom 10. März 2023 erheben, die unter dem Aktenzeichen M 26b K 23. 1888 geführt wird. Gleichzeitig beantragen sie:
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Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
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Der Bescheid des Antragsgegners sei rechtswidrig. Ein Nachweis gemäß § 20 Abs. 9 IfSG über eine medizinische Kontraindikation sei bereits erbracht. Bei der Zitierung des Gesetzeswortlauts des § 20 Abs. 9 IfSG sei dem Antragsgegner ein Fehler unterlaufen, da eine Angabe der Art und der Dauer der Kontraindikation nach dem Gesetzeswortlaut nicht gefordert sei. Der Gesetzgeber habe solche Vorgaben bewusst unterlassen, um den strengen Vorgaben der Datenschutz Grundverordnung und der ärztlichen Schweigepflicht Rechnung zu tragen. Das OVG Sachsen habe in der Entscheidung vom 5. Mai2021 (25 CS 21.1651) das ärztliche Attest allein deshalb infrage gestellt, weil konkrete Umstände vorgelegen hätten, die den Beweiswert des ärztlichen Attestes erschüttert hätten. Umstände, die die Annahme zuließen, dass das von den Antragstellern vorgelegte ärztliche Zeugnis in seiner Beweiskraft erschüttert wäre, seien im vorliegenden Fall allerdings weder vorgetragen noch ersichtlich. Anders als der BayVGH habe das OVG Sachsen dagegen nicht generell Angaben zur Plausibilität der Kontraindikation in der Bescheinigung gefordert.
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Der Antragsgegner nahm mit Schriftsatz vom 11. Mai 2023 zum Antrag Stellung. Er beantragt,
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Der Antrag wird abgelehnt.
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Es handele sich nicht um ein fehlerhaftes wörtliches Zitat des Gesetzestextes, sondern um eine inhaltliche Zusammenfassung. Als Begründung für das Erfordernis eines ärztlichen Zeugnisses mit Angabe der Art der Kontraindikation sowie der Dauer werde auf die einschlägigen gerichtlichen Beschlüsse verwiesen, deren Begründungen sich der Antragsgegner vollinhaltlich anschließe. Rein formal seien die Antragsteller mit der Vorlage des ärztlichen Zeugnisses ihrer Vorlagepflicht nachgekommen. Der Beweiswert könne jedoch entsprechend den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Vorliegen gewichtiger Indizien erschüttert werden. Ein derart gewichtiges Indiz, dass an der inhaltlichen Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigung zweifeln lasse, sei die Tatsache, dass der bescheinigende Arzt wegen der Ausstellung zweifelhafter Atteste überregionale Bekanntheit erlangt habe und das Amtsgericht Augsburg offenbar gegen ihn im März 2021 ein vorläufiges Berufsverbot verhängt habe. Den beigefügten Presseberichten vom 8. Juni 2021 bzw. 1. März 2023 sei zu entnehmen, dass seitens der Staatsanwaltschaft Augsburg in Bezug auf diesen Arzt der dringende Verdacht des „Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse“ im Zusammenhang mit Maskenattesten zwischen Mai 2020 und Januar 2021 in einer Vielzahl von Fällen bestehe. Außerdem sei der Umstand, dass für beide Kinder der Antragsteller zum selben Zeitpunkt eine medizinische Kontraindikation in Bezug auf die Masernschutzimpfung festgestellt worden sei, zumindest fragwürdig, zumal Ausgangspunkt der Feststellung einer Kontraindikation jeweils nur die individuelle körperliche Verfassung der zu beurteilenden Person sein könne. Obwohl es sich bei den betroffenen Kindern um Geschwister handele, sei schon aufgrund des Alters- und des Geschlechtsunterschieds nicht von einer identischen körperlichen Konstitution auszugehen. Es dränge sich der Eindruck auf, dass eine medizinische Kontraindikation ohne nachvollziehbare Begründung festgestellt worden sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Parteien, sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
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1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig, insbesondere statthaft, weil es sich bei der in Ziffer 1 des Bescheids getroffenen Anordnung um einen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m. § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG kraft Gesetzes sofort vollziehbar Verwaltungsakt handelt (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2021 – 25 CS 21.1651 – juris Rn. 9; Gerhardt, IfSG, 6. Aufl. 2022, IfSG § 20 Rn. 124).
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2. Der Antrag ist unbegründet.
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2.1. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage – wie hier – keine aufschiebende Wirkung hat. Dabei trifft das Gericht im Rahmen einer summarischen Prüfung der sich im Zeitpunkt der Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene, originäre Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Wesentliches Element dieser Entscheidung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
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2.2. Im vorliegenden Fall war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen, da die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Der streitgegenständliche Bescheid erweist aller Voraussicht nach als rechtmäßig und verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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2.2.1. Rechtsgrundlage für die Anforderung eines Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG ist § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG. Danach haben Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden, dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen (§ 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG). Mit der Verpflichtung zur Vorlage eines Nachweises „auf Anforderung“ korrespondiert die Ermächtigung des Gesundheitsamts, eine solche Anforderung zu erlassen. Soweit die betroffene Person minderjährig ist, trifft die Verpflichtung gemäß § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG die Sorgeberechtigten. Dabei hat der Gesetzgeber mit § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG nicht nur eine Vertretung des Kindes durch den Personensorgeberechtigten, sondern eine Übertragung der Verpflichtung auf den Sorgeberechtigten statuiert (BayVGH, B.v. 6.10.2021 – 25 CE 21.2383 – juris Rn. 8).
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2.2.2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids (BayVGH, B.v. 7.7.2021 – 25 CS 21.1651 – juris Rn. 11).
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2.2.3. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anforderung eines Nachweises sind vorliegend erfüllt.
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2.2.3.1. Der minderjährige Sohn der sorgeberechtigten Antragsteller besucht ein Gymnasium in A. und wird daher in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nr. 3 IfSG (Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen) im Bezirk des Antragsgegners betreut.
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2.2.3.2. Einen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG über eine beim Sohn der Antragsteller im Hinblick auf die Masernschutzimpfung bestehende medizinischen Kontraindikation haben die Antragsteller bisher nicht vorgelegt.
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Das ärztliche Zeugnis im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 IfSG darf sich nicht damit begnügen, den Gesetzeswortlaut zum Bestehen einer medizinischen Kontraindikation zu wiederholen. Es muss vielmehr wenigstens solche Angaben zur Art der medizinischen Kontraindikation enthalten, die das Gesundheitsamt in die Lage versetzen, das ärztliche Zeugnis auf Plausibilität hin zu überprüfen (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2021 – 25 CS 21.1651 – juris Rn. 14 mit Verweis auf SächsOVG, B.v. 5.5.2021 – 3 B 411/20 – juris Rn. 21 ff.; VG Meiningen, B.v. 10.11.2020 – 2 E 1144/20 – juris Rn. 26 f.; Gebhard in Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 20 Rn. 50; Aligbe in Eckart/Winkelmüller, BeckOK, Infektionsschutzrecht, IfSG § 20 Rn. 222a). Diese Mindestanforderung an den Inhalt eines ärztlichen Zeugnisses über eine Kontraindikation ergeben sich aus der Auslegung der einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere aus der Regelungssystematik und dem Sinn und Zweck § 20 IfSG. Aus § 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG, wonach das Gesundheitsamt bei Zweifeln an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises unter anderem eine ärztliche Untersuchung im Hinblick auf die medizinische Kontraindikation anordnen kann, folgt, dass das ärztliche Zeugnis so abgefasst sein muss, dass das zuständige Gesundheitsamt das Zeugnis zumindest auf seine inhaltliche Plausibilität hin überprüfen kann. Ohne inhaltliche Mindestangaben könnte das Gesundheitsamt eine Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit des ärztlichen Zeugnisses schlicht nicht durchführen. Für die hier vertretene Auslegung spricht auch der Sinn und Zweck Nachweispflicht, eine möglichst hohe Quote bei der Masernschutzimpfung zu erreichen, um sowohl Personen, die regelmäßig in Gemeinschaftseinrichtungen mit anderen Personen Kontakt haben, vor einer Masernerkrankung zu schützen, als auch die Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung zu verhindern (BVerfG, B.v. 21.7.2022 – 1 BvR 469/20 u.a. – juris Rn. 103 ff.). Diesem Gesetzeszweck würde es nicht gerecht, wäre das Gesundheitsamt darauf beschränkt, ohne inhaltliche Plausibilitätskontrolle lediglich eine formale Eingangskontrolle eines Nachweises vorzunehmen. Auch der Begriff „ärztliches Zeugnis“ im Vergleich etwa zum Begriff „ärztliche Bescheinigung“ (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 2 IfSG) spricht für gewisse inhaltliche Mindestanforderungen. Die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt diese Annahme. So führt die Begründung des Entwurfs für ein Masernschutzgesetz zu den Kosten der Reform wörtlich aus (BT-Drs. 19/13452 S. 19): „Wenn Bürgerinnen und Bürger ihren Pflichten durch Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses über das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation zur Befreiung von einer Masern-Impfung nachkommen, fallen für das Einholen einer solchen Bescheinigung nach Nummer 75 des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen (ausführlicher schriftlicher Krankheits- und Befundbericht (einschließlich Angaben zur Anamnese, zu dem(n) Befund(en), zur epikritischen Bewertung und gegebenenfalls zur Therapie)) mit einem Faktor von maximal 2,3 je nach ärztlichem Ermessen Kosten zwischen 7,50 und 17 Euro an.“ (BayVGH, B.v. 7.7.2021 – 25 CS 21.1651 – juris Rn. 14ff.).
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Diesen Mindestanforderungen wird die von den Antragstellern vorgelegte „ärztliche Bescheinigung“ vom … Oktober 2020 nicht gerecht. Das vorgelegte ärztliche Zeugnis beschränkt sich auf die pauschale Feststellung, es liege eine dauerhafte, medizinische Kontraindikation vor, aufgrund derer nicht gegen Masern geimpft werden könne. Dem ärztlichen Zeugnis ist weder eine Begründung noch eine Spezifizierung einer Kontraindikation zu entnehmen. Die Bescheinigung wiederholt lediglich sinngemäß den Gesetzeswortlaut und ist einer Plausibilitätskontrolle nicht zugänglich. Da die Antragsteller somit ihre Vorlagepflicht somit nicht erfüllt haben, war das Gesundheitsamt gemäß § 20 Abs. 1. Satz 1 IfSG berechtigt, mit Bescheid vom 15. März 2023 (erneut) einen Nachweis anzufordern.
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2.2.3.3. Abgesehen davon, dass die ärztliche Bescheinigung schon nicht die Mindestanforderungen an einen Nachweis der Kontraindikation erfüllen, weist das Gericht vorsorglich darauf hin, dass im Übrigen auch berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des Dokuments bestehen. Aus den vom Gesundheitsamt vorgelegten Presseberichten geht hervor, dass der bescheinigende Arzt im Verdacht steht, ohne hinreichende Untersuchung bzw. ohne tragfähige medizinische Gründe ärztliche Bescheinigungen auszustellen. Er ist derzeit angeklagt, in mindestens 117 Fällen falsche Atteste zur Maskenbefreiung ausgestellt zu haben. Der Ausgang des Verfahrens ist noch offen. Gleichwohl ist die Anklage geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigung zu begründen. Dazu kommt, dass die Bescheinigung vom Oktober 2020 stammt und daher nicht auf den aktuellen Gesundheitszustand des Betroffenen abstellen kann. Zweifel wirft auch die Tatsache auf, dass der Praxisort des bescheinigenden Arztes (K.*) vom Wohnort der Antragstellerfamilie so weit entfernt ist, dass es sich nicht um den üblicherweise konsultierten Hausarzt/Kinderarzt handeln dürfte.
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2.2.3.4. Der Rechtmäßigkeit der Anordnung in Nr. 1 des Bescheides vom 15. März 2023 steht auch nicht entgegen, dass der Wortlaut dieser Anordnung nicht wortgleich mit dem Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG ist. Vielmehr hat der Antragsgegner damit versucht, den mit einer Vielzahl von Verweisen auf weitere Vorschriften des IfSG versehenen § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG für die Antragsteller bereits im Tenor leichter lesbar und verstehbar zu formulieren und zu erläutern.
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2.2.3.5. Das Gericht teilt nicht die datenschutzrechtlichen Bedenken der Antragsteller gegenüber den Anforderungen an den Mindestinhalt eines ärztlichen Zeugnisses. Die Gesundheitsämter sind durch die Datenschutzgrundverordnung nicht daran gehindert, diejenigen Angaben zu fordern, die für die Erfüllung ihrer vom Gesetzgeber übertragenen Aufgaben im Bereich des Infektionsschutzrechts erforderlich sind (vgl. etwa Art. 9 Abs. 2 lit. i) Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)).
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2.2.3.6. Auch führt die Nachweispflicht nicht zu einer Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht, da es der Entscheidung des Betroffenen überlassen ist, das ärztliche Zeugnis anzufordern und der Behörde zukommen zu lassen. Damit befreit er den Arzt konkludent von der Schweigepflicht.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und § 159 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Im Hinblick darauf, dass die Antragsteller untereinander familiär verbunden sind und den streitgegenständlichen Bescheid vom 15. März 2023, der beide Antragsteller als Adressaten ausweist, als Rechtsgemeinschaft bekämpfen, ist der für den Streitgegenstand angemessene Streitwert von 2.500,00 EUR nur einmal zu berücksichtigten (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 28.10.2021 – 25 CE 21.2628 – juris Rn. 4).