Titel:
Überprüfung einer Schiedsstellenentscheidung
Normenkette:
SGB VIII § 78b, 78c, § 78g
Leitsätze:
1. Die Entgeltfestsetzung in einem Schiedsbeschluss nach § 78g SGB VIII ist nur insgesamt anfechtbar und nicht hinsichtlich einzelner Entgeltbestandteile. (Rn. 38)
2. Die Schiedsstelle nach § 78g SGB VIII hat bei der Entgeltfestsetzung in Bezug auf den Gesamttagessatz regelmäßig einen externen Vergleich durchzuführen. (Rn. 44)
3. Es ist Hauptaufgabe der Schiedsstelle nach § 78g SGB VIII innerhalb ihrer Einschätzungsprärogative über die Anerkennungsfähigkeit der beantragten Entgeltbestandteile zu entscheiden. (Rn. 55)
4. Dem Rahmenvertrag nach § 78f SGB VIII kommt ohne ausdrücklichen oder konkludenten Beitritt der Vertragsparteien keine Bindungswirkung zu. (Rn. 57 – 68)
Schlagworte:
Überprüfung einer Entscheidung der Schiedsstelle, eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit durch das Gericht, Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle, Teilanfechtbarkeit, Bindung an Rahmenvertrag, Personalkosten, Tarifbindung, Einschätzungsprärogative, Teilanfechtung, Rahmenvertrag, Überprüfung
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 13.02.2024 – 12 BV 23.1331
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 20.12.2024 – 5 B 5.24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 17148
Tenor
I. Die Entscheidung der Schiedsstelle vom 6. Mai 2022 unter dem Aktenzeichen 13-6547.2-2-5 wird in Ziffer 3 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Kläger 1/5, die Beklagte 4/5.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen einen Schiedsbeschluss, der im Rahmen der Entgeltfestsetzung die Personalkosten entsprechend den Regelungen des Rahmenvertrags nach § 78f SGB VIII festsetzt.
2
Der Kläger ist ein Träger der freien Jugendhilfe und Mitglied des Diakonischen Werks B.e.V. Er betreibt im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten, einem Träger der örtlichen Jugendhilfe, eine stationäre Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe.
3
Die kommunalen Spitzenverbände in Bayern haben mit den Verbänden der Träger der freien Jugendhilfe in Bayern nach § 78f SGB VIII einen Rahmenvertrag (RV – Bayern) geschlossen. Dieser regelt u.a., dass die Gesamtsumme der Kosten für das notwendige Personal insgesamt nicht höher sein darf als der im öffentlichen Dienst bei kommunalem Tarif vergleichbar anfallende Aufwand (§ 10 Abs. 1 Satz 1 RV – Bayern).
4
Der Kläger forderte die Beklagte bzw. die Geschäftsstelle der Entgeltkommission M. mit Schreiben vom 19. Mai 2021 zum Abschluss einer Entgeltvereinbarung auf. In dem Angebot des Klägers wurden u.a. die Personalkosten entsprechend den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes B. (AVR – Bayern) angesetzt. Die Entgeltkommission lehnte das Angebot u.a. wegen diesem Personalkostenansatz in der Sitzung vom 20. Juli 2021 ab.
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Mit Schreiben vom 29. Juli 2021 beantragte der Kläger die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens zur Festsetzung einer Leistungsbeschreibung, Qualitätsentwicklungsvereinbarung sowie Entgeltvereinbarung für den Vereinbarungszeitraum von 1. August 2021 zum 31. Juli 2022.
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Nach umfangreichem Schriftverkehr zwischen den Parteien und der Schiedsstelle fand am 6. Mai 2022 die mündliche Verhandlung vor der Schiedsstelle statt.
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Mit streitgegenständlichem Beschluss vom gleichen Tag setzte die Schiedsstelle für den Zeitraum vom 1. August 2021 bis 31. Juli 2022 (Ziffer 4 der Entscheidung) die Leistungs- und Qualitätsentwicklungsvereinbarung fest (Ziffer 1 und 2 der Entscheidung) und legte unter Ziffer 3 der Entscheidung fest:
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„Für die angebotene Leistung ist ein Entgelt zu vereinbaren, das die folgenden Entscheidungen berücksichtigt:
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1. Die Personalkosten sind gemäß § 10 des bayerischen Rahmenvertrages zu berechnen.
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2. Die sonstigen Personalkosten sind mit 2% der Personalkosten zu berechnen, die sich aus der Berücksichtigung des § 10 des bayerischen Rahmenvertrages ergeben.
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3. Die zentralen Verwaltungskosten sind mit 7% der Personalkosten zu berechnen, die sich aus der Berücksichtigung des § 10 des bayerischen Rahmenvertrages ergeben.
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4. Die Rufbereitschaft ist im Entgelt wie im Vergleich geregelt zu berücksichtigen.
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5. Grundsätzlich besteht kein Anspruch auf Beschäftigung und Berücksichtigung von Praktikant*innen, Dual Studierenden und Auszubildenden der Fachakademie für Sozialpädagogik im Entgelt. Ist deren Beschäftigung allerdings in der Leistungsvereinbarung akzeptiert, sind die vollen Kosten im Entgelt zu berücksichtigen.
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6. Bei der Berechnung des angemessenen Leitungsanteils ist der Einsatz von Praktikant*innen, Dual Studierenden oder Auszubildenden der Fachakademie für Sozialpädagogik mit den jeweils in der Leistungsvereinbarung angesetzten Vollzeitäquivalenten zu berücksichtigen.
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7. Das allgemeine Unternehmerwagnis wird mit 3% der Gesamtkosten bewertet.
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8. Die unternehmensspezifischen Einzelwagnisse werden mit 7.577 € bewertet und sind mit dieser Summe im Entgelt zu berücksichtigen.
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9. Die Kosten der Rechtsberatung sind im Entgelt mit 1800 € zu berücksichtigen.
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10. Die Kosten des Fremdkapitaleinsatzes sind im Entgelt mit 3.842,89 € zu berücksichtigen.“
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Zur Begründung führte die Schiedsstelle unter dem 27. Mai 2022 zu den im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Regelungen unter Ziffer 3.1, 3.2 und 3.3 insbesondere aus, dass der Kläger keinen Anspruch darauf habe, dass die Kosten des in der Leistungsbeschreibung aufgeführten Personals nach den AVR bemessen würden. Maßgeblich hierfür sei vielmehr gemäß § 10 des Rahmenvertrags als Obergrenze der TVöD. Der Kläger müsse den Rahmenvertrag gegen sich gelten lassen, auch wenn er diesem nicht ausdrücklich beigetreten sei. Er nehme in seinem Angebot in vielfältiger Weise auf den Rahmenvertrag Bezug. Diese Bezugnahmen würden mit hinreichender Sicherheit belegen, dass der Kläger im Grundsatz den Rahmenvertrag als maßgeblich auch für sein Angebot anerkenne und anwende. Insbesondere die Vollmachtserteilung an den Spitzenverband für die Vertragsverhandlungen vor der Entgeltkommission würde dies eindrücklich bestätigen. Denn der Spitzenverband sei unzweifelhaft an den Rahmenvertrag gebunden und damit verpflichtet, die dort vereinbarten Regelungen auch auf das Angebot des Klägers anzuwenden. Diese Bezugnahme reiche nach Auffassung der Schiedsstelle aus, um den Rahmenvertrag insgesamt auf das Angebot anzuwenden. Zudem sei das Vorgehen des Klägers – einerseits vielfältige Bezugnahme auf den Rahmenvertrag und insbesondere die Bevollmächtigung des an den Rahmenvertrag gebundenen Spitzenverbands, andererseits das Begehren, § 10 des Rahmenvertrags nicht anzuwenden – als ein derartig widersprüchliches Verhalten anzusehen, dass der Antrag unter Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen sei. Die Schiedsstelle teile auch nicht die Auffassung des Klägers, dass die Regelung in § 10 Rahmenvertrag aus verschiedenen Gründen rechtswidrig sei, nicht vereinbart hätte werden dürfen und deshalb auch nicht zur Anwendung kommen könne. Das Grundgesetz verbiete entgegen der Ansicht der Klageseite die Vereinbarung des Besserstellungsverbotes im Rahmenvertrag nicht. Rechtskräftige Entscheidungen, auch die der – von der Klägerseite in Bezug genommenen – Bundesgerichte, würden keine normative Wirkung über den entschiedenen Einzelfall hinaus entfalten und nur die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger binden. Der Kläger werde durch den Rahmenvertrag auch nicht in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt. Vielmehr eröffne § 78f SGB VIII die Möglichkeit, auf Landesebene Rahmenverträge auch für Entgeltvereinbarungen zu schließen. Den Spitzenverbänden stehe es frei, den Rahmenvertrag insgesamt oder Teile desselben zu vereinbaren. Der Kläger müsse so, wie er die Tarife der AVR von seinem Spitzenverband vorgegeben bekomme, durch seine Mitgliedschaft akzeptiere und für seine Beschäftigten in Anwendung bringe, auch die von seinem Spitzenverband ausgehandelten Tarife des § 10 Rahmenvertrags für sich gelten lassen, wenn er seine Mitgliedschaft im Spitzenverband aufrechterhalte. Auch eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG sei zu verneinen. Der Rahmenvertrag komme auf freiwilliger Basis zustande, solle Orientierung und Vorbild sein sowie Entlastung und Konsens ermöglichen, indem alle Verhandlungen in seinem Geltungsbereich dieselben Regelungen beachten und alle Träger gleichbehandeln.
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Abschließend wird ausgeführt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. zuletzt Entscheidung vom 26.09.2019 – B 3 P 1/18 R) die Schiedsstelle zunächst die voraussichtlichen Kosten der in der Einrichtung erbrachten Leistungen und in einem zweiten Schritt die Leistungsgerechtigkeit anhand der Kostenansätze vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen zu prüfen habe. Wie erläutert, seien die geltend gemachten Kostenpositionen nachvollziehbar und plausibel dargelegt und von der Schiedsstelle als die voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung für den angestrebten Zeitraum anerkannt. Auch wenn die Schiedsstelle in Übereinstimmung mit den Parteien nur die Parameter des angemessenen Entgelts festgelegt habe, sei sie der Überzeugung, dass das sich daraus ergebende Entgelt in angemessener Relation zu den Sätzen anderer Jugendhäuser in M. stehe. Zum einen ergebe sich dies aus der Anwendung des Rahmenvertrages, der in den wesentlichen kostenträchtigen Positionen für alle Einrichtungen vergleichbare Bedingungen festlege. Zum anderen belege dies die Entgeltkalkulation der Geschäftsstelle, in der nur in den Positionen Differenzen aufgeführt seien, die in diesem Verfahren der Schiedsstelle zur Entscheidung vorgelegt worden seien. Zum Teil sei die Schiedsstelle der Kalkulation der Geschäftsstelle gefolgt und habe damit vergleichbare Bedingungen wie für andere von der Entgeltkommission zu entscheidende Fälle sichergestellt. In den Fällen, in denen die Schiedsstelle dem Antrag des Einrichtungsträgers gefolgt sei (insbesondere in der Risikobewertung und der Beurteilung des Einsatzes von Studierenden), habe es an Vergleichsmöglichkeiten gefehlt, weil die Beklagte diese Entgeltbestandteile bisher in allen Fällen abgelehnt habe und entsprechende Entscheidungen der Schiedsstelle gerichtlich angegriffen worden seien. Erst rechtskräftige Gerichtsentscheidungen würden demnach für vergleichsfähige Zustände sorgen.
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Der Bevollmächtigte des Klägers erhob mit Schriftsatz vom 21. Juni 2022, eingegangen am 23. Juni 2022, Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte mit Schriftsatz vom 18. April 2023 zuletzt,
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1. die Schiedsstellenentscheidung vom 27. Mai 2022 hinsichtlich der Ziffern 3.1, 3.2 und 3.3 aufzuheben.
23
2. Hilfsweise die gesamte Schiedsstellenentscheidung vom 27. Mai 2023 aufzuheben.
24
Die Beklagte erhob am 7. Juli 2022 Klage gegen die Schiedsstellenentscheidung hinsichtlich der Ziffern 3.5, 3.6., 3.7, 3.8, 3.9 und 3.10, wobei die Einwendungen in Bezug auf die Ziffern 3.5 und 3.6 mit Schriftsatz der Beklagten vom 7. März 2023 zurückgenommen wurden (M 18 K 22.3408).
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Mit Beschluss vom 10. Oktober 2022 ordnete die Schiedsstelle auf Antrag des Klägers die sofortige Vollziehung der Schiedsstellenentscheidung in den Ziffern 3.5, 3.6, 3.7, 3.8, 3.9 und 3.10 an. Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2022 die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage (M 18 S 22.5166).
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Mit Schriftsatz vom 10. Januar 2023 begründete der Bevollmächtigte des Klägers die Klage insbesondere damit, dass unstreitig die bei wirtschaftlicher Betriebsführung tatsächlich entstehenden Kosten die unterste Grenze des leistungsgerechten Entgelts bilden würden. Eine Zahlung tariflicher Gehälter entspreche nach höchstrichterlicher Rechtsprechung immer den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung, so dass nur eine Berücksichtigung dieser Personalkosten zu einer Leistungsgerechtigkeit des Entgelts im Sinne des § 78c Abs. 2 Satz 1 SGB VIII führen könne. Durch die Bezugnahme auf die Regelung des Rahmenvertrages sei mit der Schiedsstellenentscheidung materielles Recht verletzt worden. Der Kläger sei kein Vertragspartner des Bayerischen Rahmenvertrags und daher nicht an diesen gebunden. Der Kläger sei dem Rahmenvertrag auch nicht beigetreten und habe – entgegen der Feststellung der Schiedsstelle – bei seinem Angebot auch keine „vielfältigen Bezugnahmen auf den Rahmenvertrag“ vorgenommen. Die verwendeten Formblätter und Vorlagen würden von der regionalen Entgeltkommission zur Verfügung gestellt und seien verbindlich vorgeschrieben. Der Kläger habe in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, die vorgegebenen Gliederungen abzuändern, dies sei von der Entgeltkommission nicht akzeptiert worden. Schließlich beziehe sich auch die vom Kläger gegebene Vollmacht gegenüber seinem Spitzenverband ausdrücklich und ausschließlich auf den Abschluss von Vereinbarungen nach § 78a Abs. 1 SGB VIII. Ausweislich des Wortlauts der Vollmacht sei mit keiner Silbe der Rahmenvertrag in Teilen und erst recht nicht in Gänze anerkannt oder gar für verbindlich erklärt worden. Die Tatsache, dass der Kläger hier die Finanzierung tatsächlich entstehender tariflicher Personalkosten fordere, könne auch nicht als rechtsmissbräuchlich und deshalb unzulässig eingestuft werden.
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Die Anwendung des § 10 des Rahmenvertrags bei Festsetzung der streitgegenständlichen Entgeltvereinbarung führe dazu, dass gesetzliche Bestimmungen derogiert und Vertragsinhalte unter Verstoß gegen § 78c Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in der Auslegung durch höchstrichterliche Rechtsprechung festgesetzt würden. Dies verletze das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG und den Vorrang des Gesetzes. Zur Bindung der vollziehenden Gewalt an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG gehöre unstrittig die Bindung an formales Bundesrecht in der Auslegung durch höchstrichterliche Rechtsprechung. Durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei stets auf die tariflichen Personalkosten des antragstellenden Leistungserbringers abzustellen. Zudem könne auf Basis des § 10 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Rahmenvertrags nicht der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Klägers gerechtfertigten werden, welcher durch die Ablehnung der Refinanzierung der bei wirtschaftlicher Leistungserbringung entstehenden tatsächlichen tariflichen Personalkosten erfolge. Ein leistungsgerechtes Entgelt i.S.d. § 78c Abs. 2 Satz 1 SGB VIII müsse daher zwingend die Personalkosten nach AVR berücksichtigen. Alles andere wäre verwaltungsrechtlich und verfassungsrechtlich nicht vertretbar.
28
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 27. Februar 2023,
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Sie bezog sich zur Begründung insbesondere auf die Ausführungen im Schiedsbeschluss und ergänzte insbesondere, dass auch die Beklagte der Ansicht sei, dass der Kläger an die Regelungen im Rahmenvertrag aufgrund seiner eindeutigen Bezugnahme auf diesen im Zuge der Entgeltverhandlungen sowie aufgrund der Bevollmächtigung an die Trägervereinigung des Klägers gebunden sei. Der Vertrag über die Bildung von regionalen Kommissionen nach § 78e Abs. 3 SGB VIII enthalte an mehreren Stellen Verweise auf den Rahmenvertrag nach § 78f SGB VIII. Insofern werde klargestellt, dass die Regionale Kommission den Rahmenvertrag als Grundlage für den Inhalt von Vereinbarungen nach § 78b SGB VIII anwende. Die Bevollmächtigung der Trägervereinigung, Entgelte über die Regionale Kommission zu vereinbaren, bedeute somit zwangsläufig das Einverständnis mit der Geltung und Anwendbarkeit des Rahmenvertrags. Der Rahmenvertrag enthalte wiederum Verweise auf die Regionale Kommission, beide Verträge seien miteinander verflochten. Dem Kläger sei auch entgegenzuhalten, dass eine solche Vereinbarung nicht dazu diene, sich die „Rosinen“ heraus zu picken. Ein Rahmenvertrag betreffe schon naturgemäß eine Vielzahl von Vertragspartnern, sodass nicht jeder Einzelfall aufgefangen werden könne und ein gegebenenfalls vorliegender Nachteil oftmals durch andere Vorteile wieder ausgeglichen werde. Sofern für den Kläger die Anwendung des Rahmenvertrags wirtschaftlich tatsächlich untragbar sei, müsse er für eine Änderung des Rahmenvertrags werben.
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Die Ausführungen des Klägers zur Rechtswidrigkeit der Regelung in § 10 des Rahmenvertrags würden nicht überzeugen. Zum einen würden sämtliche vom Kläger genannten Urteile aus dem Bereich anderer Sozialgesetzbücher stammen und nicht aus dem Gebiet der Kinderund Jugendhilfe. Eine Übertragbarkeit der genannten Urteile auf den Rahmenvertrag nach § 78f SGB VIII werde schon deshalb in Zweifel gezogen. Zudem lasse sich aus den Urteilen nicht schlussfolgern, dass der Tarif, den ein Trägerverband für seinen Bereich spezifisch ausgehandelt habe, stets zwingend Berücksichtigung im Entgelt finden müsse, damit dieses leistungsgerecht sei. Vielmehr dürften die Parteien des Rahmenvertrags in zulässiger Weise die Deckelung vornehmen, da so für alle Einrichtungen ein angemessener und wirtschaftlicher Lohn garantiert sei. Sinn und Zweck des Rahmenvertrages sei es gerade, wichtige Parameter zu regeln, um eine Grundlage für eine zügige Einigung zu schaffen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2023 zu vorliegendem Verfahren, dem Verfahren M 18 K 22.3408 sowie M 18 S 22.5166 erklärten die Parteien den Verzicht auf weitere mündliche Verhandlung.
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Der Bevollmächtigte des Klägers führte unter anderem mit Schriftsatz vom 18. April 2023 zur Begründung der isolierten Anfechtungsmöglichkeit von einzelnen von der Schiedsstelle festgesetzten Entgeltbestandteilen aus, dass die Schiedsstelle lediglich ein vertragshelfendes Organ und an den Dispositionsgrundsatz gebunden sei. Die Schiedsstelle könne damit nur über die in Streit stehenden Einzelfragen entscheiden. Dementsprechend müsse es zulässig sein, eine Entscheidung der Schiedsstelle über solche Einzelfragen auch isoliert anzufechten. Dies folge auch aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes. Zu einem anderen Ergebnis führe auch nicht der externe Vergleich. Die Schiedsstelle sei nämlich nicht zwingend zur Durchführung eines solchen verpflichtet.
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Mit Beschluss vom 25. April 2023 wurde das Verfahren M 18 S 22.5166 nach übereinstimmender Erledigungserklärung eingestellt.
35
Die Beklagte führte mit Schriftsatz vom 2. Mai 2023 hinsichtlich der Bemessung der Personalkosten insbesondere aus, dass mit der (vermeintlich isolierten) Bevollmächtigung des Spitzenverbandes, lediglich die Institution „Kommission“ zu nutzen, ohne dabei zugleich den mit den gleichen Vertragsparteien geschlossenen Rahmenvertrag anzuwenden, der Kläger nicht nur den Spitzenverband in eine missliche, gegebenenfalls widersprüchliche Situation bringe, sondern auch den Nutzen bzw. den Zweck der Entgeltkommission leerlaufen lasse. Die Organisation und der Sinn und Zweck einer Entgeltkommission beruhe gerade darauf, die von den Vertragspartnern geschaffenen Rahmenbedingungen anzuwenden und mit Leben zu füllen, Prozesse zu strukturieren, zu vereinheitlichen und erleichterte Arbeitsbedingungen für beide Seiten zu schaffen. Aus diesen Gründen müsste konsequenterweise bei einer Bevollmächtigung zum Abschluss über die Entgeltkommission zwingend auch das dieser Organisation zugrunde liegende Rahmengerüst angewendet werden. Zudem sehe die Beklagte auch keine Möglichkeit, den Rahmenvertrag insoweit anzuwenden, als dass nur einzelne Punkte und nicht das gesamte Regelungswerk verbindlich seien. Da die Regelungen in ihrer Gesamtheit geschlossen worden seien und oftmals im Zusammenspiel betrachtet werden müssten, führe die isolierte Anwendung zu gegebenenfalls nicht beabsichtigten Vor- und Nachteilen. Es verstoße gegen den Sinn und Zweck des Vertrags, einzelne Punkte nicht anzuwenden, vielmehr müssten zweifelhafte Regelungen einvernehmlich geändert werden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten im vorliegenden Verfahren sowie in den Verfahren M 18 K 22.3408 und M 18 S 22.5166 sowie auf die vorgelegten Akten der Klägerin sowie der Schiedsstelle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
37
Das Gericht konnte im schriftlichen Verfahren entscheiden, da die Beteiligten auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
38
Der Hauptantrag war als unzulässig abzuweisen. Die im Hilfsantrag zulässige Klage ist im Ergebnis begründet. Der Schiedsbeschluss vom 6. Mai 2022 ist in Ziffer 3 rechtswidrig, da die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Festsetzungen zu den Entgeltbestandteilen unter Ziffer 3.1, 3.2 und 3.3 rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen. Da eine Aufhebung lediglich von einzelnen Entgeltbestandteilen des festgesetzten Gesamtentgelts unzulässig ist (siehe Punkt B), ist der Schiedsbeschluss hinsichtlich Ziffer 3 (Entgeltfestsetzung) vollständig aufzuheben.
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A) Die Klage war gemäß § 88 VwGO sachgerecht dahingehend auszulegen, dass mit ihr der Schiedsbeschluss mit Datum vom 6. Mai 2022 (und nicht wie bezeichnet vom 27. Mai 2022) angegriffen werden sollte. Soweit die Parteien hinsichtlich des Datums des Schiedsbeschlusses jeweils das Datum der schriftlichen Begründung des Schiedsbeschlusses nennen, ist dies fehlerhaft und entsprechend sachgerecht durch das Gericht auszulegen. Unstreitig wurde der streitgegenständliche Schiedsbeschluss bereits am 6. Mai 2022 im Anschluss an die mündliche Verhandlung mitgeteilt (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung der Schiedsstelle Bayern), so dass er als an diesem Tag ergangen gilt. Lediglich die schriftliche, mit Gründen und Rechtsbehelfsbelehrungversehene Ausfertigung des Beschlusses erfolgte unter dem 27. Mai 2022 (vgl. BSG, U.v. 17.12.2009 – B 3 P 3/08 R – juris Rn. 4, 21).
40
Zudem war der (erst im Anschluss an die mündliche Verhandlung gestellte) Hilfsantrag sachgerecht dahingehend auszulegen, dass ausschließlich die Aufhebung der Ziffer 3 des Schiedsbeschlusses vom 6. Mai 2022 (Feststellungen zur Entgeltvereinbarung) und nicht auch die Aufhebung der Entscheidung hinsichtlich der Feststellungen zur Leistungs- und Qualitätsentwicklungsvereinbarung begehrt wird. Auch wenn der Kläger den Hilfsantrag nicht ausdrücklich auf Ziffer 3 des Schiedsbeschlusses beschränkt hat, so ist diese Beschränkung im gesamten Vortrag des Klägers deutlich zu erkennen. Denn die gesamte Klagebegründung betrifft ausschließlich die Entgeltfestsetzung. Eine solche isolierte Anfechtung ist auch zulässig, da insoweit keine wechselseitige Abhängigkeit besteht.
41
B) Der Hauptantrag des Klägers, mit dem beantragt wurde, lediglich die Ziffern 3.1 bis 3.3 aufzuheben, ist unzulässig und war daher abzuweisen.
42
Die lediglich teilweise Aufhebung einzelner Kostenbestandteile der Entscheidung der Schiedsstelle über das Entgelt ist nicht zulässig. Denn die Entscheidungen über einzelne Bestandteile der Entgeltfestsetzung stellen keine von den übrigen in der Entscheidung der Schiedsstelle zur Entgeltfestsetzung getroffenen Festlegungen unabhängigen Regelungen dar, die keinen Einfluss auf diese haben. Vielmehr handelt es sich bei der Entgeltfestsetzung um eine insgesamt einheitliche Entscheidung der Schiedsstelle, die im Rahmen ihres Beurteilungsspielraumes und eines umfassenden Abwägungsvorgangs verschiedene Aspekte in eine Gesamtlösung einfließen lässt (vgl. OVG LSA, U.v. 22.6.2006 – 3 L 176/04 – juris Rn. 55 ff.). Denn die Schiedsstelle hat zwingend hinsichtlich des sich aus den einzelnen Kostenpunkten ergebenden Gesamttagessatzes einen externen Vergleich durchzuführen. Sofern einzelne Kostenpunkte von der Schiedsstelle neu festgesetzt werden müssen, verändert sich hierdurch jedoch (zumindest möglicherweise) der Gesamttagessatz, so dass ein erneuter externer Vergleich durch die Schiedsstelle vorgenommen werden muss (siehe ausführlich hierzu unter Punkt E).
43
Auch den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 2022 (4 C 4/20 – juris) und 12. Oktober 2022 (8 AV 1/22 – juris) kann – entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten des Klägers – nicht entnommen werden, dass nunmehr jede Teilanfechtbarkeit als zulässig angesehen werden müsste. Vielmehr gehen auch diese Entscheidungen weiterhin davon aus, dass eine Teilanfechtung nicht zulässig ist, sofern – wie vorliegend – zwischen dem streitigen Teil und der Restentscheidung ein Zusammenhang besteht, der die isolierte Aufhebung ausschließt (4 C 4/20 – juris Rn. 9; siehe auch BGH, B.v. 11.1.2023 – XII ZB 433/19 – juris Rn. 10 ff, 19).
44
Ebenso kann auch die im Schiedsverfahren geltende Dispositionsmaxime die Teilanfechtung nicht ermöglichen. Zwar hat die Schiedsstelle nur die Entgeltbestandteile festzusetzen, über die die Parteien keine Einigung erzielen konnten, § 78g Abs. 2 Satz 1 SGB VIII. Unabhängig davon hat sie jedoch hinsichtlich des sich aus sämtlichen Einzelpositionen ergebenden Gesamtentgelts einen externen Vergleich durchzuführen und darauf beruhend die abschließende Entscheidung über die Tagessatzhöhe zu treffen (vgl. hierzu auch: Jaritz/Eicher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl, § 77 SGB XII (Stand: 11.08.2017), Rn. 68 sowie § 76 SGB XII R. 106; Mälzer, zur Amtsermittlung in der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI, SGb 2023, 282 ff, Punkt VI.1). Dementsprechend ist auch bei nur einzelnen strittigen Kostenbestandteilen der Schiedsspruch zur Entgeltfestsetzung im Ganzen aufzuheben (vgl. BVerwG, B.v. 24.9.2007 – 5 B 109/05 – juris Rn. 18; BSG, U.v. 8.12.22 – B 8 SO 8/20 R – juris Rn. 11).
45
Das Gericht sieht sich daher auch nicht im Widerspruch zu dem (von den Parteien herangezogenen) Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 29.6.2015 (Az. 12 ZB 15.1198 – unveröffentlicht). Denn im dortigen Verfahren wurde – entgegen dem im vorliegenden Verfahren gestellten Hauptantrag – der von der Schiedsstelle festgesetzte Gesamttagessatz angefochten und die Klage im Folgenden ausschließlich mit einem zu geringen Ansatz des Entgeltsbestandteiles „zentrale Verwaltungsdienste“ begründet. Dementsprechend wurde auch nur dessen Festsetzung auf seine Rechtmäßigkeit überprüft und ausgeführt, dass Streitgegenstand des Verfahrens nicht der „Vergleich der Gesamtvergütung“ sei (a.a.O., Rn. 19). Da die Klage abgewiesen wurde, kann dem Tenor auch keine Formulierung hinsichtlich einer Teilanfechtungsmöglichkeit entnommen werden. Ebenso verhält es sich im vorliegenden Verfahren. Das Gericht prüft auf Grund der Besonderheiten des Schiedsbeschlusses lediglich die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entgeltbestandteile und nicht den durch die Schiedsstelle vorgenommenen externen Vergleich; unabhängig davon ist jedoch der Gesamttagessatz angefochten.
46
Dies entspricht im Übrigen auch dem Vorgehen des Bundessozialgerichts im Urteil vom 8. Dezember 2022 (B 8 SO/20 R – juris). Auch dort wird die Entscheidung der Schiedsstelle im Gesamten aufgehoben, obwohl im Gerichtsverfahren streitgegenständlich ausschließlich die Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinns war. Ebenso liegt dem – von dem Beklagten in Bezug genommenen – Verfahren vor dem Bundessozialgericht (Az. B 3 P 2/22 R) die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 25. März 2021 (Az. L 12/15 P 51/19 KL – juris) zu Grunde, mit der der Schiedsbeschluss im Ganzen aufgehoben wurde, obwohl der Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens auf einzelne Entgeltpunkte beschränkt war.
47
Schließlich kann auch die Argumentation der Klageseite, dass eine fehlende Teilanfechtungsmöglichkeit zu einer unzulässigen Einschränkung des Rechtsschutzes führe, nicht zu einer anderen rechtlichen Würdigung führen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Vorgehen der Schiedsstelle im vorliegenden Fall, im Einvernehmen mit den Parteien nur die „Parameter des angemessenen Entgelts“ festzulegen (Schiedsbeschluss S. 33), so dass nur deswegen überhaupt eine Teilanfechtung der einzelnen Entgeltbestandteile möglich erscheinen könnte, einen Sonderfall darstellt. Dagegen ist im Rahmen der Entgeltfestsetzung durch die Schiedsstelle regelmäßig ein Gesamttagessatz festzulegen, womit eine Anfechtung nur von einzelnen Entgeltbestandteilen im Regelfall bereits von vorneherein ausscheidet. Auch die Argumentation im Hinblick auf den dann fehlenden Eilrechtsschutz führt nicht zum Erfolg. Aufgrund der Besonderheiten des Schiedsverfahrens dürfte es der Schiedsstelle im Fall einer Klage gegen die Entgeltfestsetzung mit aufschiebender Wirkung möglich sein, auf einen entsprechenden Antrag – auch der jeweiligen Klagepartei – die sofortige Vollziehbarkeit der Entgeltfestsetzung anzuordnen.
48
C) Der Hilfsantrag ist zulässig.
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Die isolierte Anfechtung ausschließlich der Feststellungen der Schiedsstelle zur Entgeltvereinbarung ist zulässig, da die Bestimmung der Höhe des Entgelts zwar (auch) anhand der Leistungsbeschreibung zu ermitteln ist, jedoch mit dieser nicht in einem solchen Zusammenhang steht, dass die weiteren Vereinbarungen ohne die Entgeltvereinbarung nicht existieren können.
50
Die Klage ist im Hilfsantrag auch im Übrigen zulässig.
51
Das Verwaltungsgericht ist für das Klageverfahren zuständig, § 78g Abs. 2 Satz 2 SGB VIII. Die Klage richtet sich zu Recht gegen den Vertragspartner, § 78g Abs. 2 Satz 3 SGB VIII. Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht, § 78g Abs. 2 Satz 4 SGB VIII. Die Klage wurde im Hilfsantrag sachgerecht als isolierte Anfechtungsklage erhoben (s.o.; BVerwG, B.v. 28.2.2002 – 5 C 25/01 – juris Rn. 19) und die sich hieraus ergebende Klagefrist von einem Monat, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO, eingehalten. Der Kläger konnte auch zulässig den Hilfsantrag erstmals im Schriftsatz vom 18. April 2023 stellen, da der Schiedsbeschluss hinsichtlich der Entgeltfestsetzung nicht in Bezug auf Teilbeträge teilbar und isoliert anfechtbar ist (s.o. und unter B), so dass die Klagefrist hinsichtlich der späteren Einbeziehung keine Rolle spielt (BVerwG, U.v. 11.11.2020 – 8 C 22/19 – juris Rn. 25 m.w.N.).
52
Einer Beiladung der Schiedsstelle bedurfte es nicht (BVerwG, B.v. 28.2.2002 – 5 C 25/01 – juris Rn. 21).
53
D) Der Hilfsantrag ist begründet. Die Feststellungen der Schiedsstelle, dass der Entgeltvereinbarung die Personalkosten entsprechend § 10 Rahmenvertrag – Bayern zugrunde zu legen seien und die darauf beruhenden Festsetzungen in Ziffern 3.1 bis 3.3 sind rechtswidrig, so dass die Entgeltfestsetzung insgesamt aufzuheben war.
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1) Nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung hat der Gesetzgeber die Schiedsstelle als weisungsfreies, mit Vertretern der Interessen der betroffenen Gruppen besetztes Konfliktlösungs- und Schlichtungsgremium ausgestaltet und damit zum Ausdruck gebracht, dass er dieses Gremium als mit der zu regelnden Materie vertrautes und zu einer vermittelnden Zusammenführung potentiell gegenläufiger Interessen berufenes Entscheidungsorgan für geeignet hält, eine sach- und interessengerechte Lösung zu finden. Der Schiedsstelle steht deshalb für ihre Bewertungen und Beurteilungen im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe (insbesondere Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit, Leistungsfähigkeit) eine Einschätzungsprärogative zu, die es gebietet, die gerichtliche Überprüfung darauf zu beschränken, ob die Schiedsstelle die ihr gesetzten rechtlichen Vorgaben beachtet, den Sachverhalt vollständig ermittelt hat und in einem fairen und willkürfreien Verfahren zu vertretbaren Bewertungen gelangt ist (stRspr; BVerwG, U.v. 28.2.2002 – 5 C 25/01 – juris Rn. 8).
55
Eine allgemeine normative Vorgabe für die Schiedsstelle und damit zugleich auch Prüfungsmaßstab im gerichtlichen Verfahren ist der Bedarfsdeckungsgrundsatz des Sozialhilferechts sowie das in den §§ 78a ff. SGB VIII seit 1. Januar 1999 geregelte sog. prospektive Entgeltsystem (BT-Drs. 13/10330, S. 17 ff). Durch die Forderung des Gesetzes, dass die Entgelte leistungsgerecht sein und einer Einrichtung bei sparsamer und wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen, eine bedarfsgerechte Hilfe zu leisten, soll den Einrichtungen ein „auskömmlicher, leistungsgerechter Preis … gewährleistet“ werden. Auf Grund des prospektiven Entgeltsystems sollen Einrichtungen daher nicht gezwungen werden, die von ihnen erwarteten Leistungen unterhalb ihrer Gestehungskosten anzubieten. (Prospektive) Selbstkosten sind folglich, sofern sie den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen, auch bei prospektiven Pflegesätzen die Untergrenze des festzusetzenden Entgelts. Die Beurteilung, ob ein Anbieter den von ihm geltend gemachten Pflegesatz zur Deckung seiner Selbstkosten wirklich benötigt, ist nicht möglich, ohne dass die Schiedsstelle eine an jenen Grundsätzen orientierte „Entscheidung über Kalkulationsgrundlagen“ trifft. Soweit es um die Beachtung der Grundsätze der „Wirtschaftlichkeit“, der „Sparsamkeit“ und der „Leistungsfähigkeit“ geht, hat sich die gerichtliche Kontrolle gemäß dem Willen des Gesetzgebers, dass die Definition und Ausfüllung dieser Begriffe „Hauptaufgabe“ der Schiedsstelle selbst und nicht der Gerichte sein soll, auf die Nachprüfung zu beschränken, ob die Bewertungen der Schiedsstelle dem Sinngehalt dieser unbestimmten Gesetzesbegriffe gerecht werden und, gemessen daran, in Anbetracht des von der Schiedsstelle vollständig ermittelten Sachverhalts vertretbar sind (grundlegend BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 – juris Rn. 21 ff.).
56
Dabei ist die inhaltliche Überprüfung des Schiedsbeschlusses auf die Gegenstände beschränkt, über die keine Einigung zwischen den Vertragsparteien erzielt werden konnte, dementsprechend im vorliegenden Verfahren auf die Festsetzung der Vergütungsbestandteile unter den Ziffern 3.1, 3.2 und 3.3. Eine solche Beschränkung des Streitgegenstands und des Verfahrensgegenstands der Schiedsstellenverfahren ist zulässig (BSG, U.v. 8.12.22 – B 8 SO 8/20 R – juris Rn. 11 m.w.N. zu Verfahren nach dem SGB XII). Allerdings führt diese Beschränkung des Streitstoffes mangels Teilbarkeit nicht dazu, dass auch der Schiedsbeschluss lediglich in diesen Bestandteilen ggf. aufzuheben ist (s.o.).
57
2) Die Schiedsstelle hat mit der Annahme der Bindungswirkung des Rahmenvertrags – Bayern den rechtlichen Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative verkannt, denn der Kläger ist nicht an diesen gebunden.
58
2.1) Im Unterschied zu den Rahmenverträgen im Sozialhilfe- und Pflegeversicherungsrecht kommt dem Rahmenvertrag nach § 78f SGB VIII unstreitig keine Allgemeinverbindlichkeit zu (BGH, U.v. 18.2.2021 – III ZR 175/19 – juris Rn. 25); was i.Ü. von dem vom Kläger in Bezug genommenen Gutachten vom 20. Juni 2021 zur Prüfung eines sog. „Besserstellungsverbots“ in § 10 Abs. 1 Satz 1 des Rahmenvertrags Bayern nach § 78f SGB VIII i.d.F. vom 1.12.2016“ verkannt wird. Die Landesrahmenverträge haben für den öffentlichen Jugendhilfeträger und die Einrichtungsträger bei den Vereinbarungsverhandlungen nach §§ 78b, 78c SGB VIII vielmehr nur empfehlenden Charakter. Ihnen kommt dabei zwar eine wichtige Steuerungsfunktion für die einrichtungsindividuell abzuschließenden Leistungserbringungsvereinbarungen zu. Mittels landesweiter Festlegungen, beispielsweise zu Leistungsumfang und fachlichen Standards, zur Entgeltgestaltung oder zur Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung müssen Fachdiskussionen und aufwändige Recherchen nicht in jedem Einzelfall geführt und nicht sämtliche Details individuell vereinbart werden. Neben einer effizienteren Gestaltung der einrichtungsbezogenen Leistungserbringungsverhandlungen kann gleichzeitig verhindert werden, dass inhaltliche Festlegungen in den Einzelvereinbarungen zu stark divergieren. Diese Orientierungs-, Vorbild-, Entlastungs- und Konsensfunktion können Landesrahmenvereinbarungen aber nur entfalten, wenn die Spitzenverbände den ihnen eingeräumten Gestaltungspielraum nutzen und es ihnen gelingt, Konsens unter Einbeziehung möglichst vieler Organisationen herzustellen (Telscher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 78f SGB VIII (Stand: 01.08.2022), Rn. 9).
59
Der Rahmenvertrag wird daher nur dann Inhalt der Einzelvereinbarungen, wenn die Parteien die Regelungen des Rahmenvertrags ihrer Rechtsbeziehung zugrunde legen, indem sie auf die Bestimmungen des Rahmenvertrags Bezug nehmen, ihm beitreten oder seine Verbindlichkeit auf sonstige Weise anerkennen (BGH, U.v. 18.2.2021 – III ZR 175/19 – juris Rn. 25 m.w.N.; Telscher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 78f SGB VIII (Stand: 01.08.2022), Rn. 15; Wiesner/Wapler/Schön, 6. Aufl. 2022, SGB VIII § 78f Rn. 3).
60
2.2) Zwischen den Parteien und der Schiedsstelle unstreitig ist der Kläger dem Rahmenvertrag nicht ausdrücklich beigetreten. Entgegen der Annahme der Schiedsstelle und der Beklagten ist der Kläger dem Rahmenvertrag jedoch auch nicht konkludent beigetreten und muss diesen auch nicht aufgrund widersprüchlichen Verhaltens gegen sich gelten lassen.
61
Der Rahmenvertrag – Bayern selbst enthält keine Regelung hinsichtlich eines Beitritts der einzelnen Träger, auch die Satzung des Trägerverbandes des Klägers enthält keine Regelung in Bezug auf den Rahmenvertrag. Ebenso findet sich in der Satzung des Klägers selbst keine Regelung hierzu.
62
Entgegen der Ansicht der Beklagten und der Schiedsstelle kann auch nicht aus dem Beitritt des Klägers zur „Vereinbarung nach § 78e Abs. 3 SGB VIII über die Bildung von Kommissionen“ vom 1. Juli 1999 in der Fassung vom 1. Januar 2007 (im Folgenden: Vereinbarung nach § 78e SGB VIII) zwischen den Kommunalen Spitzenverbänden in Bayern und u.a. dem Spitzenverband des Klägers auf einen Beitritt des Klägers zu dem Rahmenvertrag – Bayern geschlossen werden.
63
Entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 1 der Vereinbarung nach § 78e SGB VIII treten die Träger von Einrichtungen, die Leistungen nach § 78a Abs. 1 SGB VIII erbringen, dieser Vereinbarung durch schriftliche Erklärung gegenüber ihrem jeweiligen Verband der Träger der freien Jugendhilfe oder der Vereinigung sonstiger Leistungserbringer bei. Weitere Voraussetzungen für den Beitritt finden sich in der Vereinbarung nach § 78e SGB VIII nicht.
64
Auch im Übrigen enthält die Vereinbarung nach § 78e SGB VIII keine Regelung in Bezug auf den Rahmenvertrag, die dessen zwingende Anwendung vorsieht. Auch die in § 4 Abs. 2 festgelegte Verpflichtung, für den Abschluss von Vereinbarungen nach § 78b Abs. 1 SGB VIII ein Angebot nach Formblatt mit weiteren Anlagen vorzulegen, kann nicht so weitgehend ausgelegt werden. Zwar handelt es sich bei diesem in Bezug genommenen Formblatt um Anlage 3 zu § 3 Abs. 1 des Rahmenvertrags – Bayern. Lediglich durch die verpflichtende Verwendung dieses Formulars kann jedoch ohne entsprechende ausdrückliche Erklärung auf dem Formular zum Beitritt zum Rahmenvertrag ein solcher nicht unterstellt werden. Vielmehr folgt aus dieser verpflichtenden Verwendung der Formulare, dass – entgegen der Annahme der Schiedsstelle – aus deren Verwendung gerade nicht auf einen konkludent erklärten Beitritt zum Rahmenvertrag bzw. ein widersprüchliches Verhalten geschlossen werden kann. Zwar kann die Verwendung von Formularen mit Verweisungen auf einen Rahmenvertrag ein Kriterium für die Auslegung des tatsächlichen Willens der Partei darstellen (vgl. BGH, U.v. 18.2.2021 – III ZR 175/19 – juris Rn. 28), allerdings nicht als ausschließliches Kriterium. Dies gilt insbesondere, da bereits in dem von dem Kläger gefertigten Angebot für die Beteiligten, entsprechend ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2023, eindeutig zum Ausdruck gebracht wurde, dass der Kläger gerade § 10 des Rahmenvertrags (mit der Berechnung der Personalkosten entsprechend dem TVöD) nicht zur Anwendung bringt, sondern seinem Angebot die Personalkosten nach dem für ihn geltenden Tarifvertrag AVR zu Grunde legt.
65
Auch aus der Bevollmächtigung des Trägerverbandes durch den Kläger zum Abschluss einer Vereinbarung nach § 78 Abs. 1 SGB VIII kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf einen Beitritt zum Rahmenvertrag – Bayern geschlossen werden. Eine entsprechende ausdrückliche Regelung enthält auch dieses Formular nicht. Zudem verkennt die Beklagte die rechtliche Position eines Bevollmächtigten, wenn sie davon ausgeht, dass der Trägerverband im Rahmen der Vertragsverhandlungen für den Kläger an den Rahmenvertrag gebunden sei und daher in einen unüberwindbaren Interessenskonflikt gelange. Denn der Trägerverband ist lediglich selbst als Vertragspartei an den Rahmenvertrag gebunden, nicht jedoch soweit er ausschließlich als Vertreter für einen Dritten in dessen Namen handelt (vgl. § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB).
66
Soweit die Beklagte argumentiert, dass der Rahmenvertrag – Bayern und die Vereinbarung nach § 78e SGB VIII miteinander „verflochten“ seien, sodass sie nur gemeinsam zur Anwendung kommen könnten, wäre es an den Vertragsparteien gewesen, dies entsprechend eindeutig in die Regelwerke aufzunehmen (vgl. z.B. die entsprechend eindeutige Formulierung in der Beitrittserklärung für den Abschluss von Vereinbarungen nach § 78b SGB VIII der Entgeltkommission Ostbayern – abrufbar unter https://www.regensburg.de/reko/termine-unterlagen/downloads). Eine solche Verbindung der Regelwerke mag sinnvoll und möglicherweise auch von den Vertragsparteien beabsichtigt gewesen sein, ist jedoch nicht zwingend. Zum einen können sowohl der Rahmenvertrag als auch die Vereinbarung nach § 78e SGB VIII nach den gesetzlichen Regelungen im SGB VIII unabhängig voneinander geschlossen werden, zum anderen zeigt auch die Änderung in § 2 Abs. 4 Satz 1 der Vereinbarung nach § 78e SGB VIII zum 1. Januar 2007 („Tritt ein Einrichtungsträger dieser Vereinbarung nicht nach Abs. 1 bei, gelten die jeweils zuständigen Geschäftsstellen der Regionalen Kommissionen von den beigetretenen Kommunen als bevollmächtigt, in deren Namen Angebote auf Vereinbarungen nach § 78a ff. SGB VIII entsprechend den Regelungen des Rahmenvertrags nach § 78f SGB VIII oder nach anderen Regelungen zu prüfen und Vereinbarungen nach § 78b SGB VIII abzuschließen.“), dass die Zuständigkeit zumindest der Geschäftsstelle der Entgeltkommission selbst für Fälle außerhalb der Vereinbarung nach § 78e SGB VIII und ohne Anwendung des Rahmenvertrags gegeben ist. Von einer konkludenten zwingenden Verknüpfung des Rahmenvertrags mit der Vereinbarung nach § 78e Abs. 3 SGB VIII kann daher nicht ausgegangen werden. Das (fehlerhafte) Übersehen einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung kann jedoch nicht zu Ungunsten des Klägers durch eine fingierte konkludente Erklärung ersetzt werden.
67
Schließlich kann auch der Regelung in § 5 der Geschäftsordnung der Entgeltkommission München für den Jugendhilfebereich (Stand 30.11.2018), wonach der Geschäftsstelle insbesondere die Aufgabe zukommt, Angebote auf der Grundlage der Rahmenverträge entgegenzunehmen und zu überprüfen, keine solche Wirkung zukommen. Vielmehr dürfte sich aus dieser Regelung ausschließlich ergeben, dass im vorliegenden Verfahren die Geschäftsstelle der Entgeltkommission außerhalb ihres internen Zuständigkeitsbereichs tätig wurde, da gerade kein Angebot auf der Grundlage des Rahmenvertrages, sondern nur unter Verwendung der entsprechenden Formulare vorgelegt wurde.
68
Zudem ist für ein Verfahren vor der Schiedsstelle, welches als Voraussetzung ausschließlich die gescheiterten Verhandlungen zu einer Vereinbarung nach § 78b SGB VIII innerhalb von sechs Wochen hat, weder zwingend der Beitritt zu einem bestehenden Rahmenvertrag (§ 78e SGB VIII), noch zwingend die Einbindung der Regionalen Entgeltkommission (§ 78f SGB VIII) erforderlich. Vielmehr dienen diese beiden Möglichkeiten der Zweckmäßigkeit und rechtlichen Grundlage für die geübte Praxis (BT-Drs. 13/10330, S. 18) und damit der wesentlichen Beschleunigung und Vereinfachung der Vertragsverhandlungen. Sofern – wie vorliegend durch den Kläger – diese Vereinfachung nicht in Anspruch genommen wird, hat er das Risiko von erheblichen zeitlichen Verzögerungen, insbesondere auch durch erforderliche gerichtliche Klärungen hinsichtlich der (möglicherweise grundsätzlichen) Festsetzungen im Schiedsbeschluss, in Kauf zu nehmen. Entgegen der mehrfach wiederholten Ansicht der Beklagten sind diese Festsetzungen hingegen nicht dem Rahmenvertrag und den diesen schließenden Vertragsparteien vorbehalten. Sofern vielmehr dem Rahmenvertrag mangels entsprechender Regelungen keine hinreichende Anerkennung und Steuerungsfunktion durch die Einrichtungsträger (mehr) zukommt und daher den Angeboten nicht mehr zu Grunde gelegt wird, obliegt es der Schiedsstelle als deren Hauptaufgabe (so bereits BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 – juris Rn. 24), innerhalb ihrer Einschätzungsprärogative – unter Berücksichtigung der besonderen Mitwirkungspflichten der Parteien (vgl. BSG, U.v. 7.10.2015 – B 8 SO 21/14 R – juris Rn. 20 m.w.N) – ggf. erstmalig entsprechende Festsetzungen vorzunehmen.
69
2.3) Eine Entscheidung des Gerichts hinsichtlich der durch den Kläger umfangreich geltend gemachten Rechtswidrigkeit des Rahmenvertrags in Bezug auf die Regelung in dessen § 10 kann mangels Anwendbarkeit des Rahmenvertrags auf den vorliegenden Fall unterbleiben.
70
3) Die Festlegungen der Schiedsstelle hinsichtlich der Kostenpunkte 3.1, 3.2 und 3.3 sind auf Grund der Anwendung des Rahmenvertrags rechtswidrig, so dass die Entgeltfestsetzung im Ganzen aufzuheben ist und es der Schiedsstelle obliegt, die Personalkosten und darauf beruhend das Gesamtentgelt neu festzusetzen.
71
Insoweit besteht jedoch – wie offenbar von dem Kläger angenommen (vgl. Schriftsatz vom 10. Januar 2023, S. 14) – kein zwingender Anspruch, die Personalkosten des Klägers nach dem AVR ungeprüft anzusetzen. Eine obergerichtliche Rechtsprechung in Bezug auf den Personalkostenansatz im Kinder- und Jugendhilferecht existiert nicht. Die Schiedsstelle wird daher zunächst zu entscheiden haben, ob und in welchem Umfang sie die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anwendet, welche in ständiger Rechtsprechung sowohl zum SGB XI (vgl. BSG, U.v. 16.5.2013 – B 3 P 2/12 R – juris Rn. 20 ff.), als auch zum SGB XII (vgl. BSG, U.v. 7.10.2015 – B 8 SO 21/14 R – juris Rn. 18 ff.), davon ausgeht, dass die Bezahlung von tariflichen Entgelten grundsätzlich immer als wirtschaftlich angemessen zu werten ist, den Grundsätzen der wirtschaftlichen Betriebsführung entspricht und nur in Ausnahmefällen eine Kürzung erfahren darf.
72
E) Auf Grund der erforderlichen Neubewertung muss die Schiedsstelle abschließend zwingend anhand des sich aus den einzelnen Kostenpunkten ergebenden Gesamtentgelts einen externen Vergleich durchführen. Die Entgeltfestsetzung des Schiedsbeschlusses unter Ziffer 3 ist daher vollständig aufzuheben und eine Aufhebung lediglich der im vorliegenden Verfahren ausschließlich streitgegenständlichen Kostenpunkte unter Ziffer 3.1 bis 3.3 – wie im Hauptantrag beantragt – nicht möglich.
73
Soweit einzelne Kostenpunkte von den Parteien jedoch nicht gerichtlich erfolgreich angegriffen wurden (vorliegend auch unter Berücksichtigung des Klageverfahrens M 18 K 22.3408 folglich lediglich die Ziffern 4.4, 3.5 und 3.6) gelten diese zwischen den Parteien als vereinbart und hat die Schiedsstelle diese Bestandteile ihrer neuerlichen Entscheidung auf Grund der Dispositionsmaxime der Parteien zu Grunde zu legen (vgl. Mälzer, zur Amtsermittlung in der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI, SGb 2023, 282 ff, Punkt VI.1).
74
Die Schiedsstelle hat im vorliegenden Verfahren unter Punkt 3 der Begründung (Seite 33 f.) unter Bezugnahme auf die „ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts“ einen externen Vergleich des sich aus den einzelnen festgesetzten Entgeltpunkten ergebenden Entgelts durchgeführt und abschließend festgestellt, dass das Entgelt in angemessener Relation zu den Sätzen anderer Jugendhäuser im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten stehe.
75
Das Gericht folgt der Ansicht der Schiedsstelle, dass hinsichtlich der abschließenden Prüfung der Leistungsgerechtigkeit bei der Entgeltfestsetzung durch die Schiedsstelle ein externer Vergleich durchzuführen ist.
76
Zwar ging das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 1. Dezember 1998 (Az. 5 C 17/97 – juris Rn. 25) zu § 93 BSHG noch davon aus, dass die Definition und Ausfüllung der Begriffe „Wirtschaftlichkeit“, „Sparsamkeit“ und „Leistungsfähigkeit“ durch die Schiedsstelle notwendig einen Vergleich voraussetze und dabei entweder ein externer oder ein interner Vergleich in Betracht käme. In seinem Beschluss vom 8. Februar 2008 (Az. 5 B 6/08 – juris Rn. 2), ebenfalls noch zu § 93 BSHG, hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass in seiner Rechtsprechung geklärt sei, dass bei der Ermittlung einer leistungsgerechten Vergütung, welche den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspricht, grundsätzlich und vorrangig auf einen Vergleich der Entgelte verschiedener Einrichtungen für vergleichbare Leistungen („externer Vergleich“) abzustellen sei und etwas anderes nur gelte, wenn ein Marktpreis nicht ermittelt werden könne, etwa, weil es wegen Besonderheiten der Einrichtung nicht möglich sei, eine ausreichend große Zahl vergleichbarer Angebote zu erhalten.
77
Das Gericht sieht daher für die streitgegenständliche Entgeltfestsetzung bereits auf Grund dieser Rechtsprechung die Durchführung eines externen Vergleichs hinsichtlich des Gesamtentgelts als zwingend an, auch wenn eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage der Notwendigkeit eines externen Vergleichs für Entgeltfestsetzungen im Kinder- und Jugendhilferecht seither nicht ergangen bzw. zumindest dem Gericht nicht bekannt ist. Dem Gericht liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass für die streitgegenständliche Einrichtung ein externer Vergleich mangels vergleichbarer Einrichtungen gänzlich ausscheidet. Auch die Schiedsstelle geht erkennbar hiervon nicht aus. Soweit die Beklagte lediglich allgemein ausführt, dass in der Kinder- und Jugendhilfe ein solcher Vergleich vielfach nicht möglich sei, reicht dies für ein Bestreiten nicht. Vielmehr ist im Rahmen des externen Vergleichs eine Durchschnitts- und Bandbreitenbetrachtung zulässig (BSG, U.v. 29.1.2009 – B 3 P 7/08 R – juris Rn. 37, 40; BayVGH, B.v. 29.6.2015 – 12 ZB 15.1198 – unveröffentlicht Rn. 25 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 – juris Rn. 25; siehe zu möglichen Kriterien: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, SGB VIII § 78b Rn. 18, beck-online).
78
Zudem kann ergänzend zum Erfordernis eines externen Vergleichs die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu vergleichbaren Entgeltregelungen herangezogen werden, sofern diese Entscheidungen in ihrer Begründung maßgeblich aus den „Grundsätzen zum leistungsgerechten Entgeltsystem nach § 93 BSHG“ entwickelt wurden. Denn aus der Historie der verschiedenen Gesetzesentwicklungen und den jeweils erfolgten Gesetzesbegründungen hierzu (vgl. BayVGH, B.v. 19.6.2018 – 12 C 18.314 – juris Rn. 8), ergibt sich, dass die im Laufe der Zeit von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts herausgearbeiteten Grundsätze zur Entgeltvereinbarung auch auf die Entgeltvereinbarungen im Kinder- und Jugendhilferecht Anwendung finden. Wie bereits ausgeführt, erfolgte mit dem Inkrafttreten der Änderung des § 93 Abs. 3 BSHG zum 1. Januar 1994 die Abkehr vom Selbstkostendeckungssystem und die Einführung des prospektiven Entgeltsystems mit der Festlegung des leistungsgerechten Entgelts (§ 78c Abs. 2 Satz 1 SGB VIII).
79
In der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts zum SGB XI ist geklärt, dass das Wettbewerbskonzept maßgeblich das prospektive Entgeltsystem präge, welches seit der Urfassung des § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XI gelte und sich im Wesentlichen an der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 93 Abs. 3 BSHG zum 1. Januar 1994 orientiere (vgl. BSG, U.v. 16.5.2013 – B 3 P 2/12 R – juris Rn. 19) und dass daher grundsätzlich zur Feststellung der Leistungsgerechtigkeit des Entgelts ein externer Vergleich vorzunehmen ist. Denn auch nachvollziehbare prognostische Gestehungskosten würden den geltend gemachten Vergütungsanspruch nur rechtfertigen, sofern dieser dem Vergütungsvergleich mit anderen Einrichtungen standhält und sich damit als leistungsgerecht erweist (BSG, U.v. 29.1.2009 – B 3 P 7/08 R – juris Rn. 28).
80
Dieser Auffassung schloss sich der 8. Senat des Bundessozialgerichts für Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB XII (ebenfalls unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Dezember 1998 – 5 C 17/97) an und stellte zudem fest, dass die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit einen Vergleich mit anderen Leistungserbringern auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung verlangen würden (grundlegend: BSG, U.v. 7.10.2015 – B 8 SO 21/14 R – juris Rn. 16; zuletzt U.v. 8.12.2022 – B 8 SO 8/20 R – juris Rn. 17). Soweit der Bevollmächtigte des Klägers hingegen im Schriftsatz vom 18. April 2023 unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. April 2018 (B 8 SO 26/16 R) ausführt, dass ein externer Vergleich nicht zwingend sei, verkennt er, dass diese Entscheidung ausdrücklich zu ambulanten Diensten und gerade in Abgrenzung zu den Vorgaben für stationäre Dienste ergangen ist.
81
Allerdings legt der 3. Senat des Bundessozialgerichts für das SGB XI in ständiger Rechtsprechung fest, dass zunächst in einem ersten Prüfungsschritt die Plausibilität der einzelnen Kostenpunkte festzustellen ist und in einem zweiten Prüfungsschritt ein Vergütungsvergleich mit anderen Einrichtungen („externer Vergleich“) anhand von – durch den 3. Senat entwickelten – Fallgruppen zu erfolgen hat (grundlegend: BSG, U.v. 29.1.2009 – B 3 P 7/08 R – juris; zuletzt U.v. 26.9.2019 – B 3 P 1/18 R – juris Rn. 27), während der 8. Senat für stationäre Einrichtungen nach dem SGB VII im Hinblick auf die anders geartete Struktur des SGB XII und die geringere Normdichte, insbesondere die fehlenden ausdrücklichen Regelungen über die Mitwirkungspflichten im Schiedsstellenverfahren keine Veranlassung sah, die Rechtsprechung des 3. Senats in der Form zu übertragen, dass die Schiedsstelle zu einem entsprechenden Vorgehen vollumfänglich und in jedem Fall gezwungen wäre (grundlegend: BSG, U.v. 7.10.2015 – B 8 SO 21/14 R – juris Rn. 16; zuletzt U.v. 8.12.2022 – B 8 SO 8/20 R – juris Rn. 17 zu § 75 SGB XII i.d.F. bis zum 31.12.2019). Mit der Änderung des § 75 SGB XII zum 1. Januar 2020 und der gesetzlichen Festlegung des Erfordernisses eines externen Vergleichs und der entsprechenden Anwendung der durch den 3. Senat des Bundessozialgerichts entwickelten Fallgruppen ist in Zukunft selbst insoweit von einer einheitlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum externen Vergleich auszugehen.
82
Da die im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Regelungen in den §§ 78a ff. SGB VIII ebenfalls auf der Einführung des prospektiven Entgeltsystems beruhen und der Gesetzgeber sich hierzu maßgeblich an dem Vorbild der Pflegeversicherung sowie des BSHG orientiert hat (BT-Drs. 13/1033, S. 16 ff.), ist das Gericht somit auch bei ergänzender Heranziehung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Überzeugung, dass auch für die Festsetzung von Entgelten durch die Schiedsstelle nach § 78g SGB VIII zwingend ein externer Vergleich zu erfolgen hat.
83
Zudem ist davon auszugehen, dass der externe Vergleich anhand des Gesamtentgelts zu erfolgen hat und nicht in Bezug auf einzelne Kostenbestandteile (vgl. auch: Jaritz/Eicher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl, § 77 SGB XII (Stand: 11.08.2017), Rn. 68; § 76 Rn. 106; Mälzer, zur Amtsermittlung in der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI, SGb 2023, 282 ff.). Denn aus der Begründung für das Erfordernis des externen Vergleichs ergibt sich, dass das „Entgelt“ insgesamt leistungsgerecht im Vergleich mit anderen Einrichtungen sein muss. Ein externer Vergleich lediglich in Bezug auf einzelne Kostenpunkte kann dies jedoch nicht gewährleisten. Das Wettbewerbsprinzip soll einen Anreiz für eine wirtschaftliche Betriebsführung bieten (so bereits die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 93 Abs. 3 BSHG, BT-Drs. 12/5510 S. 10 ff). Hierzu ist die unternehmerische Freiheit erforderlich, hinsichtlich der einzelnen Kostenfaktoren unterschiedlich zu kalkulieren. Der Ansatz dieser einzelnen Kostenfaktoren ist in einem ersten Schritt durch die Schiedsstelle auf Plausibilität zu prüfen (BSG, U.v. 29.1.2009 – B 3 7/08 R – juris), während es im Rahmen des externen Vergleichs in der Gesamtbewertung entscheidend darauf an kommt, ob der von der Einrichtung geforderte Vergütungssatz im Vergleich mit günstigeren Pflegesätzen und Entgelten anderer Einrichtungen im Hinblick auf die Leistungen der Einrichtung und die Gründe für ihren ggf. höheren Kostenaufwand insgesamt angemessen und deshalb als leistungsgerecht anzusehen sind (BSG, U.v. 16.5.2013 – B 3 P 2/12 R – juris Rn. 23). Dementsprechend kann die Schiedsstelle sogar ggf. einzelne Positionen der Kalkulationsgrundlage offen lassen und – entsprechend begründet – einen ihrer fachlichen Einschätzung nach leistungsgerechten Gesamtbetrag festsetzen (BVerwG, U.v. 25.10.2018 – 3 C 22/16 zu Entgeltfestsetzung nach dem KHEntgG – juris Rn. 29).
84
Daher konnte vorliegend die im Hauptantrag begehrte ausschließliche Aufhebung der Kostenpunkte unter Ziffer 3.1 bis 3.3 des Schiedsbeschlusses nicht erfolgen, sondern war die gesamte Entgeltfestsetzung aufzuheben.
85
Inwieweit hinsichtlich der Plausibilitätsprüfung einzelner Entgeltbestandteile ein externer Vergleich herangezogen werden kann (bejahend BayVGH, B.v. 29.6.2015 – 12 ZB 15.1198 – Rn. 9 unveröffentlicht; offen gelassen BSG, U.v. 7.10.2015 – B 8 SO 21/14 R – juris Rn. 23) kann hingegen im vorliegenden Verfahren offenbleiben, da die Schiedsstelle dieses Verfahren vorliegend nicht gewählt hat.
86
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
87
Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 188 Satz 2 VwGO (HessVGH, B.v. 22.9.2020 – 10 B 1978/20 – juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 6.4.2001 – 12 B 00.2019 – juris Rn. 89; a.A. VG Schwerin, U.v. 18.4.2018 – 6 A 1837/15 SN – juris Rn. 74 f.).
88
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.
89
Die Berufung war gemäß § 124a i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO zuzulassen.
90
Die Rechtssache weist aufgrund fehlender obergerichtlicher Rechtsprechung zum Kinder- und Jugendhilferecht besondere rechtliche Schwierigkeiten auf und hat zudem grundsätzliche Bedeutung.