Titel:
Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, Anordnungen nach dem PfleWoqG, Regelung der Reaktionszeit auf Rufsignale, Bestimmtheitsgebot, Begriff der Unverzüglichkeit
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
PfleWoqG Art. 13
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
GKG § 52 Abs. 2
Schlagworte:
Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, Anordnungen nach dem PfleWoqG, Regelung der Reaktionszeit auf Rufsignale, Bestimmtheitsgebot, Begriff der Unverzüglichkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 17132
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10. Februar 2023 wird angeordnet.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin, T. … e. … S. … in E. …, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen zwangsgeldbewehrte Anordnungen des Antragsgegners, welche den Umgang mit Rufsignalen in dieser Einrichtung einschließlich diesbezüglicher Nachweispflichten regeln.
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Aufgrund einer Beschwerde bei der Heimaufsicht führte der Antragsgegner am 18. November 2021 eine anlassbezogene Begehung und Prüfung in dem S. … E. …, A. K. …, … E. …, durch. Das Seniorenzentrum ist stationäre Einrichtung für ältere Menschen, stationäre Pflegeeinrichtung, stationäre Einrichtung für Menschen mit Demenz und stationäre Kurzzeitpflegeeinrichtung für alte Menschen und Menschen mit Behinderung. Die Antragstellerin ist Trägerin dieser Einrichtung.
3
In seinem „Prüfbericht gemäß PfleWoqG und Anhörung“ vom 28. Juni 2022 machte der Antragsgegner unter anderem Ausführungen zur Rufanlage im S. … E. … Insbesondere erläuterte er – basierend auf einer Demonstration in einem bewohnten Bewohnerzimmer während der Prüfung am 18. November 2021 – die Funktionsweise der Anlage und den Ablauf nach Auslösen eines Rufsignals und dessen Eingang beim Pflegepersonal. Hierzu wird in dem Bericht ausgeführt, dass dann, wenn ein Alarm ausgelöst werde, außen neben der Zimmertür ein Licht aufleuchte und die Pflegekraft über ein von ihr mitgeführtes Telefon unter Mitteilung von Bewohnername und Zimmernummer alarmiert werde. Komme die Pflegekraft und stecke einen Schlüssel im Telefon ein, werde die Anwesenheit der Pflegekraft registriert. Nach Verrichtung der Pflegetätigkeit werde der Schlüssel wieder gezogen. Unter V.1 „Qualitätsbereich: Wohnqualität, Angemessene Versorgung“ stellte der Antragsgegner gestützt auf eine Auswertung der – dem Gericht nicht vorliegenden – Alarmhistorie der Einrichtung von November 2021 in dem Prüfbericht zudem fest, dass Bewohner regelmäßig erst lange nach Absetzen eines Klingelrufs aufgesucht und versorgt würden. Dies ordnete der Antragsgegner als erheblichen Mangel ein und sprach unter V.1.3. Empfehlungen zur Abstellung des Mangels aus.
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Mit Stellungnahme vom 14. Juli 2022 teilte die Antragstellerin unter anderem mit, dass es eine interne Anordnung gebe, dass bei Absetzen eines Klingelrufs unverzüglich (ca. fünf Minuten) von den Pflegekräften reagiert werden müsse. Die sich aus den Klingelprotokollen ergebenden langen Reaktionszeiten könnten nur so erklärt werden, dass die Pflegekraft zwar innerhalb kurzer Zeit vor Ort gewesen sei, aber „vergessen“ habe, die Rufglocke abzustellen und erst den Bewohner versorgt habe. Es werde regelmäßig darauf hingewiesen und überprüft, dass nach Absetzen eines Klingelrufs sofort reagiert werde. Mit Schreiben vom 5. August 2022 konkretisierte die Antragstellerin dies dahin, dass die Anordnung über den Umgang mit Rufsignalen mündlich erfolgt sei.
5
Ausweislich seines Schreibens an die Antragstellerin vom 25. November 2022 stellte der Antragsgegner bei einer Überprüfung von – dem Gericht nicht vorliegenden – Rufprotokollen für den Zeitraum vom 24. Oktober 2022 bis 7. November 2022 erneut längere Wartezeiten nach Auslösung eines Rufsignals fest. In ihrer Stellungnahme vom 6. Dezember 2022 zu diesem Sachverhalt wies die Antragstellerin unter anderem auf technische Störungen der Anlage hin sowie darauf, dass mit bestimmten, namentlich nicht genannten Bewohnern vereinbart sei, dass diese einen Klingelton absetzten, um den Pflegekräften zu signalisieren, dass sie jetzt wach seien und versorgt werden wollten.
6
Anlässlich einer anonymen Beschwerde bei der Anlaufstelle „Pflege-SOS Bayern“ führte der Antragsgegner am 8. Dezember 2022 erneut eine anlassbezogene Begehung und Prüfung im S. … E. … durch. Zudem legte die Antragstellerin dem Antragsgegner die Rufglockenprotokolle der Einrichtung vom 25. November 2022 bis 8. Dezember 2022 zur Prüfung vor.
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Mit Schreiben vom 27. Dezember 2022 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin das Ergebnis der Auswertung der Protokolle für den Zeitraum 26. November 2022 bis 8. Dezember 2022 mit, bemängelte die festgestellten Reaktionszeiten auf Rufsignale und gab der Antragstellerin Gelegenheit, zu einer beabsichtigten Anordnung über den Umgang mit Rufsignalen einschließlich diesbezüglicher Nachweispflichten und einer etwaigen Zwangsgeldandrohung Stellung zu nehmen.
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Daraufhin teilte die Antragstellerin mit Schreiben vom 10. Januar 2023 mit, dass die Rufanlage am 8. November 2022 gewartet worden sei. Als Nachweis der Reaktionszeiten könnten bei Bedarf wöchentlich bis spätestens Freitag die Rufglockenprotokolle für alle Bewohner und Bewohnerinnen zur Verfügung gestellt werden. Ferner legte die Antragstellerin am 30. Januar 2023 die Rufprotokolle der Einrichtung für den Zeitraum 15. Januar 2023 bis 30. Januar 2023 vor.
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Mit Bescheid vom 10. Februar 2023 verpflichtete der Antragsgegner die Antragstellerin dazu, sicherzustellen, dass das Pflege- und Betreuungspersonal sowohl zur Tages- als auch zur Nachtzeit unverzüglich auf Klingelrufe der Rufanlage reagiere (Ziffer 1 des Bescheids). Der Nachweis hierüber sei im Zwei-Wochen-Takt durch Vorlage des Rufglockenprotokolls über einen Zeitraum von zwei Wochen für alle Bewohnerinnen und Bewohner bis spätestens Mittwoch, erstmals am 8. März 2023 für den Zeitraum vom 20. Februar 2023 bis 5. März 2023, vorzulegen (Ziffer 2 des Bescheids). Diese Vorlagepflicht ende, sobald die unter Ziffer 1 genannte Verpflichtung des Trägers wieder erfüllt und nachgewiesen sei (Ziffer 3 des Bescheids). Ziffer 4 des Bescheids enthält Zwangsgeldandrohungen. Die Ziffern 5 und 6 des Bescheids enthalten die Kostenentscheidung und die Gebührenfestsetzung.
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Mit „Prüfbericht gemäß PfleWoqG und Anhörung“ vom 21. Februar 2023 zur Begehung am 8. Dezember 2022 stellte der Antragsgegner unter V.3 im Bereich „Pflege und Dokumentation“ – gestützt auf nicht dokumentierte Bewohnergespräche und eine Auswertung der Rufglockenprotokolle des Zeitraums 26. November 2022 bis 8. Dezember 2022 sowie des Zeitraums 17. Januar 2023 bis 30. Januar 2023 – zu lange Reaktionszeiten des Pflegepersonals auf Klingelrufe als erheblichen Mangel fest. Nach Stellungnahme der Antragstellerin vom 7. März 2023 erging am 13. März 2023 ein im Wesentlichen mit dem Bericht vom 21. Februar 2023 inhaltsgleicher Prüfbericht des Antragsgegners.
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Mit Schreiben vom 2. März 2023 erhob die Antragstellerin am 3. März 2023 Widerspruch und beantragte beim Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 10. Februar 2023.
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Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 13. März 2023 ab. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden worden.
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Am 23. März 2023 hat die Antragstellerin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg gestellt.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10. Februar 2023 wird angeordnet.
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Die Antragstellerin meint, der Bescheid vom 10. Februar 2023 sei rechtswidrig. Mit Blick auf die Verwendung des Begriffs „unverzüglich“ seien Ziffer 1 und Ziffer 3 des Bescheids zu unbestimmt. Außerdem liege kein Mangel im Sinne von Art. 13 PfleWoqG vor, was Voraussetzung für den Erlass von Anordnungen im Sinne dieser Vorschrift wäre. Es gebe keine verbindlichen Normen, Richtlinien o.Ä. über die Reaktionsdauer auf Klingelrufe. Zudem könne ein Mangel nicht allein aus Rufglockenprotokollen abgeleitet werden, welche lediglich den Zeitraum zwischen Rufeingang und Abstellung des Rufs wiedergäben, ohne jedoch Auskunft darüber zu geben, ob und wann eine pflegerische Tätigkeit erfolgte. Aufgrund ihrer Kenntnis der Bewohner könnten die Pflegekräfte einschätzen, in welchen Fällen nicht binnen weniger Minuten auf ein Rufsignal reagiert werden müsse. Dies gelte umso mehr, wenn die Pflegekraft kurz vor dem Rufsignal noch bei dem auslösenden Bewohner gewesen sei und dessen aktuelle Tagesform kenne. Im Zeitraum 17. Januar 2023 bis 30. Januar 2023 sei in 88,23% der Fälle eine Reaktionszeit von 10 Minuten eingehalten worden. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Gefährdung für Bewohner der Einrichtung bestanden. Dies stelle die Antragstellerin durch verschiedene Maßnahmen wie eine engmaschige Anwesenheit und Zuwendung des Pflegepersonals zu Bewohnern mit Risikopotential sicher, womit Notfällen wesentlich besser adäquat begegnet werde als mit dem formalen Kriterium der Zeiträume zwischen Beginn und Ende von Rufsignalen.
16
Hinsichtlich der Verpflichtung zur Vorlage von Protokollen (Ziffer 2 des Bescheids) führt die Antragstellerin aus, dass keine gesetzliche Verpflichtung zur Protokollierung der Rufsignale und zur Vorlage aufbereiteter Protokolle bestehe. Unterlagen, welche die Antragstellerin nicht zu führen verpflichtet sei, müsse sie auch nicht vorlegen. Zudem entstehe ihr durch die Aufbereitung der Protokolle ein unverhältnismäßiger Aufwand.
17
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Ausführungen in den Bescheiden vom 10. Februar 2023 und vom 13. März 2023. Ergänzend erläutert er sein Verständnis des Begriffs „unverzüglich“ und stellt klar, dass er keine Aufbereitung der Rufglockenprotokolle vor deren Vorlage angeordnet habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
20
Der Antrag ist zulässig. Er ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10. Februar 2023 statthaft. Der fristgerecht (§ 70 Abs. 1 VwGO) erhobene Widerspruch der Antragstellerin gegen die Ziffern 1 bis 4 des Bescheids vom 10. Februar 2023 hat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 13 Abs. 5 PfleWoqG und Art. 21a Satz 1 VwZVG keine aufschiebende Wirkung. Dies gilt auch hinsichtlich der Ziffern 5 und 6 des Bescheids vom 10. Februar 2023, unabhängig davon, ob man davon ausgeht, dass die darin enthaltenen Regelungen als Nebenentscheidungen zu der Sachentscheidung an deren rechtlichem Schicksal teilnehmen und sich die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Nebenentscheidungen nach der Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Sachentscheidung richtet, oder ob man mit Blick auf die spätestens mit Kostenrechnung vom 13. Februar 2023 bereits erfolgte Anforderung der festgesetzten Gebühren § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO für anwendbar hält (vgl. hierzu z.B. Gersdorf in BeckOK VwGO, Stand 1.7.2021, § 80 Rn. 54; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 31 jeweils m.w.N.). Nachdem der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht fristgebunden ist, konnte der Antrag zudem unabhängig von dem Zeitablauf seit Bekanntgabe der Bescheide vom 10. Februar 2023 und vom 13. März 2023 bis zur noch nicht eingetretenen Bestandskraft des Bescheids vom 10. Februar 2023 gestellt werden.
21
Die Antragstellerin hat vor Einleitung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO bei der Ausgangsbehörde gestellt, welcher abgelehnt worden ist. Inwieweit eine vorherige Ablehnung eines Aussetzungsantrags durch die Behörde, welche nur in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO grundsätzlich vorgeschrieben ist (§ 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO), im streitgegenständlichen Fall Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist, kann daher dahinstehen.
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Der Antrag ist auch begründet. Nach der im Verfahren auf Gewährung von Eilrechtsschutz allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage überwiegt das private Interesse der Antragstellerin, zunächst vom Vollzug der angeordneten Maßnahmen verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung.
23
Die Abwägung des privaten Aussetzungsinteresses eines Antragstellers mit dem öffentlichen Vollzugsinteresse richtet sich in erster Linie nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache, also insbesondere danach, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Im streitgegenständlichen Fall hat der Rechtsbehelf in der Hauptsache, der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10. Februar 2023, überwiegende Erfolgsaussichten (vgl. zum Prüfungsmaßstab im Widerspruchsverfahren § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denn der Bescheid erscheint rechtswidrig. An der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kann indes kein öffentliches Interesse bestehen.
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Der Bescheid vom 10. Februar 2023 erweist sich als rechtswidrig, weil Ziffer 1 des Bescheids nicht dem Bestimmtheitsgebot (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) genügt. Damit stellen sich auch die übrigen Ziffern des Bescheids, welche an die Regelung in Ziffer 1 anknüpfen, als rechtswidrig dar.
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Das Bestimmtheitsgebot in Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG bedeutet zum einen, dass der Adressat des Verwaltungsakts in der Lage sein muss, das von ihm Geforderte zu erkennen. Zum anderen muss der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden. Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist dabei durch Auslegung aus der Sicht eines objektiven Empfängers zu bestimmen, ausgehend von den verfügenden Teilen des Bescheids, seiner Begründung und erforderlichenfalls weiteren Begleitumständen (BVerwG, B.v. 8.11.2016 – 3 B 11.16 – juris Rn. 36; B.v. 22.2.2018 – 9 B 26.17 – BeckRS 2018, 3987 Rn. 6; HessVGH, U.v. 1.9.1994 – 3 UE 154/90 – BeckRS 1994, 11113 Rn. 28); auch ist eine etwaige Sachkunde des adressierten Fachkreises zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 26.10.2017 – 8 C 18.16 – juris Rn. 14; OVG Niedersachsen, B.v. 4.9.2018 – 10 LA 45/18 – BeckRS 2018, 22205 Rn. 12). Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (BVerwG, U.v. 15.2.1990 – 4 C 41/87 – NVwZ 1990, 658, 659; U.v. 20.4.2005 – 4 C 18/03 – NVwZ 2005, 933, 938). Davon ist auch abhängig, ob bei der Anordnung eines Gebots die Auswahl des konkreten Mittels zur Erreichung des Ziels im Hinblick auf die Bestimmtheit des Verwaltungsakts offengelassen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 25.02.1992 – 1 C 7.90 – juris Rn. 12; B.v. 8.11.2016 – 3 B 11.16 – juris Rn. 36). Dementsprechend kann es ausreichend sein, dass in dem Verwaltungsakt nur das Ziel festlegt und hinsichtlich der einzusetzenden Mittel dem Adressaten die Wahl gelassen wird (OVG Niedersachsen, B.v. 4.9.2018 – 10 LA 45/18 – BeckRS 2018, 22205 Rn. 12). Eine solche Beschränkung auf eine Zielvorgabe kann aus Gründen der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall sogar geboten sein, weil sie dem Adressaten eine größere Freiheit lässt und deshalb weniger einschneidend ist als die Festlegung des Adressaten auf eine konkrete Handlungsalternative (HessVGH, U.v. 1.9.1994 – 3 UE 154/90 – BeckRS 1994, 11113 Rn. 31; OVG NRW, B.v. 6.11.2008 – 13 B 1461/08 – NVwZ 2009, 925, 926; Tiedemann in BeckOK VwVfG, 59. Ed. Stand 1.4.2023, § 37 Rn. 23).
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Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist Ziffer 1 des Bescheids vom 10. Februar 2023 nicht hinreichend bestimmt. Ihr Regelungsinhalt ist zusammen mit der Begründung und den sonstigen Umständen nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht so vollständig, klar und unzweideutig, dass die Antragstellerin ihr Verhalten danach richten könnte.
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Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass es der Antragstellerin als Bescheidadressatin und Einrichtungsträgerin überlassen wird, zu bestimmen, wie sie die Einhaltung einer unverzüglichen Reaktion auf Rufsignale durch das Pflegepersonal sicherstellen will. Mit Blick auf die Regelungsstruktur des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erscheint es ausreichend, dass in dem Verwaltungsakt nur das Ziel festlegt und hinsichtlich der einzusetzenden Mittel dem Adressaten die Wahl gelassen wird. Damit wird der gesetzlich gewährleisteten unternehmerischen Eigenverantwortung (Art. 1 Abs. 2 PfleWoqG) Rechnung getragen. Anordnungen nach Art. 13 Abs. 1 oder 2 PfleWoqG begründen in der Regel eine einrichtungsbezogene Verhaltenspflicht des Trägers der stationären Einrichtung mit dem Ziel und Inhalt, die gesetzlichen Anforderungen des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes zu verwirklichen. Adressat ist derjenige, der zur Zeit des Erlasses der Anordnung Träger der Einrichtung ist, auf die sich die Anordnung bezieht. Dieser soll die – nach Art. 1 Abs. 2 PfleWoqG grundsätzlich seiner unternehmerischen Eigenverantwortung anheimgegebenen – Maßnahmen ergreifen oder veranlassen, die erforderlich sind, damit die Unterbringung und Behandlung von Menschen in stationären Einrichtungen dem geltenden Pflege- und Wohnqualitätsgesetz entspricht, und Maßnahmen unterlassen, die dem entgegenlaufen würden.
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Allerdings ist das Ziel, welches der Antragstellerin mit Ziffer 1 des Bescheids vom 10. Februar 2023 vorgegeben werden soll, nicht hinreichend bestimmt bezeichnet. Zwar ergibt sich aus dem Tenor der Ziffer 1 zusammen mit der Begründung, dass die Anordnung in Ziffer 1 darauf zielt, dass das Pflegepersonal innerhalb einer bestimmten Frist auf Rufsignale reagiert. Auch ist es mit dem Bestimmtheitsgebot (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) vereinbar, dass nicht unmittelbar im Tenor der Ziffer 1 konkretisiert wird, wie auf die Rufsignale zu reagieren ist, d.h. welche konkrete Reaktion erfolgen soll. Denn unter Berücksichtigung der Begründung des Bescheids wird dennoch deutlich, dass mit „reagieren“ eine Nachschau durch das Pflegepersonal am Ausgangsort des Signals gemeint ist: Das Pflegepersonal soll bei Eingang eines Rufsignals dessen Ursache durch Aufsuchen des Ausgangsorts des Rufsignals prüfen, um sodann die ggf. notwendigen Maßnahmen einleiten zu können. Dies geht aus einer Gesamtschau der Ausführungen in dem Bescheid vom 10. Februar 2023 hervor. So heißt es auf Seite 5 des Bescheids, wenn die Rufglocke betätigt werde, habe das Personal unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, nach der betreffenden Person bzw. dem Ort, an welchem das Rufsignal ausgelöst worden sei, zu sehen. Es müsse unverzüglich eine erste Überprüfung nach Betätigung der Rufglocken erfolgen. Dies ermögliche die zum betreffenden Zeitpunkt anstehenden Arbeiten nach Dringlichkeit einzuordnen und die pflegerische Versorgung entsprechend einleiten und sicherstellen zu können.
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Unklar ist hingegen, innerhalb welches Zeitraums die so verstandene Reaktion zu erfolgen hat. Ziffer 1 des Bescheids fordert ihrem Wortlaut nach eine „unverzügliche“ Reaktion. Dieser Begriff ist als unbestimmter Rechtsbegriff auslegungsbedürftig.
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In der Begründung des Bescheids bezeichnet der Antragsgegner eine „unverzügliche“ Handlung – wohl in Anlehnung an die gesetzliche Definition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB – als eine „ohne schuldhaftes Zögern“ erfolgende Handlung. Diese Umschreibung bedarf wiederum ihrerseits einer (wertenden) Auslegung. Aus ihr folgt jedenfalls, dass kein stets sofortiges Handeln verlangt wird. Von einem schuldhaften Zögern kann nur ausgegangen werden, wenn das Zuwarten nicht durch die Umstände des Falles geboten ist. Der Begriff „unverzüglich“ stellt also regelmäßig keine starre Frist auf. Vielmehr bezweckt er, dass in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Interessen ermittelt wird, nach Ablauf welchen Zeitraums es jemandem möglich und zumutbar war, tätig zu werden. Im Hinblick auf diesen Verschuldensaspekt ist der Begriff der Unverzüglichkeit für sich allein nicht geeignet, den Zeitraum, der für eine Reaktion auf ein Rufsignal zur Verfügung steht, eindeutig festzulegen. Er bedarf daher der Konkretisierung, damit der Anordnungsadressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird, und damit die Anordnung Grundlage für eine Vollstreckung sein kann. Dies wäre beispielsweise denkbar durch Benennung einer zeitlichen Obergrenze. Eine solche kann sich grundsätzlich nicht nur aus dem Tenor eines Bescheids, sondern auch aus der Gesamtschau der Umstände ergeben. Denn wie bereits ausgeführt ist der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts durch Auslegung aus der Sicht eines objektiven Empfängers zu bestimmen, und zwar ausgehend von den verfügenden Teilen des Bescheids, seiner Begründung und erforderlichenfalls weiteren Begleitumständen (BVerwG, B.v. 8.11.2016 – 3 B 11.16 – juris Rn. 36; B.v. 22.2.2018 – 9 B 26.17 – BeckRS 2018, 3987; HessVGH, U.v. 1.9.1994 – 3 UE 154/90 – BeckRS 1994, 11113 Rn. 28).
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Im streitgegenständlichen Fall ergibt sich jedoch auch aus der Begründung des Bescheids und den weiteren Begleitumständen keine Konkretisierung des Begriffs „unverzüglich“. Vielmehr lassen sich diesen mehrere denkbare zeitliche Grenzen entnehmen, wobei unklar ist, welche der Antragsgegner für ausschlaggebend hält und festlegen wollte. So führt er in der Begründung des Bescheids vom 10. Februar 2023 aus, als Richtwert seien drei bis fünf Minuten anzusehen, wobei immer der Einzelfall zu betrachten sei, da es nachvollziehbare sachliche Gründe geben könne, die eine unverzügliche Reaktion verzögerten (S. 5 des Bescheids). Im Anschluss hieran stellt er darauf ab, dass es nicht akzeptabel sei, dass Bewohnerinnen und Bewohner der stationären Einrichtung Wartezeiten von mehr als 10 Minuten ab der Alarmauslösung bis zum Eintreffen des Personals ausgesetzt seien (S. 4 und 5 des Bescheids). Auf Seite 5 des Bescheids wird anhand eines Beispiels ausgeführt, weshalb eine Wartezeit von mehr als 10 Minuten ungeeignet sei, den Anforderungen des Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG zu genügen.
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Einerseits stellt der Antragsgegner damit in dem Bescheid vom 10. Februar 2023 einen Richtwert für die Reaktionszeit auf Rufsignale von drei bis fünf Minuten auf. Andererseits stellt er darauf ab, dass eine Verletzung der in Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG niedergelegten Anforderungen vorliege, wenn Patienten nach Auslösen eines Rufsignals länger als 10 Minuten warten müssten. Hieraus geht nicht hinreichend klar hervor, ob die Verpflichtung zur unverzüglichen Reaktion in Ziffer 1 dann verletzt ist, wenn nicht innerhalb von drei, wenn nicht innerhalb von fünf oder wenn nicht innerhalb von 10 Minuten nach Signaleingang eine Pflegekraft an dem Ort, an dem das Rufsignal ausgelöst worden ist, zu dessen Überprüfung eintrifft.
33
Zur Konkretisierung des Begriffs „unverzüglich“ kann auch nicht auf die Anweisung der Antragstellerin gegenüber ihrem Personal, bei Absetzen eines Klingelrufes unverzüglich (ca. fünf Minuten) zu reagieren, zurückgegriffen werden. Abgesehen davon, dass fraglich erscheint, ob eine bloß ungefähre Zeitangabe („ca.“) dem Bestimmtheitsgebot des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG genügen würde, handelt es sich hierbei um eine interne Anweisung der Antragstellerin, die nicht Bestandteil des Bescheids vom 10. Februar 2023 ist und auf die in diesem Bescheid auch nicht inhaltlich Bezug genommen wird. Es wird lediglich im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung auf die Existenz dieser Anweisung hingewiesen, ohne in dem Bescheid auch nur ansatzweise deutlich zu machen, dass man sich bei der Regelung in Ziffer 1 des Bescheids an dieser internen Regelung der Antragstellerin hätte orientieren und deren Definition des Begriffs „unverzüglich“ hätte übernehmen wollen. Vielmehr werden in dem Bescheid hiervon zumindest teilweise abweichende Zeiträume (drei bis fünf Minuten, 10 Minuten) als Bezugsgrößen für eine unverzügliche Reaktion erwähnt.
34
Schon diese Unklarheit für sich allein begründet eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG), welche zur Rechtswidrigkeit der Ziffer 1 des Bescheids vom 10. Februar 2023 führt.
35
Ungeachtet dessen erweist sich Ziffer 1 des Bescheids auch noch aus einem weiteren Grund als unbestimmt: Es ist unklar, wie der Verschuldensaspekt des Begriffs „unverzüglich“ zu verstehen ist, d.h. was für Gründe im Einzelfall eine von dem – wie bereits dargestellt seinerseits unklaren – Richtwert abweichende Reaktionszeit noch als unverzüglich erscheinen lassen. Der Antragsgegner führt in dem Bescheid insoweit aus, dass „unverzüglich“ „ohne schuldhaftes Zögern“ bedeute und dass es nachvollziehbare sachliche Gründe geben könne, die eine „unverzügliche“ Reaktion verzögerten. Hieraus geht nicht hervor, wann vom Vorliegen nachvollziehbarer sachlicher Gründe für eine verzögerte Reaktion auszugehen ist, die entweder bereits einen Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot ausschließen oder aber – je nach Auslegung der Regelung – einen Ausnahmetatbestand erfüllen könnten. Insbesondere ist offen, ob es hierbei auf objektive oder (auch) auf subjektive Maßstäbe (vgl. etwa den Verschuldensmaßstab in § 276 Abs. 1 BGB) ankommen soll. Angesichts dieser Unklarheiten kann dahinstehen, inwiefern eine Anordnung nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 oder 2 PfleWoqG mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot überhaupt an mögliche unterschiedliche subjektive Bewertungen anknüpfen darf.
36
Aufgrund dieser Unklarheiten ist für die Antragstellerin weder hinreichend erkennbar, was von ihr erwartet wird, noch wann sie einen Verstoß gegen Ziffer 1 begeht, der zur Fälligkeit des angedrohten Zwangsgelds führt (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG), so dass Ziffer 1 des Bescheids vom 10. Februar 2023 keine Grundlage für eine Vollstreckung sein kann.
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Der Antragsgegner hat seine Anordnung auch nicht nachträglich hinreichend konkretisiert.
38
Die Behörde ist befugt, einen unklaren Verwaltungsakt zu präzisieren und seine hinreichende Bestimmtheit – auch durch Erklärung gegenüber dem Gericht – nachträglich herbeizuführen (BVerwG, U.v. 20.4.2005 – 4 C 18/03 – juris Rn. 54; B.v. 21.6.2006 – 4 B 32/06 – juris Rn. 1; U.v. 2.7.2008 – 7 C 38/07 – juris Rn. 18). Eine solche Präzisierung ist im streitgegenständlichen Fall jedoch nicht erfolgt und auch nicht in der Antragserwiderung zu sehen. In der Antragserwiderung werden vielmehr die bereits in der Begründung des Bescheids enthaltenen Ausführungen zur beabsichtigten zeitlichen Begrenzung der Reaktionszeit auf Rufsignale zusammengefasst, ohne sie zu konkretisieren oder klarzustellen. Auch in der Antragserwiderung wird einerseits ein „Richtwert“ von drei bis fünf Minuten benannt und andererseits auf Wartezeiten von mehr als 10 Minuten abgestellt, welche – so der Antragsgegner – lediglich ausgewertet und überprüft worden seien, ohne dass aus den Ausführungen deutlich wird, ob dementsprechend auch künftig nur Wartezeiten von mehr als 10 Minuten zu einer Beanstandung führen sollen, mithin Ziffer 1 des Bescheids vom 10. Februar 2023 eine Obergrenze von 10 Minuten festsetzt, oder ob eine Reaktionszeit von drei oder von fünf Minuten verlangt wird. Dies wird auch durch den Verweis des Antragsgegners auf die „unterschiedlichsten Schreiben und Beratungsgespräche“ im Verwaltungsverfahren (S. 4 der Antragserwiderung) ebenso wenig erhellt wie durch den bloßen Hinweis auf die interne Anweisung der Antragstellerin an das Pflegepersonal, unverzüglich (innerhalb von ca. fünf Minuten) auf Rufsignale zu reagieren, ohne sich die Definition der Antragstellerin zu eigen zu machen, wobei die Angabe von „circa“ fünf Minuten möglicherweise ihrerseits ohnehin zu ungenau sein könnte, um dem Bestimmtheitsgebot (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) zu genügen.
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Aus der Unbestimmtheit der Ziffer 1 des Bescheids vom 10. Februar 2023 folgt die Rechtswidrigkeit auch der Ziffern 2 und 3 des Bescheids. Da die Ziffern 2 und 3 des Bescheids, welche den Nachweis der Einhaltung der der Antragstellerin in Ziffer 1 auferlegten Verpflichtung regeln, auf Ziffer 1 des Bescheids inhaltlich Bezug nehmen, schlägt die Unbestimmtheit der Ziffer 1 des Bescheids auf sie durch. Infolge der Unbestimmtheit der Ziffer 1 ist für die Antragstellerin nicht eindeutig erkennbar, über die Einhaltung welcher Verpflichtung sie einen Nachweis vorlegen soll (Ziffer 2 des Bescheids) und wie lange sie hierzu verpflichtet sein soll (Ziffer 3 des Bescheids). Ob die Ziffern 2 und 3 des Bescheids auch aus weiteren Gründen rechtswidrig sein könnten, kann daher dahinstehen. Dies gilt auch hinsichtlich der Frage, ob für Ziffer 3 des Bescheids eine Rechtsgrundlage existiert, insbesondere ob sie sich auf Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG stützen lässt (vgl. zum Begriff der auflösenden Bedingung in Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG z.B. BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15/14 – juris Rn. 12 ff.).
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Die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 4 des Bescheids erweisen sich schon allein deshalb ebenfalls als unbestimmt und daher rechtswidrig, weil die Grundverfügungen in den Ziffern 1 und 2 des Bescheids unbestimmt sind. Zwangsgeldandrohungen müssen erkennen lassen, für welchen Verstoß gegen welche einzelne Pflicht ein Zwangsgeld in welcher Höhe angedroht wird (BVerwG, GB v. 26.6.1997 – 1 A 1 10/95 – NVwZ 1998, 393, 394; Tiedemann in BeckOK VwVfG, 59. Ed. Stand 1.4.2023, § 37 Rn. 19). Im streitgegenständlichen Fall ist der Inhalt der Verpflichtungen, die der Antragstellerin mit Ziffer 1 und Ziffer 2 des Bescheids auferlegt werden sollen, aus den bereits dargestellten Gründen unklar. Infolgedessen ist auch unklar, unter welchen Voraussetzungen der Antragstellerin ein Zwangsgeld droht. Für sie ist nicht erkennbar, an welche Verhaltenspflicht sie sich halten muss, um eine zwangsweise Durchsetzung zu vermeiden.
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Es kann dahinstehen, ob die Zwangsgeldandrohungen darüber hinaus auch aus anderen Gründen unbestimmt und daher rechtswidrig sind. So gebietet das Bestimmtheitsgebot (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) etwa auch, dass für den Bescheidadressaten eindeutig erkennbar ist, innerhalb welcher Frist er die ihm auferlegte Verpflichtung erfüllen muss, um ein Fälligwerden des Zwangsgelds zu vermeiden (Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Diese Frist wird im Tenor der Ziffer 4.1 mit „mit Ablauf des Tages nach Zustellung des Bescheids bzw. spätestens 4 Wochen nach Bestandskraft des Bescheids“ angegeben, im Tenor der Ziffer 4.2 mit „mit Ablauf des 08.03.2023 bzw. spätestens 4 Wochen nach Bestandskraft des Bescheids“. Aus dieser Formulierung für sich allein ist nicht eindeutig erkennbar, unter welchen Voraussetzungen die jeweilige Verpflichtung bis zum Ablauf des Tages nach Zustellung des Bescheids bzw. mit Ablauf des 08.03.2023 und unter welchen Voraussetzungen sie stattdessen spätestens vier Wochen nach Bestandskraft des Bescheids einzuhalten ist (vgl. VG Würzburg, B.v. 16.5.2023 – W 3 S 23.103 – juris). Angesichts der sich bereits aus anderen Gründen ergebenden Unbestimmtheit der Zwangsgeldandrohungen kann offen bleiben, ob dies in der Begründung des Bescheids in einer dem Bestimmtheitsgebot (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) genügenden Weise dahingehend konkretisiert wird, dass die ab Bestandskraft laufende vierwöchige Frist nur dann Anwendung findet, wenn eine aufschiebende Wirkung angeordnet werden sollte (vgl. S. 8 des Bescheids: „Die sofortige Umsetzung der Anordnungen ergibt sich aus dem Gesetz, denn gem. Art. 13 Abs. 5 PfleWoqG haben Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung. […] Sollte eine aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden, wird das Zwangsgeld spätestens vier Wochen nach Bestandskraft des Bescheids fällig.“).
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Schließlich ist die aufschiebende Wirkung auch hinsichtlich der Nebenentscheidungen in den Ziffern 5 und 6 des Bescheids, welche die mit Kostenrechnung vom 13. Februar 2023 angeforderten Kosten des Verwaltungsverfahren regeln, anzuordnen. Aufgrund der dargestellten ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts, für dessen Erlass Kosten erhoben werden, besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Dies entspricht auch der Wertung des § 80 Abs. 4 Satz 3 Alt. 1 VwGO, wonach die Vollziehung bei öffentlichen Abgaben und Kosten ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Der Streitwert entspricht einem Betrag in Höhe der Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der am 31.5./1.6.2012 und am 18.7.2013 beschlossenen Fassung, BayVBl. 2014, Sonderbeilage Januar). Da der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Hauptsachestreitwerts nach der Bedeutung bietet, beträgt der für ein Hauptsacheverfahren anzunehmende Streitwert 5.000,00 EUR (§ 52 Abs. 2 GKG).
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Es liegen keine genügenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Hauptsachestreitwerts nach der Bedeutung der Sache für die Antragstellerin (§ 52 Abs. 1 GKG) vor, weil nicht ersichtlich ist, welche (wirtschaftliche) Bedeutung den Regelungen in den Ziffern 1 bis 3 des Bescheids vom 10. Februar 2023 für die Antragstellerin beizumessen ist.
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Genügende Anhaltspunkte zur Bestimmung des Werts dieser Regelungen für die Antragstellerin ergeben sich insbesondere nicht aus den Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 4 des Bescheids für den Fall von Verstößen gegen Ziffer 1 oder Ziffer 2 des Bescheids. Das angedrohte Zwangsgeld soll zwar nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen, seine Höhe entspricht jedoch nicht zwingend dem für die Grundverfügung selbst zu bemessenden Streitwert (vgl. Ziffer 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkatalogs).
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Im Rahmen der Streitwertbestimmung hat sich der Wert der Regelungen in den Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 10. Februar 2023 an den Kosten zu orientieren, die der Antragstellerin für die Umsetzung dieser Anordnungen voraussichtlich entstehen werden. Denn diese spiegeln die sich aus dem Antrag der Antragstellerin insoweit für sie ergebende Bedeutung der Sache wider. Dieser aus § 52 Abs. 1 GKG folgende Bezugspunkt der Wertbestimmung ist dem für die Zwangsgeldhöhe maßgeblichen Maßstab des wirtschaftlichen Interesses, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG) im Ergebnis vergleichbar. Indes ist offen, ob die für die Umsetzung der Anordnungen zu veranschlagenden Kosten tatsächlich betragsmäßig dem angedrohten Zwangsgeld entsprechen und wie diese Kosten ermittelt wurden.
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Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Bestimmung der Höhe der für die Anordnungsumsetzung zu veranschlagenden Kosten vor. Solche ergeben sich hinsichtlich Ziffer 2 des Bescheids auch nicht aus der von der Antragstellerin vorgelegten Übersicht vom 28. März 2023 über den Zeitaufwand für die Bereitstellung und Auswertung von Rufsignalprotokollen. Denn aus dem Zeitaufwand für sich allein (ohne Kenntnis eines Stundensatzes) lassen sich die zu veranschlagenden Kosten für die in Ziffer 2 angeordnete bloße Vorlage (nicht Auswertung) von Rufsignalprotokollen nicht ermitteln.
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Nachdem der für die Grundverfügungen anzusetzende Auffangwert höher ist als die angedrohten Zwangsgelder, ist dieser höhere Wert zur Streitwertermittlung heranzuziehen (vgl. Nr. 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkatalogs).
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Für eine vom gesetzlichen Auffangwert abweichende Bestimmung der Höhe des Streitwerts, etwa durch Vervielfältigung des Auffangwerts oder Addition des Werts der Zwangsgeldandrohungen von 3.000,00 EUR und 250,00 EUR besteht kein Raum, auch wenn der Bescheid vom 10. Februar 2023 mehrere Regelungen enthält und sich der Antrag der Antragstellerin auf sämtliche dieser Regelungen bezieht. Bei der im Rahmen der Streitwertermittlung maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. Ziffer 1.1.1 des Streitwertkatalogs) ist davon auszugehen, dass den in den Ziffern 2 und 3 des Bescheids vom 10. Februar 2023 enthaltenen Regelungen kein selbstständiger wirtschaftlicher Wert gegenüber der Regelung in Ziffer 1 des Bescheids zukommt, da die Ziffern 1 bis 3 in engem Zusammenhang stehen und im Ergebnis auf dasselbe Ziel gerichtet sind.
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Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin gegen Ziffer 2 des Bescheids einwendet, dass deren Erfüllung in Form einer Auswertung der Rufsignalprotokolle unverhältnismäßigen Aufwand bei ihr verursache. Hieraus lässt sich zwar schließen, dass der Anordnung einer Protokollauswertung – wäre eine solche Regelungsgegenstand der Ziffer 2 – gegenüber der in Ziffer 1 des Bescheids angeordneten Sicherstellung „unverzüglicher“ Reaktionszeiten auf Rufsignale wirtschaftlich eine eigenständige Bedeutung für die Antragstellerin zukommen könnte. Tatsächlich regelt Ziffer 2 des Bescheids jedoch lediglich eine Protokollvorlage und keine -auswertung.
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Des Weiteren bleiben bei der Streitwertermittlung außer Betracht der Wert der mit der Grundverfügung verbundenen Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 4 des Bescheids (Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs) und der Wert der Nebenentscheidungen in den Ziffern 5 und 6 (vgl. § 43 Abs. 1 GKG).