Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 22.05.2023 – Au 9 K 22.1636
Titel:

Wasserrechtliche Ersatzvornahme, Kostenerstattungspflicht, fiktive Beseitigungsanordnung, Reichweite und Umfang der Gewässerunterhaltungspflicht, Abflusshindernis durch umgestürzten Uferbaum, Zustandsstörer

Normenketten:
WHG § 39
WHG § 40 Abs. 3
WHG § 40 Abs. 4
BayWG Art. 24 Abs. 2
VwZVG analog Art. 35, 36
Schlagworte:
Wasserrechtliche Ersatzvornahme, Kostenerstattungspflicht, fiktive Beseitigungsanordnung, Reichweite und Umfang der Gewässerunterhaltungspflicht, Abflusshindernis durch umgestürzten Uferbaum, Zustandsstörer
Fundstelle:
BeckRS 2023, 17106

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamts ... vom 1. August 2022 wird aufgehoben.
II.    Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. 
III.    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten. 

Tatbestand

1
Die Kläger wenden sich gegen die ihnen anteilig auferlegten Kosten einer vom Wasserwirtschaftsamt beauftragten Beseitigung eines Abflusshindernisses.
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Die Kläger betreiben eine Wasserkraftanlage am Stauwehr „...“ an der M. in .... Die Stauanlage wird mitbenutzt durch die Triebwerke D. und H. (heute: K.) und wird zur Energieerzeugung genutzt. Die Unterhaltung der gemeinsamen Wehranlage wurde mit Bewilligungsbescheid vom 18. September 1967, Nr. ... – Az. ... unter Abschnitt III Ziffer 6 Buchst. c geregelt. Danach obliegt den Klägern zusammen mit den beiden anderen Triebwerksbetreibern gemeinschaftlich die Unterhaltung der Wehranlage im Verhältnis der aufgeteilten Wassermenge, deren Verhältnis unter Ziffer II/2 (Beschreibung der Anlage) des Bescheids vom 18. September 1967 aufgeführt ist. Der Bescheid ist adressiert an Herrn H., die anderen damaligen Triebwerksbetreiber erhielten eine Ausfertigung.
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Am 3. August 2020 teilte der Flussmeister des Wasserwirtschaftsamts ... dem Beklagten mit, dass zwei Stämme eines neben der M. stehenden Baumes (Fl.Nr. ... Gemarkung ...) in den Fluss gefallen wären und nun den Abfluss behindern würden. Daraufhin kontaktierte der Beklagte zunächst die Klägerin zu 1 und forderte diese unter Hinweis, dass es sich um eine Unterhaltungsmaßnahme handele und deshalb nicht der Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... zu verpflichten wäre, zur Entfernung des Baumes auf. Der Klägerin zu 1 wurde angekündigt, dass bei einer Weigerung die Beseitigung nach Art. 24 Abs. 2 Bayerisches Wassergesetz (BayWG) erfolgen würde und sie sodann die Kosten nach Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BayWG zu tragen habe. Die Klägerin zu 1 teilte zunächst mit, sie werde sich mit ihrem Gehilfen vor Ort absprechen und weitere Maßnahmen abstimmen. Mit E-Mail vom 4. August 2020 verweigerte sie jedoch jegliches Tätigwerden.
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Die Aufforderungen zur Beseitigung der Stämme seitens des Beklagten gegenüber den anderen Triebwerksbetreibern blieben ebenfalls erfolglos.
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Mit E-Mail vom 3. August 2020 forderte der Beklagte die Gemeinde ... als Sicherheitsbehörde auf, den Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... zur Beseitigung der noch bestehenden Stämme aufzufordern.
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Mit an das Wasserwirtschaftsamt adressiertem Bescheid vom 7. August 2020 ordnete der Beklagte die Entfernung der sich in der M. auf Höhe der Flurnummer ... Gemarkung ... befindlichen umgestürzten Weidenstämme durch den Freistaat Bayern, vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt, an. Zur Begründung wird auf den Bescheid verwiesen (Bl. 39ff. der Behördenakte). Da das Wasserwirtschaftsamt nicht über die geeigneten Geräte zur Beseitigung verfügte, wurde eine Fachfirma beauftragt. Hierfür entstandenen Aufwendungen in Höhe von 1.684,32 EUR. Die Kosten des Wasserwirtschaftsamtes für die Vorbereitung und Beaufsichtigung der Arbeiten belaufen sich auf 540,00 EUR. Das Landratsamt hat diese Kosten beglichen.
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Mit Bescheid vom 1. August 2022 (Az.: ...) wurde den Klägern in Ziffer 1 die Erstattung der Auslagen für die in Ersatzvornahme durch den Freistaat Bayern, Wasserwirtschaftsamt, geleisteten Unterhaltsarbeiten in Höhe von 1.340,90 EUR gesamtschuldnerisch auferlegt. Nach Ziffer 2 ist die Zahlung zum 4. September 2022 fällig.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass die im Bescheid vom 7. August 2020 getroffene Ersatzvornahme gem. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayWG bestandskräftig sei und somit die Träger der Unterhaltungslast des in Rede stehenden Gewässerabschnitts die für die Ersatzvornahme entstandenen Kosten zu tragen hätten. Mit Bescheid vom 18. September 1967, Az., sei die Unterhaltung des streitgegenständlichen Abschnitts der M. gemeinschaftlich auf die Triebwerksbetreiber-Familien H., G., S. und Sch. bzw. deren Rechtsnachfolger im Verhältnis der aufgeteilten Wassermengen übertragen worden (Nr. 6c des Bescheids). Rechtsnachfolger seien die Familie P. (für Familie S. und Sch.), das Ehepaar K. (für Familie H.) und Frau D. (für Familie G.). Die anteiligen Wassermengen stellten sich dabei wie folgt dar:
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- P. GbR: 4,25 m3s
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- K.: 1,70 m3s
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- D.: 1,10 m3s
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Die festgelegten Kostenanteile würden sich aus der Einzelwassermenge im Verhältnis zur gesamten Wassermenge von 7,05 m3s ergeben.
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Mit Schriftsatz vom 9. August 2022 haben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragen,
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den Bescheid des Landratsamts ... vom 1. August 2022 aufzuheben.
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Der Bevollmächtigte der Kläger führt im Schriftsatz vom 21. März 2023 aus, dass sich der Bescheid vom 18. September 1967, auf den sich der Beklagte hinsichtlich der bestehenden Unterhaltungspflicht bezieht, nur an Herrn H. (jetzt K.) richte und deshalb gegenüber den Klägern keine Rechtswirkungen entfalte. Bezüglich der Anlage der Kläger sei der Bescheid vom 24. September 1971 maßgeblich, in dem bezüglich des Unterhalts der M. keine Regelung getroffen worden sei. Außerdem sei der Grundstückseigentümer für den Baum, der im Uferbereich des Grundstücks Fl.Nr. ... steht, aufgrund seiner Verkehrssicherungspflicht verantwortlich.
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Mit Schriftsatz vom 11. April 2023 ergänzen die Kläger die Klagebegründung. Es liege ein Verstoß gegen Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG vor, da gegenüber den Klägern kein vorläufiger Kostenvoranschlag ergangen sei. Dies führe bereits zur formellen Rechtswidrigkeit. Das Landratsamt habe außerdem ermessensfehlerhaft gehandelt, da es die Grundstückseigentümer des Grundstücks, auf dem die Bäume standen, als ernsthaft in Betracht kommende Verantwortliche nicht erschöpfend gewürdigt habe. Dem Bescheid fehle es an entsprechenden Erwägungen zur Inanspruchnahme des Eigentümers.
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Der Beklagte hat sich bis zur mündlichen Verhandlung nicht zur Klage geäußert.
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Am 22. Mai 2023 fand die mündliche Verhandlung statt. In dieser hat der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Für den weiteren Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Die Auferlegung der Erstattungspflicht für die bei der Entfernung der Stämme entstandenen Auslagen ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO).
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I. Rechtsgrundlage für eine Inanspruchnahme der Kläger für die Kosten, die bei der Entfernung der Stämme aus der M. entstanden sind, ist Art. 24 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 Bayerisches Wassergesetz (BayWG). Vorliegend waren die formellen Voraussetzungen für den Erlass eines solchen Bescheids gegeben (siehe Nr. 1). Die materiellen Voraussetzungen für eine Kostentragungspflicht nach Art. 24 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 BayWG lagen jedoch nicht vor (siehe Nr. 2).
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1. Die wasserrechtliche Ersatzvornahme (§ 40 Abs. 4 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) i.V.m. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayWG) durch den Beklagten genügt den formellen Anforderungen; insbesondere war im vorliegenden Fall eine schriftliche Androhung und eine vorläufige Kostenveranschlagung entbehrlich.
25
a) Das Wasserhaushaltsgesetz und das Bayerische Wassergesetz enthalten keine Vorgaben zum Verfahren des Kostenerstattungsanspruchs. Die wasserrechtliche Ersatzvornahmeberechtigung setzt jedoch, wie jede andere in Rechte eingreifende Ausübung von Befugnissen, die Beachtung von Verfahrensgrundsätzen voraus. Es besteht somit die Notwendigkeit, den Betroffenen vor Durchführung der Ersatzvornahme aus rechtsstaatlichen Gründen darüber zu informieren, welche Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt durchgeführt werden sollen. Dadurch soll ihm zunächst die Durchführung mit eigenen Mitteln ermöglicht werden (vgl. Schwendner/Rossi in Siedler/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG 57. EL, Stand: Februar 2022, § 40 Rn. 35).
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b) Mangels ausdrücklicher Regelung ergeben sich die Anforderungen an die formelle Rechtmäßigkeit einer wasserrechtlichen Ersatzvornahme aus einer analogen Anwendung der Vorschriften des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG), die mit dem Zweck der wasserwirtschaftlichen Ersatzvornahme vereinbar sind (vgl. VG München, B.v. 9.8.2022 – M 31 E 22.3815 – BeckRS 2022, 20659, Rn. 31).
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aa) Aufgrund der fehlenden speziellen gesetzlichen Verfahrensvorschriften ist eine planwidrige Regelungslücke gegeben. Dass der Landesgesetzgeber eine wasserrechtliche Anordnungsbefugnis ohne verfahrensrechtliche Begleitung normieren wollte, ist nicht ersichtlich. Ebenso kann Art. 24 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BayWG (i.V.m. Art. 27 BayWG) nicht als abschließende Verfahrensregelung verstanden werden (vgl. VG München, B.v. 9.8.2022 – M 31 E 22.3815 – BeckRS 2022, 20659, Rn. 32).
28
bb) Trotz der besonderen gesetzlichen Regelung der wasserrechtlichen Ersatzvornahme ist nicht ausgeschlossen, dass allgemeine Rechtsgedanken des VwZVG auch auf die Ersatzvornahme nach Art. 24 BayWG wegen der dort fehlenden weiteren Ausgestaltung anzuwenden sind (vgl. Schwendner/Rossi in Siedler/Zeitler, BayWG 38. EL April 2022, Art. 24 Rn. 11). Deshalb ist die Regelungslücke durch eine analoge Anwendung des VwZVG zu schließen. Die dort enthaltenen Vorschriften zur Ersatzvornahme und die Regelung in Art. 24 BayWG sind vergleichbar und können sich deshalb sachgerecht ergänzen (vgl. VG München, B.v. 9.8.2022 – M 31 E 22.3815 – BeckRS 2022, 20659, Rn. 33). Die wasserrechtliche Ersatzvornahme ist keine Ersatzvornahme im Vollzug eines wasserrechtlichen Verwaltungsaktes, sondern erfolgt kraft Gesetzes (vgl. VG Augsburg, B.v. 21.10.2013 – Au 3 S 13.1477 – juris Rn. 38). Dennoch sind Parallelen zum Vollstreckungsrecht zu erkennen, da in beiden Fällen Streit über die Erfüllung einer bereits zuvor begründeten Gewässerunterhaltungspflicht inmitten steht. Vor allem die Kostentragungs- und Vorschusspflicht des Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BayWG bezeugt den Zwangscharakter der wasserrechtlichen Ersatzvornahme, weshalb sich diese insgesamt als Mittel des Verwaltungszwangs darstellt (Vgl. Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand: Juli 2018, Art. 24 Rn. 5, 16). Die analoge Anwendung bietet dabei den Vorzug größerer Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für alle Beteiligten.
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cc) Analoge Anwendung findet somit vor allem auch Art. 36 VwZVG. Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG sieht vor, dass Zwangsmittel grundsätzlich schriftlich angedroht werden müssen. Ebenso zu beachten ist Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG, der den Hoheitsträger verpflichtet, den Kostenbetrag vorläufig zu veranschlagen. Das Informieren des Pflichtigen über die Ersatzvornahme dient dazu, ihm die Gelegenheit zu geben, die Arbeiten mit eigenen Mitteln vorzunehmen. Dabei soll nicht nur der Erfüllungsdruck verstärkt, sondern auch die Obliegenheit begründet werden, kostensparende Alternativvorschläge zu unterbreiten (vgl. VG München, B.v. 9.8.2022 – M 31 E 22.3815 – BeckRS 2022, 20659, Rn. 36f.).
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Vorliegend hat der Beklagte die Kläger zwar am 3. August 2020 telefonisch bzw. per E-Mail kontaktiert, zur Beseitigung der in den Fluss gestürzten Stämme aufgefordert und für den Fall der Weigerung eine Ersatzvornahme nach Art. 24 Abs. 2 BayWG mit entsprechender Kostentragungspflicht angedroht. Jedoch fehlte es an einer vorläufigen Kostenveranschlagung.
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dd) Es lag jedoch ein Ausnahmefall vor, der nach Art. 35 VwZVG eine Abweichung rechtfertigte und somit eine schriftliche Androhung sowie eine vorläufige Veranschlagung der Kosten entbehrlich machte. Nach Art. 35 VwZVG analog kann eine Ersatzvornahme ohne vorausgehende Androhung angewendet werden, wenn es zur Abwehr einer drohenden Gefahr notwendig ist. Vom Vorliegen einer solchen drohenden Gefahr zum Zeitpunkt der Ersatzvornahme kann ausgegangen werden, weshalb eine vorläufige Kostenveranschlagung nicht geboten war.
32
Die in der M. liegenden massiven Stämme stellten ein erhebliches Abflusshindernis dar. Den Behördenakten lässt sich entnehmen, dass zum Zeitpunkt des Ereignisses mit stärkeren Regenfällen zu rechnen und deshalb eine umgehende Beseitigung des Baumes angezeigt war, um eine direkte Gefahr angrenzender Flächen beispielsweise durch Ausuferungen zu verhindern. Ein Zuwarten des Beklagten bis zur Vorlage eines Kostenvoranschlags einer Firma und wiederum deren Vorlage an die Kläger war dem Beklagten deshalb nicht zuzumuten.
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2. Die materiellen Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 BayWG lagen jedoch nicht vor. Dies hat zur Folge, dass die Kläger nicht zum Kostenersatz herangezogen werden können.
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a) Gem. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayWG ist bei Gewässern erster Ordnung, zu denen die M. zählt (vgl. Anlage 1 zum BayWG Lfd.Nr. 28), der Staat zur Ausführung erforderlicher Unterhaltungsmaßnahmen verpflichtet, wenn andere als Körperschaften des öffentlichen Rechts Träger der Unterhaltungslast sind und ihrer Verpflichtung nicht ordnungsgemäß nachkommen. Nach Art. 24 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BayWG haben die grundsätzlich pflichtigen Personen sodann die Kosten zu ersetzen, die bei der wasserrechtlichen Ersatzvornahme entstanden sind. Voraussetzung für die Kostenerstattungspflicht ist somit, dass die Person, an die sich der Kostenbescheid richtet, durch Anordnung rechtmäßig hätte verpflichtet werden können, die in Ersatzvornahme ausgeführte Handlung selbst vorzunehmen. Denn es entspricht einem allgemeinen Grundsatz der Kostenpflicht, dass Kosten nur für rechtmäßige Maßnahmen erhoben werden dürfen (vgl. Art. 16 Abs. 5 Bayerisches Kostengesetz – KG).
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b) Die Verpflichtung der Kläger zur Beseitigung des Abflusshindernisses könnte sich zwar sowohl aus der mit Bescheid vom 18. September 1967, Az. ... geregelten als auch aus der gesetzlichen Unterhaltspflicht nach Art. 22 Abs. 3 BayWG ergeben (aa). Jedoch wäre im vorliegenden Fall vorrangig der Eigentümer des Ufergrundstücks, von dem das Abflusshindernis ausging, heranzuziehen gewesen (bb).
36
aa) Um eine Unterhaltungslast nach Art. 22 Abs. 3 BayWG zu begründen, ist ein adäquat-kausaler Zusammenhang nötig. Dieser liegt vor, wenn durch die Anlage Unterhaltungslasten am Gewässer erhöht oder überhaupt erst erforderlich werden (vgl. BayVGH, B.v. 7.12.21 – 8 CS 21.2334 – juris Rn. 15). In der Begründung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung vom 6. Mai 1960 heißt es (vgl. LT-Drs., 4. Legislaturperiode, Beilage 1394 S. 66):
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„Die Unterhaltung der Gewässer kann und wird in der Regel durch Anlagen in oder an Gewässern (Wasserbenutzungsanlagen und sonstige Anlagen im Sinne des Abs. 1) nachteilig beeinflusst werden. Soweit Unterhaltungsmaßnahmen durch derartige Anlagen verursacht werden, obliegt ihre Durchführung (Unterhaltungslast) den Anlagenunternehmern.“
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Der Umfang der Unterhaltungslast richtet sich dabei grundsätzlich nach § 39 WHG. Diesem zur Folge gehört zur Gewässerunterhaltung die Erhaltung des Gewässerbettes, auch zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Gewässerabflusses (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WHG). Hiervon umfasst ist unter anderem die Reinigung und Räumung des Gewässerbetts, zur der auch die Entfernung von Bäumen, die ein Abflusshindernis darstellen, zählt (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG 12. Aufl. 2019, § 39 Rn. 23, 33).
39
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Kläger im streitgegenständlichen Bereich zum Unterhalt verpflichtet sind. Zum einen lässt sich dies mit der räumlichen Nähe der Einmündung des Unterwasserkanals zum streitgegenständlichen Flussbereich begründen. Zum anderen wurde im Bescheid vom 18. September 1967 die Reichweite der Unterhaltungslast im Unterwasser der Wehranlage geregelt. Diesem zu Folge erstreckt sich die Unterhaltungslast aller Anlagenbetreiber gemeinsam bis 70 Meter unterhalb der Einmündung des Unterwasserkanals der Anlage Sch. im Verhältnis der aufgeteilten Wassermengen. Ob die in der M. liegenden Stämme noch innerhalb dieses Bereichs lagen, kann letztendlich dahingestellt bleiben, da im vorliegenden Fall vorrangig der Grundstückseigentümer als ermittelbarer Zustandsstörer für die Beseitigung verantwortlich gewesen wäre.
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bb) Anstelle des Unterhaltspflichtigen soll ein anderer für die Beseitigung eines Abflusshindernisses herangezogen werden, wenn dieser als Verursacher anzusehen ist. Lediglich wenn das Hindernis auf natürlichem Wege entstanden oder der Störer nicht zu ermitteln ist, hat der Unterhaltspflichtige die Kosten der Beseitigung zu tragen (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG 12. Aufl. 2019, § 39 Rn.38f.).
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Dieses Vorrangverhältnis erfährt seine Bestätigung auch in der Regelung des § 40 Abs. 3 Satz 1 WHG. Hiernach soll, wenn ein Hindernis für den Wasserabfluss, welches Unterhaltungsmaßnahmen nach § 39 WHG erforderlich macht, von einer anderen als der unterhaltspflichtigen Person verursacht worden ist, die zuständige Behörde die andere Person zur Beseitigung verpflichten. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Anordnungsbefugnis zum wasserbehördlichen Einschreiten. Die Eingriffsbefugnis ist als Sollvorschrift ausgeführt, so dass die Behörde tätig werden muss, soweit nicht besondere Gründe entgegenstehen. Der Träger der Unterhaltungslast hat somit nur einzustehen, wenn der Störer nicht zu ermitteln ist (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG 12. Aufl. 2019, § 40 Rn. 34). Wer als Störer anzusehen ist, richtet sich nach den allgemeinen Maßstäben der Polizei- und Ordnungsgesetze der Länder. Dabei kommen insbesondere diejenigen Personen in Betracht, denen durch ihr positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen (Verhaltensstörer) oder aber aufgrund ihrer tatsächlichen Sachherrschaft über den die Gewässerunterhaltung beeinträchtigenden Gegenstand (Zustandsstörer) die Störung polizeirechtlich unmittelbar zuzurechnen ist (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG 12. Aufl. 2019, § 40 Rn. 39).
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Unter Beachtung dieser Voraussetzungen wäre der Grundstückseigentümer der Fl.Nr. ... als Zustandsstörer (Art. 9 Abs. 2 LStVG) für die Beseitigung vorrangig heranzuziehen gewesen. Zustandsstörer ist der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über eine Sache, deren Zustand die Maßnahme notwendig macht. Ebenso kann der Eigentümer der Sache herangezogen werden. Nach Art. 6 Abs. 2 Nr. 1 BayWG verläuft bei Ufergrundstücken die Eigentumsgrenze bis zur Mitte des Gewässers. Der Baum, von dem die Äste stammen, steht auf dem Grundstück der Fl.Nr. .... Der Eigentümer dieses Grundstücks ist somit auch Eigentümer des Baumes und gleichzeitig Inhaber der tatsächlichen Gewalt über diesen. Der Zustand der abgebrochenen Stämme machte die Unterhaltungsmaßnahme notwendig, da die in der M. liegenden Äste ein Abflusshindernis bildeten. Der Eigentümer ist als Zustandsstörer anzusehen und war als solcher auch zu ermitteln, da für den Beklagten zu erkennen war, dass das Abflusshindernis durch einen auf dem Grundstück Fl.Nr. ... stehenden Baum verursacht wurde.
43
cc) Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte ohne Weiteres nur die Kläger als für die Beseitigung Pflichtigen hätte heranziehen dürfen, sind nicht ersichtlich. Das entstandene Abflusshindernis weist weniger einen Zusammenhang mit der durch die Wasserkraftanlage der Kläger entstandenen Unterhaltungspflicht auf, als vielmehr mit dem zum Grundstückseigentümer gehörenden Baum. Die Sozialbindung des Eigentums gebietet es grundsätzlich, wenn auch nicht grenzenlos, den Eigentümer für die von seinem Eigentum ausgehenden Gefahren in Anspruch zu nehmen. Die Verursachung einer Gefahr durch Naturvorgänge lässt dabei die Verantwortlichkeit des Grundstückseigentümers bzw. des Inhabers der tatsächlichen Gewalt nicht entfallen (vgl. BayVGH, U.v. 26.3.09 – 4 B 06.828 – juris Rn. 30). Des Weiteren sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Vorschriften über die Gewässerunterhaltung gegenüber der Zustandshaftung des Eigentümers als vorrangige und abschließende Regelungen anzusehen sind (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.01 – 22 ZB 00.1448 – juris Rn. 2). Bäume in oder an Gewässern unterfallen nicht dem Verantwortungsbereich des Gewässerunterhaltungspflichtigen, wenn ihr Zustand aus wasserwirtschaftlicher, unterhaltsbezogener Sicht keinen pauschalen Handlungsbedarf auslöst. Die Bewirtschaftung der oberirdischen Gewässer einschließlich ihrer Unterhaltung hebt das Eigentum an den Bäumen und die daraus folgenden Befugnisse sowie Pflichten nicht auf, sondern schränkt es lediglich in bestimmtem Umfang ein (vgl. VG Aachen, U.v. 11.12.19 – 6 K 410/18 – BeckRS 2019, 33084, Rn. 124).
44
Anders wäre dies nur dann zu beurteilen, wenn das Herabstürzen der Bäume seine Ursache in der Vernachlässigung der Unterhaltungspflicht der Kläger gefunden hätte. Anhaltspunkte hierfür sind jedoch nicht gegeben. Nach Aussage des Wasserwirtschaftsamtes in der mündlichen Verhandlung ist die Ursache für den Umsturz des Baumes nicht bekannt. Es hätte sich um Windsturz gehandelt haben können oder Schädlinge könnten die Ursache gewesen sein. Damit ist für das Gericht keine Ursache im vernachlässigten Gewässerunterhalt seitens der Kläger ersichtlich, weshalb es bei der vorrangigen Verpflichtung des Grundstückseigentümers verbleibt.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten war dieser auch nicht an der Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers gehindert. Der Beklagte hatte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Untere Wasserbehörde nur gegenüber dem Gewässerunterhaltsverpflichteten handeln könne und eine Verpflichtung des Grundstückseigentümers nicht möglich sei. Er sei zwar auf den Markt ... als Untere Sicherheitsbehörde zugegangen, dieser habe jedoch jegliche Verantwortlichkeit abgelehnt. Dem kann jedoch ebenfalls der Inhalt des § 40 Abs. 3 WHG entgegengehalten werden. Die dortige Regelung zeigt, dass nicht nur gegenüber Unterhaltspflichtigen, sondern auch Dritten gegenüber wasserrechtliche Anordnungen ergehen können. Insoweit hat das Landratsamt den Umfang seiner Befugnisse verkannt und den Grundstückseigentümer fehlerhaft gar nicht erst in Betracht gezogen. Im Übrigen wäre eine Zuständigkeit des Landratsamts auch als Sicherheitsbehörde (vgl. Art. 6 LStVG) möglich gewesen.
46
c) Da somit eine Anordnung zur Beseitigung des Abflusshindernisses gegenüber den Klägern nicht hätte rechtmäßig ergehen können, sondern vielmehr der Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... zu verpflichten gewesen wäre, scheidet eine Kostenpflicht der Kläger auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 BayWG aus.
47
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als Unterlegener hat der Beklagte die Kosten zu tragen.
48
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708ff. Zivilprozessordnung (ZPO).