Titel:
Die Schlichtungsbedürftigkeit von auf der Verletzung der persönlichen Ehre gründenden Zahlungs- bzw. Schmerzensgeldansprüchen im Anwendungsbereich des Bayerischen Schlichtungsgesetzes
Normenketten:
EGZPO § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Abs. 3
BaySchlG Art. 1 Nr. 1, Nr. 2
AGG § 21 Abs. 1, Abs. 2
ZPO § 688 Abs. 1, § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 156
JustG NRW § 53 Abs. 1
RhPfLSchlG § 1 Abs. 1
SaarlAGJusG § 37a
HessSchlG § 1 Abs. 1
Leitsätze:
"Ein auf Zahlung eines Geldbetrages gerichteter Schmerzensgeldanspruch wegen der Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist, unterfällt dem Schlichtungserfordernis des Art. 1 Nr. 2 BaySchlG.". (Rn. 38 – 41)
1. Das Erfordernis eines Güteverfahrens entfällt im Falle der anfänglichen objektiven Klagehäufung nicht bereits deshalb, weil ein schlichtungsbedürftiger mit einem nicht schlichtungsbedürftigen Antrag verbunden wird. Andernfalls hätte der Kläger die Möglichkeit, das Schlichtungserfordernis durch eine geschickte Kombination von Anträgen zu umgehen (ebenso BGH BeckRS 2009, 21408). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die historische Auslegung von Art. 1 Nr. 2 BaySchlG zeigt jedoch, dass der bayerische Landesgesetzgeber – anders als etwa der Gesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen (ebenso BGH BeckRS 2012, 8197) – auch nach Aufhebung des Schlichtungserfordernisses für vermögensrechtliche Bagatellstreitigkeiten auf Zahlung gerichtete Ansprüche nicht gänzlich von der Schlichtung freistellen wollte. Vielmehr will der bayerische Landesgesetzgeber diese – im Bewusstsein der Aufhebung des Schlichtungsverfahrens für vermögensrechtliche Bagatellstreitigkeiten – weiterhin einem Schlichtungserfordernis unterwerfen. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der bayerische Landesgesetzgeber bezweckt mit dem Schlichtungserfordernis für Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre eine umfassende und abschließende Beilegung des zwischen den Parteien bestehenden Streits ohne eine gerichtliche Streitentscheidung. Dem stünde es entgegen, wenn auf Zahlung gerichtete Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre vom Anwendungsbereich des Art. 1 Nr. 2 BaySchlG ausgeklammert würden. (Rn. 68) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schlichtungserfordernis, Güteverfahren, objektiven Klagehäufung, Bagatellstreitigkeiten, persönlichen Ehre, Anwendungsbereich, Landesgesetzgeber, Unterlassungsanspruch, immaterieller Schaden, Schmerzensgeldanspruch
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 21.10.2021 – 223 C 22843/20
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Endurteil vom 17.01.2024 – 101 ZRR 165/23 e
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16915
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 21.10.2021, Az. 223 C 22843/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision zum Bayerischen Obersten Landesgericht wird im Hinblick auf den vom Kläger verfolgten Berufungsantrag Ziffer IV zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.000,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger und Berufungskläger (im Folgenden: Kläger) macht gegen die Beklagte und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) Unterlassungs- und Schmerzensgeldansprüche geltend.
2
Hinsichtlich des festgestellten Sachverhalts wird zunächst auf das angefochtene Endurteil des Amtsgerichts München vom 21.10.2021, Az. 223 C 22843/20, gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
3
Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 21.10.2021, dem Kläger zugestellt am 22.10.2021, die Klage als unzulässig abgewiesen. Der Kläger mache gegen die Beklagte Ansprüche wegen von der Beklagten getätigten Beleidigungen geltend. Nach § 15a EGZPO i.V.m. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG sei vor Klageerhebung der Versuch notwendig gewesen, die Streitigkeit vor einer Schlichtungs- oder Gütestelle gütlich beizulegen. Dies sei im vorliegenden Verfahren nicht geschehen. Eine Ausnahmetatbestand nach § 15a Abs. 1 EGZPO sei nicht gegeben. Das Schlichtungsverfahren sei auch im Hinblick auf den mit der Klageerweiterung vom 20.07.2021 verfolgten Anspruch auf Schmerzensgeld notwendig, da auch dieser mit der Verletzung der persönlichen Ehre des Klägers durch die Beklagte begründet werde.
4
Der Kläger hat gegen das Urteil mit Schriftsatz vom 22.11.2021 (Bl. 48/49), eingegangen bei Gericht am 22.11.2021, Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 22.12.2021 (Bl. 53/55), eingegangen bei Gericht am 22.12.2021, hat der Kläger die Berufung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet.
5
Der Kläger verfolgt in zweiter Instanz die von ihm bereits in erster Instanz verfolgten Ansprüche auf Unterlassung (nebst Zahlung einer „Vertragsstrafe“ bei Zuwiderhandlung) sowie auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe in 1.000,00 € weiter. Der Kläger trägt – in Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags – vor, die Beklagte habe ihn im Rahmen einer Auseinandersetzung am 02.08.2020 gegen 16:00 Uhr mit den Worten „Was willst du von mir? Willst du mich schlagen? Willst du mich vergewaltigen? Du fickst nur Kinder! Ich schlage deinen Hund tot! Arschloch, Schwein, Kinderficker“ beschimpft. Eine Unterlassungserklärung habe die Beklagte nicht abgegeben. Das Amtsgericht München sei zu Unrecht von der Unzulässigkeit der Klage ausgegangen. Gemäß § 15a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO sei ein Schlichtungsverfahren nur bei einer Streitigkeit mit einem Gegenstandswert von 750,00 € erforderlich, klägerseitig sei jedoch ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 € geltend gemacht worden. Die Klage sei zulässig und begründet. Der Kläger müsse die von ihm behaupteten Beschimpfungen durch die Beklagte nicht hinnehmen. Als Ausgleich für die in der Öffentlichkeit erlittene Schmach des Klägers sei ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1.000,00 € angemessen und erforderlich. Die Beklagte müsse zudem die geforderte Unterlassungserklärung abgeben.
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Der Kläger beantragt in zweiter Instanz mit der Maßgabe der Zurückverweisung an das Amtsgericht München:
I. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 21.10.2021, Az. 223 C 22843/20, wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, folgende Äußerungen gegenüber dem Kläger oder Dritten zu unterlassen:
Was willst Du von mir? Willst Du mich schlagen? Willst Du mich vergewaltigen? Du fickst nur Kinder! Ich schlage Deinen Hund tot! Arschloch, Schwein, Kinderficker.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungserklärung gemäß Ziffer II eine Vertragsstrafe in Höhe von wenigstens 2.000,00 € zu bezahlen.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 € zu bezahlen.
7
Die Beklagte beantragt in zweiter Instanz,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen und das Endurteil des Amtsgerichts München vom 21.10.2021, Az.: 223 C 22843/20 aufrechtzuerhalten.
8
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Amtsgericht habe die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Für die vom Kläger verfolgten Ansprüche sei streitwertunabhängig das obligatorische außergerichtliche Schlichtungsverfahren gemäß § 15a EGZPO i.V.m. Art. 1 BaySchlG durchzuführen gewesen. Der Versuch einer gütlichen Einigung vor einer Gütestelle sei aufgrund der landesrechtlichen Bestimmungen eine Prozessvoraussetzung, bei deren Fehlen die Klage als unzulässig abzuweisen sei. Das Amtsgericht habe die Klage im Hinblick auf die begehrte Unterlassung und die Zahlungsansprüche wegen Ehrverletzung zutreffend als einheitliches Klagebegehren ausgelegt. Vermögensrechtliche Ansprüche aus nachbarschaftlichen Vorschriften unterfielen § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO, sodass landesrechtlich auch über einem Streitwert von 750,00 € ein Schlichtungserfordernis vorgesehen werden könne. Dies sei in Art. 1 Nr. 2 BaySchlG ausdrücklich vorgesehen. Die Klageerweiterung sei zur Umgehung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens zudem rechtsmissbräuchlich, da ein Schmerzensgeld erst aufgrund der Aussichtslosigkeit der Klage, nicht aber bereits außergerichtlich oder bei Klageerhebung verlangt worden sei. Ein solches Vorgehen unterlaufe den Gesetzeszweck des § 15a EGZPO, wonach die Wiederherstellung des Rechtsfriedens im Mittelpunkt einer konsensualen Streitlösung stehe. Der Kläger hätte das Schlichtungsverfahren nachholen und damit das Klageverfahren vermeiden können. Dem Kläger fehle im Hinblick auf die geltend gemachten Ansprüche das Rechtsschutzinteresse.
9
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2023 (Bl. 76/77) Bezug genommen.
10
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 21.10.2021 bleibt ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat die Klage – auch im Hinblick auf den nach Klageerweiterung vom 20.07.2021 zusätzlich verfolgten Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.000,00 € – zu Recht als unzulässig abgewiesen.
11
1. Die Klage war im Hinblick auf die vom Kläger in erster Instanz verfolgten Ansprüche auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen (Antragsziffer I.) sowie auf Zahlung einer Vertragsstrafe im Falle der Zuwiderhandlung (Antragsziffer II.) unzulässig.
12
Der Kläger hat das nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i.V.m. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG erforderliche Schlichtungsverfahren vor Klageerhebung nicht durchgeführt.
13
Das Amtsgericht hat die Klage insoweit zu Recht als unzulässig abgewiesen.
14
a. Gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO kann durch Landesgesetz bestimmt werden, dass die Erhebung der Klage in Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind, erst zulässig ist, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen.
15
Der bayerische Landesgesetzgeber hat von dieser Ermächtigungsgrundlage Gebrauch gemacht und in Art. 1 Nr. 2 BaySchlG bestimmt, dass vor den Amtsgerichten in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist, mit Ausnahme der in § 15a Abs. 2 EGZPO genannten Streitigkeiten eine Klage erst erhoben werden kann, wenn die Parteien einen Versuch unternommen haben, die Streitigkeit vor einer in Art. 3 BaySchlG genannten Schlichtungs- oder Gütestelle gütlich beizulegen.
16
Der Versuch einer gütlichen Einigung vor einer Gütestelle nach § 15a Abs. 1 EGZPO (i.V.m. einer landesgesetzlichen Bestimmung) oder einer sonstigen Schlichtungsstelle nach § 15a Abs. 3 EGZPO ist eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Fehlt diese Prozessvoraussetzung bei Klageerhebung, so ist die Klage ohne Rücksicht auf ihre sachliche Begründetheit als (derzeit) unzulässig abzuweisen. (Zöller/Heßler, ZPO, § 15a, Rn. 23-25; MüKoZPO/Gruber, 6. Aufl. 2022, EGZPO, § 15a, Rn. 4, 5).
17
b. Die vom Kläger in erster Instanz verfolgten Ansprüche auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen (Antragsziffer I.) sowie auf Zahlung einer Vertragsstrafe im Falle der Zuwiderhandlung (Antragsziffer II.), sind Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die dem Schlichtungserfordernis des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i.V.m. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG unterfallen. Der sachliche Anwendungsbereich von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i.V.m. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG ist eröffnet.
18
Zwar unterfallen dem Begriff der Verletzung der persönlichen Ehre – wie der Bundesgerichtshof für den Anwendungsbereich von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 2 JustG NRW entschieden hat – nicht sämtliche Ansprüche, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt, da dieses nicht nur die persönliche Ehre, sondern umfassend das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner individuellen Persönlichkeit schützt (BGH, Urt. v. 25.10.2022 – VI ZR 258/21). Vielmehr sind – angelehnt an § 380 StPO – von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO und den landesrechtlichen Umsetzungsvorschriften nur Ansprüche wegen einer Ehrverletzung im Sinne der strafrechtlichen Vorschriften der §§ 185 ff. StGB umfasst, mithin lediglich solche, die sich auf herabwürdigende unwahre Tatsachenbehauptungen und herabsetzende Werturteile stützen (vgl. BGH, a.a.O.).
19
Dies ist im Hinblick auf die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Äußerungen „Was willst du von mir? Willst du mich schlagen? Willst du mich vergewaltigen? Du fickst nur Kinder! Ich schlage deinen Hund tot! Arschloch, Schwein, Kinderficker“, die die Beklagte im Kontext einer Auseinandersetzung zwischen den Parteien am 02.08.2020 geäußert haben soll, der Fall. Denn die auch Formalbeleidigungen enthaltenden Äußerungen stellten – sofern sie denn getätigt wurden – grundsätzlich den Vorschriften des §§ 185 ff. StGB unterfallende herabsetzende Werturteile dar, die den Kläger in dessen persönlicher Ehre beeinträchtigten.
20
Die Äußerungen wurden zudem – so der klägerische Vortrag – nicht in Presse oder Rundfunk begangen, sondern im Rahmen einer persönlichen Auseinandersetzung getätigt.
21
c. Die weiteren Voraussetzungen eines Schlichtungsverfahrens nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i.V.m. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG waren vorliegend ebenfalls zu bejahen.
22
Die klägerseitig verfolgten Ansprüche, für die das Amtsgericht zutreffend einen Gesamtstreitwert in Höhe von 3.000,00 € angesetzt hat, unterfallen – wie von Art. 1 BaySchlG vorausgesetzt – der Zuständigkeit des Amtsgerichts, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG.
23
Die Parteien waren vor Erhebung der Klage jeweils unter der Anschrift B.weg 40, 8... M1., und damit im Gerichtsbezirk des Landgerichts München I wohnhaft. Der örtliche Anwendungsbereich gemäß Art. 2 Satz 1 BaySchlG war damit ebenfalls eröffnet.
24
Eine Ausnahme vom Erfordernis der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gemäß § 15a Abs. 2 EGZPO i.V.m. Art. 1 BaySchlG ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.
25
d. Das Erfordernis der Durchführung eines außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens für die klägerseitig verfolgten Ansprüche auf Unterlassung und Zahlung einer „Vertragsstrafe“ bei Zuwiderhandlung ist im vorliegenden Verfahren auch nicht deshalb entfallen, weil der Kläger mit Schriftsatz vom 20.07.2021 (Bl. 32/34) die Klage um einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 1.000,00 € erweitert hat. Insoweit kann der Kläger mit seiner Argumentation, ein Schlichtungsverfahren sei nicht durchzuführen gewesen, weil ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 1.000,00 € verfolgt werde, § 15a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO ein Schlichtungserfordernis jedoch nur bis zu einem Gegenstandswert von 750,00 € vorsehe, nicht durchdringen.
26
Weder entfällt das Schlichtungserfordernis bei einer Kombination von schlichtungsbedürftigen und nicht schlichtungsbedürftigen Anträgen noch handelt es sich bei dem vom Kläger verfolgten Anspruch auf Schmerzensgeld um einen nicht schlichtungsbedürftigen Antrag.
27
aa. Ungeachtet dessen, dass § 15a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO lediglich eine Ermächtigungsgrundlage für vermögensrechtliche Bagatellstreitigkeiten darstellt, von der der bayerische Landesgesetzgeber keinen Gebrauch (mehr) macht, ist die Beurteilung der Schlichtungsbedürftigkeit und damit auch das Fehlen einer Prozessvoraussetzung für jeden Antrag gesondert zu beurteilen.
28
Nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entfällt das Erfordernis eines Güteverfahrens im Falle der anfänglichen objektiven Klagehäufung nicht bereits deshalb, weil ein schlichtungsbedürftiger mit einem nicht schlichtungsbedürftigen Antrag verbunden wird. Andernfalls hätte der Kläger die Möglichkeit, das Schlichtungserfordernis durch eine geschickte Kombination von Anträgen zu umgehen (vgl. BGH, Urt. v. 08.07.2008 – VI ZR 221/07; Urt. v. 07.07.2009 – VI ZR 278/08; MüKoZPO/Gruber, 6. Aufl. 2022, EGZPO, § 15a, Rn. 9).
29
Nicht anderes gilt für den Fall einer – wie im vorliegenden Verfahren – nachträglichen objektiven Klagehäufung. Anderenfalls könnte der Kläger das Erfordernis des Güteverfahrens dadurch umgehen, dass er einen schlichtungsbedürftigen Antrag im Rechtsstreit über einen nicht schlichtungsbedürftigen Antrag nicht bereits mit Klageerhebung stellt, sondern diesen im Verlauf des Rechtsstreits nachschiebt oder den im Falle der anfänglichen Klagehäufung als unzulässig abgewiesenen Antrag im Laufe des Verfahrens noch einmal stellt (vgl. MüKoZPO/Gruber, 6. Aufl. 2022, EGZPO, § 15a, Rn. 10; vgl. auch Zöller/Heßler, ZPO, § 15a, Rn. 3).
30
Ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO, der nach Rechtsprechung und juristischer Literatur gegebenenfalls hiervon abweichend zu bewerten wäre, liegt im Hinblick auf den mit der Klageerweiterung vom 20.07.2021 verfolgten Anspruch auf Schmerzensgeld nicht vor.
31
bb. Selbst unterstellt, eine nachträgliche objektive Klagehäufung führte dazu, dass ein zunächst erforderliches Schlichtungsverfahren nicht mehr durchzuführen wäre, wäre eine solche Konstellation im vorliegenden Rechtsstreit nicht gegeben.
32
Denn bei dem mit Klageerweiterung vom 20.07.2021 verfolgten Anspruch auf Schmerzensgeld handelt es sich ebenfalls um einen schlichtungsbedürftigen Antrag (vgl. unten II. 2).
33
2. Die Klage war – entgegen der in der Terminsverfügung vom 08.03.2022 (Bl. 66/67) geäußerten vorläufigen Auffassung des Berufungsgerichts – auch im Hinblick auf den vom Kläger in erster Instanz unter Antragsziffer III (Berufungsinstanz Antragsziffer IV) verfolgten Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.000,00 € unzulässig.
34
Der Kläger hat das nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i.V.m. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG erforderliche Schlichtungsverfahren vor Klageerhebung nicht durchgeführt.
35
Das Amtsgericht hat die Klage daher auch insoweit zu Recht als unzulässig abgewiesen.
36
a. Der vom Kläger verfolgte Anspruch auf Schmerzensgeld unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich (vgl. oben II.1.b.) von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO.
37
Der Kläger hat im Rahmen der Klageerweiterung vom 20.07.2021 vorgetragen, dass er – infolge der behaupteten Äußerungen der Beklagten – Beeinträchtigungen sowohl im Bereich seiner Gesundheit als auch in seiner privaten Lebensführung erlitten habe und deshalb ein Schmerzensgeld in der beantragten Höhe gerechtfertigt sei. Es handelt sich insoweit ebenfalls um einen Anspruch wegen Verletzung der persönlichen Ehre gemäß den unter II.1.b. dargestellten Maßstäben.
38
Von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO werden – isoliert von der jeweiligen landesrechtlichen Umsetzungsregelung betrachtet – grundsätzlich nicht nur Ansprüche auf Unterlassung und / oder Widerruf, sondern – streitwertunabhängig – auch auf Zahlung gerichtete Ansprüche wie etwa Schmerzensgeld umfasst (vgl. BGH, Urt. v. 08.07.2008 – VI ZR 221/07; offengelassen in BGH, Urt. v. 19.12.2016 – V ZR 96/15 mit Verweis auf überwiegend bejahende Ansicht.; MüKoZPO/Gruber, 6. Aufl. 2022, EGZPO, § 15a Rn. 35 m.w.N.; a.A. Anders/Gehle/Schmidt, EGZPO, § 15a, Rn. 6, 10, 11).
39
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 08.07.2008 (Az. VI ZR 221/07) insoweit ausgeführt:
„Die in dieser Vorschrift, die § 15a I Nr. 3 EGZPO entspricht, geregelten Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre betreffen insbesondere Unterlassungsansprüche bei Beleidigungen und unwahren Tatsachenbehauptungen, Widerrufsansprüche bei unwahren Tatsachenbehauptungen und Ansprüche auf Schadensersatz in Geld.“
40
Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an. Der streitgegenständliche Anspruch auf Schmerzensgeld unterfällt dem Anwendungsbereich von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO.
41
b. Der klägerseitig verfolgte Anspruch auf Schmerzensgeld unterfällt auch dem Anwendungsbereich von § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i.V.m. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG.
42
aa. Der Bundesgerichtshof hat für die § 15a EGZPO umsetzenden landesrechtlichen Vorschriften der Länder Hessen (§ 1 Abs. 1 HessSchlG), Nordrhein-Westfalen (§ 53 Abs. 1 JustG NRW), Rheinland-Pfalz (§ 1 Abs. 1 RhPfLSchlG) und Saarland (§ 37a SaarlAGJusG) im Bereich des Nachbarrechts und der Verletzung der persönlichen Ehre entschieden, dass Zahlungsansprüche von diesen Umsetzungsnormen nicht umfasst sind und ein Schlichtungserfordernis damit nicht besteht (BGH, Urt. v. 10.07.2009 – V ZR 69/08 [HE]; Urt. v. 02.03.2012 – V ZR 169/11 [NW]; Urt. v. 19.12.2016 – V ZR 96/15 [RP]; Urt. v. 27.01.2017 – V ZR 120/16 [SL]).
43
Dabei hat der Bundesgerichtshof seinen Entscheidungen zugrunde gelegt, dass – obwohl sich eine Einschränkung der Schlichtungsbedürftigkeit nicht aus dem Wortlaut der Normen ergebe – aus der jeweiligen landesrechtlichen Umsetzung von § 15a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO (vermögensrechtliche Bagatellstreitigkeiten) geschlossen werden könne, dass der jeweilige Landesgesetzgeber auf Zahlung gerichtete Ansprüche dem Schlichtungserfordernis nicht (mehr) unterstellen wollte.
44
So habe etwa der hessische Landesgesetzgeber zunächst von der Ermächtigung des § 15a Abs. 1 EGZPO umfassend Gebrauch gemacht und ein Schlichtungserfordernis auch für vermögensrechtliche Streitigkeiten bis 750,00 € vorgesehen. Diese Regelung sei vor dem Hintergrund der Umgehung der Streitschlichtung durch das Mahnverfahren später wieder aufgehoben worden.
45
Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber habe ebenfalls zunächst eine Schlichtung für vermögensrechtliche Bagatellstreitigkeiten bis 600,00 € vorgesehen, diese Regelung aber mit der gleichen Begründung wie der hessische Landesgesetzgeber später wieder aufgehoben. Damit habe der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber alle Geldforderungen schlichtungsfrei stellen wollen. Etwas anderes ergebe sich in diesem Zusammenhang auch nicht daraus, dass der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber zugleich eine obligatorische Streitschlichtung für Ansprüche nach dem Dritten Abschnitt AGG eingeführt und dies mit der Vergleichbarkeit zu Ehrschutz- und Nachbarrechtsstreitigkeiten begründet habe. Denn insoweit fehlten Anhaltspunkte, dass der Landesgesetzgeber auch auf Geldzahlung gerichtete Ansprüche nach dem Dritten Abschnitt des AGG dem Schlichtungserfordernis habe unterstellen wollen.
46
Der Gesetzgeber des Landes Rheinland-Pfalz habe von der Ermächtigungsgrundlage des § 15a EGZPO zwar zunächst keinen Gebrauch gemacht und vorerst die Erfahrungen der anderen Länder wie etwa Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Brandenburg abgewartet. Vor dem Hintergrund der nahezu wörtlichen Übereinstimmung des RhPfLSchlG sei dieses jedoch im selben Sinne wie vom Bundesgerichtshof für das HessSchlG und das NRWJustG entschieden zu verstehen. Etwas andere folge dabei nicht daraus, dass gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 RhPfLSchlG ein Schlichtungsverfahren nicht vorgesehen sei, wenn ein Anspruch im Mahnverfahren geltend gemacht werde, da es dieser Regelung vor dem Hintergrund von § 15 Abs. 2 Nr. 5 EGZPO nicht bedurft hätte und es sich insoweit um ein regelungsredundantes Redaktionsversehen handle.
47
Im Hinblick auf die Umsetzungsregelung des Landes Saarland, die nahezu wörtlich den Regelungen der Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz entspreche, sei ebenfalls eine enge Auslegung vorzunehmen. Anhaltspunkte dafür, dass der saarländische Landesgesetzgeber, der zunächst ein Schlichtungserfordernis für vermögensrechtliche Bagatellstreitigkeiten bis 1.200,00 DM eingeführt, dieses aber später wieder aufgehoben habe, einen anderen Willen als die Landesgesetzgeber der Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen gehabt habe, bestünden nicht. Etwas anderes ergebe sich auch nicht dem Gesetzesentwurf der saarländischen Landesregierung, in dem es heißt, dass Nachbarrechts- und Ehrschutzstreitigkeiten weiter für schlichtungsgeeignet angesehen würden, weil ihnen typischerweise gestörte zwischenmenschliche Beziehungen zugrunde lägen und das Erfordernis des Schlichtungsverfahrens vor Klageerhebung für diese Bereiche deshalb beibehalten werden solle; denn dem Gesetzesentwurf lasse sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber auch die weniger beziehungsgeprägten Zahlungsklagen einem Schlichtungserfordernis unterwerfen wollte.
48
bb. Diese Erwägungen lassen sich auf die im Freistaat Bayern anzuwendende Umsetzungsregelung in Art. 1 Nr. 2 BaySchlG nicht übertragen. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG umfasst auch auf Zahlung gerichtete Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre.
49
(1) Zwar hat auch der bayerische Landesgesetzgeber – zunächst befristet bis 31.12.2005 – von der Ermächtigungsgrundlage in § 15a Abs. 1 EGZPO umfassend Gebrauch gemacht und in Art. 1 Nr. 1 BaySchlG a.F. Zahlungsansprüche aus vermögensrechtlichen Bagatellstreitigkeiten bis 1.500,00 DM / 750,00 € dem Erfordernis der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens unterworfen, diese Regelung mit dem Gesetz zur Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetzes und des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes vom 24.12.2005 (GVBl. Nr. 26/2005, S. 655) zum 31.12.2005 jedoch wieder außer Kraft treten lassen.
50
Im Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetzes und des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes (LT-Drs. 15/3993) hat der bayerische Landesgesetzgeber – insoweit den Ländern Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vergleichbar – diesbezüglich ausgeführt:
„[…] Hinzu kommt, dass der für ein Schlichtungsverfahren erforderliche Zeit- und Kostenaufwand bei Bagatellstreitigkeiten bis zu einem Streitwert von 750 Euro häufig außer Verhältnis zur Bedeutung des Verfahrensgegenstandes gerät. Aus diesen Gründen ist die Akzeptanz der obligatorischen Streitschlichtung in diesen Fällen bei den Schlichtern wie bei den Parteien am geringsten, was sich auch in einer vergleichsweise niedrigen Erfolgsquote (25% gegenüber 27% in Ehrschutzund 32% in Nachbarschaftsstreitigkeiten) und einer Umgehung des Schlichtungsverfahrens durch die Wahl des Mahnverfahrens niederschlägt. Auf Grund dieses Befundes – der mit den Erfahrungen anderer Länder übereinstimmt, die von den Möglichkeiten des § 15 a EGZPO Gebrauch gemacht haben – erscheint es nicht sinnvoll, die obligatorische Schlichtung bei Bagatellstreitigkeiten in Bayern fortzusetzen. Art. 1 Nr. 1 BaySchlG soll deshalb wie vorgesehen mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft treten. Demgegenüber zeichnen sich nachbarrechtliche und Ehrschutzstreitigkeiten, die von den im Rahmen der Evaluation befragten Schlichtern im Gegensatz zu vermögensrechtlichen Streitigkeiten überwiegend für generell schlichtungsgeeignet gehalten werden, dadurch aus, dass ihnen typischerweise gestörte zwischenmenschliche Beziehungen zugrunde liegen. Deren sachgerechte Aufarbeitung im streitigen gerichtlichen Verfahren kann große Probleme bereiten, wäh – rend der Schlichter weiter gehende Möglichkeiten hat, auf eine zukunftsorientierte Bereinigung des Konflikts über den konkreten Anlass hinaus hinzuwirken. Zudem ist hier eine rasche Titulierung in der Regel von nachrangiger Bedeutung. Das Erfordernis eines Schlichtungsverfahrens vor Klageerhebung soll daher für diese Fallgruppen beibehalten werden, weshalb der Gesetzentwurf insoweit eine Verlängerung der Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2008 vorsieht. […]“
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Dies spricht zunächst dafür, dass – entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Umsetzungsregelungen der Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland – auf Zahlung gerichtete Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre über den 31.12.2005 hinaus nicht dem Anwendungsbereich des Art. 1 Nr. 2 BaySchlG unterfallen.
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(2) Aus der Auslegung von Art. 1 Nr. 2 BaySchlG ergibt sich jedoch, dass dieser auch über den 31.12.2005 hinaus auch auf Zahlung gerichtete Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre umfasst und für diese folglich ein vorgerichtliches Schlichtungsverfahren erforderlich ist.
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(a) Dem Wortlaut von Art. 1 Nr. 2 BaySchlG lässt sich weder entnehmen, dass auf Zahlung gerichtete Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre von dem Anwendungsbereich der Norm umfasst sind noch werden diese explizit vom Anwendungsbereich ausgeschlossen.
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(b) Ebenso ergibt sich auch aus einer systematischen Betrachtung von § 15a EGZPO und Art. 1 Nr. 2 BaySchlG nicht, ob auf Zahlung gerichtete Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre dem Erfordernis eines Schlichtungsverfahrens unterfallen.
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Zwar enthält Art. 1 BaySchlG – ebenso wie § 1 Abs. 2 Nr. 5 RhPfLSchlG – eine Regelung dahingehend, dass ein Schlichtungsverfahren vor Erhebung der Klage nicht erforderlich ist, wenn einer der Ausnahmetatbestände des § 15a Abs. 2 EGZPO vorliegt; wie sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 19.02.2016 – V ZR 96/15) jedoch entnehmen lässt, ergibt sich hieraus jedoch kein Rückschluss auf ein weitergehendes Verständnis des landesrechtlich bestimmten Anwendungsbereichs des Schlichtungsverfahrens.
56
(c) Die historische Auslegung von Art. 1 Nr. 2 BaySchlG zeigt jedoch, dass der bayerische Landesgesetzgeber – anders als etwa der Gesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen (vgl. BGH, Urt. v. 02.03.2012 – V ZR 69/11, Rn. 12) – auch nach Aufhebung des Schlichtungserfordernisses für vermögensrechtliche Bagatellstreitigkeiten auf Zahlung gerichtete Ansprüche nicht gänzlich von der Schlichtung freistellen wollte. Vielmehr will der bayerische Landesgesetzgeber diese – im Bewusstsein der Aufhebung des Schlichtungsverfahrens für vermögensrechtliche Bagatellstreitigkeiten – weiterhin einem Schlichtungserfordernis unterwerfen.
57
So hat der bayerische Landesgesetzgeber im Zuge der Einführung des Schlichtungsverfahrens für Ansprüche nach dem Dritten Abschnitt des AGG gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EGZPO i.V.m. Art. 1 Nr. 3 BaySchlG mit dem Gesetz zur Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetz vom 24.05.2007 (GVBl. Nr. 11/2007, S. 343) auch auf Zahlung gerichtete Ansprüche wegen eines immateriellen Schadens nach § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG ausdrücklich dem Schlichtungsbedürfnis unterworfen.
58
Hierzu hat die Bayerische Staatsregierung im Entwurf des Gesetzes zu Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetzes (LT-Drs. 15/7397) ausgeführt:
„[…] Wie die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780, S. 58) dazu ausführt, sind Streitigkeiten über Benachteiligungen in besonderer Weise schlichtungsgeeignet, wie ihre Nähe zu den bereits jetzt in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO enthaltenen Ansprüchen wegen Verletzung der persönlichen Ehre zeigt. […] Wegen der zu erwartenden Schlichtungseignung der Materie soll im Interesse einer Entlastung sowohl der Parteien wie der Gerichte von der eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht werden. Dem steht nicht entgegen, dass bei der letzten Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetzes durch Gesetz vom 24. Dezember 2005 (GVBl S. 655) von einer Verlängerung der Geltungsdauer der obligatorischen vorgerichtlichen Streitschlichtung in vermögensrechtlichen Bagatellstreitigkeiten (Art. 1 Nr. 1 BaySchlG) abgesehen wurde, weil die in diesen Fällen geringe Akzeptanz des Schlichtungsverfahrens zu dessen Umgehung durch Wahl des Mahnverfahrens (§ 15a Abs. Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EGZPO) geführt hat (LT-Drs. 15/3993, S. 3 f.). Bei Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes wäre mit einer solchen „Flucht ins Mahnverfahren“ nicht in gleichem Maße zu rechnen, da zum einen das Mahnverfahren für die nicht auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichteten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche (§ 21 Abs. 1 AGG) nicht zu Gebote steht (§ 688 Abs. 1 ZPO) und zum anderen die Bezifferung von Ersatzansprüchen wegen eines immateriellen Schadens (§ 21 Abs. 2 Satz 3 AGG) nicht so leicht fällt wie bei gewöhnlichen Leistungsanträgen. Dem entsprechend lässt die Rechtsprechung (BGHZ 45, 91) in diesen Fällen abweichend von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO einen unbezifferten Zahlungsantrag zu, der im Wege des Mahnverfahrens nicht möglich ist. […]“
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Dem lässt sich zunächst entnehmen, dass der bayerische Landesgesetzgeber – auch nach Aufhebung des Schlichtungsverfahrens für vermögensrechtliche Bagatellstreitigkeiten – auf Zahlung gerichtete Ansprüche – im Bewusstsein einer möglichen Umgehung durch das Mahnverfahren – nicht gänzlich schlichtungsfrei stellen wollte. Vielmehr unterwirft der bayerische Landesgesetzgeber auf Zahlung von Geld gerichtete Ersatzansprüche wegen eines immateriellen Schadens nach § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG ausdrücklich dem Schlichtungserfordernis des Art. 1 Nr. 3 BaySchlG.
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Anders als in den Ländern Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland sind im Anwendungsbereich des Art. 1 BaySchlG daher – auch nach Entfall des Schlichtungsverfahrens für vermögensrechtliche Bagatellstreitigkeiten – grundsätzlich auch Zahlungsansprüche schlichtungsbedürftig.
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Weiterhin lässt sich aus den gesetzgeberischen Erwägungen aber auch ein Rückschluss darauf ziehen, dass nicht nur Ansprüche auf immaterielle Entschädigung nach § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG, sondern auch sonstige auf Zahlung gerichtete Ansprüche wegen immaterieller Entschädigung und damit auch – wie hier – ein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Verletzung der persönlichen Ehre nach Art. 1 Nr. 2 BaySchlG vor Klageerhebung eines Schlichtungsversuchs bedarf.
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Denn den Erwägungen des bayerischen Landesgesetzgebers lässt sich entnehmen, dass dieser das Schlichtungserfordernis für Ansprüche nach dem Dritten Abschnitt des AGG dem Schlichtungserfordernis für Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre nachbilden wollte.
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So führt die Bayerische Staatsregierung – wie vorstehend dargestellt – im Rahmen der Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetzes (LT-Drs. 15/7397) unter Bezugnahme auf die Erwägungen des Bundesgesetzgebers in BT-Drs. 16/1780 zunächst ausdrücklich die Nähe der Ansprüche nach dem AGG mit den Ansprüchen nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO auf. Dieses vom Landesgesetzgeber angenommene Näheverhältnis bestätigte die zuständige Staatsministerin Dr. M2. sodann in ihrer Rede vor dem Bayerischen Landtag am 10.05.2007 (Plenarprotokoll 15/93):
„[…] Derartige Streitigkeiten hat schon der Bundesgesetzgeber als schlichtungsgeeignet eingestuft. Er hat den Ländern die Möglichkeit eröffnet, die obligatorische außergerichtliche Streitbeilegung auf diese Streitigkeiten zu erstrecken. Nach der Begründung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sind die Streitigkeiten deshalb besonders schlichtungsgeeignet, weil sie eine Nähe zum bereits jetzt der obligatorischen Schlichtung unterfallenden Anspruch wegen Verletzung der persönlichen Ehre zeigen. Diese Auffassung des Bundesgesetzgebers teilt die Bayerische Staatsregierung, und deswegen legen wir Ihnen heute diesen Gesetzentwurf zur Schlussabstimmung vor. Bayern wird damit von dieser neuen durch Bundesgesetz eingeräumten Möglichkeit als erstes Land Gebrauch machen. Die Zurücksetzung wegen der Diskriminierungsmerkmale, die das AGG verbietet, wird von den Betroffenen – das ist sicher auch sehr deutlich zum Ausdruck gekommen – vielfach als Verletzung der persönlichen Ehre empfunden. Das Schlichtungsverfahren bietet einen breiteren Ansatz, den Streit zwischen den Parteien endgültig und nachhaltig aus dem Weg zu räumen. Die in erster Linie zur Schlichtung aufgerufenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und Notarinnen und Notare in Bayern haben bereits jetzt gezeigt, dass sie diese Aufgabe bestens erledigen. Ich bin davon überzeugt, dass das ebenso für die Ansprüche nach dem AGG gilt. […]“
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Hieran zeigt sich, dass der bayerische Landesgesetzgeber von einem inhaltlichen Gleichlauf zwischen den zu regelnden Ansprüchen nach dem AGG und den Ansprüchen wegen Verletzung der persönlichen Ehre ausging. Denn einerseits beschreibt der bayerische Landesgesetzgeber sein Ziel, den Streit zwischen Parteien endgültig und nachhaltig aus dem Weg zu räumen; andererseits wird die Hoffnung bekräftigt, dass in die in Bayern als Schlichter aufgerufenen Rechtsanwälte und Notare ihre Aufgabe – wie sie das „bereits jetzt“ tun – auch für die Ansprüche nach AGG bestens erledigen werden.
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Soweit der bayerische Landesgesetzgeber damit einen Gleichlauf zwischen Ansprüchen nach dem Dritten Abschnitt des AGG und Ansprüchen wegen Verletzung der persönlichen Ehre etablieren wollte, bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er diese Ansprüche ihrem Inhalt nach einer unterschiedlichen Schlichtungsbedürftigkeit zuführen wollte.
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Denn insoweit kommen die in der LT-Drs. 15/7397 niedergelegten gesetzgeberischen Erwägungen für beide Anspruchskategorien gleichermaßen zur Anwendung. Anhaltspunkte dafür, dass der bayerische Landesgesetzgeber Ansprüche wegen immaterieller Entschädigung nach dem Dritten Abschnitt des AGG der Schlichtung unterwerfen wollte, im Hinblick auf gleichgelagerte Ansprüche auf Schmerzensgeld wegen der Verletzung der persönlichen Ehre jedoch eine andere Handhabung bezweckt hat, bestehen ebenso wenig wie eine dahingehende ausdrückliche Äußerung des bayerischen Landesgesetzgebers. Insbesondere wäre zu erwarten gewesen, dass der bayerische Landesgesetzgeber entsprechende Erwägungen niedergelegt hätte anstatt auf das Näheverhältnis von Ansprüchen nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und § 15a Abs. 1 Satz Nr. 4 EGZPO zu verweisen.
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(d) Schließlich widerspräche es auch dem vom bayerischen Landesgesetzgeber intendierten Regelungszweck von Art. 1 Nr. 2 BaySchlG, wenn diese Norm nicht auch auf Zahlung gerichtete Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre umfasste.
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Denn der bayerische Landesgesetzgeber bezweckt mit dem Schlichtungserfordernis für Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre eine umfassende und abschließende Beilegung des zwischen den Parteien bestehenden Streits ohne eine gerichtliche Streitentscheidung. Dem stünde es entgegen, wenn auf Zahlung gerichtete Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre vom Anwendungsbereich des Art. 1 Nr. 2 BaySchlG ausgeklammert würden.
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Im Rahmen des Gesetzentwurfs eines Bayerischen Gesetzes zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung in Zivilsachen [(Bayerisches Schlichtungsgesetz – BaySchlG) LT-Drs. 14/2265] hat die Bayerische Staatsregierung hierzu ausgeführt:
„[…] Darüber hinaus werden der obligatorischen Schlichtung auch nachbarrechtliche Streitigkeiten und Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind, übertragen. Diese Streitigkeiten eignen sich in besonderer Weise für konsensuale Streitbeilegung, weil hier die Sozialbeziehung zwischen den Parteien im Vordergrund steht und der Rechtsfrieden durch eine grundsätzlichere Lösung wiederhergestellt und erhal ten werden muss. Hierfür ist eine zukunftsgerichtete Regelung eher geeignet als eine gerichtliche Streitentscheidung. Bei Ehrverletzungen im privaten Bereich ohne presserechtlichen Bezug handelt es sich darüber hinaus in aller Regel um einfacher gelagerte Konflikte, die durch eine persönliche Erörterung mit den Parteien beigelegt werden können. […]“
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Dieses Ziel hat die Bayerische Staatsregierung – wie vorstehend dargestellt – im Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetzes und des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes (LT-Drs. 15/3993) sowie im Zuge des Erlasses des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetz vom 24.05.2007 (GVBl. Nr. 11/2007, S. 343) nochmals bekräftigt.
71
Schließlich hat der bayerische Landesgesetzgeber dem von ihm mit Art. 1 Nr. 2 BaySchlG verfolgten Regelungsziel nochmals im Zuge des Erlasses des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Schlichtungsgesetzes vom 27.11.2011 (GVBl. Nr. 25/2011, S. 713) Ausdruck verliehen:
„[…] Nachbarrechtliche und Ehrschutzstreitigkeiten, denen typischerweise gestörte zwischenmenschliche Beziehungen zugrunde liegen, sind gut geeignet, im Schlichtungsverfahren einer befriedigenden Lösung zugeführt zu werden, zumal im Schlichtungsverfahren – anders als im Streitverfahren – eine bessere Möglichkeit besteht, auf eine zukunftsorientierte Bereinigung des Konflikts über den konkreten Anlass hinaus, ggf. unter Einbeziehung weiterer Streitpunkte zwischen den Parteien, hinzuwir ken. Zudem ist eine rasche Titulierung in diesen Verfahren in der Regel von nachrangiger Bedeutung. […]" (LT-Drs. 16/9582)
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Dieser Zielsetzung, Rechtsstreitigkeiten wegen Verletzung der persönlichen Ehre nicht nur einem partiellen Schlichtungserfordernis zu unterwerfen, sondern bereits im außergerichtlichen Schlichtungsverfahren eine umfassende und endgültige Streitbeilegung zwischen den Parteien herbeizuführen, liefe es zuwider, wenn infolge der Verletzung der persönlichen Ehre zwar Unterlassungsund Widerrufsansprüche schlichtungsbedürftig wären, auf Zahlung gerichtete Ansprüche wegen immaterieller Schäden vom Schlichtungserfordernis jedoch wieder ausgenommen würden. Eine umfassende außergerichtliche Beilegung des Streits wäre vor dem Hintergrund einer dann unmittelbar zulässigen Erhebung einer auf die Zahlung von Schmerzensgeld gerichteten Klage gerade nicht zu erwarten. Anhaltspunkte dafür, dass der bayerische Landesgesetzgeber eine solche Einschränkung des von ihm postulierten Gesetzeszweckes einer umfassenden Streitbeilegung verfolgt hat, bestehen nicht.
73
b. Die weiteren Voraussetzungen eines Schlichtungsverfahrens nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i.V.m. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG waren vorliegend ebenfalls zu bejahen.
74
Die klägerseitig verfolgten Ansprüche unterfallen – wie vorstehend dargestellt – der Zuständigkeit des Amtsgerichts. Der örtliche Anwendungsbereich gemäß Art. 2 Satz 1 BaySchlG war eröffnet. Eine Ausnahme vom Erfordernis der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens besteht nicht.
75
3. Das Amtsgericht hat die Klage zutreffend als unzulässig abgewiesen. Einer Entscheidung in der Sache sowie der Erhebung der angebotenen Beweismittel bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht.
76
Da die Klage bereits unzulässig war, kam es auf den von der Beklagten erhobenen Einwand, die Klageerweiterung vom 20.07.2021 sei rechtsmissbräuchlich erfolgt, nicht mehr entscheidungserheblich an.
77
Eine Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 ZPO war im Hinblick auf den der Beklagten nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 01.06.2023 (Bl. 79/80) nicht veranlasst, da die Beklagte dort im Wesentlichen lediglich ihren bisherigen Vortrag wiederholt und Rechtsausführungen macht.
78
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. V.
79
1. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 ZPO zuzulassen, soweit der Kläger mit der Berufung betreffend den von ihm verfolgten Berufungsantrag Ziffer IV (Anspruch auf Schmerzensgeld) erfolglos bleibt.
80
Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, da sie im Hinblick auf die Schlichtungsbedürftigkeit von auf der Verletzung der persönlichen Ehre gründenden Zahlungs- bzw. Schmerzensgeldansprüchen im Anwendungsbereich des Bayerischen Schlichtungsgesetzes – auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Ländern Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland – eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, mithin allgemein von Bedeutung ist.
81
Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Schlichtungsbedürftigkeit von auf der Verletzung der persönlichen Ehre gründenden Zahlungs- bzw. Schmerzensgeldansprüchen im Anwendungsbereich des BaySchlG gibt es bislang nicht.
82
2. Die Revision war wie tenoriert lediglich beschränkt zuzulassen.
83
Soweit der Kläger mit der Berufung auch hinsichtlich der Anträge Berufungsanträge Ziffern II und III erfolglos bleibt, war die Revision nicht zuzulassen, da die Rechtssache insoweit weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
84
Eine Beschränkung der Revisionszulassung ist zulässig und damit wirksam, wenn der von der Zulassung erfasste Teil des Streitstoffs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig vom übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch nach einer möglichen Zurückverweisung der Sache kein Widerspruch zum unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann. Dabei muss es sich nicht um einen eigenen Streitgegenstand handeln und muss der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz nicht teilurteilsfähig sein; zulässig ist auch eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs (st. Rspr.; vgl. BGHZ 233, 16 = NJW-RR 2022, 740 Rn. 17 mwN; BGHZ 230, 161 = NJW-RR 2022, 61 Rn. 14 f. mwN). (BGH Beschluss vom 8.2.2023 – XII ZR 93/21, BeckRS 2023, 4480 Rn. 8, beck-online).
85
Dies ist vorliegend der Fall, da es sich bei dem vom Kläger verfolgten Unterlassungsanspruch (Berufungsanträge Ziffern II und III) und dem von ihm verfolgten Schmerzensgeldanspruch (Berufungsantrag Ziffer IV) um unterschiedliche Streitgegenstände handelt, bei der auch im Falle einer möglichen Zurückverweisung ein Widerspruch zu dem nicht anfechtbaren Teil nicht droht.
86
3. Die Revision war nicht zum Bundesgerichtshof, sondern zum Bayerischen Obersten Landesgericht zuzulassen, § 7 Abs. 1 EGZPO i.V.m. § 8 Abs. 1, 2 EGGVG i.V.m. Art. 11 BayAGGVG.
87
Die Entscheidung betrifft im Wesentlichen die Auslegung von Art. 1 Nr. 2 BaySchlG und damit eine Norm des bayerischen Landesrechts.
88
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 47 GKG.