Titel:
Jagd- und waffenrechtliche Unzuverlässigkeit wegen Verstoßes gegen Aufbewahrungsvorschriften
Normenketten:
BJagdG § 17 Abs. 1, § 18 S. 1
WaffG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 36, § 45 Abs. 2
AWaffV § 13 Abs. 9
Leitsätze:
1. Bei den Aufbewahrungsvorschriften (hier: § 36 WaffG, § 13 Abs. 9 AWaffV) handelt es sich um zentrale waffenrechtliche Vorschriften, die der Umsetzung eines der vordringlichsten und wichtigsten Ziele des Waffengesetzes dienen, nämlich das Abhandenkommen und die unbefugte Ansichnahme von Waffen und Munition durch unbefugte Dritte zu verhindern. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wegen der von Waffen und Munition ausgehenden erheblichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter darf ein Restrisiko nicht hingenommen werden. Verstößt ein Waffenbesitzer gegen Aufbewahrungsvorschriften, ist alleine das ein gewichtiges Indiz dafür, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht mehr verdient. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Ungültigkeitserklärung des Jagdscheins bzw. der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis ist zwingend, wenn es dem Betroffenen an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit fehlt. Auch bei der Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit wird der Behörde kein Ermessen eingeräumt. Bei Vorliegen des § 5 Abs. 1 WaffG besteht vielmehr eine unwiderlegbare Vermutung für die Unzuverlässigkeit. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entzug des Jagdscheins und Widerruf von Waffenbesitzkarten, Verstoß gegen die Verwahrungsvorschriften, Zurücklassen einer Waffe und Munition im unverschlossenen Pkw, jagd- und waffenrechtliche Unzuverlässigkeit (bejaht), Jagdrecht, Waffenrecht, Unzuverlässigkeit, Aufbewahrung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 26.10.2023 – 24 ZB 23.1329, 24 ZB 23.1330
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16907
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren.
Tatbestand
1
Der 1963 geborene Kläger ist seit 2004 im Wildbrethandel tätig. Er ist seit 1999 im Besitz eines Jagdscheins und Inhaber eines vom Landratsamt … ausgestellten Jagdscheins (Nr. …), der letztmalig am 25. März 2022 bis zum 31. März 2025 verlängert wurde. Außerdem ist er Inhaber von mehreren Schusswaffen, die in den auf ihn ausgestellten Waffenbesitzkarten Nrn. … und … eingetragen sind. Seit ca. zehn Jahren ist er zusammen mit seiner Ehefrau Mitpächter des Reviers „…“ bei …, das er der TU M. (Wildbiologie und Wildtiermanagement) als Lehrjagdrevier zur Verfügung stellt.
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Am 29. November 2021 parkte der Kläger einen auf seine Ehefrau zugelassenen Pkw auf dem Parkplatz am Bahnhof in … Drei Polizeibeamte der Bundespolizei stellten gegen 12:00 Uhr fest, dass das Auto unverschlossen abgestellt wurde. Der Versuch, die Halterin zu erreichen, blieb ohne Erfolg, weshalb das Fahrzeug in der Hoffnung auf weitere Hinweise auf die Halterin und zur Sicherung etwaiger Wertgegenstände durchsucht wurde. Darin wurde ein an den Kläger adressiertes Paket gefunden. Die Beamten versuchten daraufhin erfolglos, diesen telefonisch zu erreichen. Bei der weiteren Fahrzeugdurchsuchung fanden sie im doppelten Kofferraumboden eine Langwaffe (Marke Blaser, Seriennr. …), die sich in einem Futteral befand, sowie fünf Schuss Munition der Firma … Aufgrund des im Wagen hinterlegten, bis zum Folgetag um 10:30 Uhr gelösten Parktickets und der Unerreichbarkeit des Klägers wurde die Waffe samt Munition durch die Polizei sichergestellt. Das Landratsamt wurde von der Polizei am 17. Januar 2022 über den Vorfall informiert.
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Wegen des Vorgangs wurde zunächst ein Strafverfahren eingeleitet und der Kläger aufgrund des vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe und Besitzes von Munition in Tateinheit mit vorschriftswidrigem Aufbewahren einer Schusswaffe mittels Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 8. April 2022 mit einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen zu je 70,- EUR belegt. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein und brachte vor, dass er die Waffe samt Munition berechtigterweise zum Zwecke der Jagd geführt habe, da er geplant habe, am 29. und 30. November 2021 an Jagden im … Forst teilzunehmen. Das Strafverfahren wurde daraufhin am 6. Juli 2022 gemäß § 153a Abs. 2 StPO eingestellt.
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Das Landratsamt … hörte den Kläger zur beabsichtigten Einziehung des Jagdscheins und zum beabsichtigten Widerruf der Waffenbesitzkarten an. Dieser wies den Vorwurf der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit zurück und gab an, die Waffe nicht ungesichert im Auto zurückgelassen zu haben. Er sei der Meinung gewesen, dass das Auto verschlossen gewesen sei. Da er verschiedene Personen (u.a. Polizeibeamte, Soldaten) kontaktiert habe, habe er nicht vorwerfbar gehandelt.
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Mit Bescheid vom 26. September 2022 erklärte das Landratsamt den dem Kläger ausgestellten Jagdschein für ungültig und eingezogen (Ziffer 1 des Bescheids) und forderte den Kläger auf, das Original dieses Jagdscheins an das Landratsamt zu übersenden oder dort abzugeben (Ziffer 2). Weiterhin wurde die dem Kläger erteilte Erlaubnis zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über sämtliche in den Waffenbesitzkarten Nrn. … und … eingetragene Waffen widerrufen (Ziffer 3) und der Kläger verpflichtet, diese Waffenbesitzkarten an das Landratsamt zu übersenden oder dort abzugeben (Ziffer 4). Unter Ziffer 5 des Bescheids wurde der Kläger verpflichtet, die im Bescheid aufgeführten Waffen unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen sowie die Unbrauchbarmachung oder die Überlassung der Waffen dem Landratsamt schriftlich nachzuweisen. Für den Fall des Nichtnachkommens der Nrn. 2, 4 und 5a des Bescheids bis zum 17. Oktober 2022 bzw. hinsichtlich der Verpflichtung des schriftlichen Nachweises zur Unbrauchbarmachung oder Überlassung der Waffen bis 31. Oktober 2022 wurden verschiedene Zwangsgelder angedroht (Ziffer 6) und die sofortige Vollziehung der Nrn. 1, 2, 4 und 5 des Bescheides angeordnet (Ziffer 7). Unter Ziffern 8 und 9 wurden Kostenentscheidungen getroffen. Auf den Inhalt des Bescheids wird verwiesen.
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Mit am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 6. Oktober 2022 erhob der Kläger Klagen gegen den Bescheid. Der Kläger habe selbst das Landratsamt am 3. Januar 2022 über den Sachverhalt informiert. Er sei am 29. November 2021 im … Forst zu einem Abendansitz auf Schwarz- und Rotwild sowie für die am Folgetag ebenfalls dort durchgeführte Drückjagd eingeladen gewesen. Daher habe er am Vormittag des 29. November 2021 im Jagdgeschäft … in …, in dem er gerne einkaufe, unter anderem Munition erwerben wollen. Er sei gegen 9.00 Uhr in … angekommen und habe das auf seine Frau zugelassene und ihm nicht vertraute Fahrzeug mit der Fernbedienung bzw. dem Funkschlüssel am Bahnhofsparkplatz verschließen wollen. Das Fahrzeug werde mit einem Startknopf gestartet und verfüge nicht über ein Zündschloss. Da der Kläger bemerkt habe, dass sein Versuch, das Fahrzeug abzusperren, nicht erfolgreich gewesen sei, sei er deshalb ratlos gewesen. Zwei in der Nähe befindliche Soldaten hätten dies bemerkt und ihm daraufhin erklärt, dass sich in derartigen Fernbedienungen ein Notschlüssel befinde. Dieser habe auch gefunden werden können und das Fahrzeug sei mittels des Notschlüssels manuell verriegelt worden; bei einer entsprechenden Nachschau seien alle Türen verschlossen gewesen. Nachdem die Soldaten weggegangen seien, habe der Kläger erneut mehrfach, ca. 10-mal, mit dem Notschlüssel und den darauf befindlichen Knöpfen versucht, das Fahrzeug zu öffnen und wieder zu schließen, um die Funktionsfähigkeit der Schließanlage und des Schließmechanismus zu testen. Dies habe auch mehrfach nach einem Zufallsprinzip funktioniert. Nachdem er festgestellt habe, dass das Fahrzeug nicht bei jedem Versuch verriegelt gewesen sei, habe sich der Kläger, nachdem er zuvor getestet habe, dass der Pkw verschlossen sei, in das Bahnhofsgebäude zum dortigen …-Markt begeben, um eine Batterie für die Fernbedienung zu kaufen. Dort habe er aber keine passende Batterie gefunden. Vor dem Aufsuchen des Geschäfts habe er beim Betreten des Bahnhofsgebäudes zwei Polizisten und eine Polizistin angetroffen und diesen erklärt, dass er Probleme mit seinem Fahrzeug habe. Es stünde auf dem Parkplatz und es befände sich eine Waffe darin, die Fernbedienung des Fahrzeugs würde nicht funktionieren und er wolle sich nunmehr eine Batterie in dem genannten Markt kaufen. Die Polizeibeamten hätten hierauf nicht reagiert. Die in der Behördenakte befindliche Stellungnahme des Polizeibeamten …, der angegeben habe, man habe ihn über seine waffenrechtlichen Pflichten aufgeklärt, gebe den Sachverhalt nicht korrekt wieder. Nach dem gescheiterten Versuch des Einkaufs sei der Kläger wieder zurück zum Fahrzeug gegangen und habe festgestellt, dass sich keine Person in der Nähe des Pkw befunden habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er noch kein Parkticket gelöst gehabt. Nach seiner Erinnerung sei er direkt zur am Bahnhofsparkplatz befindlichen …-Autovermietung gegangen und mit der dortigen Beschäftigten … zum Auto gegangen. Am Parkscheinautomat habe er ein Ticket lösen wollen, dort habe er … getroffen. Da er selbst, aber auch … kein Kleingeld dabeigehabt hätten, habe er mit Karte bezahlen müssen und dabei offensichtlich versehentlich ein Tagesticket gelöst, obwohl er nur eine Stunde habe lösen wollen. Er habe … seine Probleme mit dem Verschließen des Fahrzeugs geschildert und sowohl … als auch … hätten ihn auf den Notschlüssel hingewiesen. Letztlich, ca. gegen 10.00 Uhr bis 10.15 Uhr sei es, wie … und … bestätigen könnten, gelungen, das Fahrzeug abzusperren. … habe sich daraufhin zum Einkaufen in die Stadt begeben. Danach sei er nochmals zum Fahrzeug des Klägers gegangen und habe festgestellt, dass dieses nicht verschlossen gewesen sei. Deshalb habe er die Polizei informiert. Der Kläger selbst, der davon ausgegangen sei, dass das Fahrzeug abgesperrt sei, sei zu Fuß in die Stadt, um dort Batterien für die Fernbedienung zu kaufen. Obwohl er verschiedene Geschäfte aufgesucht habe, habe er aber keine passenden Batterien gefunden. Auf dem Rückweg zum Bahnhof gegen 12:30 bis 13:00 Uhr sei er noch essen gegangen und habe dabei einen Anruf von seiner Frau erhalten, die ihm mitgeteilt habe, dass die Polizei das Fahrzeug offen vorgefunden und die im Fahrzeug befindliche Waffe und sonstigen Gegenstände sichergestellt habe. Der Kläger habe sodann den ihm von seiner Ehefrau genannten Ansprechpartner bei der Polizei angerufen, um die Situation zu klären. Da dieser ihm mitgeteilt habe, dass er die Waffe erst nach dessen Dienstbeginn am 30. November 2021 gegen 20:00 Uhr abholen könne, sei dem Kläger klar gewesen, dass er an den vereinbarten Jagden am 29. und 30. November nicht werde teilnehmen können. Daher habe er sich kurzerhand entschlossen, eine Bekannte in …, die auch die kurzfristige Vereinbarung dieses Termins gegen 13:00 bis 14:00 Uhr an diesem Tag bestätigen könne, zu besuchen.
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Es sei unbestritten, dass das Fahrzeug nicht verschlossen gewesen sei, als die Polizei es vorgefunden habe, und dass sich darin eine Langwaffe der Marke Blaser befunden habe. Diese sei aber in einem Futteral vorschriftsmäßig verstaut und nicht sichtbar im Kofferraum unter der Abdeckplatte abgelegt gewesen. Auch die Schussmunition habe sich verdeckt im doppelten Boden im Kofferraum befunden. Der Kläger habe sich in dem Bewusstsein, dass das Fahrzeug verschlossen sei, hiervon entfernt und sei in die Stadt gegangen, um Batterien zu kaufen. Er habe spontan die Soldaten, die Polizei, … und … kontaktiert. Es sei völlig abwegig, dass eine Person sehenden Auges ein nicht verschlossenes Fahrzeug am Bahnhof abstelle, in dem sich eine Waffe und Munition befinde. Es widerspräche auch der Lebenserfahrung, dass der Kläger von Anfang an vorgehabt habe, mit dem Zug nach … zu fahren, weil er dies von … oder … aus hätte tun können. Das Landratsamt unterstelle allein aufgrund des objektiv von der Polizei vorgefundenen Fahrzeugs im unverschlossenen Zustand, dass die Unzuverlässigkeit indiziert sei. Dabei habe sich der Kläger um das Problem mit dem Verschließen des Fahrzeugs hinreichend gekümmert und sei davon ausgegangen, dass dieses abgesperrt sei. Auch bei einer reflexartigen Bewegung aufgrund eines Stolperns hätte der Öffnungsbutton der Fernbedienung gedrückt werden können, ohne dass deshalb eine Unzuverlässigkeit zu bejahen wäre. Gegen die Aufbewahrungsvorschriften werde objektiv auch verstoßen, wenn sich in einer Jagdtasche oder in einem Jagdmantel ein Loch in der Innentasche befinden würde, wodurch Munition ins Zwischenfutter geraten könne. Nach Auskunft des Werkstattinhabers, bei dem der Pkw der Ehefrau des Klägers gekauft worden sei, könnten Probleme im Schließmechanismus eintreten, wenn eine Türe nicht vollständig eingerastet sei, was man von außen kaum feststellen könne. Wenn eine Türe nicht richtig verschlossen sei, könne es danach auch vorkommen, dass der Verschließmechanismus zwar auch dann schließe, sich aber dann sofort wieder öffne. Auch bei einer defekten Zentralverriegelung könnten Türen zunächst verschlossen werden, die sich dann wieder öffneten. Daneben sei auch ein Problem beim Wassereindringen an dem Fenster der Fahrertüre bekannt, bei dem Wasser durch die Dichtleiste laufe und zur Zentralverriegelung gelange. Auch andere Gründe technischer Art habe er nicht ausschließen können.
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Im Strafverfahren habe der Kläger deutlich gemacht, dass er sich keiner Schuld bewusst gewesen sei, er sich und seine Ehefrau aber der psychischen Belastung nicht habe aussetzen wollen, weshalb er einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO zugestimmt habe. Man habe das Landratsamt im Juni 2022 um Zusage gebeten, dass der Vorfall keine waffenrechtlichen Konsequenzen habe und zumindest kein Sofortvollzug verhängt werde. Erst im September 2022 sei der Bescheid mit Sofortvollzug erlassen worden. Dabei habe das Landratsamt bereits aufgrund der Mitteilung vom 3. Januar 2022 von allen maßgeblichen Tatsachen Kenntnis gehabt. Hätte eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorgelegen, hätte es bereits damals reagieren können. Der Kläger sei, wie sich aus der beigefügten Bestätigung von Professor … (TU M.) vom 6. Mai 2022 ergebe, sehr zuverlässig und ein fachlich hochqualifizierter Ausbilder, der seit Jahren für die Aus- und Weiterbildung von Studierenden ehrenamtlich tätig sei. Durch die Entziehung des Jagdscheins wäre er ab sofort nicht mehr pachtfähig. Ein Wiedereintritt in den Jagdpachtvertrag trete bei Entziehung des Jagdscheins nicht ein. Er habe am 4. November und 3. Dezember 2022 für ca. 30 bis 60 Jagdteilnehmer eine Lehrjagd auf Reh- und Schwarzwild unter Einbeziehung der Universität München vereinbart. Zwar könne diese Veranstaltung durchgeführt werden, ohne dass der Kläger mit der Waffe die Jagd leite. Er sei aber bei dieser Jagd im Revier und würde hier wie auch in den vergangenen Jahren mit der Waffe im Einzelfall bei wehrhaftem eventuell kranken Schwarzwild einen Fangschuss antragen, da er die Örtlichkeiten bestens kenne und keine Hilfsperson beauftragen wolle, um diese nicht einer Gefahr wehrhaften Wildes auszusetzen. Ferner habe er eine Auslandsjagd für den 24. bis 26. November 2022 mit Ansitzjagd am 25. November 2022 in Bulgarien auf Schwarz-, Rot- und Damwild gebucht und vereinbart.
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Dem Kläger sei kein Vorwurf zu machen, dass das Fahrzeug offen vorgefunden worden sei. Er sei davon ausgegangen, dass es verschlossen sei, als er sich von diesem entfernt habe. Wenn durch einen Blitzeinschlag die Elektronik eines abgestellten Fahrzeugs außer Kraft gesetzt werde und sich dadurch die Fahrzeugverriegelung öffne, könne dem Betroffenen auch nicht schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden. Das Landratsamt stelle überhöhte Anforderungen an den Kläger.
den Bescheid des Landratsamts vom 26. September 2022 aufzuheben.
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Der Beklagter beantragt,
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Laut dienstlicher Stellungnahme der eingesetzten Polizeibeamten sei der Kläger sehr wohl von diesen über die rechtliche Situation zum Belassen einer Waffe und Munition in einem Pkw aufgeklärt worden. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger den Weg von … über … zur Weiterfahrt in Richtung … Forst gewählt haben will. Dies entspreche einer ungefähren Fahrtstrecke von 250 km, während der einfachste Weg lediglich 80 km betrage. Selbst wenn er noch Munition habe erwerben wollen, hätte er diese in der auf dem Fahrtweg liegenden …-Niederlassung in … kaufen können. Zudem gebe es weitere Waffenhändler im … und … Bereich, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die passende Munition auf Lager gehabt hätten. Die Kritik, dass eine zeitnahe Entscheidung schneller hätte ergehen müssen, werde zurückgewiesen. Die Entziehung eines Jagdscheins und der Widerruf der Waffenbesitzkarte mit den entsprechenden Nebenentscheidungen sei ein derart umfangreicher und eingreifender Verwaltungsakt, dass intern Prozesse wie Rücksprachen, Vorlagen etc. mit Kollegen und Vorgesetzten hätten getroffen werden müssen, um eine rechtlich fundierte Entscheidung erstellen zu können. Es sei notwendig gewesen abzuwarten, inwieweit sich durch den rechtskräftigen Ausgang des Strafverfahrens gegebenenfalls eine jagd- und waffenrechtliche Unzuverlässigkeit ergeben könne. Auch sei nach Rechtskraft des Strafverfahrens eine umfassende Würdigung des aus Sicht des Landratsamts zumindest in Teilen unklaren Sachverhalts hinsichtlich unterschiedlicher Aussagen der ermittelnden Polizeibeamten, Zeugen und Angaben des Klägers bzw. dessen Bevollmächtigten, etwa zum Zweck der Fahrt nach …, notwendig gewesen, um eine rechtssichere Entscheidung zu ermöglichen. Gerade das Strafverfahren sei eine weitere Erkenntnisquelle für die Entscheidungsbehörde gewesen. Die persönlichen Hintergründe des Klägers müssten hinter den Belangen der Allgemeinheit zurückstehen. Die Jagden am 4. November und 3. Dezember 2022 könnten von diesem auch ohne entsprechende jagd- und waffenrechtliche Erlaubnis wahrgenommen und geleitet werden. Eine Gefahr des erneuten unsicheren Aufbewahrens von Waffen und Munition sei bereits mit dem einmaligen Vorfall am 29. November 2021 gegeben.
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Nach den waffenrechtlichen Vorschriften müssten Waffen und Munition selbst bei kurzzeitigem Verlassen im verschlossenen Fahrzeug zurückgelassen werden. Ein Vorsatz hinsichtlich des Nichtabschließens sei nach dem Gesetz nicht erforderlich. Von einem durchschnittlich pflichtbewussten Jagdscheininhaber und Waffenbesitzer könne erwartet werden, dass er die Situation adäquat einordne und entsprechend reagiere. Die Probleme mit dem Schlüssel bzw. mit dem Versperren des Autos hätte der Kläger anders lösen können, etwa durch Hinzuziehung einer Fachfirma vor Ort, ohne das Fahrzeug unverschlossen zurückzulassen. Die nachträgliche Hinzuziehung des Werkstattinhabers beweise das Bewusstsein des Klägers über einen augenscheinlichen Defekt des Fahrzeuges. Die in … hinzugezogenen Personen seien nicht fachkundig gewesen und hätten nicht weiterhelfen können. Im Übrigen sei es widersprüchlich, dass der Kläger in der Klageschrift einmal angebe, die Soldaten angesprochen zu haben, an anderer Stelle aber angebe, dass diese ihn angesprochen hätten. Zudem wäre es dem Kläger möglich gewesen, sich zuerst zurück nach Hause zu begeben, um die Waffe und Munition ordnungsgemäß in einem Sicherheitsbehältnis aufzubewahren. Danach hätte er seine Reise trotzdem antreten können. Anderenfalls hätte er die Waffe und Munition in die Hände einer berechtigten Person zur vorübergehenden Aufbewahrung geben können. Auch seine Ehefrau hätte diese abholen und sicher verwahren können. Der Kläger habe vorwerfbar gehandelt. Es handle sich hier um eine gebundene Entscheidung aufgrund des Aufbewahrungsverstoßes, welcher objektiv und auch subjektiv vom Kläger begangen worden sei. Bei der Prognose für die vorliegende Unzuverlässigkeit sei auf eine auf der Lebenserfahrung beruhende Einschätzung abzustellen. Hierbei genüge ein einmaliger Aufbewahrungsverstoß zur Annahme der Unzuverlässigkeit. Der Kläger habe sich eben nicht angemessen verhalten, wie von einem langjährigen Jagdscheininhaber und Waffenbesitzer verlangt werden könne.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte sowie die im gerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klagen sind zulässig, jedoch unbegründet. Der mit Bescheid des Landratsamts … vom 26. September 2022 verfügte Widerruf der Waffenbesitzkarten des Klägers sowie die Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Sowohl der in Nr. 3 des Bescheids angeordnete Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2b WaffG als auch die in Nr. 1 des Bescheids angeordnete Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins gemäß § 18 Satz 1 BJagdG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, Abs. 3 Nr. 2 BJagdG sind rechtmäßig.
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Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Kläger nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt. Des Weiteren ist die zuständige Behörde nach § 18 Satz 1 BJagdG in Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins begründen, erst nach Erteilung des Jagdscheins eintreten oder der Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, bekannt werden. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG ist der Jagdschein Personen zu versagen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit oder körperliche Eignung nicht besitzen.
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Danach erweist sich der hier im Streit stehende Bescheid als rechtmäßig, weil der Kläger nach Überzeugung des Gerichts nicht über die erforderliche waffen- und jagdrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG und § 17 Abs. 3 Nr. 2 BJagdG verfügt.
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Dabei kann dahingestellt bleiben, dass die Einlassung des Klägers mit den behördlichen Feststellungen sowie den Aussagen und Vermerken der von ihm selbst benannten Zeugen (Polizeibeamte, Mitarbeiterin einer Autovermietung sowie ein Passant) nicht vereinbar und schon die Frage, ob er tatsächlich unmittelbar auf dem Weg zu einer Jagd war, höchst zweifelhaft ist. Denn es ist zwischen den Parteien jedenfalls unstreitig, dass er den auf seine Ehefrau zugelassenen Pkw am 29. November 2021 auf dem Parkplatz am … Hauptbahnhof mit einer darin gelagerten Langwaffe Marke Blaser sowie fünf Schuss Munition zurückgelassen hat, welcher von der Polizei vor Ort gegen 12:00 Uhr unverschlossen vorgefunden wurde. Damit hat er gegen die nach § 36 WaffG, § 13 Abs. 9 AWaffV bestehenden gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen oder Munition verstoßen. Dieser Umstand rechtfertigt die Prognose, dass der Kläger nicht mehr die Gewähr dafür bietet, seine Waffen und Munition künftig stets ordnungsgemäß aufzubewahren.
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Bei den Aufbewahrungsvorschriften handelt es sich um zentrale waffenrechtliche Vorschriften, die der Umsetzung eines der vordringlichsten und wichtigsten Ziele des Waffengesetzes dienen, nämlich das Abhandenkommen und die unbefugte Ansichnahme von Waffen und Munition durch unbefugte Dritte zu verhindern. Wegen der von Waffen und Munition ausgehenden erheblichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter darf ein Restrisiko nicht hingenommen werden. Verstößt ein Waffenbesitzer gegen diese Vorgaben, ist alleine das ein gewichtiges Indiz dafür, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht mehr verdient (BayVGH, B.v. 7.7.2015 – 21 ZB 14.2690 – juris Rn.10). Die bei der polizeilichen Kontrolle am 29. November 2021 festgestellte gesetzeswidrige Auffindesituation ist eine nachträglich eingetretene Tatsache, die die Annahme fehlender waffen- und jagdrechtlicher Zuverlässigkeit des Klägers rechtfertigt.
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Dem steht die Einlassung des Klägers, er sei davon ausgegangen, sein Pkw sei verschlossen, nicht entgegen. Diese Aussage ist – unabhängig von der Tatsache, dass er die Waffe und Munition eigentlich nur auf direktem Weg zur Jagd in seinem Fahrzeug hätte aufbewahren dürfen – schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil er selbst vorträgt, mehrfach den Schließmechanismus des Fahrzeugs getestet und festgestellt zu haben, dass dieser lediglich nach dem Zufallsprinzip funktioniert habe. Auch seine weitere, von ihm selbst angegebene Vorgehensweise, im Hinblick darauf Polizeibeamte, eine Mitarbeiterin einer Autovermietung sowie einen Passanten angesprochen zu haben, macht deutlich, dass ihm bewusst war, dass er nicht sicher war, ob das Fahrzeug abgeschlossen war. Dessen ungeachtet sich dann, wie er selbst einräumt, vom Pkw wegbegeben zu haben, ist mit den jagd- bzw. waffenrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar. Vielmehr hätte er sich, wie der Beklagte zu Recht ausführt, in dem Bewusstsein, dass sich in dem Fahrzeug eine Waffe sowie Munition befand, von diesem nicht entfernen dürfen, sondern entweder eine Fachfirma oder eine für die Übernahme der Waffe berechtigte Person herbeirufen bzw. sich wieder nach Hause begeben müssen, um die Waffe ordnungsgemäß zu verwahren. Alternativ wäre es ihm auch möglich gewesen, die Geschäftsräume der Waffenfirma, deren Besuch nach seinem eigenen Vortrag der Anlass seines Aufenthalts in … gewesen war, aufzusuchen und dort die Waffe zu deponieren. Von all diesen Möglichkeiten hat der Kläger abgesehen, obwohl ihm damit klar sein musste, dass er hierdurch gegen die jagd- und waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften verstößt. Dieser Verstoß wiegt umso schwerer, als er nicht nur eine Waffe, sondern zugleich auch die dazu passende Munition in dem Wagen mit sich führte. Dass dem Kläger die ihm obliegenden Pflichten der ordnungsgemäßen Aufbewahrung von Waffen und Munition nicht geläufig sind, wird umso mehr dadurch deutlich, dass er sich von dem abgestellten Fahrzeug, dessen unzuverlässige Schließfunktion ihm nach seinem eigenem Vorbringen bewusst sein musste, nicht nur kurzzeitig zum Kauf einer Batterie für den Fahrzeugschlüssel entfernt hatte und im Gegensatz zu dem von ihm zufällig herangezogenen Passanten …, der später die Unverschlossenheit des Fahrzeugs feststellte und daher die Polizei informierte, keinerlei Besorgnis über dessen ordnungsgemäßen Verbleib gehabt haben will. Die sich aus dem Verstoß ergebende hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen wird, ist danach rechtlich nicht zu beanstanden.
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Dem steht die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Kläger nach § 153a StPO nicht entgegen. Dieser Umstand hindert die Behörden und Gerichte nicht daran, die festgestellten Tatsachen als gewichtig einzustufen, da das Gesetz eine Bindung der Behörde an eine Einstellung des Strafverfahrens aus bestimmten Gründen nicht vorsieht. Vielmehr haben die Verwaltungsbehörden und im Streitfall auch die Verwaltungsgerichte eigenständig die Verstöße gegen das Waffenrecht festzustellen. Denn einer Straftat kann ordnungs- und sicherheitsrechtlich größeres Gewicht zukommen als in strafrechtlicher Hinsicht. Dabei ist von dem dargelegten ordnungsrechtlichen Zweck des Waffengesetzes auszugehen, die Allgemeinheit vor dem Schaden zu bewahren, der aus einem Umgang mit Schusswaffen durch nicht in jeder Hinsicht hierfür vertrauenswürdige Personen droht (BayVGH, B.v. 9.8.2022 – 24 CS 22.1575 – juris Rn. 15).
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Gleichermaßen ist es unbeachtlich, dass es sich hierbei um einen einmalig festgestellten Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten handelte (BayVGH a.a.O. Rn. 16 und 18). Auch wenn der Kläger über viele Jahre nicht auffällig geworden ist und sogar erfolgreich und zuverlässig Lehrjagden durchgeführt hat, macht der Verstoß deutlich, dass er – sei es auch in Sondersituationen – nicht mit der Besonnenheit handelt, die von einem Inhaber eines Jagdscheins bzw. einer Waffenbesitzkarte zu erwarten ist. Dies ist gerade im Hinblick darauf, dass der Kläger auch in der jagdrechtlichen Ausbildung tätig ist, von besonderer Bedeutung, da gerade deshalb von ihm erwartet werden konnte, dass er sich seiner Aufbewahrungspflichten jedenfalls bewusst sein musste. Soweit sich der Kläger noch darauf beruft, dass es – sei es im Sportschützenverein oder bei der Jagd – auch dort zu Situationen kommen könne, in denen Nichtberechtigte Zugriff zu Waffen haben könnten, verdeutlicht das das fehlende Pflichtbewusstsein des Klägers umso mehr. Derartige Situationen sind – was dem Kläger offensichtlich nicht bewusst ist – nicht mit den waffen- bzw. jagdrechtlichen Verpflichtungen vereinbar und dementsprechend von den Ordnungsbehörden im Hinblick auf die von Waffen und Munition ausgehenden erheblichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter entsprechend zu kontrollieren und gegebenenfalls zu ahnden.
24
Soweit der Kläger eine fehlerhafte Ermessensausübung der Behörde rügt, geht er fehl. Weder die Rechtsgrundlage für die Ungültigkeitserklärung des Jagdscheins noch diejenige für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis sehen ein behördliches Ermessen vor. Vielmehr ist die Ungültigkeitserklärung des Jagdscheins bzw. der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis zwingend, wenn es dem Betroffenen an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit fehlt. Auch bei der Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit wird der Behörde kein Ermessen eingeräumt. Bei Vorliegen des § 5 Abs. 1 WaffG besteht vielmehr eine unwiderlegbare Vermutung für die Unzuverlässigkeit (BayVGH, B.v. 9.8.2022 – 24 CS 22.1575 – juris Rn. 17).
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2. Danach sind auch die im streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Nebenentscheidungen rechtlich nicht zu beanstanden.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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4. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.