Titel:
wasserrechtliche Anordnung, Untersagung der Stauhaltung, defekte Stauanlage, Ermessen, Zwangsgeld
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
WHG § 100 Abs. 1
BayWG Art. 58
WHG § 36
Schlagworte:
wasserrechtliche Anordnung, Untersagung der Stauhaltung, defekte Stauanlage, Ermessen, Zwangsgeld
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16843
Tenor
I. Der Bescheid des Landratsamts ... vom 8. März 2023 wird insoweit aufgehoben, als für eine ordnungsgemäße Stauhaltung sowohl die Benennung eines technischen Fachpersonals in ausreichender Zahl mit ganzjähriger 24/7 – Erreichbarkeit und – Anwesenheit vor Ort als auch der Nachweis über den Einbau einer automatisierten Steuerung wenigstens einer Schützentafel gefordert wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Kläger wenden sich gegen eine wasserrechtliche Anordnung zur Untersagung der Stauhaltung.
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Die Kläger betreiben seit dem Jahr 2005 eine Wasserkraftanlage zur Stromerzeugung am Stauwehr „...“ an der M. in ... . Ausweislich des Eintrags in das Wasserbuch Nr. A, Landratsamt, wird die Wasserkraftanlage aufgrund eines Altrechts betrieben. Die Stauanlage wird mitbenutzt durch die Triebwerke D. (Klägerin im Verfahren Au 9 K 23.516) und H. (heute: K.). Das Stauwehr besitzt zwei Schützentafeln, von denen eine automatisiert (linke Schützentafel) und die andere (rechte Schützentafel) manuell betrieben wird.
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In den Jahren 2010 und 2013 stellte die zuständige Wasserbehörde fest, dass ein Defekt an der Automatik der von den Klägern gemeinschaftlich (mit-)betriebenen Wehranlage vorliegt, so dass die linke Schützentafel des Wehrs nicht ordnungsgemäß geöffnet werden konnte, und forderte die Kläger zur Beseitigung des Defekts auf.
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Aufgrund einer Beschwerde führte die Technische Gewässeraufsicht am 6. Februar 2020 erneut eine Kontrolle der Schützentafeln des Stauwehrs durch. Bei diesem Ortstermin wurde festgestellt, dass die automatisch gesteuerte Schützentafel defekt ist. Personal vor Ort bzw. ein Stauwärter habe nicht angetroffen werden können. Das Wehr sei umgehend wieder instand zu setzen und möglichst zu automatisieren. Bei weiterer manueller Bedienung sei eine Person zu benennen, die jederzeit die Anlage bedienen könne, um auf eventuelle Naturereignisse unmittelbar reagieren zu können. Die Kraftwerksbetreiber wurden über die Feststellungen des Wasserwirtschaftsamts informiert und aufgefordert, die defekte Anlage gemeinschaftlich unverzüglich bis spätestens zum 27. März 2020 in einen ordnungsgemäßen Zustand zu bringen.
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Mit Schreiben vom 15. Juli 2021 teilte ein Anlieger dem Landratsamt mit, dass seit Januar 2018 eine defekte linke Schützenfalle wiederholt und in zunehmendem Maße zu Überschwemmungen seines Grundstücks geführt habe, obwohl keine Hochwassersituation vorgelegen habe. Ein daraufhin durchgeführter Ortstermin durch die Technische Gewässeraufsicht ergab, dass sich seit der letzten Ortseinsicht vom 6. Februar 2020 keine Veränderungen ergeben hatten. Die Aufhängung der Wehrtafel sei nach wie vor defekt. Bei den geschilderten Überflutungen werde ein Zusammenhang mit der defekten Wehranlage gesehen. Da es den Betreibern anscheinend nicht möglich sei, auf die immer wieder akut auftretenden Starkregenfälle mit der geforderten Schnelligkeit zu reagieren, werde Gefahr im Verzug gesehen. Ein weiterer Aufschub sei nicht mehr zu dulden und die Wehrtafel umgehend zu reparieren. Eine automatisierte, niveaugesteuerte Variante werde als beste Lösung angesehen.
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Nachdem die Kläger und die weiteren Kraftwerksbetreiber trotz mehrfacher Aufforderungen weiterhin untätig geblieben waren, wurden diese mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 18. November 2021 gemeinsam verpflichtet, bis zum 15. Januar 2022 die linke Schützentafel an der gemeinschaftlichen Wehranlage so instand zu setzen, dass der ordnungsgemäße Betrieb wieder sichergestellt ist. Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage (Au 9 K 21.2382). In der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2022 erklärten die Vertreter des Beklagten, dass die im Bescheid gesetzte Frist zur Instandsetzung bis zum 30. Juni 2022 verlängert werde und von einer Fälligstellung der angedrohten Zwangsgelder abgesehen werde, sofern dem Landratsamt bis zum 30. Juni 2022 die Auftragserteilung einer fachkundigen Firma vorgelegt werde. Daraufhin nahmen die Kläger die Klage zurück. Das Klageverfahren wurde eingestellt.
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Mit Schreiben vom 30. Juni 2022 legten die Kläger den Entwurf eines Auftragsschreibens zur Instandsetzung der Wehranlage vor, der dem Wasserwirtschaftsamt zur Beurteilung vorgelegt wurde. Angesichts der im vorgelegten Schreiben genannten Lieferfristen wurde bis zum Abschluss der Instandsetzung eine Frist bis zum 31. Januar 2023 gesetzt.
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Am 2./3. Oktober 2022 führte anhaltender und starker Regen dazu, dass die vom Oberlauf der M. ankommende Wassermenge am Stauwehr der Kläger nicht schnell genug abgeleitet werden konnte. Das Wasser floss über mehrere Felder und überflutete ein Wohngebiet. Bei der Ortseinsicht aufgrund des Schadensereignisses stellte das Wasserwirtschaftsamt am 3. Oktober 2022 fest, dass an der Stauanlage der Kläger die rechte Schützentafel unzureichend geöffnet war, so dass es zu einem Überströmen der Wehranlage kam. Die zweite (linke) Schützentafel war geschlossen und musste durch die Feuerwehr geöffnet werden. Die defekte Hebeeinrichtung der linken Schützentafel des von den Klägern betriebenen Stauwehrs habe nur unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln (Hebezug) und von mehreren Personen hochgezogen werden können. Unter dem Eindruck der Schäden und künftiger Risiken sei es aus fachlicher Sicht notwendig, dass die Staueinrichtung (beide Schützentafeln) geöffnet bleiben müssen, bis die Anlage saniert ist. Für die Sanierung werde eine automatisierte Anlagentechnik vorgegeben.
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Mit Bescheid, datiert auf den 3. Oktober 2022 und adressiert an die Kläger sowie die weiteren Triebwerksbetreiber, wurden die Bescheidsadressaten gemeinschaftlich verpflichtet, beide Stautafeln an der Stauanlage der Triebwerke P., D. und K. in ... ab sofort und solange geöffnet zu halten, bis die Funktionsfähigkeit der Wehranlage vollständig wiederhergestellt ist. Jegliche Stauhaltung wird untersagt. Das ankommende Wasser der M. ist ungehindert weiterzuleiten. Die Beurteilung der Funktionsfähigkeit erfolgt durch das Wasserwirtschaftsamt .... Eine Wiederaufnahme der Nutzung bedarf der vorherigen schriftlichen Freigabe durch das Landratsamt ... (Ziffer I. des Bescheids). Für den Fall, dass die Verpflichtung unter Ziffer I. nicht erfüllt wird, wird für jeden Bescheid der Bescheidsadressaten ein Zwangsgeld in Höhe von 2000,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer II.). Die sofortige Vollziehung der Ziffer I. des Bescheids wurde angeordnet (Ziffer III.).
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Gegen diesen Bescheid ließen die Kläger am 27. Oktober 2022 über ihren Bevollmächtigten Klage erheben (Au 9 K 22.2090) und beantragen, den Bescheid des Landratsamts ... vom 3. Oktober 2022 aufzuheben. Zur Begründung wird ausgeführt, der Bescheid sei rechtswidrig, da er nicht auf die vom Beklagten herangezogene Rechtsgrundlage des § 100 Abs. 1 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 BayWG gestützt werden könne. Das Landratsamt unterstelle den Klägern eine Fehlbedienung der Anlage, die zu einer Überflutung geführt hätte. Die streitgegenständliche Anordnung sei keinesfalls notwendig, da keine Fehlbedienung durch die Kläger vorliege. Im Übrigen hätte es ausgereicht anzuordnen, dass beide Stautafeln vollständig geöffnet zu halten sind, wenn ein bestimmter Pegel die M. überschreitet. Die Gewässerunterhaltslast an der M. obliege nach Art. 22 BayWG dem Freistaat Bayern bzw. den ihm untergeordneten Behörden. Zur Gewässerunterhaltung gehöre auch die Sicherung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses, so dass auch die Bediensteten des zuständigen Wasserwirtschaftsamts verpflichtet gewesen wären, notfalls an der Steuerung der Schützentafeln einzuschreiten. Es sei zwar richtig, dass bei der Anlage der Kläger das Getriebe der linken Schützentafel defekt sei und die Schützenstafel deshalb manuell betrieben werden müsse. Der Defekt bestehe aber bereits seit dem Jahr 2018. Die Schützentafel werde seit dieser Zeit manuell bedient. Das Landratsamt lege in seinem Bescheid nicht dar, worin eine unzureichende bzw. verspätete manuelle Steuerung der Schützentafeln der Kläger zu sehen sei. Die am 3. Oktober 2022 entstandenen Überflutungen seien keinesfalls darauf zurückzuführen, dass eine unzureichende bzw. verspätete Steuerung der Schützentafel erfolgt wäre.
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Am 11. Oktober 2022 erstellte das Wasserwirtschaftsamt ... als amtlicher Sachverständiger ein Gutachten zu den Überflutungen am 3. Oktober 2022. Darin wird ausgeführt, dass im maßgeblichen Zeitraum für die M. erhöhte Abflussmengen festgestellt worden seien, von einem Hochwasserereignis aber nicht ausgegangen werden könne. Berichte über Ausuferungen fernab des Schadensfalls lägen nicht vor. Die Meldestufe 1 (kleinste Meldestufe für Hochwasserereignisse) sei nicht erreicht worden. Ursache für die erhöhten Abflussmengen seien Niederschläge in den Landkreisen ... und, die jedoch kein Starkregenereignis dargestellt hätten. Breitflächige Ausuferungen im Staubereich der Wehranlage der Kläger seien für die Überschwemmungen in der Wohnsiedlung verantwortlich. Bei ordnungsgemäßer Steuerung der Schützentafeln hätte einer Erhöhung der Stauwasserspiegellage entgegengewirkt werden können. Die Ausuferungen wären dementsprechend nicht eingetreten. Ein frühzeitiges komplettes Öffnen des von der Gemeinde ... betriebenen Teilungswehrs hätte die Überflutungen verhindern können, es handele sich aber um ein Teilungswehr im Sinne des Hochwasserschutzes. Es sei nicht Aufgabe der Gemeinde, eventuelle Fehler und Versäumnisse der Stauanlagenbetreiber in ihren eigenen Steuerstrategien zu berücksichtigen. Wie am schadlosen Abflussgeschehen an der oberhalb der klägerischen Anlage liegenden Wasserkraftanlage zu erkennen sei, seien die Abflussmengen zu bewältigen gewesen. Es könne nicht von einem bezüglich Intensität und zeitlichem Verlauf ungewöhnlichem bzw. überraschendem Abflussereignis gesprochen werden. Da Überflutungen und Schäden ausschließlich im Einflussbereich der Stauanlage der Kläger festzustellen gewesen seien, sei von keinem fehlerhaften Betrieb anderer Stauanlagen auszugehen. Angesichts des Schadensereignisses müsse dem Betriebsbeauftragten zum aktuellen Zeitpunkt die fachliche Eignung abgesprochen werden. Den Betreibern seien die Mängel der Anlage bekannt gewesen, erforderlicher Sanierungsaufwand sei wissentlich missachtet worden.
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Mit Schreiben vom 18. Oktober 2022 teilte ein Nachbar der Wehranlage mit, dass das Ufer des Triebwerkkanals H./K. auf seinem Grundstück infolge der Überschwemmung vom 3. Oktober 2022 eingebrochen und nicht mehr gesichert sei. Das über das Ufer getretene und über das Grundstück gelaufene M.wasser habe die Spundwand zur Sicherung des Triebwerkkanals auf einer Länge von 7 bis10 m ca. 60 cm weit vom Ufer weggedrückt. Teile des dahinter befindlichen Ufers seien unterspült worden und weggebrochen. Der auf diesem Teil des Grundstücks stehende Carport sei nicht mehr nutzbar.
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Nachdem der Bevollmächtigte der Kläger am 5. Dezember 2022 dem Landratsamt mitgeteilt hatte, dass die Anlage repariert sei, forderte das Wasserwirtschaftsamt im Rahmen der Terminabsprache zur Abnahme der Instandsetzung weitere Unterlagen, die Voraussetzungen für die Gewährleistung einer vollständigen Funktionsfähigkeit der Anlage seien. Diese zusätzlichen Anforderungen wurden dem Bevollmächtigten der Kläger mit E-Mail vom 12. Dezember 2022 mitgeteilt, der mit E-Mail vom 20. Januar 2023 und Scheiben vom 2. Februar 2023 umfassend Stellung nahm. Mit Schreiben vom 6. Februar 2023 erläuterte das Landratsamt nochmals seine Sichtweise, auf das der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 13. Februar 2023 replizierte.
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Mit Schreiben vom 16. Februar 2023 teilte der Bevollmächtigte der Kläger dem Gericht mit, dass die Kläger der Forderung in Ziffer I. des Bescheids vom 3. Oktober 2022 mittlerweile vollständig nachgekommen seien. Die Funktionsfähigkeit der Anlage sei wieder vollständig hergestellt, dennoch verweigere das Landratsamt die Freigabe der Anlage und fordere eine Instandsetzung der Stauhaltungsdämme und die Vorlage weiterer Nachweise.
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Mit Schreiben vom 27. Februar 2023 bestellte sich für die Kläger eine weitere Bevollmächtigte.
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Am 8. März 2023 erließ das Landratsamt „neben dem Bescheid vom 03.10.2022, Nr ... Az. ...“ einen weiteren Bescheid, „dessen Anordnungen sich erst im Zuge diverser Ermittlungen und Gutachten des Wasserwirtschaftsamts ergeben hätten“. In diesem Bescheid, adressiert an die Kläger sowie die weiteren Triebwerksbetreiber, wurden die Bescheidsadressaten gemeinschaftlich verpflichtet, beide Stautafeln an der Stauanlage der Triebwerke P., D. und K. in ... ab sofort und solange geöffnet zu halten, bis zusätzlich zur Funktionsfähigkeit der Wehranlage ihr ordnungsgemäßer, gefahrloser Betrieb sichergestellt ist. Jegliche Stauhaltung wird untersagt. Das ankommende Wasser der M. ist ungehindert weiterzuleiten. Die Beurteilung des ordnungsgemäßen Betriebs der Stauanlage bemisst sich nach den Kriterien unter Buchstabe B des Bescheides. Deren Erfüllung ist durch Vorlage der dort genannten Dokumente zu belegen. Die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Nutzung bedarf der vorherigen schriftlichen Freigabe durch das Landratsamt ... (Ziffer I. des Bescheids). Für den Fall, dass die Verpflichtung unter Ziffer I. nicht erfüllt wird, wurde für jeden der Bescheidsadressaten ein individuell festgelegtes Zwangsgeld angedroht. Für die Kläger wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 14.400,00 EUR gesamtschuldnerisch zur Zahlung fällig erklärt (Ziffer II.). Die sofortige Vollziehung der Ziffer I. des Bescheids wurde angeordnet (Ziffer III.).
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Die Anforderungen an den ordnungsgemäßen Zustand und Betrieb der Stauanlage wurden folgendermaßen festgelegt:
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1. Nachweise über die durchgeführten Instandsetzungsarbeiten an der Wehranlage (Rechnungen, (Foto-)Dokumentationen, Stundenzettel, Beschreibung der Arbeiten und der ausgetauschten Anlagenteile, Produktblätter der neuen Anlageteile, etc.),
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2. Nachweise über die durchgeführten Instandsetzungsarbeiten an den Stauhaltungsdämmen (Rechnungen, (Foto-) Dokumentationen, Stundenzettel, Beschreibung der Arbeiten),
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3. Vorlage einer ausführlichen Aufbauund Ablauforganisation, die einen sicheren zuverlässigen und umweltverträglichen Betrieb der Stauanlage gewährleistet und mindestens folgende Unterlagen enthält:
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- Betriebsvorschrift, Betriebs-, Anlagen- und Wartungspläne, Prüfintervalle sicherheitsrelevanter Bauteile,
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- Benennung des technischen Fachpersonals in redundanter Anzahl mit ganzjähriger 24/7-Erreichbarkeit und -Anwesenheit vor Ort; der Nachweis ist durch Arbeitsverträge zu erbringen. Nachweise über die fachliche Qualifikation und die notwendige Einweisung in die Anlage. Dem bisherigen Personal wird die fachliche Qualifikation aus wasserwirtschaftlicher Sicht aberkannt.
23
- Steuerstrategie im Falle erhöhter Abflüsse bzw. für unterschiedliche Abflussszenarien,
24
- Gewährleistung der Erreichbarkeit: Liste aktueller Kontaktdaten, Rufnummern etc. des gesamten Personals,
25
- ausführliche Dokumentation zukünftiger Wartungsarbeiten und Fortbildungs- bzw. Schulungsmaßnahmen des Personals,
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4. Nachweis über den Einbau einer automatisierten Steuerung wenigstens einer Schützentafel.
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Zur Begründung wird ausgeführt, die Anordnung stütze sich auf § 100 Abs. 1 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 BayWG. Danach könne das Landratsamt in Wahrnehmung der Aufgaben der Gewässeraufsicht Anordnungen für den Einzelfall erlassen. Die Gewässeraufsicht habe dabei die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen aufgrund der Wassergesetze zu überwachen. Das Landratsamt habe unter Anwendung pflichtgemäßen Ermessens und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit keine andere Möglichkeit gesehen, als die drohenden Gefahren durch die Anordnung des völligen Abstaus abzuwenden. Bei Stauanlagen handele es sich um gefahrgeneigte Anlagen, bei denen durch einen fehlerhaften Betrieb oder mangelhaften Zustand ein Überstau entstehen könne, der zu einer künstlich herbeigeführten Hochwassersituation mit Gefährdung von Sachwerten und schlimmstenfalls irreversiblen Folgen für die Gesundheit und das Leben Dritter führen könne. Durch die dauerhafte Öffnung der Schützentafeln in der Zeit bis zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Anlagen- und Betriebszustands werde sichergestellt, dass es im Falle eines Hochwassers nicht zu einem Überstau komme. Die Gewährleistung eines intakten Anlagezustands diene der Abwehr der von dem Betrieb der Stauanlage ausgehenden Gefahren. Der Zustand und der Betrieb der Stauanlage entspreche derzeit noch nicht den in § 36 Abs. 2 Satz 1 WHG normierten öffentlich-rechtlichen Anforderungen. Die Wiederaufnahme der Stauhaltung könne nur gestattet werden, wenn die Betriebssicherheit durch einen einwandfreien technischen Zustand der Wehranlagen sichergestellt sei. Die geforderten Nachweise entsprächen den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Sinn von § 36 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Nr. 11 WHG. Die Maßnahmen seien erforderlich. Die förmliche Anordnung der Instandsetzung sei bereits als milderes Mittel gewählt worden. Die hieran notwendigerweise zu knüpfende Bedingung einer zuverlässigen Wehrbedienung sei in der Vergangenheit nachweislich nicht erfüllt worden, was zur Verwirklichung der vorgenannten Gefahren für die Allgemeinheit geführt habe. Der Schadenseintritt am 2./3. Oktober 2022 wäre durch ordnungsgemäßes Handeln nachweislich vermeidbar gewesen. Der dem zuständigen Personal nachweislich bekannte Mangel der rechten und auch linken Stautafel hätte eine umso sorgsamere Bedienung und Überwachung erfordert. Diesem Erfordernis sei ganz offenkundig nicht Genüge getan worden. Laut Gutachten des Wasserwirtschaftsamts sei den aktuellen Betriebsbeauftragten die persönliche und fachliche Eignung zur zuverlässigen Bedienung der Stauanlage abzusprechen. Die Absenkung des Stauziels auf ein Mindestmaß wäre ein nicht gleich geeignetes milderes Mittel zur Gefahrenabwehr gewesen. Eine solche Maßnahme wäre nur geeignet, wenn berechtigterweise von der Zuverlässigkeit des Betriebs ausgegangen werden dürfte. Da die bereits bestehenden Pflichten zur Stauhöhe nicht zuverlässig eingehalten würden, wäre eine neuerliche Verpflichtung und bloße redaktionelle Änderung der maximalen Stauhöhe kein gleichermaßen geeignetes milderes Mittel. Da die Triebwerksbetreiber gemeinschaftlich für die Bedienung und Unterhaltung der Stauanlage verantwortlich seien, hätten sie sich an den hierfür konkret erforderlichen Maßnahmen entsprechend zu beteiligen, so dass alle Triebwerksinhaber gleichermaßen verpflichtet seien. Gerade die Uneinigkeit der Teilhaber habe die für den sicheren Weiterbetrieb der Stauanlage dringend erforderliche Ertüchtigung verzögert. Durch keinen der Betreiber seien die den tatsächlichen Umständen nach gebotenen Maßnahmen getroffen worden. Unter dem Eindruck des am 3. Oktober 2022 eingetretenen Schadensausmaßes habe es für die wirksame Gefahrenabwehr der an dieser Stelle verfügten Maßnahmen bedurft. Die Maßnahme stehe auch im angemessenen Verhältnis zu den damit verbundenen Nachteilen für die Betroffenen. Die Auswirkungen des untersagten Aufstaus seien zwar hinsichtlich der Gewässerökologie und dem Grundwasserstand im Bereich der Stauhaltung nicht untersucht, auch lasse die Untersagung den durch Altrecht gestatteten Anlagenbetrieb unmöglich werden, das Interesse der Betroffenen an der Gewässernutzung müsse aber hinter der dringend notwendigen Abwehr der erheblichen Gefahren für die Allgemeinheit zurückstehen. Deren Gefahren für Leib und Leben sowie Sachwerte sei durch den fehlerhaften Betrieb der Anlage anlässlich des Ereignisses am 3. Oktober 2022 verdeutlicht worden. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG und entspreche pflichtgemäßem Ermessen. Für die Bemessung seien die Erträge in Ansatz gebracht worden, welche durch den jeweiligen Unternehmer durch den Betrieb seiner Anlage im Schnitt erwirtschaftet werden. Da alle drei Betreiber gemeinschaftlich für den Betrieb der Anlage verantwortlich sind, seit Jahren aber ein Konsens über Betrieb und Unterhaltung nicht erreicht wurde, sei es zweckdienlich und geboten, jedem Betreiber ein Zwangsgeld aufzuerlegen.
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Im Hinblick auf den Erlass des Bescheids vom 8. März 2023 teilten die Kläger mit, dass der für den 6. April 2023 angesetzte Termin zur Abnahme der Instandsetzung der Schützentafeln nicht wahrgenommen werde.
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Mit Schreiben vom 11. April 2023 führt die weitere Bevollmächtigte der Kläger aus, die Annahme, die Überschwemmung sei auf die unzureichende bzw. verspätete Steuerung der Stauanlage der Kläger zurückzuführen, sei falsch. Zur Begründung werden die von den Klägern bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Argumente und Sachverhaltsschilderungen wiederholt. Die Kläger seien den Forderungen in Ziffer I. des Bescheids vom 3. Oktober 2022 vollumfänglich nachgekommen. Die Funktionsfähigkeit der Wehranlage sei wieder vollständig hergestellt. Der Bescheid sei bereits formell rechtswidrig. Er sei hinsichtlich der Anordnung unter -B. Ziffer I. unbestimmt. Unter B. des Bescheids würden die Anforderungen an den ordnungsgemäßen Zustand und den Betrieb der Stauanlage aufgezählt. Die aufgelisteten, einzuhaltenden Regelwerke seien nicht öffentlich einsehbar und seien den Klägern nicht übermittelt worden. Unabhängig könnten diese Vorschriften für die Anlage der Kläger nicht herangezogen werden. Eine Anhörung der Kläger sei nicht erfolgt. Die Voraussetzungen nach Art. 28 Abs. 2 Nr.1 BayVwVfG für ein Absehen der Anhörung lägen nicht vor. Der Bescheid beziehe sich auf einen Vorfall vom 3. Oktober 2022 und sei am 8. März 2023 erlassen worden. Gefahr im Verzug habe zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorgelegen. Die Voraussetzungen des § 100 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 BayWG lägen nicht vor. Nach Auffassung des Landratsamts sei es aufgrund einer Fehlbedienung der Anlage zu einem Überschreiten der zugelassenen Stauhöhe und in der Folge zur besagten Überschwemmung gekommen. Hierbei handele es sich gerade nicht um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. WHG. Auch die vom Landratsamt angenommene Fehlbedienung mit der Folge der Verletzung der Sorgfaltspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 WHG (Vermeidung eines beschleunigten Wasserabflusses) stelle keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung im Sinn von § 100 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. WHG dar. Die Maßnahme richte sich nicht gegen den richtigen Störer. Die Gefahrenschwelle sei weder durch einen mittelbaren noch durch einen unmittelbaren Beitrag der Kläger überschritten worden. Die Kläger hätten die Stauanlage ordnungsgemäß bedient. Die angeordnete Maßnahme sei nicht geeignet, um zu verhindern, dass es erneut zu einem Überstau kommt. Der Markt ... und das Wasserwirtschaftsamt ... seien für die Bedienung des Hochwasserwehrs zuständig gewesen. Der Hochwasserkanal sei zu gering ausgelegt und habe das Wasser nicht aufnehmen können. Die falsche Bedienung des Hochwasserwehrs habe zur Überschwemmung geführt. Die Maßnahme sei auch nicht erforderlich. Das Landratsamt hätte sich zunächst an den Markt ... wenden müssen. Die Anordnung beeinträchtige die Funktionsfähigkeit der Anlage, weil diese regelmäßig bedient werden müsse. Die Ursache für die Überschwemmung könne nicht auf die Kläger zurückgeführt werden, sie liege vielmehr in einem Fehlverhalten des Marktes .... Der Bescheid leide an Ermessensfehlern. Im Bescheid seien keine Ermessenserwägungen zu finden. Solche seien nur in Bezug auf den Sofortvollzug zu finden. Im Übrigen habe die Behörde den Sachverhalt nicht ordnungsgemäß aufgeklärt. Es seien nicht alle Störer ermittelt und deren Verantwortlichkeit bewertet worden. Die Zwangsgeldandrohung sei unbestimmt. Jeder Handlungsverpflichtung hätte ein Zwangsmittel zugeordnet werden müssen.
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Mit Schreiben vom 9. Mai 2023 nahm das Landratsamt Stellung und führt aus, sowohl nach den Ergebnissen der amtlichen Sachverhaltsermittlungen im Vorfeld des Erlasses der beklagten Bescheide als auch nach den von der Klägervertretung vorgelegten Beweisen sei die Überflutung erwiesenermaßen auf den defizitären Zustand und die nicht sachgemäße Bedienung der Stauanlage der Kläger zurückzuführen. Zum Nachweis wird im Einzelnen auf in den Akten enthaltene Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts und verschiedener Einsatzberichte bezüglich des Überschwemmungsgeschehens verwiesen, deren Erkenntnisse nochmals zusammengefasst und wiederholt werden. Ein Mitverschulden des Markts ... liege nicht vor. Der Hochwasserkanal diene dem Hochwasserschutz. Ein solches habe nicht vorgelegen. Die unterste Meldestufe 1 sei nicht erreicht worden. Bis auf den durch menschliches Versagen hervorgerufenen Schadensfall seien keine Ausuferungen bekannt geworden. Die Behauptungen der Klägerseite hinsichtlich der fehlerhaften Einschätzung der Hochwasserlage durch das Wasserwirtschaftsamt seien unstimmig und unplausibel. Der Bescheid vom 8. März 2023 sei rechtmäßig, insbesondere gehe der Vorwurf der Unbestimmtheit fehl. Den Klägern sei bereits vor Erlass des Bescheids hinreichend bekannt gewesen, dass die Funktionsfähigkeit der Anlage durch einen Defekt der linken Wehrtafel beeinträchtigt sei. Eine Reparatur sei bereits mit Bescheid vom 18. November 2021 angeordnet worden. Am 3. Oktober 2022 sei es aufgrund der nach wie vor ausstehenden Reparatur zu dem besagten Schadensereignis gekommen. Die von den Betreibern zu leistenden Maßnahmen ergäben sich eindeutig aus dem Tenor des Bescheids vom 8. März 2023. Die beizubringenden Nachweise würden im Einzelnen benannt. Eine Unbestimmtheit ergebe sich auch nicht aus den zitierten Verwaltungsvorschriften und Merkblättern. Diese seien lediglich als Quellen der abschließend und eindeutig benannten Forderungen benannt worden. Die Kläger hätten zur Forderung von Nachweisen hinsichtlich der korrekten Betriebsweise mehrfach Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt und hätten hiervon auch Gebrauch gemacht. Rechtsgrundlage für die Maßnahmen sei § 100 WHG. Mit der Überflutung am 3. Oktober 2022 hätten die Kläger eine Beeinträchtigung des Wasserhaushalts verantwortet. Um eine erneute Beeinträchtigung des Wasserhaushalts zu verhindern, habe das Landratsamt nach § 100 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WHG die besagte Anordnung erlassen. Wer eine Stauanlage betreibe, schaffe eine erhebliche Gefahrenquelle. Spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der Wasserstand die zulässige Stauhöhe übersteige, müsse das Wehr in dem für die Hochwasserabwehr notwendigen Umfang geöffnet werden. Die jeweiligen zulässigen Stauhöhen seien jeweils mit Bescheid festgesetzt worden. Die Vorlage der Nachweise über die allgemein verbindlichen Vorkehrungen würden nach § 100 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 WHG von den Betreibern gefordert. Es obliege den Betreibern bzw. dem verantwortlichen Personal, sich über aktuelle Wetterprognosen zu informieren, die Pegelstände regelmäßig, aber auch ereignisbezogen zu überprüfen, die Steuerung ihrer Anlagen den äußeren Umständen anzupassen und auf diese Weise eine Gefährdung für Dritte durch den Betrieb der Anlage unter allen Umständen zu vermeiden. Nach Ziffer III Nr. 9 des Bescheids des Landratsamts ... vom 24. September 1971 hätten die Betreiber die festgesetzten Wasserhöhen einzuhalten und alles zu tun, um das Über- oder Unterschreiten der festgesetzten Wasserhöhen zu verhindern. Einer Störerauswahl habe es mangels alternativer Störer nicht bedurft. Die Behörden hätten den Sachverhalt vollständig ermittelt. Die Verantwortlichkeit der Kläger sei erwiesen. Das Ermessen sei ordnungsgemäß ausgeübt worden. Ein mögliches, jedoch nicht belegtes Fehlverhalten Dritter schmälere nicht die persönliche Verantwortung der Kläger für die erwiesene Fehlbedienung ihrer funktionsgeschädigten Anlage und die hieraus resultierende Schädigung der Allgemeinheit. Die Zwangsgeldandrohung sei rechtmäßig. Ziffer I des Bescheids enthalte nicht mehrere, sondern genau eine Verpflichtung. Diese Verpflichtung werde in den sich anschließenden Sätzen 2 bis 7 in Verbindung mit Buchstabe B konkretisiert. Die Missachtung auch nur eines Satzes bedeute einen Verstoß gegen die Anordnung im Gesamten.
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Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, der zur Verhandlung verbundenen Verfahren Au 9 K 22.2090 und Au 9 K 23.516, die beigezogenen Behördenakten und auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.
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1. Gegenstand der Klage ist die mit Bescheid vom 8. März 2023 verfügte wasserrechtliche Anordnung über die Untersagung der Stauhaltung bis zusätzlich zur Funktionsfähigkeit der Wehranlage ihr ordnungsgemäßer, gefahrloser Betrieb sichergestellt ist. Die Beurteilung des ordnungsgemäßen Betriebs der Anlage wurde an die unter Buchstabe B des Bescheids im einzelnen aufgelisteten Kriterien geknüpft. Zuvor war bereits mit Bescheid vom 3. Oktober 2022 (Gegenstand des Klageverfahrens Au 9 K 22.2090) gegenüber den Klägern und den weiteren Mitbetreibern der Wehranlage die Stauhaltung bis zur vollständigen Herstellung der Funktionsfähigkeit der Anlage untersagt worden. Während sich die Untersagung der Stauhaltung im Bescheid vom 3. Oktober 2022 auf die durch den Defekt einer Schützentafel hervorgerufene Gefahrenlage bezog und die Wiederaufnahme des Aufstaus an deren Instandsetzung geknüpft wurde, werden im streitgegenständlichen Bescheid vom 8. März 2023 – neben der Aufrechterhaltung der Anordnung des Bescheids vom 3. Oktober 2022 – darüberhinausgehende weiterreichende Regelungen getroffen.
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2. Gegen die Fortschreibung der mit Bescheid vom 3. Oktober 2022 getroffenen Regelungen durch Bescheid vom 8. März 2023 bestehen keine rechtlichen Bedenken. Mit Urteil vom 22. Mai 2023 wurde im Verfahren Au 9 K 22.2090 entschieden, dass die durch Bescheid vom 3. Oktober 2022 ausgesprochene Untersagung des Aufstaus bis zur Herstellung der Funktionsfähigkeit der Anlage rechtmäßig ist. Insoweit wird auf die Urteilsgründe im gleichzeitig verhandelten Verfahren verwiesen. Da die Untersagung der Stauhaltung einen Dauerverwaltungsakt darstellt, sind dessen rechtliche Wirkungen allerdings von der Behörde fortlaufend zu beobachten und zu begleiten. Stellt sich heraus, dass die Voraussetzungen für den Erlass des Bescheids nicht mehr vorliegen, ist dieser aufzuheben. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Wiederaufnahme der Nutzung bedarf der schriftlichen Freigabe durch das Landratsamt. Zuvor hat das zuständige Wasserwirtschaftsamt die Funktionsfähigkeit der Anlage festzustellen. Da jedoch noch keine Abnahme erfolgt ist und somit die Funktionsfähigkeit der Anlage noch nicht nachgewiesen ist, gilt die mit Bescheid vom 3. Oktober 2022 erfolgte Untersagung des Aufstaus fort und konnte im streitgegenständlichen Bescheid fortgeschrieben werden. Der Einwand der Klägerseite, eine Abnahme der Instandsetzung der Anlage mache angesichts der weiteren Forderungen des Beklagten keinen Sinn, greift nicht. Es liegt grundsätzlich im Verantwortungsbereich der Betreiber, die Funktionsfähigkeit ihrer Anlage nachzuweisen. Ohne diesen Nachweis scheidet ein Wiederaufstau schon allein aus diesem Grund aus, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob die Behörde den Aufstau noch von weiteren Voraussetzungen abhängig machen kann.
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3. Die im Bescheid vom 8. März 2023 ergänzend getroffenen Regelungen können zwar auf die Rechtsgrundlage des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 Bayerisches Wassergesetz (BayWG) gestützt werden. Soweit jedoch die Wiederaufnahme der Stauhaltung daran geknüpft wird, dass sowohl technisches Fachpersonal in redundanter Anzahl mit ganzjähriger 24/7-Erreichbarkeit und -Anwesenheit vor Ort als auch der Nachweis über den Einbau einer automatisierten Steuerung wenigstens einer Schützentafel gefordert wird, ist der Bescheid rechtswidrig, da die kumulative Anforderung beider Voraussetzungen gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstößt. Im Übrigen bestehen gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids keine Bedenken, sodass die Klage insoweit abzuweisen war.
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a) Die unter A. I. des Bescheids vom 8. März 2023 getroffene Anordnung, mit der die Kläger verpflichtet werden, beide Stautafeln an der von ihnen mitbetriebenen Stauanlage offenzuhalten, bis zusätzlich zur Funktionsfähigkeit der Wehranlage ihr ordnungsgemäßer, gefahrloser Betrieb unter Einhaltung der unter B. genannten Kriterien sichergestellt ist, findet ihre Rechtsgrundlage in § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 Bayerisches Wassergesetz (BayWG).
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Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG ist es Aufgabe der Gewässeraufsicht, die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen, die nach oder auf Grund von Vorschriften dieses Gesetzes, nach auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen. Nach Satz 2 ordnet die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach Satz 1 sicherzustellen. Voraussetzung für ein Einschreiten der zuständigen Wasserbehörde auf der Grundlage des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG ist entweder das Erfordernis der Vermeidung oder Beseitigung einer Beeinträchtigung des Wasserhaushalts (Alt. 1) oder die Erforderlichkeit zur Sicherstellung der Verpflichtungen nach Satz 1 (Alt. 2).
38
§ 100 WHG ist neben der Anordnungsbefugnis in § 36 Abs. 2 Satz 2 WHG anwendbar. Entsprechen Stauanlagen oder Stauhaltungsdämme nicht den gesetzlichen Anforderungen, so kann die zuständige Behörde nach § 36 Abs. 2 Satz 2 WHG die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen innerhalb angemessener Frist anordnen. Darüber hinaus unterstehen die genannten Anlagen aber auch der allgemeinen Gewässeraufsicht, so dass die zuständige Behörde Defiziten bei der Einhaltung der maßgeblichen materiellen Anforderungen oder in der Durchführung der Selbstüberwachung mit Anordnungen nach § 100 WHG im einzelnen Fall entgegenwirken kann (Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 36 Rn. 43). Das ist auch sachgerecht, denn gerade im Bereich der Gefahrenabwehr kann es – wie der hier vorliegende Fall zeigt – geboten sein, zur Beseitigung einer drohenden oder vorhandenen Gefahrenlage sofort entsprechende ordnungsrechtliche Maßnahmen zu erlassen, ohne zunächst die/den Betreiber unter der nach § 36 Abs. 2 Satz 2 WHG erforderlichen Fristsetzung zur Beseitigung von Störungen oder zur Einhaltung der gesetzlich geforderten Anforderungen an die Anlage aufzufordern.
39
aa) Die auf § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 BayWG gestützte Anordnung ist formell rechtmäßig, insbesondere wurden die Kläger vor Erlass des Bescheids ausreichend angehört.
40
Eine Anhörung im Sinn von Art. 28 VwVfG bedeutet, dass die Behörde den Betroffenen Gelegenheit gibt, sich zu dem Verwaltungsverfahren und den von der Behörde angestellten Erwägungen innerhalb einer angemessenen Frist zu äußern. Die Beteiligten müssen die Möglichkeit erhalten, auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens dadurch Einfluss zu nehmen, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung die im Rahmen der Anhörung abgegebenen Stellungnahmen ernsthaft in Erwägung zieht.
41
Nachdem der Bevollmächtigte der Kläger am 5. Dezember 2022 mitgeteilt hatte, dass die Anlage repariert sei, forderte das Wasserwirtschaftsamt im Rahmen der Terminabsprache zur Abnahme der Instandsetzung weitere Unterlagen, die Voraussetzungen für die Gewährleistung einer vollständigen Funktionsfähigkeit der Anlage seien. Diese zusätzlichen Anforderungen wurden dem Bevollmächtigten der Kläger mit E-Mail vom 12. Dezember 2022 mitgeteilt, der mit E-Mail vom 20. Januar 2023 und Schreiben vom 2. Februar 2023 umfassend Stellung nahm. Mit Schreiben vom 6. Februar 2023 erläuterte das Landratsamt nochmals seine Sichtweise, auf das der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 13. Februar 2023 replizierte. Da eine Einigung über die Berechtigung, weitere Unterlagen zu fordern, nicht erzielt werden konnte, wurde der streitgegenständliche Bescheid erlassen. Die Kläger hatten somit ausreichend Gelegenheit, zu den Forderungen und der Rechtsauffassung des Landratsamts Stellung zu nehmen, so dass dem Anhörungserfordernis genüge getan wurde.
42
Der Bescheid wurde auch ausreichend begründet. Die Behörde hat die wesentlichen Gesichtspunkte für ihre Entscheidung dargelegt.
43
bb) Die Voraussetzungen für ein gewässeraufsichtliches Einschreiten nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 BayWG lagen vor.
44
Die wasserrechtliche Generalklausel des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG ermächtigt die nach Landesrecht für die Überwachung zuständigen Behörden Maßnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung von Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts anzuordnen oder die Erfüllung der in § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG genannten wasserrechtlichen Pflichten sicherzustellen. Bei § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG handelt es sich um eine Regelung zur Gefahrenabwehr und Schadensbeseitigung, so dass ergänzend auf die allgemeinen und besonderen gefahrenabwehrrechtlichen Regelungen zurückzugreifen ist.
45
Wie bereits im Verfahren Au 9 K 22.2090 dargelegt wurde, liegt infolge der unstrittig schadhaften Schützentafeln des streitgegenständlichen Stauwehrs ein Verstoß gegen die in § 36 Abs. 2 WHG normierten Betreiberpflichten vor. Nach § 36 Abs. 2 WHG sind Stauanlagen und Stauhaltungsdämme nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten. Zur Unterhaltung zählen Maßnahmen wie Wartung, Betriebskontrollen, Instandhaltung oder Instandsetzung (Czychowski/ Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 36 Rn. 9). Die Pflichten des Anlagenbetreibers bestehen unmittelbar von Gesetzes wegen und sind nicht erst von einer konstitutiven Anordnung durch die Wasserbehörde abhängig. Der dauerhafte Betrieb einer nicht funktionsfähigen Benutzungsanlage rechtfertigt bereits als solches ein Einschreiten auf der Grundlage des § 100 Abs. 1 WHG.
46
cc) Als (Mit-)Betreiber der defekten Stauanlage sind die Kläger richtige Adressaten der Anordnung. Für den Bereich des Ordnungsrechts ist darauf abzustellen, wer die Gefahr durch sein Verhalten unmittelbar verursacht hat (Theorie der unmittelbaren Verursachung). So wird nur dasjenige Verhalten als polizeirechtlich relevante Ursache angesehen, das selbst die Gefahrengrenze überschreitet, d.h. selbst die unmittelbare Gefahr verursacht. Lediglich mittelbare oder entferntere Bedingungen werden ausgeschieden (VG Schleswig-Holstein, U.v. 14.6.2004 – 14 A 116/03 – juris Rn. 47 m.w.N.).
47
Durch den (Weiter-)Betrieb der Wehranlage trotz defekter Stautafel haben die Kläger die unmittelbare Ursache für die damit verbundene Gefahrenlage geschaffen. Da den Klägern gemäß Bescheid vom 24. September 1971, Auflage Nr. 8 und 9 – gemeinschaftlich mit den anderen Mitbetreibern – die Unterhaltung und Bedienung der Wehranlage obliegt, konnte die Anordnung zur Instandsetzung der Anlage ermessensfehlerfrei (auch) ihnen gegenüber erlassen werden. Die Auswahl der Kläger als Betreiber der Stauanlage ist daher nicht zu beanstanden. Darüber hinaus hat das Wasserwirtschaftsamt in seiner Stellungnahme vom 11. Oktober 2022 festgestellt, dass Überflutungen und Schäden ausschließlich im Einflussbereich der Stauanlage der Kläger festzustellen gewesen seien. Es sei von keinem fehlerhaften Betrieb anderer Stauanlagen auszugehen. Angesichts des Schadensereignisses müsse dem Betriebsbeauftragten zum aktuellen Zeitpunkt die fachliche Eignung abgesprochen werden. Den Betreibern seien die Mängel der Anlage bekannt gewesen, erforderlicher Sanierungsaufwand sei wissentlich missachtet worden. Die von den Klägern aufgeworfene Frage der Verantwortlichkeit weiterer Personen bezüglich der Überschwemmung in dem nahegelegenen Wohngebiet ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, da Anlass des gewässeraufsichtlichen Einschreitens die von den Klägern (mit-)betriebene defekte Stauanlage ist. Angesichts der vom Wasserwirtschaftsamt festgestellten Mängel der Anlage und des tatsächlichen Geschehensablaufs ist die Behauptung der Kläger, sie hätten weder einen mittelbaren noch einen unmittelbaren Verursachungsbeitrag geleistet, nicht nachvollziehbar. Da den Erkenntnissen des Wasserwirtschaftsamts, das nach Art. 63 Abs. 3 BayWG als wasserwirtschaftliche Fachbehörde tätig ist, nach ständiger Rechtsprechung besondere Bedeutung zukommt, kann deren Richtigkeit nicht durch laienhafte Erwägungen und Behauptungen in Zweifel gezogen werden (Drost, Das neue Wasserrecht, Stand März 2023, Art. 63 BayWG, Rn. 30 m.w.N.). Da die weiteren Mitbetreiber ebenfalls Adressaten des streitgegenständlichen Bescheids sind, kann dem Beklagten eine fehlerhafte Auswahlentscheidung nicht entgegengehalten werden. Zudem wäre jeder Betreiber für den rechtmäßigen Zustand der Anlage verantwortlich.
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b) Rechtsfolge des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG ist die Befugnis der zuständigen Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die zur Abwehr der Gefahr oder zur Wiederherstellung eines wasserrechtskonformen Zustands erforderlich sind. Die Zulässigkeit der Maßnahmen ergibt sich dabei aus der Rückbindung der Eingriffsnorm an die spezifischen wasserrechtlichen, von den Betreibern einzuhaltenden Regelungen. Das von der Behörde auszuübende Ermessen ist dabei an den Zielen der Gewässeraufsicht orientiert und steht unter der Berücksichtigung des Grundsatzes des Übermaßverbots. Im Wasserrecht als besonderes Ordnungsrecht gilt, wie im allgemeinen Ordnungsrecht, das Opportunitätsprinzip. Das bedeutet, die Behörde hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob sie einschreitet (Entschließungsermessen) und welche konkrete Anordnung sie trifft (Auswahlermessen). Die Behörde hat sich dabei von dem Bestreben leiten zu lassen, die Gefahr schnell und wirksam zu bekämpfen. In der Regel ergibt sich bei Gefahren für die menschliche Gesundheit, zur Beseitigung einer unmittelbaren Gefahr für wichtige Rechtsgüter oder zum unumgänglichen Schutz des Einzelnen gegen wesentliche Nachteile eine Pflicht zum Einschreiten (Gößl in Sieder/Zeitler/Dahme § 100 Rn. 95; Czychowski/Reinhardt, WHG, § 100 Rn. 48). Je höherwertiger das gefährdete Schutzgut ist, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden müssen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 17.11.2008 – 10 C 08.2872 – juris Rn. 12).
49
aa) Wie bereits in den Urteilsgründen des Verfahrens Au 9 K 22.2090 ausgeführt wurde, hat der Beklagte von dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht. Unzutreffend ist die Annahme der Kläger, die Formulierung des Beklagten, er habe keine andere Möglichkeit gesehen, als die drohenden Gefahren durch die Anordnung eines völligen Abstaus abzuwenden, sei Beleg für einen Ermessensausfall. Der von der Klägerseite zitierte Satz fasst lediglich das Ergebnis der im Bescheid anschließend näher erläuterten Ermessenserwägungen zusammen.
50
Der Beklagte hat auch die Auswirkungen der gemeinschaftlichen Verantwortlichkeit der Betreiber gewürdigt und ist zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, dass alle Betreiber gemeinsam für die Einhaltung der gesetz- und bescheidsmäßigen Vorgaben verantwortlich sind. Angesichts der im Vorfeld der Anordnung zur Instandsetzung der defekten Stautafeln zu Tage getretenen Uneinigkeit der Betreiber, die dem Gericht aus vorangegangenen Verfahren bekannt ist, ist eine an alle Betreiber gerichtete Anordnung sachgerecht.
51
bb) Angesichts der vom Wasserwirtschaftsamt festgestellten gravierenden Mängel sowohl an der Stauanlage selbst als auch in der Betriebsweise der Anlage begegnet es unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien grundsätzlich keinen Bedenken, dass der Beklagte neben den bereits mit Bescheid vom 3. Oktober 2022 getroffenen Regelungen, die Aufnahme der Stauhaltung mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid von weiteren, unter Buchstabe B aufgelisteten Voraussetzungen abhängig macht. Der Beklagte hat sich insbesondere durch den Erlass des vorangegangenen Bescheids nicht dahingehend gebunden, dass keine weiteren Anforderungen an einen zulässigen Anlagenbetrieb gestellt werden könnten. Stellt sich heraus, dass eine Anlage nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, hat die zuständige Behörde zu prüfen, ob und welche Anordnungen zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs zu treffen sind. Dies wird insbesondere durch die Regelung in § 36 Abs. 2 WHG deutlich, wonach Stauanlagen und Stauhaltungsdämme nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten sind. Entsprechen die Anlagen nicht diesen Anforderungen, kann die Behörde jederzeit die erforderlichen Anordnungen treffen (§ 36 Abs. 2 Satz 2 WHG). Auch ist zu berücksichtigen, dass die Anlage nach der fachlichen Bewertung des Wasserwirtschaftsamts der Anlagenkategorie 1 mit dem höchsten Schadens- und Gefahrenpotenzial unterfällt. Dies hat sich durch die Überschwemmung eines angrenzenden Wohngebiets am 2./3. Oktober 2022 gezeigt.
52
cc) Die unter B. aufgelisteten Anforderungen und Nachweise sind mit Ausnahme der kumulativ angeordneten Forderung einer 24/7-Erreichbarkeit und einer Automatisierung wenigstens einer Schützentafel geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um dem von der Stauanlage der Kläger konkret ausgehenden Gefahrenpotential zu begegnen. Das Wasserwirtschaftsamt hat in seinen schriftlichen Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren, im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass nicht nur der Zustand, sondern auch der Betrieb der Stauanlage gravierende Mängel aufweist. In der Vergangenheit war es immer wieder zu Defekten an den Schützentafeln gekommen, so dass die Vorlage von Nachweisen über die fachgerechte Durchführung der Instandsetzungsarbeiten zur Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Staubetriebs gemacht werden kann. Gleiches gilt auch hinsichtlich der Instandsetzung der Stauhaltungsdämme und die Vorlage von Nachweisen über die fachliche Qualifikation und die Einweisung von Fachpersonal. In der mündlichen Verhandlung gab der Vertreter des Wasserwirtschaftsamts an, die im Katalog unter B aufgelisteten Anforderungen seien üblich und würden bei der Genehmigung neuer Anlagen als Mindeststandard festgelegt. Das Wasserwirtschaftsamt sei sich bewusst gewesen, dass es sich um eine alte Anlage handle und man habe bei der Auswahl der Forderungen auf den Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit geachtet. Das Wasserwirtschaftsamt habe festgestellt, dass sich das eingesetzte Personal der Anforderungen und der Bedeutung ihrer Tätigkeit nicht bewusst gewesen seien. Bezüglich der aktuell tätigen Wasserwarte lägen keine Arbeitsverträge und auch keine Einweisungsunterlagen vor. Zudem seien öfter Verstöße gegen die zulässige Stauhöhe festgestellt worden. Bei zwölf Kontrollen sei in elf Fällen die zulässige Stauhöhe überschritten worden. Angesichts des hohen Gefahrenpotenzials der Anlage und des nachgewiesenermaßen defizitären Anlagenbetriebs sind die vom Beklagten zusätzlich angeordneten Maßnahmen für die Sicherstellung eines gefahrlosen Betriebs der Wehranlage geeignet, erforderlich und verhältnismäßig. Dies gilt jedoch nicht, soweit kumulativ die Benennung des technischen Fachpersonals in redundanter Anzahl mit ganzjähriger 24/7-Erreichbarkeit und -Anwesenheit vor Ort und der Nachweis über den Einbau einer automatisierten Steuerung wenigstens einer Schützentafel gefordert wurde. Das Wasserwirtschaftsamt gab auf Nachfrage des Gerichts an, dass es sich möglicherweise missverständlich geäußert habe. Man habe eine Alternativregelung im Blick gehabt. Es sei entweder eine ganzjährige, redundante 24/7-Erreichbarkeit und -Anwesenheit technischen Fachpersonals vor Ort oder der Einbau einer automatisierten Steuerungsanlage zur Sicherstellung eines gefahrlosen Anlagenbetriebs erforderlich. Welche der beiden grundsätzlich möglichen Maßnahmen gewählt werde, unterliege der unternehmerischen Entscheidung. Empfohlen werde der Einbau einer automatisierten Steuerungsanlage. Die kumulative Anordnung beider Maßnahmen ist daher für den gefahrlosen Betrieb der Anlage nicht erforderlich. Aus Gründen der Gewaltenteilung ist ein gerichtlicher Ausspruch, welche der beiden grundsätzlich möglichen Maßnahmen angeordnet werden kann, nicht möglich. Der Bescheid war insoweit aufzuheben. Es bleibt dem Beklagten vorbehalten, eine entsprechende Neuregelung zu treffen.
53
dd) Die Anordnung der unter Buchstabe B im Einzelnen aufgeführten Maßnahmen ist auch im Hinblick auf das von den Klägern in Anspruch genommene Altrecht (§ 20 WHG) zulässig. In § 20 Abs. 2 Satz 3 WHG wird klarstellend darauf hingewiesen, dass die für Erlaubnisse und Bewilligungen nach heutigem Recht bestehende Möglichkeit nachträglicher Anforderungen und Maßnahmen für alte Rechte und Befugnisse entsprechend gilt. Stellt die Gewässeraufsicht fest, dass von einer auf einem Altrecht beruhenden Anlage eine Gefahrenlage ausgeht, hat sie zur Sicherstellung eines gefahrlosen Betriebs die erforderlichen Anordnungen zu treffen. Maßgeblich für die Frage, ob die auf § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 BayWG gestützten Maßnahmen rechtmäßig sind, ist allein, ob die Anordnungen für einen gefahrlosen Weiterbetrieb der Anlage geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind. Nicht entscheidungserheblich ist, auf welcher Rechtsgrundlage die Anlage genehmigt wurde. Ebenfalls nicht entscheidungserheblich ist der Vortrag, mit der Untersagung der Stauhaltung werde in Bereiche eingegriffen, die Auswirkungen auf die Umweltverträglichkeit der Anlage haben. Soweit die Klagepartei die Notwendigkeit einer allgemeinen Vorprüfung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UVPG i.V.m. Anlage 1 Nr. 13.14 für die Errichtung und den Betrieb von Wasserkraftanlagen in den Blick nimmt, so ist diese Regelung für die Anordnung von Maßnahmen auf der Grundlage von § 100 WHG i.V.m. Art. 58 BayWG nicht einschlägig.
54
ee) Die Anordnung ist auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Einbußen für die Kläger verhältnismäßig. Die Ereignisse vom 2./3. Oktober 2022 belegen, welches Gefahrenpotential von einer nicht ordnungsgemäß betriebenen Stauanlage ausgehen können. Das Gericht hält es nach den sach- und fachkundigen Ermittlungen des Wasserwirtschaftsamts, dessen Beurteilungen aufgrund seiner Stellung als kraft Gesetzes eingerichteter Fachbehörde (Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG) und aufgrund seiner Erfahrungen infolge einer jahrzehntelangen Bearbeitung eines bestimmten Gebiets besondere Bedeutung zukommt (stRspr. des BayVGH, vgl. B.v. 30.4.2014 – 8 ZB 12.1118 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 1.8.2011 – 22 N 09.2729 – ZfW 2012, 94 ff. – juris Rn. 39), für erwiesen, dass die Überschwemmung des Wohngebiets auf den von den Klägern und ihren Mitbetreibern zu verantwortenden Zustand der Wehranlage und die unzureichende Organisation des Betriebsablaufs zurückzuführen ist. Neben der unzureichenden Öffnung der defekten Wehrtafel stellte das Wasserwirtschaftsamt anlässlich des Schadensereignisses am 3. Oktober 2022 fest, dass sich die Wasserwarte der Bedeutung ihrer Aufgaben nicht bewusst waren. Die fachliche Eignung wurde ihnen abgesprochen. Angesichts der vom Stauwehr ausgehenden Gefahrenlage, der jahrelangen Untätigkeit der Kläger und der Ereignisse vom 2./3. Oktober 2022 kommt als mildere Maßnahme eine Anordnung zur vollständigen Öffnung der Stautafeln lediglich bei einer bestimmten Pegelhöhe zur Überzeugung des Gerichts nicht in Betracht. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist auch zu berücksichtigen, dass es die Kläger selbst in der Hand haben, durch eine zügige Instandsetzung und Vorlage der geforderten Unterlagen die Rechtswirkungen der Untersagung des Aufstaus zu beenden und die wirtschaftlichen Einbußen zu reduzieren.
55
ff) Es bestehen weiterhin keine Bedenken, dass die Wiederaufnahme der Stauhaltung einer Beurteilung der Funktionsfähigkeit durch das Wasserwirtschaftsamt ... und einer schriftlichen Freigabe durch das Landratsamt bedarf. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Stauwehr den technischen Anforderungen entspricht und die von dem Stauwehr ausgehende Gefahrenlage gering gehalten wird. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Verbot der Stauhaltung trotz der von den Klägern behaupteten Instandsetzung der Schützentafeln mangels Abnahme und Freigabe weiterhin aufrechterhalten bleibt. Es liegt im Verantwortungsbereich der Kläger, dass sie davon Abstand genommen haben, zumindest eine (Teil-)Abnahme der instand gesetzten Schützentafeln herbeizuführen.
56
gg) Die Anordnung begegnet auch im Hinblick auf die erforderliche Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) keinen rechtlichen Bedenken. Ein Verwaltungsakt ist bestimmt, wenn der Inhalt der von der Behörde getroffenen Regelung für die Beteiligten unzweideutig erkennbar ist. Hierbei ist nicht nur der Tenor, sondern auch die Begründung des Bescheids heranzuziehen. Ein Verwaltungsakt ist nur dann unbestimmt, wenn nicht eindeutig bestimmt werden kann, was der Betroffene zu leisten hat. Die von den Klägern zu erfüllenden Anforderungen sind im streitgegenständlichen Bescheid jedoch ausreichend beschrieben. Es ist weiterhin nicht erforderlich, dass den Klägern die einschlägigen, einzuhaltenden technischen Regelwerke vom Beklagten übermittelt werden. Nach § 36 Abs. 2 WHG sind Stauanlagen und Stauhaltungsdämme nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten. Diese gesetzliche Verpflichtung wurde durch das am 5. Januar 2018 in Kraft getretene Hochwasserschutzgesetz (BT-Drs. 18/10879, S. 42) eingefügt und zielt darauf ab, die von Stauanlagen und Stauhaltungsdämmen ausgehenden und gerade bei älteren Anlagen oftmals erheblichen Gefahren zu verringern (Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 36 Rn. 33). Der Begriff der allgemeinen Regeln der Technik ist gesetzlich nicht definiert. Man versteht darunter die Prinzipien und Lösungen, die in der Praxis erprobt und bewährt sind und die sich bei der Mehrheit der auf dem betreffenden technischen Gebiet tätigen Fachleute durchgesetzt hat. Sie finden sich insbesondere in den DIN-Vorschriften und den technischen Regelwerken der Fachverbände (Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 60 Rn. 19, 23). Als Betreiber einer gewerblichen Wasserkraftanlage zur Stromerzeugung ist zu erwarten, dass die Kläger mit den bestehenden Betreiberpflichten und technischen Regelwerken vertraut sind.
57
c) Die Zwangsgeldandrohung unter A. II. des Bescheids vom 8. März 2023 ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
58
aa) Rechtsgrundlage für die Androhung des Zwangsgelds sind die Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31, 36 VwZVG. Mit der nach A. III. für sofort vollziehbar erklärten Handlungspflicht unter A. I. des Bescheids liegt ein vollziehbarer Grundverwaltungsakt i.S.v. Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG vor. Die Zwangsgeldandrohung ist auch hinreichend bestimmt. Inhalt der Androhung ist die Verpflichtung, beide Stautafeln so lange offen zu halten, bis die Funktionsfähigkeit der Anlage durch das Wasserwirtschaftsamt festgestellt und die Wiederaufnahme der Nutzung durch das Landratsamt gestattet wurde. Es handelt sich somit lediglich um eine einzige Handlungspflicht, nämlich das Unterlassen der Gewässerbenutzung in der Form eines Aufstaus (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 WHG). Die geforderte Öffnung der Stautafeln stellt nur das hierfür technisch notwendige Mittel dar.
59
bb) Schließlich begegnen weder die Höhe der Zwangsgelder, welche in dem durch Art. 31 Abs. 2 VwZVG eröffnetem Rahmen liegt, noch die Auswahl der Vollstreckungsschuldner rechtlichen Bedenken. Das Zwangsgeld richtet sich gegen jeden der unter Nr. 1 bis Nr. 3 aufgelisteten Bescheidsadressaten als jeweilige Betreiber der Stauanlage unter Berücksichtigung des von ihm gezogenen Ertrags. Da jeder Kraftwerksbetreiber verpflichtet ist, den Aufstau zu unterlassen, ist die Entscheidung, gegenüber jedem Betreiber ein Zwangsgeld zu verhängen, nicht zu beanstanden.
60
4. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen (§ 154 Abs. 1 i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Da der Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen sind, hat das Gericht es für sachgerecht angesehen, den Klägern die Kosten insgesamt aufzuerlegen.
61
5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).