Titel:
Wasserrechtliche Anordnung, Untersagung der Stauhaltung, defekte Stauanlage, Ermessen, Zwangsgeld
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
WHG § 100 Abs. 1
BayWG Art. 58
WHG § 36
UmwRG § 6
Schlagworte:
Wasserrechtliche Anordnung, Untersagung der Stauhaltung, defekte Stauanlage, Ermessen, Zwangsgeld
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16640
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
III. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Kläger wenden sich gegen eine wasserrechtliche Anordnung, mit der ihnen die Stauhaltung untersagt wird.
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Die Kläger betreiben seit dem Jahr 2005 eine Wasserkraftanlage zur Stromerzeugung am Stauwehr „...“ an der M. in .... Ausweislich des Eintrags in das Wasserbuch Nr. A, Landratsamt ... wird die Wasserkraftanlage aufgrund eines Altrechts betrieben. Die Stauanlage wird mitbenutzt durch die südlich flussaufwärts gelegenen Triebwerke D. (Klägerin im Verfahren Au 9 K 23.516) und H. (heute: K.). Das Stauwehr besitzt zwei Schützentafeln, von denen eine automatisiert (linke Schützentafel) und die andere (rechte Schützentafel) manuell betrieben wird.
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In den Jahren 2010 und 2013 stellte die zuständige Wasserbehörde fest, dass ein Defekt an der Automatik der von den Klägern gemeinschaftlich (mit-)betriebenen Wehranlage vorliegt, so dass die linke Schützentafel des Wehrs nicht ordnungsgemäß geöffnet werden konnten, und forderte die Kläger zur Beseitigung des Defekts auf.
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Aufgrund einer Beschwerde führte die Technische Gewässeraufsicht am 6. Februar 2020 erneut eine Kontrolle der Schützentafeln des Stauwehrs durch. Es wurde festgestellt, dass die automatisch gesteuerte Schützentafel defekt ist. Sie sei einseitig aus der Führung gesprungen und nur notdürftig mit einem Flaschenzug befestigt. Das Wehr sei umgehend wieder instand zu setzen und möglichst zu automatisieren. Bei weiterer manueller Bedienung sei eine Person zu benennen, die jederzeit die Anlage bedienen könne, um auf eventuelle Naturereignisse unmittelbar reagieren zu können. Die Kraftwerksbetreiber wurden über die Feststellungen des Wasserwirtschaftsamts informiert und aufgefordert, die defekte Anlage gemeinschaftlich unverzüglich bis spätestens zum 27. März 2020 in einen ordnungsgemäßen Zustand zu bringen. Dieser Aufforderung kamen die Kläger und die weiteren Kraftwerksbetreiber nicht nach.
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Mit Schreiben vom 15. Juli 2021 teilte ein Anlieger dem Landratsamt mit, dass seit Januar 2018 eine defekte linke Schützenfalle wiederholt und in zunehmendem Maße zu Überschwemmungen seines Grundstücks geführt habe, obwohl keine Hochwassersituation vorgelegen habe. Ein aufgrund der Beschwerde durchgeführter Ortstermin durch die Technische Gewässeraufsicht ergab, dass sich seit der letzten Ortseinsicht vom 6. Februar 2020 keine Veränderungen ergeben hatten. Die Aufhängung der Wehrtafel sei nach wie vor defekt. Bei den vom Anlieger geschilderten Überflutungen werde ein Zusammenhang mit der defekten Wehranlage gesehen. Da es den Betreibern anscheinend nicht möglich sei, auf die immer wieder akut auftretenden Starkregenfälle mit der geforderten Schnelligkeit zu reagieren, werde Gefahr im Verzug gesehen. Ein weiterer Aufschub sei nicht mehr zu dulden und die Wehrtafel umgehend zu reparieren. Eine automatisierte, niveaugesteuerte Variante werde als beste Lösung angesehen.
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Nachdem die Kläger und die weiteren Kraftwerksbetreiber trotz mehrfacher Aufforderungen weiterhin untätig geblieben waren, wurden diese mit Bescheid vom 18. November 2021 gemeinsam verpflichtet, bis zum 15. Januar 2022 die linke Schützentafel an der gemeinschaftlichen Wehranlage so instand zu setzen, dass der ordnungsgemäße Betrieb wieder sichergestellt ist. Der Bescheid wurde für sofort vollziehbar erklärt. Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage (Au 9 K 21.2382). In der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2022 erklärten die Vertreter des Beklagten, dass die im Bescheid gesetzte Frist zur Instandsetzung bis zum 30. Juni 2022 verlängert werde und von einer Fälligstellung der angedrohten Zwangsgelder abgesehen werde, sofern dem Landratsamt bis zum 30. Juni 2022 die Auftragserteilung einer fachkundigen Firma vorgelegt werde. Daraufhin nahmen die Kläger die Klage zurück. Das Klageverfahren wurde eingestellt.
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Mit Schreiben vom 30. Juni 2022 legten die Kläger den Entwurf eines Auftragsschreibens zur Instandsetzung der Wehranlage vor, der dem Wasserwirtschaftsamt zur Beurteilung vorgelegt wurde. Angesichts der im vorgelegten Schreiben genannten Lieferfristen wurde bis zum Abschluss der Instandsetzung eine Frist bis zum 31. Januar 2023 gesetzt.
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Anhaltender und starker Regen zwischen dem 2. und 3. Oktober 2022 führte dazu, dass die vom Oberlauf der M. ankommende Wassermenge am Stauwehr der Kläger nicht schnell genug abgeleitet werden konnte. Das Wasser floss über mehrere Felder und überflutete ein Wohngebiet. Bei der Ortseinsicht aufgrund des Schadensereignisses stellte das Wasserwirtschaftsamt am 3. Oktober 2022 fest, dass an der Stauanlage der Kläger die rechte Schützentafel unzureichend geöffnet war, so dass es zu einem Überströmen der Wehranlage kam. Die zweite (linke) Schützentafel sei geschlossen gewesen und habe durch die Feuerwehr geöffnet werden müssen. Die defekte Hebeeinrichtung der linken Schützentafel des von den Klägern betriebenen Stauwehrs habe nur unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln (Hebezug) und von mehreren Personen hochgezogen werden können. Unter dem Eindruck der Schäden und künftiger Risiken sei es aus fachlicher Sicht notwendig, dass die Staueinrichtung (beide Schützentafeln) geöffnet bleiben müssen, bis die Anlage saniert ist. Für die Sanierung werde eine automatisierte Anlagentechnik vorgegeben.
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Durch mündliche Anordnung (D., K.) bzw. wegen fehlender telefonischer Erreichbarkeit per E-Mail (Kläger) wurde den Anlagenbetreibern aufgegeben, die Stautafeln der Wehranlage solange vollständig geöffnet zu halten, bis die Bedienbarkeit der Anlage vollständig wiederhergestellt ist. Der Erlass eines schriftlichen Bescheids wurde angekündigt.
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Mit Schreiben vom 5. Oktober 2022 wurde den Klägern und den weiteren Triebwerksbetreibern Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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Mit Bescheid, datiert auf den 3. Oktober 2022 und adressiert an die Kläger sowie die weiteren Triebwerksbetreiber, wurden die Bescheidsadressaten gemeinschaftlich verpflichtet, beide Stautafeln an der Stauanlage der Triebwerke P., D. und K. in ... ab sofort und solange geöffnet zu halten, bis die Funktionsfähigkeit der Wehranlage vollständig wiederhergestellt ist. Jegliche Stauhaltung wird untersagt. Das ankommende Wasser der M. ist ungehindert weiterzuleiten. Die Beurteilung der Funktionsfähigkeit erfolgt durch das Wasserwirtschaftsamt .... Eine Wiederaufnahme der Nutzung bedarf der vorherigen schriftlichen Freigabe durch das Landratsamt ... (Ziffer I. des Bescheids). Für den Fall, dass die Verpflichtung unter Ziffer I. nicht erfüllt wird, wird für jeden der Bescheidsadressaten ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer II.). Die sofortige Vollziehung der Ziffer I. des Bescheids wurde angeordnet (Ziffer III.). Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich die Anordnung auf § 100 Abs. 1 WHG in Verbindung mit Art. 58 Abs. 1 BayWG stütze. Danach könne das Landratsamt in Wahrnehmung der Aufgaben der Gewässeraufsicht Anordnungen für den Einzelfall erlassen. Die Gewässeraufsicht habe dabei die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen aufgrund der Wassergesetze zu überwachen. Das Landratsamt habe unter Anwendung pflichtgemäßen Ermessens und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit keine andere Möglichkeit gesehen, als die drohenden Gefahren durch die Anordnung des völligen Abstaus abzuwenden. Durch den fehlerhaften Betrieb eines Stauwehres könne ein Überstau entstehen der, wie vorliegend geschehen, zu einem Überlaufen und damit einer künstlich herbeigeführten Hochwassersituation führen könne. Die Anordnung unter Ziffer I. des Bescheids sei geeignet, diesen Gefahren wirksam zu begegnen. Die Maßnahme sei auch erforderlich. Die förmliche Anordnung der Instandsetzung sei bereits als milderes Mittel gewählt worden (siehe Bescheid des Landratsamts ... vom 18. November 2021 Nr. ... Az. ...). Die hieran geknüpfte Bedingung einer zuverlässigen Wehrbedienung sei vorliegend nicht erfüllt worden, was bereits zur Verwirklichung von Gefahren für die Allgemeinheit geführt habe. Unter dem Eindruck des zu verzeichnenden Schadensausmaßes habe es deshalb für eine wirksame Gefahrenabwehr der verfügten drastischeren Maßnahmen bedurft. Die Maßnahme stehe auch in angemessenem Verhältnis zu den damit verbundenen Nachteilen für die Betroffenen. Die Anordnung sei an alle beteiligten Triebwerksbetreiber gemeinschaftlich zu richten, da diese gemeinschaftlich für die Bedienung und Unterhaltung der Anlage verantwortlich seien. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes. Da alle drei Betreiber gemeinschaftlich für den Betrieb der Anlage verantwortlich seien, seit Jahren aber ein Konsens über die Anlagenunterhaltung nicht erreicht worden sei, sei es zweckdienlich und geboten, das Zwangsgeld allen Betreibern aufzuerlegen.
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Am 27. Oktober 2022 ließen die Kläger über ihren Bevollmächtigten Klage erheben und beantragen,
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Der Bescheid des Landratsamts ... vom 3. Oktober 2022 mit dem Aktenzeichen Nr. ... Az. ... wird aufgehoben.
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Zur Begründung wird ausgeführt, der Bescheid des Landratsamts sei rechtswidrig, da er sich nicht auf die vom Beklagten herangezogene Rechtsgrundlage des § 100 Abs. 1 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 BayWG stützen könne. Das Landratsamt unterstelle den Klägern eine Fehlbedienung der Anlage, die zu einer Überflutung geführt hätte. Die streitgegenständliche Anordnung sei keinesfalls notwendig, da keine Fehlbedienung durch die Kläger vorliege. Im Übrigen hätte es ausgereicht anzuordnen, dass beide Stautafeln vollständig geöffnet zu halten sind, wenn ein bestimmter Pegel die M. überschreitet. Die Gewässerunterhaltslast an der M. obliege nach Art. 22 BayWG dem Freistaat Bayern bzw. den ihm untergeordneten Behörden. Zur Gewässerunterhaltung gehöre auch die Sicherung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses, so dass auch die Bediensteten des zuständigen Wasserwirtschaftsamts verpflichtet gewesen wären, notfalls an der Steuerung der Schützentafeln einzuschreiten. Es sei zwar richtig, dass bei der Anlage der Kläger das Getriebe der linken Schützentafel defekt sei und die Schützenstafel deshalb manuell betrieben werden müsse. Der Defekt bestehe bereits seit dem Jahr 2018. Die Schützentafel werde seit dieser Zeit manuell bedient. Es sei dennoch zu keinem Hochwasserereignis gekommen. Das Landratsamt lege in seinem Bescheid nicht dar, worin eine unzureichende bzw. verspätete manuelle Steuerung der Schützentafeln der Kläger zu sehen sei. Die am 3. Oktober 2022 entstandenen Überflutungen seien keinesfalls darauf zurückzuführen, dass eine unzureichende bzw. verspätete Steuerung der Schützentafel erfolgt wäre.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wurde zunächst auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid verwiesen. Der Hergang der Ereignisse am 2./3. Oktober 2022 werde im Fachgutachten des Wasserwirtschaftsamts ... vom 11. Oktober 2022 umfassend dokumentiert und analysiert. Die Anordnung könne auf § 100 Abs. 1 WHG in Verbindung mit Art. 58 Abs. 1 BayWG gestützt werden. Nach Ziffer III. Nr. 9 des Bescheids des Landratsamts ... vom 24. September 1971, Nr., Az. ... bestehe für die Kläger eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur dauerhaften Einhaltung der festgesetzten Wasserhöhe. Durch die Fehlbedienung der Anlage hätten die Kläger ihre allgemeine Sorgfaltspflicht verletzt, eine Vergrößerung und Beschleunigung des Wasserabflusses zu vermeiden (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 WHG). Der Betrieb der Stauanlage behindere den Wasserabfluss der M.. Spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der Wasserstand die zulässige Stauhöhe überstiegen hat, hätte das Wehr in dem für die Hochwasserabwehr notwendigen Umfang geöffnet und für die Dauer des erhöhten Abflussgeschehens offengehalten werden müssen. Dieser Verpflichtung seien die Kläger offensichtlich nicht nachgekommen. Die Pflicht zur Unterhaltung der M. im Staubereich der Anlage ... sei durch Bescheid des Landratsamts ... vom 18. September 1967 Nr. ... – Az. ... in Abschnitt III Ziffer 6 Buchst. c auch mit Wirkung für die anderen betroffenen Triebwerke auf die Anlagenbetreiber übertragen worden. Es handle sich um eine Übertragung der Unterhaltungslast gemäß Art. 23 Abs. 3 BayWG. Im Einwirkungsbereich der Anlage ... sei der Freistaat Bayern damit von seiner Regelunterhaltungslast entbunden. Eine etwaige Pflicht des Wasserwirtschaftsamts als Vertreter des Freistaats Bayern zur Bedienung der Anlage der Kläger lasse sich nicht konstruieren. Mit Bescheid vom 18. November 2021 habe das Landratsamt die Instandsetzung der automatisch gesteuerten linken Stautafel an der Stauanlage der Kläger angeordnet. Bislang habe keine Reparatur verzeichnet werden können. Die nach wie vor defekte linke Stautafel habe am 3. Oktober 2022 nur unter gemeinschaftlichem Einsatz der Feuerwehr und mehrerer Helfer sowie unter Zuhilfenahme eines Hebezugs angehoben werden können. Von einem problemlosen manuellen Öffnen könne somit nicht die Rede sein. Ob die erschwerte Bedienbarkeit der linken Stautafel Ursache für die eingetretene Überschwemmung sei, könne letztlich dahingestellt bleiben. Es sei Fakt, dass sie bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte nicht geöffnet worden war. Maßgeblich sei daher allein, dass eine korrekte, d. h. den tatsächlichen Abflussmengen angepasste Bedienung nachweislich unterblieben sei. Entsprechende Fotoaufnahmen würden dokumentieren, dass es in der Folge zu einer Überströmung der Wehranlage gekommen sei, was durch eine ordnungsgemäße Steuerung der Schützentafel zu verhindern gewesen wäre. Hinsichtlich der rechten Stautafel sei festzustellen, dass sich diese nach ihrer Öffnung am Abend des 2. Oktober 2022 offenbar durch ihr Eigengewicht über Nacht wieder abgesenkt hat. Der nachweislich bekannte Mangel der Anlagentechnik hätte eine umso sorgsamere Bedienung und Überwachung erfordert. Jeder Anlagenbetreiber habe eigenverantwortlich für die Sicherheit seiner Anlage zu sorgen. Das Wasserwirtschaftsamt und das Landratsamt hätten die Betreibergemeinschaft wiederholt und eindringlich zu einer Automatisierung der Anlagensteuerung geraten, was abgelehnt worden sei. Die schadlose Abführung der Abflussmengen an der unmittelbar oberhalb der Anlage der Kläger gelegenen Stauanlage belege, dass die durch die M. geleiteten Abflussmengen zu bewältigen waren. Überflutungen seien ausschließlich im Einflussbereich der Stauanlage der Kläger festzustellen gewesen. Letztlich komme es nicht darauf an, ob noch weitere Beteiligte eine Mitverantwortung treffe. Angesichts der eingetretenen massiven Schäden habe sich das Landratsamt zum sofortigen Einschreiten veranlasst gesehen. Zu berücksichtigen seien zuletzt auch die seit Anbeginn der Beteiligung der Kläger am Betrieb der Stauanlage wiederholten Verstöße gegen Bescheidsauflagen und die Nichtbeachtung von behördlichen Anordnungen. Ein milderes Mittel sei nicht erkennbar, um die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen durch die Betroffenen sicherzustellen. Gegenüber dem dringenden Erfordernis der Gefahrenabwehr müsse das Interesse der Anlagenbetreiber an der Gewässerbenutzung zur Erzeugung elektrischer Energie und deren Eigentumsrecht eindeutig zurückstehen.
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Mit Schreiben vom 16. Februar 2023 teilte der Bevollmächtigte der Kläger mit, dass die Kläger der Forderung in Ziffer I. des Bescheids vom 3. Oktober 2022 mittlerweile vollständig nachgekommen seien. Die Funktionsfähigkeit der Anlage sei wieder vollständig hergestellt, dennoch verweigere das Landratsamt die Freigabe der Anlage und fordere eine Instandsetzung der Stauhaltungsdämme und die Vorlage weiterer Nachweise. Mit Schreiben vom 22. und 27. Februar 2022 teilte das Landratsamt mit, dass vereinbarte Termine zur Abnahme der Instandsetzung durch die Kläger mehrfach storniert worden seien, so dass eine Abnahme nicht habe erfolgen können.
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Mit Schreiben vom 27. Februar 2023 bestellte sich für die Kläger eine weitere Bevollmächtigte.
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Am 8. März 2023 erließ das Landratsamt „neben dem Bescheid vom 03.10.2022, Nr ... Az. ...“ einen weiteren Bescheid, „dessen Anordnungen sich erst im Zuge diverser Ermittlungen und Gutachten des Wasserwirtschaftsamts ergeben hätten“. In diesem Bescheid wird die bereits mit Bescheid vom 3. Oktober 2022 bis zum Nachweis des ordnungsgemäßen Betriebs der Stauanlage untersagte Stauhaltung wiederholt und weitergehend angeordnet, dass die Beurteilung des ordnungsgemäßen Betriebs nach den Kriterien unter Buchstabe B des Bescheids erfolge, deren Erfüllung durch Vorlage der dort genannten Dokumente zu belegen sei. Gegen diesen Bescheid ließen die Kläger ebenfalls Klage erheben, die unter dem Aktenzeichen Au 9 K 23.423 geführt wird.
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Im Hinblick auf den Erlass des Bescheids vom 8. März 2023 teilten die Kläger mit, dass der für den 6. April 2023 angesetzte Termin zur Abnahme der Instandsetzung der Schützentafeln nicht wahrgenommen werde.
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Mit Schreiben vom 11. April 2023 führt die weitere Bevollmächtigte der Kläger aus, die Annahme, die Überschwemmung sei auf die unzureichende bzw. verspätete Steuerung der Stauanlage der Kläger zurückzuführen, sei falsch. Zur Begründung werden die von den Klägern bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Argumente und Sachverhaltsschilderungen wiederholt. Die Kläger seien den Forderungen in Ziffer I. des Bescheids vom 3. Oktober 2022 vollumfänglich nachgekommen. Die Voraussetzungen des § 100 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 BayWG lägen nicht vor. Nach Auffassung des Landratsamts sei es aufgrund einer Fehlbedienung der Anlage zu einem Überschreiten der zugelassenen Stauhöhe und in der Folge zur besagten Überschwemmung gekommen. Hierbei handele es sich gerade nicht um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. WHG. Auch die vom Landratsamt angenommene Fehlbedienung mit der Folge der Verletzung der Sorgfaltspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 WHG (Vermeidung eines beschleunigten Wasserabflusses) stelle keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung im Sinn von § 100 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. WHG dar. Die Maßnahme richte sich nicht gegen den richtigen Störer. Die Gefahrenschwelle sei nicht durch einen mittelbaren oder unmittelbaren Beitrag der Kläger überschritten worden. Die Kläger hätten die Stauanlage ordnungsgemäß bedient. Die angeordnete Maßnahme sei nicht geeignet, um zu verhindern, dass es erneut zu einem Überstau kommt. Die Maßnahme sei auch nicht erforderlich. Das Landratsamt hätte sich zunächst an den Markt ... wenden müssen. Die Anordnung beeinträchtige die Funktionsfähigkeit der Anlage, weil diese regelmäßig bedient werden müsse. Die Ursache für die Überschwemmung könne nicht auf die Kläger zurückgeführt werden, sie liege vielmehr in einem Fehlverhalten des Marktes .... Der Bescheid leide an Ermessensfehlern. Es seien keine Ermessenserwägungen zu finden. Solche seien nur in Bezug auf den Sofortvollzug zu finden. Im Übrigen habe die Behörde den Sachverhalt nicht ordnungsgemäß aufgeklärt. Es seien nicht alle Störer ermittelt und deren Verantwortlichkeit bewertet worden. Die Zwangsgeldandrohung sei unbestimmt. Jeder Handlungsverpflichtung hätte ein Zwangsmittel zugeordnet werden müssen.
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Mit Schreiben vom 9. Mai 2023 nahm das Landratsamt nochmals Stellung und führt aus, sowohl nach den Ergebnissen der amtlichen Sachverhaltsermittlungen als auch nach den von der Klägervertretung vorgelegten Beweisen sei die Überflutung erwiesenermaßen auf den defizitären Zustand und die nicht sachgemäße Bedienung der Stauanlage der Kläger zurückzuführen. Ein Mitverschulden des Markts ... liege nicht vor. Der Hochwasserkanal diene dem Hochwasserschutz. Ein solches habe nicht vorgelegen. Die unterste Meldestufe 1 sei nicht erreicht worden. Bis auf den durch menschliches Versagen hervorgerufenen Schadensfall seien keine Ausuferungen bekannt geworden. Auch gehe der Vorwurf der Unbestimmtheit fehl. Den Klägern sei bereits vor Erlass des Bescheids hinreichend bekannt gewesen, dass die Funktionsfähigkeit der Anlage durch einen Defekt der linken Wehrtafel beeinträchtigt sei. Eine Reparatur sei bereits mit Bescheid vom 18. November 2021 angeordnet worden. Mit der Überflutung am 3. Oktober 2022 hätten die Kläger eine Beeinträchtigung des Wasserhaushalts verantwortet. Um eine erneute Beeinträchtigung des Wasserhaushalts zu verhindern, habe das Landratsamt die besagte Anordnung erlassen. Wer eine Stauanlage betreibe, schaffe eine erhebliche Gefahrenquelle. Spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der Wasserstand die zulässige Stauhöhe übersteige, müsse das Wehr in dem für die Hochwasserabwehr notwendigen Umfang geöffnet werden. Die jeweiligen zulässigen Stauhöhen seien jeweils mit Bescheid festgesetzt worden. Die Pflicht zur Gefahrenabwehr werde in § 36 Abs. 2 Satz 1 WHG weiter konkretisiert. Hiernach seien Stauanlagen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten. Es obliege den Betreibern bzw. dem verantwortlichen Personal, sich über aktuelle Wetterprognosen zu informieren, die Pegelstände regelmäßig, aber auch ereignisbezogen zu überprüfen, die Steuerung ihrer Anlagen den äußeren Umständen anzupassen und auf diese Weise eine Gefährdung für Dritte durch den Betrieb der Anlage unter allen Umständen zu vermeiden. Nach Ziffer III Nr. 9 des Bescheids des Landratsamts ... vom 24. September 1971 hätten die Betreiber die festgesetzten Wasserhöhen einzuhalten und alles zu tun, um das Über- oder Unterschreiten der festgesetzten Wasserhöhen zu verhindern. Auch Verwaltungsakte mit ihren Inhalts- und Nebenbestimmungen nach § 13 WHG seien öffentlich-rechtliche Verpflichtungen im Sinn von § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG, deren Erfüllung nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 WHG durch den Erlass von Anordnungen sichergestellt werden kann. Einer Störerauswahl habe es mangels alternativer Störer nicht bedurft. Die Behörden hätten den Sachverhalt vollständig ermittelt. Die Verantwortlichkeit der Kläger sei erwiesen. Das Ermessen sei ordnungsgemäß ausgeübt worden. Ein mögliches, jedoch nicht belegtes Fehlverhalten Dritter schmälere nicht die persönliche Verantwortung der Kläger für die erwiesene Fehlbedienung ihrer funktionsgeschädigten Anlage und die hieraus resultierende Schädigung der Allgemeinheit. Die Zwangsgeldandrohung sei rechtmäßig. Ziffer I des Bescheids enthalte nicht mehrere, sondern genau eine Verpflichtung. Die Missachtung auch nur eines Satzes bedeute einen Verstoß gegen die Anordnung im Gesamten.
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Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte und auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen. Beigezogen wurde auch die Gerichtsakte im Verfahren Au 9 K 21.2382.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Bescheid vom 3. Oktober 2022 ist rechtmäßig und nicht geeignet, die Kläger in ihren Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
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1. Ob die Kläger mit ihrem Klagevortrag im Schriftsatz ihres weiteren Bevollmächtigten vom 11. April 2023 nach § 6 UmwRG bezüglich des hier streitgegenständlichen Bescheids vom 3. Oktober 2022 präkludiert waren oder ob nach § 6 Satz 3 UmwRG i.V. m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO die Präklusionswirkungen nicht eingetreten sind, muss nicht abschließend beurteilt werden, da der angegriffene Bescheid auch im Hinblick auf den klägerischen Vortrag rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt.
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Gemäß § 6 Satz 1 UmwRG hat eine Person innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung ihrer Klage gegen eine Entscheidung im Sinn von § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind grundsätzlich nur zuzulassen, wenn die Verspätung genügend entschuldigt ist (§ 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Frist kann nach § 6 Satz 4 UmwRG (nur) dann auf Antrag verlängert werden, wenn die Person in dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren keine Möglichkeit der Beteiligung hatte. Der Anwendungsbereich des UmwRG ist vorliegend eröffnet, da ein Verwaltungsakt über eine Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahme nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 UmwRG inmitten steht.
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Der zur Begründung der am 27. Oktober 2022 erhobenen Klage eingereichte Schriftsatz des weiteren Bevollmächtigten vom 11. April 2023 liegt außerhalb der 10-Wochen-Frist des § 6 UmwRG. Allerdings tritt nach § 6 Satz 3 UmwRG i.V. m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO eine Präklusion nicht ein, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln. Ob dies im vorliegend zu entscheidenden Fall zutrifft, muss nicht abschließend entschieden werden, da die Klage auch unter Berücksichtigung des Klagevortrags ohne Erfolg bleibt.
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2. Rechtsgrundlage für die unter I. des Bescheids vom 3. Oktober 2022 getroffene Anordnung, mit der die Kläger verpflichtet werden, beide Stautafeln an der von ihnen mitbetriebenen Stauanlage so lange geöffnet zu halten, bis die Funktionsfähigkeit der Wehranlage vollständig wiederhergestellt wurde, ist § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 Bayerisches Wassergesetz (BayWG).
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Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG ist es Aufgabe der Gewässeraufsicht, die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen, die nach oder auf Grund von Vorschriften dieses Gesetzes, nach auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen. Nach Satz 2 ordnet die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach Satz 1 sicherzustellen. Voraussetzung für ein Einschreiten der zuständigen Wasserbehörde auf der Grundlage des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG ist entweder das Erfordernis der Vermeidung oder Beseitigung einer Beeinträchtigung des Wasserhaushalts (Alt. 1) oder die Erforderlichkeit zur Sicherstellung der Verpflichtungen nach Satz 1 (Alt. 2).
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a) Die Anordnung ist formell rechtmäßig. Der auf den 3. Oktober 2022 datierte, nach Aktenlage allerdings wohl erst am 6. Oktober 2022 ausgefertigte Bescheid ist die Verschriftlichung der am 3. Oktober 2022 mündlich angeordneten Untersagung der Stauhaltung. Eine Anhörung war wegen der vorliegenden konkreten Gefahrenlage nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG entbehrlich. Im Übrigen wurde die Anhörung der Kläger durch Schreiben vom 5. Oktober 2022 nachgeholt. Der Bescheid wurde auch ausreichend begründet. Die Behörde hat die wesentlichen Gesichtspunkte für ihre Entscheidung dargelegt.
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b) Die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Gewässeraufsicht lagen vor. Die wasserrechtliche Generalklausel des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG ermächtigt die nach Landesrecht für die Überwachung zuständigen Behörden Maßnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung von Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts anzuordnen oder die Erfüllung der in § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG genannten wasserrechtlichen Pflichten sicherzustellen. Bei § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG handelt es sich um eine Regelung zur Gefahrenabwehr und Schadensbeseitigung, so dass ergänzend auf die allgemeinen und besonderen gefahrenabwehrrechtlichen Regelungen zurückzugreifen ist.
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Durch die schadhaften Schützentafeln des streitgegenständlichen Stauwehrs liegt ein Verstoß gegen die in § 36 Abs. 2 WHG normierten Betreiberpflichten vor. Nach § 36 Abs. 2 WHG sind Stauanlagen und Stauhaltungsdämme nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten. Zur Unterhaltung zählen Maßnahmen wie Wartung, Betriebskontrollen, Instandhaltung oder Instandsetzung (Czychowski/ Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 36 Rn. 9). Die Pflichten des Anlagenbetreibers bestehen unmittelbar von Gesetzes wegen und sind nicht erst von einer konstitutiven Anordnung durch die Wasserbehörde abhängig. Der dauerhafte Betrieb einer nicht funktionsfähigen Benutzungsanlage rechtfertigt bereits als solches ein Einschreiten auf der Grundlage des § 100 Abs. 1 WHG.
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Bereits am 6. Februar 2020 hatte die Technische Gewässeraufsicht festgestellt, dass die automatisch gesteuerte (linke) Schützentafel defekt ist. Sie war einseitig aus der Führung gesprungen und nur notdürftig mit einem Flaschenzug befestigt. Da in der Folgezeit keine Instandsetzung vorgenommen wurde, wurden die Kläger mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 18. November 2021 zur Instandsetzung verpflichtet, die bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 3. Oktober 2022 nicht erfolgte. Da die Kläger somit gegen die ihnen nach § 36 Abs. 2 WHG obliegenden Betreiberpflichten (Instandsetzung der von ihnen betriebenen Wehranlage) nachhaltig verstoßen haben, lagen die Voraussetzungen für ein gewässeraufsichtliches Einschreiten nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 BayWG vor.
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c) Als (Mit-)Betreiber der defekten Anlage sind die Kläger richtige Adressaten der Anordnung. Die von den Klägern aufgeworfene Frage der Verantwortlichkeit weiterer Personen bezüglich der Überschwemmung in dem nahegelegenen Wohngebiet ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, da Anlass des gewässeraufsichtlichen Einschreitens die von den Klägern (mit-)betriebene defekte Stauanlage ist. Angesichts der vom Wasserwirtschaftsamt als amtlicher Sachverständiger festgestellten Mängel der Anlage und des tatsächlichen Geschehensablaufs ist die Behauptung der Kläger, sie hätten weder einen mittelbaren noch einen unmittelbaren Verursachungsbeitrag geleistet, nicht nachvollziehbar. Da den Erkenntnissen des Wasserwirtschaftsamts, das nach Art. 63 Abs. 3 BayWG als wasserwirtschaftliche Fachbehörde tätig ist, nach ständiger Rechtsprechung besondere Bedeutung zukommt, kann deren Richtigkeit nicht durch laienhafte Erwägungen und Behauptungen in Zweifel gezogen werden (Drost, Das neue Wasserrecht, Stand: März 2023, Art. 63 BayWG, Rn. 30 m.w.N.).
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d) Rechtsfolge des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG ist die Befugnis der zuständigen Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die zur Abwehr der Gefahr oder zur Wiederherstellung eines wasserrechtskonformen Zustands erforderlich sind. Die Zulässigkeit der Maßnahmen ergibt sich dabei aus der Rückbindung der Eingriffsnorm an die spezifischen wasserrechtlichen, von den Betreibern einzuhaltenden Regelungen. Das von der Behörde auszuübende Ermessen ist dabei an den Zielen der Gewässeraufsicht orientiert und steht unter der Berücksichtigung des Grundsatzes des Übermaßverbots. Im Wasserrecht als besonderes Ordnungsrecht gilt, wie im allgemeinen Ordnungsrecht, das Opportunitätsprinzip. Das bedeutet, die Behörde hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob sie einschreitet (Entschließungsermessen) und welche konkrete Anordnung sie trifft (Auswahlermessen). Die Behörde hat sich dabei von dem Bestreben leiten zu lassen, die Gefahr schnell und wirksam zu bekämpfen. In der Regel ergibt sich bei Gefahren für die menschliche Gesundheit, zur Beseitigung einer unmittelbaren Gefahr für wichtige Rechtsgüter oder zum unumgänglichen Schutz des Einzelnen gegen wesentliche Nachteile eine Pflicht zum Einschreiten (Gößl in Sieder/Zeitler/Dahme § 100 Rn. 95; Czychowski/Reinhardt, WHG, § 100 Rn. 48). Je höherwertiger das gefährdete Schutzgut ist, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden müssen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 17.11.2008 – 10 C 08.2872 – juris Rn. 12).
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Unter Berücksichtigung dieser Kriterien unterliegt die Anordnung der Untersagung der Stauhaltung bis zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Stauanlage keinen Ermessensfehlern i.S.d. § 114 VwGO. Der Beklagte hat von dem ihm eingeräumten Ermessen unter sachgerechter Abwägung der insoweit zu berücksichtigenden Umstände zweckentsprechend Gebrauch gemacht. Unzutreffend ist die Annahme der Kläger, die Formulierung des Beklagten, er habe keine andere Möglichkeit gesehen, als die drohenden Gefahren durch die Anordnung eines völligen Abstaus abzuwenden, sei Beleg für einen Ermessensausfall. Der von der Klägerseite zitierte Satz fasst lediglich das Ergebnis der Ermessenserwägungen zusammen, die im Bescheid anschließend näher erläutert werden.
38
Die angeordnete Untersagung der Stauhaltung ist auch geeignet, der von dem Defekt der Anlage ausgehenden Gefahrenlage, insbesondere für die Bewohner des nahegelegenen Wohngebiets, zu begegnen. Angesichts der Tatsache, dass die Kläger es seit Jahren – der Bevollmächtigte der Kläger gibt im Schriftsatz vom 18. November 2022 selbst an, dass die Stautafel seit dem Jahr 2018 defekt ist – unterlassen haben, die Schützentafel zu reparieren und auch durch eine für sofort vollziehbar erklärte gewässeraufsichtliche Anordnung zur Instandsetzung nicht veranlasst werden konnten, war die Untersagung der Stauhaltung bis zur Wiederherstellung der vollständigen Funktionsfähigkeit der Anlage ordnungsrechtlich erforderlich. Dies gilt umso mehr im Hinblick auf die von der defekten Wehranlage latent und dauerhaft ausgehende Gefahr, die sich durch die Überschwemmung eines angrenzenden Wohngebiets am 2./3. Oktober 2022 bereits verwirklicht hat. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Stauanlage nach der Bewertung des Wasserwirtschaftsamts der Kategorie 1, der höchsten Gefahreneinstufung bei Stauanlagen, unterfällt und es sich somit um eine Anlage mit hohem Schadenspotential handelt.
39
Die Anordnung ist auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Einbußen für die Kläger verhältnismäßig. Die Ereignisse vom 2./3. Oktober 2022 belegen, welches Gefahrenpotential von einer nicht ordnungsgemäß betriebenen Stauanlage ausgehen können. Das Gericht hält es nach den sach- und fachkundigen Ermittlungen des Wasserwirtschaftsamts, dessen Beurteilungen aufgrund seiner Stellung als kraft Gesetzes eingerichteter Fachbehörde (Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG) und aufgrund seiner Erfahrungen infolge einer jahrzehntelangen Bearbeitung eines bestimmten Gebiets besondere Bedeutung zukommt (stRspr. des BayVGH, vgl. B.v. 30.4.2014 – 8 ZB 12.1118 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 1.8.2011 – 22 N 09.2729 – ZfW 2012, 94 ff. – juris Rn. 39), für erwiesen, dass die Überschwemmung des Wohngebiets auf den von den Klägern und ihren Mitbetreibern zu verantwortenden Zustand der Wehranlage zurückzuführen ist. Bei der Ortseinsicht aufgrund des Schadensereignisses stellte das Wasserwirtschaftsamt am 3. Oktober 2022 fest, dass an der Stauanlage der Kläger die rechte Schützentafel unzureichend geöffnet war, so dass es zu einem Überströmen der Wehranlage kam. Die zweite (linke) Schützentafel sei geschlossen gewesen und habe erst durch die Feuerwehr geöffnet werden müssen. Die defekte Hebeeinrichtung der linken Schützentafel des von den Klägern betriebenen Stauwehrs habe nur unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln (Hebezug) und von mehreren Personen hochgezogen werden können. Unter dem Eindruck der Schäden und künftiger Risiken sei es aus fachlicher Sicht notwendig, dass die Staueinrichtung (beide Schützentafeln) geöffnet bleiben müssen, bis die Anlage saniert ist. Die Behauptung der Kläger, es habe keine Fehlbedienung vorgelegen, wird durch diese fachliche Einschätzung widerlegt. Angesichts der von dem Stauwehr ausgehenden Gefahrenlage, der jahrelangen Untätigkeit der Kläger und der Ereignisse vom 2./3. Oktober 2022 kommt als mildere Maßnahme eine Anordnung zur vollständigen Öffnung der Stautafeln lediglich bei einer bestimmten Pegelhöhe zur Überzeugung des Gerichts nicht in Betracht. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist auch zu berücksichtigen, dass es die Kläger selbst in der Hand haben, durch eine zügige Instandsetzung die wirtschaftlichen Einbußen zu reduzieren. Auch der Umstand, dass es sich bei dem Verbot um einen Dauerverwaltungsakt handelt, führt nicht zu dessen Unverhältnismäßigkeit. Die Kläger haben die Möglichkeit, die Funktionsfähigkeit der Wehranlage durch die erforderliche Instandsetzung herbeizuführen und die Rechtswirkungen der Untersagung des Aufstaus zu beenden.
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Es bestehen weiterhin keine Bedenken, dass die Wiederaufnahme der Stauhaltung einer Beurteilung der Funktionsfähigkeit durch das Wasserwirtschaftsamt ... und einer schriftlichen Freigabe durch das Landratsamt bedarf. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Stauwehr den technischen Anforderungen entspricht und die von dem Stauwehr ausgehende Gefahrenlage gering gehalten wird. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Verbot der Stauhaltung trotz der von den Klägern behaupteten Instandsetzung der Schützentafeln mangels Abnahme und Freigabe weiterhin aufrechterhalten bleibt. Es liegt im Verantwortungsbereich der Kläger, dass sie davon Abstand genommen haben, zumindest eine (Teil-)Abnahme der Instand gesetzten Schützentafeln herbeizuführen. Ob die Wiederaufnahme der Stauhaltung noch von weiteren Anforderungen abhängig gemacht werden kann, wie mit Bescheid vom 8. März 2023 geschehen, ist für die Rechtmäßigkeit des hier zu beurteilenden Bescheids vom 3. Oktober 2022 nicht entscheidungserheblich.
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e) Die Anordnung begegnet auch im Hinblick auf die erforderliche Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) keinen rechtlichen Bedenken. Ein Verwaltungsakt ist bestimmt, wenn der Inhalt der von der Behörde getroffenen Regelung für die Beteiligten unzweideutig erkennbar ist. Hierbei ist nicht nur der Tenor, sondern auch die Begründung des Bescheids heranzuziehen. Ein Verwaltungsakt ist dann unbestimmt, wenn nicht eindeutig bestimmt werden kann, was der Betroffene zu leisten hat. Aus der Begründung des Bescheids und den diesem zugrundeliegenden Ereignissen ist für die Kläger eindeutig erkennbar, dass Grundlage der verfügten Anordnung der Defekt der linken Schützentafel war. Im Übrigen gehört die ordnungsgemäße Unterhaltung, Wartung und Instandsetzung einer Stauanlage zu den allgemeinen, nach § 36 Abs. 2 WHG kraft Gesetzes bestehenden Betreiberpflichten, die von den Klägern einzuhalten sind.
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3. Die Zwangsgeldandrohung unter II. des Bescheids vom 3. Oktober 2022 ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Rechtsgrundlage für die Androhung des Zwangsgelds sind die Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31, 36 VwZVG. Mit der nach Ziffer III. für sofort vollziehbar erklärten Handlungspflicht unter Ziffer I. des Bescheids liegt ein vollziehbarer Grundverwaltungsakt i.S.v. Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG vor. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Zwangsgeldandrohung auch hinreichend bestimmt. Inhalt der Androhung ist die Verpflichtung, beide Stautafeln so lange offen zu halten, bis die Funktionsfähigkeit der Anlage durch das Wasserwirtschaftsamt festgestellt und die Wiederaufnahme der Nutzung durch das Landratsamt gestattet wurde. Es handelt sich somit lediglich um eine einzige Handlungspflicht, nämlich das Unterlassen der Gewässerbenutzung in der Form eines Aufstaus (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 WHG). Die geforderte Öffnung der Stautafeln stellt nur das hierfür technisch notwendige Mittel dar.
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b) Schließlich begegnen weder die Höhe der Zwangsgelder, welche in dem durch Art. 31 Abs. 2 VwZVG eröffnetem Rahmen liegt, noch die Auswahl der Vollstreckungsschuldner rechtlichen Bedenken. Das Zwangsgeld richtet sich gegen jeden der unter Nr. 1 bis Nr. 3 aufgelisteten Bescheidsadressaten als jeweilige Betreiber der Stauanlage. Da jeder Kraftwerksbetreiber verpflichtet ist, den Aufstau zu unterlassen, ist die Entscheidung, gegenüber jedem Betreiber ein Zwangsgeld zu verhängen, nicht zu beanstanden.
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4. Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen haben die Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).