Titel:
Spielhalle, Befristung, Bescheid, Erlaubnis, Ermessen, Spielsucht, Antragstellung, Widerruf, Frist, Aufhebung, Widerspruch, Erlaubniserteilung, Betrieb, Auswahlermessen, Kosten des Verfahrens, Zeitpunkt des Erlasses, Ablauf der Befristung
Normenketten:
GlüStV 2021 § 24 Abs. 2 S. 2
AGGlüStV Art. 15 Abs. 6 S. 2
Schlagworte:
Spielhalle, Befristung, Bescheid, Erlaubnis, Ermessen, Spielsucht, Antragstellung, Widerruf, Frist, Aufhebung, Widerspruch, Erlaubniserteilung, Betrieb, Auswahlermessen, Kosten des Verfahrens, Zeitpunkt des Erlasses, Ablauf der Befristung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16634
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Länge der Befristung einer ihr mit dem angefochtenen Bescheid erteilten glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb einer Spielhalle.
2
1. Die Klägerin betreibt seit 2020 eine Einzelspielhalle im Stadtgebiet der Beklagten. Der Betrieb der Spielhalle wurde mit Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2020 glücksspielrechtlich erlaubt, die Erlaubnis war befristet auf den 30. Juni 2021.
3
Am 10. März 2021 ließ die Klägerin für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2021 die erneute Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb der Spielhalle beantragen. Die Erlaubnis sollte nach dem Antrag der Klägerin für einen Zeitraum von 20 Jahren, hilfsweise für die maximal zulässige Zeit, mindestens jedoch für 15 Jahre, erteilt werden. Zur Begründung wurde geltend gemacht, dass mit dem zum 1. Juli 2021 in Kraft tretenden Glücksspielstaatsvertrag 2021 und den dazu ergehenden bayerischen Ausführungsregelungen zwar eine Befristung in die Erlaubniserteilung aufzunehmen sein wird, diese jedoch für maximal 20 Jahre möglich sein müsste.
4
Mit Bescheid vom 25. November 2022 erteilte die Beklagte die glückspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb der Spielhalle „Spielothek ...“ in (... – Straße im Stadtgebiet der Beklagten) im gewerberechtlich genehmigten Umfang (Ziffer 1) und befristete die Erlaubnis bis zum 30. Juni 2026 (Ziffer 2). Weitere Nebenbestimmungen und Auflagen wurden unter Ziffern 3 und 4 des Bescheids angeordnet.
5
Zur Begründung der Regelung in Ziffer 2 des Bescheids wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die glücksspielrechtliche Erlaubnis nach § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2021 zu befristen sei. Die Dauer der Befristung stehe im Ermessen der Erlaubnisbehörde. Die vorgenommene Befristung auf fünf Jahre entspreche dem öffentlichen Interesse daran, in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Erlaubnis noch vorlägen. Dies diene in erster Linie dem Ziel der Bekämpfung der Spielsucht. Auch die durch die Neuregelungen des GlüStV 2021 in Kraft getretenen Änderungen bedürften der regelmäßigen Prüfung. Die Befristung stehe mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang, sie sei geeignet, den Zweck umfassender Kontrollen zu fördern. Sie sei erforderlich, ein weniger beeinträchtigendes, ebenso wirksames Mittel stehe nicht zur Verfügung. Insbesondere würden die Überwachungsmöglichkeiten nach § 9 Abs. 1 GlüStV 2021 i.V.m. Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Satz 2 AGGlüStV keine gleichwertigen Kontrollmöglichkeiten sicherstellen. In Abwägung der widerstreitenden Interessen, den betrieblichen und wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin und dem öffentlichen Interesse an der Eindämmung der Gefahren der Spielsucht, werde die Befristung für fünf Jahre angeordnet. In die Abwägung würden auch wirtschaftliche Interessen im Rahmen von langfristigen Mietverträgen einbezogen. Das Interesse des Spielhallenbetreibers an einer angemessenen Frist für die erteilte Erlaubnis werde berücksichtigt, fünf Jahre stellten einen nicht unerheblichen Zeitraum dar, der auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht eine Planungssicherheit gewährleiste. Eine vergleichbare Befristungsdauer sei unter der Geltung des vorherigen Glücksspielstaatsvertrags als verhältnismäßig angesehen worden.
6
2. Am 9. Dezember 2022 ließ die Klägerin gegen den Bescheid, soweit er die Befristung der Erlaubnis regelt, Klage erheben.
7
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass die Dauer der erteilten Erlaubnis faktisch – seit Erteilung der Erlaubnis – nur etwa dreieinhalb Jahre betrage. Da von der Spielhalle offensichtlich keine Gefahr ausgehe, eine Konkurrenzsituation zu einer benachbarten Spielhalle nicht bestehe und Art. 15 AGGlüStV eine Übergangsregelung für Verbundspielhallen und Spielhallen, die Abstandsregelungen nicht einhielten, bis zum 30. Juni 2031 vorsehen würde, sei die verfügte Befristung bis zum Juni 2026 zu kurz.
8
Die Klägerin lässt beantragen,
9
unter Aufhebung von Ziffer 3 des Bescheids vom 25. November 2022 die Beklagte zu verpflichten, eine Befristung bis zum 30. Juni 2031 auszusprechen, hilfsweise eine Befristung nach pflichtgemäßem Ermessen auszusprechen.
10
Die Beklagte beantragt,
12
Zur Klageerwiderung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt habe. Sinn und Zweck der gesetzlichen Pflicht zur Befristung sei die Gewährleistung der staatlichen Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der Entwicklung des Betriebs, seines Umfelds und neuerer Erkenntnisse der Suchtprävention. Auch unter Berücksichtigung des Art. 12 Abs. 1 GG sei mit der verfügten Befristung der Eingriff gerechtfertigt, die mit der Befristung verbundene Berufsausübungsregelung sei erforderlich und in Abwägung mit den Belangen der Klägerin verhältnismäßig. Die Erlaubnis sei für fünf Jahre erteilt worden, dies erscheine angemessen, auch um für die Klägerin ausreichende Planungssicherheit zu gewährleisten. Die Klägerin führe den Betrieb bereits – wenn auch ohne förmliche Erlaubnis – seit dem Inkrafttreten des GlüStV 2021 zum 1. Juli 2021 unverändert weiter, die Dauer der Erlaubnis bis zum 30. Juni 2026 betrage damit ausreichende fünf Jahre.
13
Die Beteiligten haben jeweils mit Schriftsätzen vom 11. April 2023 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
15
Über die Klage konnte nach § 101 Abs. 2 VwGO mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
16
Die zulässig erhobene Klage bleibt erfolglos. Die im vorliegenden Verfahren alleine streitgegenständliche Regelung, die in Ziffer 2 des Bescheids vom 25. November 2022 verfügte Befristung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis zum 30. Juni 2026, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine über den 30. Juni 2026 hinausgehende Befristung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
17
1. Die Befristung der erteilten glücksspielrechtlichen Erlaubnis ist rechtmäßig.
18
a) Gemäß §§ 24 Abs. 2 Satz 2, 35 Abs. 1 Satz 1 des zum 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag 2021 vom 29.10.2020 – GlüStV 202; Beschluss des Bayerischen Landtags vom 24.2.2021, GVBl S. 97, S. 288) ist die glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle schriftlich zu erteilen und zu befristen. Danach besteht hinsichtlich der Befristung kein Entschließungsermessen, eine unbefristete Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis ist ausgeschlossen (vgl. VG München, U.v. 17.12.2013 – M 16 K 13.1477 – juris Rn. 16 zur insoweit identischen Rechtslage nach GlüStV 2012).
19
Mit der Befristung der Erlaubnis verfolgt der Gesetzgeber das Ziel „den Erfordernissen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, wenn die künftige Entwicklung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Hauptverwaltungsaktes nicht absehbar (sind). Ihre Funktion liegt insbesondere in änderungsaffinen Rechtsgebieten darin, dass die Verwaltung erneut prüfen kann, ob und inwieweit die tatsächlichen Voraussetzungen weiterhin vorliegen beziehungsweise ob und inwieweit die erteilte Erlaubnis zu einer gegebenenfalls geänderten Rechtslage im Widerspruch steht“ (BayVGH, B.v. 29.6.2021 – 23 ZB 21.1482 u.a. – juris Rn. 50 zur insoweit identischen Rechtslage nach GlüStV 2012; vgl. auch BayVGH, B.v. 2.6.2021 – 23 ZB 20.518 – juris Rn. 50; stRspr). Somit kann durch die erneute Antragstellung nach dem Ablauf der Befristung die zuständige Behörde die dann geltenden Normen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Spielhalle prüfen und klären, ob die Genehmigungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen, ohne auf die Regelungen des Art. 48, 49 BayVwVfG zum Widerruf oder zur Rücknahme der erteilten Erlaubnis zurückgreifen zu müssen (VG München, U.v. 17.12.2013 – M 16 K 13.1477 – juris Rn. 16 zur insoweit identischen Rechtslage nach GlüStV 2012).
20
b) Gegen die konkrete Länge der in Ziffer 2 des Bescheids vom 25. November 2022 geregelten Befristung bis zum 30. Juni 2026 bestehen keine rechtlichen Bedenken.
21
aa) Die Dauer der Befristung ist weder im GlüStV noch in den in Bayern bestehenden landesrechtlichen Ausführungsnormen im Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (AGGlüStV) i.d.F. d. Bek. vom 20. Dezember 2007 (GVBl. S. 922, BayRS 2187-3-I), zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland und des Spielbankengesetzes vom 22. April 2022 (GVBl. S. 147), durch den Gesetzgeber vorgegeben. Die konkrete Bestimmung der Dauer der Befristung steht damit im Auswahlermessen der zuständigen Behörde und ist gerichtlich nur in dem durch § 114 Satz 1 VwGO vorgegebenen Umfang überprüfbar. Das Gericht prüft somit insoweit nur, ob die zuständige Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat und ob sie vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (VG München, U.v. 17.12.2013 – M 16 K 13.1477 – juris Rn. 18).
22
bb) Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte das ihr zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt und die glücksspielrechtliche Erlaubnis in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf den 30. Juni 2026 befristet. Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch sind aus dem Klagevorbringen nicht erkennbar.
23
Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin vorträgt, dass von der Spielhalle keine Gefahren ausgehen und auch in Zukunft nicht ausgehen werden, so dass eine Befristung über den 30. Juni 2026 hinaus sachgerecht wäre, verkennt dies den oben im Einzelnen dargelegten Zweck der Befristungsregelung. Die Befristung dient in erster Linie der fortlaufenden/wiederholenden Prüfung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis im Hinblick auf die im Zeitpunkt des Ablaufs der Befristung geltenden Anforderungen. Eine bestehende oder zu erwartende Gefahr ist nicht die primäre Rechtfertigung der – gesetzlich vorgesehenen – Befristung der Erlaubnis.
24
Die Befristung ist auch entgegen der Auffassung der Klägerseite nicht deshalb unverhältnismäßig kurz, weil die glücksspielrechtliche Erlaubnis ab dem Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheids nur noch für etwa 3,5 Jahre erteilt wird.
25
Die Klägerseite verkennt bei dieser Berechnung der Frist, dass aufgrund der Übergangsregelung in Art. 15 Abs. 6 Satz 2 AGGlüStV aufgrund der rechtzeitigen Antragstellung der Klägerin die vor dem Inkrafttreten des GlüStV 2021 mit Bescheid vom 29. Juni 2020 erteilte glücksspielrechtliche Erlaubnis weitergegolten hat und der Klägerin damit im gesamten Zeitraum ab dem 1. Juli 2021 bis zum Ablauf der nunmehr erteilten Erlaubnis am 30. Juni 2026, somit für fünf Jahre, der Betrieb der Spielhalle glücksspielrechtlich erlaubt ist. Dass diese fünfjährige Frist für den Betrieb der Spielhalle in Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin und dem öffentlichen Interesse an der fortlaufenden/wiederholenden Kontrolle des Betriebs der Spielhalle ermessenfehlerhaft ist, ist nicht erkennbar (vgl. insoweit BayVGH, B.v. 26.3.2014 – 22 ZB 14.221 – juris Rn. 20 für eine für die Dauer von vier Jahren erteilte Erlaubnis).
26
Insbesondere hat die von der Klägerseite herangezogene Befristungsregelung in Art. 15 Abs. 3 Satz 3 AGGlüStV bis maximal zum 30. Juni 2031 für Verbundspielhallen für die vorliegende Ermessensbetätigung keine Bedeutung. Denn die nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 AGGlüStV notwendige Befreiung für Verbundspielhallen ist ebenfalls zu befristen (Art. 15 Abs. 3 Satz 2 AGGlüStV) und sieht nur eine Höchstfrist für diese Übergangsregelung vor, lässt die im Ermessen der Behörde stehende Befristungsentscheidung aber ansonsten unberührt.
27
2. Damit war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
28
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf der Regelung in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.