Titel:
Waffenrecht, kleiner Waffenschein, Ablehnung der Erteilung wegen hinreichender Tatsache der Nähe zur Ideologie der Reichsbürgerbewegung, Umstände des Einzelfalls, schriftliche Einlassung des Antragstellers, Bewertung des Verhaltens des Antragstellers im waffenrechtlichen Verfahren, Zeitablauf
Normenketten:
WaffG § 10 Abs. 4 S. 4
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b und lit. c
Schlagworte:
Waffenrecht, kleiner Waffenschein, Ablehnung der Erteilung wegen hinreichender Tatsache der Nähe zur Ideologie der Reichsbürgerbewegung, Umstände des Einzelfalls, schriftliche Einlassung des Antragstellers, Bewertung des Verhaltens des Antragstellers im waffenrechtlichen Verfahren, Zeitablauf
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16614
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosen vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihm den beantragten Kleinen Waffenschein zu erteilen.
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1. Mit Antrag vom 9. Juni 2020 beantragte der Kläger bei der unteren Waffenrechtsbehörde die Erteilung der Erlaubnis zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen nach § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG (Kleiner Waffenschein).
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Im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung teilte der polizeiliche Sachbearbeiter telefonisch am 15. Juli 2020 der Waffenbehörde mit, dass aus der Sicht der Polizei die waffenrechtliche Zuverlässigkeit beim Kläger nicht gegeben sei, da dieser eindeutig der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen sei. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass der Kläger in den Datensystemen des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht erfasst sei. Mit nachfolgendem Schreiben vom 16. Juli 2020 teilte der polizeiliche Sachbearbeiter der Waffenbehörde ergänzend mit, dass eine Reichsbürgerverdachtsmitteilung durch die Wohnsitzgemeinde des Klägers vorliege. Der Kläger habe auf eine Grundsteuerforderung der Gemeinde in reichsbürgertypischer Ausdrucksweise geantwortet, insbesondere auf UPIK-Datensätze und DUNS-Nummern, ein Grundsteuergesetz von 1936 und die Unzuständigkeit des Bundestags für die Regelungen hingewiesen. Der diesbezügliche Schriftwechsel des Klägers mit seiner Wohnsitzgemeinde bzw. der Widerspruchsbehörde vom November 2018/Januar 2019 wurde im gerichtlichen Verfahren vom Beklagten auf Anforderung des Gerichts mit dem Schriftsatz vom 10. August 2021 vorgelegt (Bl. 41 ff. der Gerichtsakte).
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Mit Schreiben vom 21. Juli 2020 hörte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags unter Verweis auf die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers und seiner Einordnung als Reichsbürger an. Der Bevollmächtigte des Klägers erbat zur Stellungnahme Akteneinsicht, äußerte sich dann aber nicht weiter. Das Landratsamt behandelte den Antrag nach Fristablauf als zurückgenommen.
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Unter dem 12. November 2020, bei der zuständigen Waffenbehörde eingegangen am 4. Februar 2021, stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Erteilung des Kleinen Waffenscheins.
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Auf Anfrage der Waffenbehörde verwies der polizeiliche Sachbearbeiter zur Zuverlässigkeit darauf, dass der Kläger seit seiner Einstufung im Februar 2019 nicht mehr in reichsbürgertypischer Weise in Erscheinung getreten sei. Die polizeiliche Einschätzung zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit vom Juli 2020 bleibe davon unberührt.
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Mit Schreiben vom 15. März 2021 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags an. Der Kläger ließ hierzu durch seinen Bevollmächtigten am 23. März 2021 mitteilen, dass aus der Behördenakte keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar seien, dass der Kläger waffenrechtlich unzuverlässig sei.
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Mit Bescheid vom 10. Mai 2021 lehnte der Beklagte den Antrag vom 12. November 2020 auf Erteilung eines Kleinen Waffenscheins ab.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Kläger die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b und c WaffG würden Personen in der Regel die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen, diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren würden oder Personen überließen, die dazu nicht berechtigt seien. Bei Personen, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland verneinten und damit zugleich die Rechtsordnung ablehnen würden, seien diese Ausschlussgründe zu bejahen. Bei Personen, die der Ideologie der Reichsbürgerbewegung nahe stünden, sei nicht zu erwarten, dass sie die waffenrechtlich gebotene Sorgfalt beachten würden. Gleichzeitig sei bei diesem Personenkreis der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG erfüllt, sie verfolgten einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen, die gegen die verfassungsgemäße Ordnung gerichtet seien. Aus dem bisherigen Verhalten des Klägers ergäben sich hinreichende Tatsachen, die diese Annahme begründen würden. Die auf das bisherige Verhalten gestützte Prognose ergebe konkrete Anhaltspunkte für die Missachtung der verbindlichen waffenrechtlichen Regelungen.
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2. Der Kläger ließ dagegen am 1. Juni 2021 durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben.
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Der Kläger sei nicht der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig noch habe er sich deren Ideologie zu Eigen gemacht. Er lehne weder die Existenz der Bundesrepublik Deutschland noch deren Rechtsordnung ab. Soweit er sich gegen den Grundsteuerbescheid seiner Wohnsitzgemeinde gewandt habe, habe er die dagegen erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht (Au 2 K 19.338) zurückgenommen sowie die Grundsteuer und die angefallenen Säumniszuschläge bezahlt. Ausgangspunkt der Einwendungen gegen die Grundsteuer sei die für den Kläger im Einzelnen nicht nachvollziehbare Erhöhung des Grundsteuersatzes gewesen. Diese Erhöhung sei in der Bevölkerung angesichts der Einnahmesituation der Gemeinde vielfach als ungerechtfertigt angesehen worden. Dies habe der Kläger mit seinen Einwendungen gegen den Grundsteuerbescheid auch zum Ausdruck gebracht. Aus den Mitteilungen der Polizei an die Waffenbehörde ergebe sich, dass der Kläger beim Landesamt für Verfassungsschutz nicht bekannt oder erfasst sei. Erkenntnisse zu diesem Sachverhalt habe der Beklagte im Verfahren nicht erlangt. Auch der operative Staatsschutz bei der Polizei habe keine Eintragungen den Kläger betreffend benannt. Diese „Negativ-Einstufungen“ habe der Beklagte im Rahmen seiner Prognoseentscheidung ignoriert. Insgesamt habe der Beklagte im Rahmen seiner Beurteilung die für den Kläger sprechenden Umstände – sein berufliches Verhalten etc. sei ohne Beanstandung – nicht berücksichtigt, die Unzuverlässigkeitswertung könne in Gesamtberücksichtigung aller Umstände nicht aufrechterhalten werden.
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Der Kläger lässt beantragen,
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den Bescheid des Landratsamts * vom 10. Mai 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Erlaubnis zum Führen von Signal-, Reizstoff- und Schreckschusswaffen („kleiner Waffenschein“, § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG) zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt unter Verweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheids,
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Auf Nachfrage des Gerichts teilte der Beklagte unter Vorlage eines Schreibens des Landesamts für Verfassungsschutz mit, dass dort keine eigenen Erkenntnisse zur Person des Klägers vorhanden seien. Es läge nur die Mitteilung der Polizei zum Verdachtsfall vor, deshalb sei der Kläger beim Landesamt auch als „nicht bekannt“ eingestuft.
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In der Sache wurde am 25. April 2023 mündlich vor Gericht verhandelt. Dabei wurden der polizeiliche Sachbearbeiter, der Sachbearbeiter des Polizeipräsidiums für Staatschutzdelikte sowie ein Mitarbeiter des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz als Zeugen vernommen. Auf das in der mündlichen Verhandlung gefertigte Protokoll wird im Einzelnen Bezug genommen. Ebenso wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch im Verfahren Au 2 K 19.338, und der beigezogenen Behördenakte.
Entscheidungsgründe
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Die zulässig erhobene Klage bleibt erfolglos. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 10. Mai 2021, mit dem der Antrag des Klägers abgelehnt worden ist, ist rechtmäßig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten. Der Kläger kann keinen Anspruch auf die Erteilung des beantragten Kleinen Waffenscheins geltend machen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
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1. Für die Erlaubnis zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen i.S.d. § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG (Kleiner Waffenschein) muss beim jeweiligen Antragsteller neben den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (§ 4 Abs. 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5 WaffG) – soweit diese nicht durch die Regelung in § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 3 als nicht notwendig vorliegend eingestuft sind – zwingend die persönliche Zuverlässigkeit i.S. von § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 WaffG gegeben sein.
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Im angefochtenen Bescheid hat die Waffenbehörde das Vorliegen der persönlichen Zuverlässigkeit beim Kläger verneint, da dieser der Reichsbürgerszene und ihrem Gedankengut zugeordnet wird. Vor dem Hintergrund des Verhaltens des Klägers im Rahmen seiner schriftlichen Einlassungen im Widerspruchsverfahren gegen den Grundsteuerbescheid seiner Wohnsitzgemeinde (siehe Bl. 41 ff. der Gerichtsakte) und des persönlichen Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2023 hat sich dieser zur Überzeugung des Gerichts von dem entsprechenden Gedankengut nicht glaubhaft distanziert. Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit des Klägers liegt damit nicht vor.
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a) Der Beklagte stützt das Fehlen der erforderlichen persönlichen Zuverlässigkeit beim Kläger auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b und lit. c WaffG. Nach dieser Norm besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (lit. b) oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über dieser Gegenstände nicht berechtigt sind (lit. c).
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b) Vorliegend sind entsprechende Tatsachen im Sinne der vorgenannten Normen vorhanden, da sich der Kläger reichsbürgertypisch verhalten und sich von diesem Verhalten nicht glaubhaft distanziert hat.
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aa) Nach den vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz – zuletzt – veröffentlichten Informationen im Verfassungsschutzbericht 2022 (abgerufen unter www.verfassungsschutz.bayern.de; abgerufen am 11.5.2023) umfasst die Gruppe der Reichsbürger „Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit verschiedenen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen“ (S. 235 des Verfassungsschutzberichts). Eine organisatorische Einheit besteht in diesem Personenkreis nicht (VG Ansbach, U.v. 21.4.2021 – AN 16 K 18.198 – juris Rn. 26 unter Verweis auf den Verfassungsschutzbericht des Bundes).
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Der Kläger hat sich in diesem Sinn im Rahmen des Verfahrens zur Erhebung der Grundsteuer seiner Wohnsitzgemeinde geäußert und auf die historisch begründete Ungültigkeit der Regelungen des Grundsteuergesetzes aufgrund der durch die Kriegsalliierten getroffenen Regelungen nach 1945 sowie die HLKO („Haager Landkriegsordnung“) verwiesen (Schreiben vom 2.11.2018, Bl. 43 ff. der Gerichtsakte). Weiter wurde die in der Reichsbürgerszene typische Bezeichnung der (Wohnsitz-) Gemeinde bzw. der Widerspruchsbehörde als „Unternehmen“ (vgl. etwa S. 246 des Verfassungsschutzberichts 2022) vom Kläger als Grund für die Rechtswidrigkeit der Grundsteuerforderung angeführt.
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Ausgehend von diesen schriftlichen Einlassungen ist die Zuordnung des Klägers zur Reichsbürgerbewegung durch die Polizei nachvollziehbar. Insbesondere haben die in der mündlichen Verhandlung vom 25 April 2023 vernommenen Zeugen der Polizei und des Verfassungsschutzes nachvollziehbar dargelegt, inwieweit diese Zuordnung zustande gekommen ist. Die Waffenbehörde hat sich dieser Einschätzung angeschlossen, für die Entscheidung über die Zuverlässigkeit des Klägers i.S.d. § 5 WaffG konnte sie dies zugrundelegen.
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bb) Allerdings bedarf es über diese Zuordnung hinaus der Prüfung, ob sich der Kläger als Antragsteller im waffenrechtlichen Verfahren diese Ideologie auch zu Eigen gemacht hat. Für diese Prüfung ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich die Kammer in vollem Umfang anschließt, eine „Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls, insbesondere der Persönlichkeit des Betroffenen und seinen prozessualen und außerprozessualen Verhaltensweisen und Einlassungen“ vorzunehmen (BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 19; vgl. VG Ansbach, U.v. 29.4.2021 – AN 16 K 18.198 – juris Rn. 31; stRspr).
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(1) Soweit im Klageverfahren vom Bevollmächtigten insoweit vorgetragen wurde, dass der Kläger in dem Verfahren zur Erhebung der Grundsteuer zwar die vorgenannten reichsbürgertypischen schriftlichen Einlassungen abgegeben hat, sich nach rechtlicher Beratung aber nicht weiter gegen den Grundsteuerbescheid zur Wehr gesetzt, die Klage bei Gericht zurückgenommen und die Rechtsordnung insoweit akzeptiert hat, ist dies zutreffend. Auf die Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2023, wie und wodurch der Kläger zu der den schriftlichen Einlassungen zugrundeliegenden Auffassung gelangt ist, hat dieser jedoch nur auf sein – aus heutiger Sicht unberechtigtes – Vertrauen auf die Quellen im Internet hingewiesen. Dies ist für das Gericht in keiner Weise überzeugend. Denn der Kläger hat als promovierter * zum damaligen Zeitpunkt erkennen können, dass Internet-Seiten und die dortigen Inhalte einer kritischen und ggf. weiteren Überprüfung unterzogen werden müssen. Eine hinreichend glaubhafte Distanzierung des Klägers von der für die Reichsbürgerbewegung typischen Infragestellung staatlichen Handelns, insbesondere der Legitimität zur Erhebung von Steuern, ist darin nicht zu sehen.
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(2) Auch die fehlende Eintragung des Klägers in den Akten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz lässt keine andere Einschätzung zur Nähe des Klägers zur Reichsbürgerideologie erkennen. Der insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2023 als Zeuge vernommene Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz konnte für das Gericht nachvollziehbar darlegen, dass das Landesamt Eintragungen in seinen Systemen nur aufgrund eigener Erkenntnisse vornimmt. Die von der Polizei aufgrund der schriftlichen Einlassungen des Klägers vorgenommene Einstufung wird vom Landesamt nicht als eigene Erkenntnis erfasst. Die schriftlichen Äußerungen des Klägers im Verfahren zur Erhebung der Grundsteuer tragen jedoch die durch den Verfassungsschutz vorgenommene Bewertung der sog. „Reichsbürgerbewegung“ (S. 8 des Sitzungsprotokolls vom 25.4.2023).
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(3) Der Kläger ist nach dem Schriftwechsel mit der Wohnsitzgemeinde bzw. der Widerspruchsbehörde in dem Verfahren zur Erhebung der Grundsteuer nicht mehr „reichsbürgertypisch in Erscheinung getreten“ (Bl. 18 der Behördenakte). Dies haben der polizeiliche Sachbearbeiter in der Mitteilung an die Waffenbehörde vom 5. März 2021 (a.a.O.) sowie übereinstimmend die in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2023 vernommenen Zeugen bestätigt.
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Dieser Umstand spricht zwar dafür, dass eine (weitere) Unterstützung der Ideologie der Reichsbürgerszene beim Kläger nicht mehr mit der gleichen Tiefe zu bejahen ist, wie sie sich nach den schriftlichen Äußerungen Ende 2018/Anfang 2019 dargestellt hat. Allerdings ist das Gericht nach dem persönlichen Eindruck von der Person des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung gelangt, dass der Kläger sich in einer Weise von den Anschauungen der Reichsbürgerbewegung zur fehlenden Legitimität staatlicher Stellen distanziert hat, dass eine Nähe zur entsprechenden Weltanschauung ausgeschlossen ist. Die Antworten des Klägers auf die gerichtlichen Fragen waren eher ausweichend, die Berufung auf seine „Naivität“ den Angaben im Internet gegenüber erscheint dem Gericht als bagatellisierend.
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Da es sich bei der (weiteren) Nähe zur Ideologie der Reichsbürgerbewegung um eine innere Einstellung bzw. Geisteshaltung handelt, die alleine in die „Sphäre“ des Betroffenen fallen, wäre es jedoch Sache des Klägers gewesen, die durch die schriftlichen Äußerungen begründeten Zweifel an der durchgehenden Ablehnung der Ideologie der Reichsbürgerbewegung und die Einhaltung der gesetzlich gebotenen Anforderungen an die waffenrechtliche Zuverlässigkeit vollständig auszuräumen (BayVGH, U.v. 30.7.2020 – 24 BV 18.2500 – juris Rn. 16; VG Ansbach, U.v. 29.4.2021 – AN 16 K 18.198 – juris Rn. 30). Dies ist trotz des Zeitablaufs zur Überzeugung des Gerichts nicht gelungen.
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(4) Die von der Klägerseite vorgetragene Tatsache der langjährigen Zuverlässigkeit des Klägers in Ausübung des *berufs lässt die entstandenen Zweifel an der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit ebenfalls nicht entfallen.
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Auch wer sich in sonstigen Zusammenhängen nichts zu Schulden kommen lässt, ist im Sinne des § 5 WaffG nicht zwingend als persönlich zuverlässig anzusehen, wenn der durch Tatsachen begründete hinreichende Verdacht auf die Nähe zur Ideologie der Reichsbürgerbewegung besteht (Papsthart in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 5 WaffG Rn. 9). Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass aufgrund des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Zuverlässigkeitsregelungen und der erheblichen Gefahren, die von einem unsachgemäßen Umgang mit Waffen und Munition ausgehen, bereits eine, auf Tatsachen gestützte, hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Bejahung der Unzuverlässigkeit ausreicht, um so ein durch den Besitz von Waffen bestehendes Restrisiko auszuschließen (BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 15 m.w.N.; vgl. auch VG Ansbach, U.v. 29.4.2021 – AN 16 K 18.198 – juris Rn. 37).
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Dass derartige Tatsachen aufgrund der schriftlichen Einlassungen des Klägers und der fehlenden überzeugenden Distanzierung des Klägers von der Ideologie der Reichsbürgerbewegung vorliegen, wurde oben bereits dargelegt.
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c) Unter Zugrundelegung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, sowohl der schriftlichen Einlassungen des Klägers als auch des in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2023 gewonnenen persönlichen Eindrucks, ist das Gericht im Ergebnis der Auffassung, dass der Kläger der Reichsbürgerbewegung und ihrem Gedankengut nahestand und sich davon bis zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nicht hinreichend distanziert. Der Kläger besitzt damit nicht die waffenrechtliche Zuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG, er kann damit keinen Anspruch auf die Erteilung des beantragten Kleinen Waffenscheins geltend machen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Kläger trägt als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.