Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 03.04.2023 – Au 9 K 23.131
Titel:

Androhung einer Ersatzvornahme gegen Abfallverursacher rechtmäßig

Normenketten:
BayAbfG Art. 27 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
KrWG § 3 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4, § 15 Abs. 2, § 28 Abs. 1 S. 1, § 47, § 62
BayVwZVG Art. 29, Art. 31, Art. 32 S. 1, S. 2, Art. 36 Abs. 4 S. 1, S. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 3
Leitsätze:
1. Ist ein Grundverwaltungsakt bestandskräftig und damit unanfechtbar, kann eine darauf erlassene isolierte Maßnahme der Zwangsvollstreckung - hier die Androhung einer Ersatzvornahme - nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die geforderte Maßnahme, einen nach dem Abfallrecht rechtskonformen Zustand herzustellen, kann auch durch einen Dritten tatsächlich und rechtlich zulässig erfüllt werden, so dass es sich nicht um eine höchstpersönliche Pflicht iSd Art. 32 S. 1 VwZVG BY handelt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Hat der verursachende Eigentümer, auf dessen Grundstück Abfälle iSd § 3 Abs. 1 und Abs. 4 KrWG abgelagert sind, trotz bereits vorausgegangener Androhung eines Zwangsgelds diese nicht fristgerecht beseitigt, ist die Ersatzvornahme eine geeignete und verhältnismäßige Maßnahme. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anfechtungsklage, bestandskräftige abfallrechtliche Beseitigungsanordnung, Androhung der Ersatzvornahme, vorläufige Kostenveranschlagung, Androhung, Ersatzvornahme, Beseitigungsanordnung, Zwangsgeld, Zwangsvollstreckung, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16613

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Aufforderung des Beklagten, die auf den Grundstücken Fl.Nr. * und * der Gemarkung * abgelagerten Abfälle bis zum 31. Januar 2023 zu entfernen, die entsprechenden Entsorgungsnachweise bis zum 3. Februar 2023 vorzulegen und die für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung angedrohte Ersatzvornahme.
2
Am 22. Mai 2019 stellte die zuständige Polizeiinspektion fest, dass sich auf den Grundstücken Fl.Nrn. * und * der Gemarkung * mehrere Altfahrzeuge sowie große Mengen Abfall befinden. Bei einer durch den Beklagten durchgeführten Ersatzvornahme am 8. Oktober 2021 wurden insgesamt fünf Altfahrzeuge und 3,5 t Abfall entsorgt. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2021 und 6. Dezember 2021 wurde der Kläger aufgefordert, die weiteren Abfälle und das verbliebene Altfahrzeug von den Grundstücken zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen. Bei einer Ortseinsicht am 16. Dezember 2021 wurde festgestellt, dass der Kläger weder die Abfälle noch das Altfahrzeug entfernt hatte.
3
Mit Bescheid vom 30. Dezember 2021 wurde der Kläger verpflichtet, die auf den Grundstücken Fl.Nrn. * und * der Gemarkung * abgelagerten Abfälle, sowie ein abgestelltes Altfahrzeug bis spätestens eine Woche nach Bestandskraft des Bescheids zu entfernen und einer ordnungsgemäßen Verwertung bzw. Beseitigung zuzuführen (Nr. 1 des Bescheids). In Nr. 2 des Bescheids wurde der Kläger weiter verpflichtet, einen Nachweis über die ordnungsgemäße Entsorgung der in Nr. 1 des Bescheids genannten Abfälle und des Altfahrzeugs vorzulegen. Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der in Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids festgelegten Pflichten wurden dem Kläger jeweils Zwangsgelder angedroht (Nr. 3 und 4 des Bescheids).
4
Zur Begründung des Bescheids wird im Wesentlichen ausgeführt, dass nach Art. 27 Abs. 1 BayAbfG derjenige, der in unzulässiger Weise Abfälle behandelt, lagert oder ablagert, zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands verpflichtet sei, und der Beklagte nach Art. 27 Abs. 2 Satz 1 BayAbfG die dafür erforderlichen Anordnungen treffen könne. Der Kläger sei Verursacher und Grundstückseigentümer und daher richtiger Adressat der Anordnung. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 27 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BayAbfG seien erfüllt, da es sich bei den auf den genannten Grundstücken abgelagerten Gegenständen nach § 3 Abs. 1 und 4 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) um Abfall im objektiven Sinn handle. Diese würden weder nach deren ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet noch sei dies aufgrund ihres Zustands noch möglich. Zudem sei ein neuer Verwendungszweck nicht zu erkennen, da die Abfälle seit Jahren unbenutzt, verwittert und teilweise beschädigt auf den Grundstücken lägen. Das Altfahrzeug und die Abfälle seien aufgrund ihres konkreten Zustandes geeignet, gegenwärtig und künftig das Wohl der Allgemeinheit i.S.d. § 15 Abs. 2 KrWG, insbesondere die Umwelt, zu gefährden. Das Gefährdungspotential könne nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung ausgeschlossen werden. Zum Wohl der Allgemeinheit gehöre auch das Orts- und Landschaftsbild, das durch die abgelagerten Abfälle beeinträchtigt werde. Bei dem Altfahrzeug und den Abfällen handle es sich auch um Abfall im subjektiven Sinne nach § 3 Abs. 2 KrWG, da es sich um bewegliche Sachen handle, deren sich der Besitzer entledigt habe. Abfälle dürften nach § 28 Abs. 1 Satz 1 KrWG zum Zweck der Beseitigung nur in den dafür zugelassenen Anlagen und Einrichtungen gelagert werden, was bezüglich des Altfahrzeugs und der Gegenstände nicht zutreffe. Die Entscheidung bezüglich der Verpflichtung des Klägers stehe im Ermessen des Beklagten. Da der Kläger früheren Aufforderungen nicht nachgekommen sei und nicht zu erwarten sei, dass er ohne Beseitigungsanordnung die Gegenstände entfernen werde, sei der Erlass der Anordnung ermessensfehlerfrei. Das öffentliche Interesse an einer ordnungsgemäßen Abfallverwertung habe gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Beibehaltung des gegenwärtigen Zustands Vorrang. Die Beseitigungsanordnung sei auch verhältnismäßig, da der Kläger die Abfälle und das Altfahrzeug trotz der schriftlichen Aufforderungen vom 29. Oktober 2021 und 6. Dezember 2021 nicht entfernt habe. Die Verpflichtung zur Vorlage des Nachweises über die ordnungsgemäße Beseitigung bzw. Verwertung der Abfälle und des Altfahrzeugs stütze sich auf § 62 i.V.m. § 47 KrWG, wonach das Landratsamt die Verwertung und Beseitigung von Abfällen überwachen müsse. Die Zwangsgeldandrohungen seien auf Art. 29, 31 und 36 VwZVG gestützt. Insbesondere seien die für die Entfernung und ordnungsgemäße Entsorgung und für die Vorlage der geforderten Nachweise gesetzten Fristen den Umständen nach angemessen.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids vom 30. Dezember 2021 wird ergänzend verwiesen.
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Die vom Kläger hiergegen zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg gerichtete Klage (Az.: Au 9 K 22.70) wurde mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 14. November 2022 kostenpflichtig abgewiesen. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen.
7
Mit Bescheid des Landratsamts vom 23. Dezember 2022 (Gz. *) wurde dem Kläger für den Fall der nicht fristgerechten Entfernung der auf den Grundstücken Fl.Nr. * und * der Gemarkung * abgelagerten Abfälle bis zum 31. Januar 2023 und der Vorlage der entsprechenden Entsorgungsnachweise bis zum 3. Februar 2023 die Ersatzvornahme angedroht (Nr. 1 des Bescheids). In Nr. 2 des Bescheids werden die Kosten der Ersatzvornahme vorläufig auf 10.500,00 EUR veranschlagt. Dieser Betrag wird bereits vor der Durchführung der Ersatzvornahme fällig. Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Landratsamt aus, die Ersatzvornahme bestehe darin, dass die Vollstreckungsbehörde die Handlung auf Kosten des Pflichtigen vornehmen lasse, wenn dieser seiner Verpflichtung nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht nachkommt (Art. 32 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG). Die Voraussetzungen für die Androhung der Ersatzvornahme lägen vor, insbesondere handle es sich hier um eine vertretbare Handlung. Wie der bisherige Geschehensablauf zeige, lasse ein weiteres Zwangsgeld gegen den Kläger keinen Erfolg erwarten. Demnach sei die Ersatzvornahme nach Art. 32 Satz 2 VwZVG zulässig. Das Landratsamt habe dem Kläger für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist bis zum 31. Januar 2023 bestimmt. Innerhalb dieser Frist sei dem Kläger der Vollzug billigerweise zuzumuten. Nach Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG sei in der Androhung der Kostenbetrag der Ersatzvornahme vorläufig zu veranschlagen. Der veranschlagte Betrag sei nach pflichtgemäßem Ermessen geschätzt worden. Gemäß Art. 36 Abs. 4 Satz 2 VwZVG könne in der Androhung weiter bestimmt werden, dass der Betrag bereits vor der Durchführung der Ersatzvornahme fällig werde.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Landratsamts vom 23. Dezember 2022 wird ergänzend verwiesen.
9
Der Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 24. Dezember 2022 bekanntgegeben.
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Der Kläger hat gegen den Bescheid mit Schriftsatz vom 24. Januar 2023 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,
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Der Bescheid des Landratsamts * vom 23. Dezember 2022 (Az.: *) wird aufgehoben.
12
Eine Begründung der Klage ist nicht erfolgt.
13
Das Landratsamt hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.
14
Am 3. April 2023 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16
1. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung über die Klage verhandeln und entscheiden, weil der ordnungsgemäß und fristgerecht geladene Kläger hierauf in der Ladung hingewiesen wurde (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
17
2. Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid vom 23. Dezember 2022 ist rechtmäßig und nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
18
a) Die mit Bescheid des Beklagten vom 23. Dezember 2022 erlassene isolierte Maßnahme der Zwangsvollstreckung (Androhung der Ersatzvornahme) kann, da der zugrundeliegende Grundverwaltungsakt vom 30. Dezember 2021 bestandskräftig und damit unanfechtbar geworden ist, nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird, Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2023 – 1 CS 22.2511 – juris Rn. 11; BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf 50-VI-05 – juris Rn. 46). Die Rechtmäßigkeit der der Zwangsvollstreckung zugrundeliegenden, bestandskräftigen abfallrechtlichen Beseitigungsanordnung vom 30. Dezember 2021 kann daher nicht erneut zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden.
19
b) Eine Rechtsverletzung durch die isolierte Zwangsmittelandrohung liegt nicht vor.
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aa) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 18 ff. VwZVG sind gegeben. Mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 30. Dezember 2021 liegt ein wirksamer und gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG vollstreckbarer Grundverwaltungsakt vor. Nichtigkeitsgründe (Art. 44 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG), die gemäß Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG zur Unwirksamkeit des Grundverwaltungsakts führen würden, sind nicht ersichtlich.
21
bb) Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß Art. 29 ff. VwZVG der angedrohten Ersatzvornahme liegen vor.
22
Die zu vollstreckenden Handlungen, die abfallrechtliche Beseitigung und die Vorlage der entsprechenden Entsorgungsnachweise, sind vertretbare Handlungen im Sinn von Art. 32 Satz 1 VwZVG, weil es sich nicht um eine höchstpersönliche Pflicht handelt. Nach dem Zweck der geforderten Maßnahmen, nämlich nach Abfallrecht rechtskonforme Zustände herzustellen, kann auch durch einen Dritten tatsächlich und rechtlich zulässig erfüllt werden.
23
Die neue Androhung eines Zwangsmittels ist ebenfalls zulässig, denn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels Zwangsgeld im unanfechtbar gewordenen Bescheid vom 30. Dezember 2021 ist erfolglos geblieben. Der Kläger ist der ihm gegenüber erlassenen Beseitigungsanordnung vom 30. Dezember 2021 nicht innerhalb der im Bescheid gesetzten Frist nachgekommen. Die Ersatzvornahme ist auch eine geeignete und verhältnismäßige Maßnahme. Angesichts des Verhaltens des Klägers in der Vergangenheit und dessen Untätigkeit ließ aus Sicht der Kammer ein weiteres Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten (Art. 32 Satz 2 VwZVG, vgl. BayVGH, B.v. 17.10.2017 – 9 CS 17.1990 – juris Rn. 13). Nicht erforderlich ist, dass das Zwangsmittel (die Beitreibung der angedrohten Zwangsgelder) erfolglos angewendet worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2006 – 4 CS 05.3041 – juris).
24
Der Beklagte hat ferner die Ersatzvornahme, ein bestimmtes Zwangsmittel, unter Bestimmung einer erneuten Frist schriftlich angedroht und dem Kläger als Pflichtigen die Androhung förmlich zugestellt (Art. 36 Abs. 3, Abs. 1, Abs. 7 VwZVG).
25
Auch gegen die im Bescheid vom 23. Dezember 2022 bestimmte erneute Frist zur abfallrechtlichen Beseitigung und zur Vorlage der entsprechenden Entsorgungsnachweise bis spätestens 31. Januar 2023 bzw. 3. Februar 2023 bestehen keine Bedenken. Es handelt sich hierbei um eine Frist, innerhalb der dem Kläger der Vollzug billigerweise zugemutet werden konnte, Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Einwendungen hiergegen hat der Kläger nicht erhoben, eine Begründung der Klage erfolgte nicht.
26
Schließlich wurde entsprechend Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG der Kostenbetrag der Ersatzvornahme vorläufig veranschlagt und die Fälligkeit des Betrags vor Durchführung der Ersatzvornahme bestimmt (Art. 36 Abs. 4 Satz 2 VwZVG).
27
Gerichtlich gemäß § 114 VwGO nur eingeschränkt überprüfbare Ermessensfehler sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
28
c) Auch im Übrigen begegnet der mit der Klage angegriffene Bescheid keinen rechtlichen Bedenken.
29
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).