Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 03.07.2023 – 206 StRR 159/23
Titel:

Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung – Verhältnismäßigkeit einer Abstinenzweisung während der Führungsaufsicht – Strafzumessung bei Fahrlässigkeitstat in einer Bewährungszeit

Normenketten:
StGB § 46, § 68b Abs. 1 Nr. 10, § 145a
StPO § 267 Abs. 1 S. 1, § 318 S. 1, § 327
Leitsätze:
Zur Wirksamkeit der Beschränkung einer Berufung gegen eine Verurteilung wegen des Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht. (Rn. 12 – 21)
1. Der Rechtsfolgenausspruch ist vom Schuldspruch nur dann trennbar und eine Rechtsmittelbeschränkung nur dann wirksam, wenn die zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen eine tragfähige Grundlage für die vom Berufungsgericht eigenständig festzusetzende Rechtsfolge darstellen (vgl. BGH BeckRS 2017, 114623). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine zulässige Abstinenzweisung gem.§ 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB ist regelmäßig dann verhältnismäßig, wenn sie gegenüber einer Person angeordnet wird, die ohne weiteres zum Verzicht auf den Konsum von Suchtmitteln fähig ist, und wenn im Falle erneuten Konsums mit der Begehung erheblicher, die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit betreffenden Straftaten zu rechnen ist (vgl. BGH BeckRS 2021, 22700). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Soweit der Tatrichter darauf hinweist, der Angeklagte habe unter offener Bewährung und offener Führungsaufsicht gehandelt, versteht sich bei einer erneuten , jedoch nur fahrlässigen Tatbegehung (hier fahrlässige Körperverletzung) nicht von selbst, dass er sich insoweit bewährungs- und aufsichtsfeindlich verhalten hat und dies als Strafzumessungsgrund zu seinem Nachteil gewertet werden kann. Jedenfalls bedarf es dazu näherer Darlegung und Abwägung. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Führungsaufsicht, Weisungsverstoß, Bestimmtheitsgebot, Konsumverzicht, Abstinenzweisung, Verhältnismäßigkeit, Berufungsbeschränkung, Strafzumessung
Vorinstanz:
LG Augsburg, Urteil vom 14.03.2023 – 6 Ns 202 Js 129117/19
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16536

Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 14. März 2023 aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen des Verstoßes gegen Weisungen der Führungsaufsicht in drei Fällen verurteilt worden ist. Soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Körperverletzung schuldig gesprochen worden ist, wird die Rechtsfolgenentscheidung aufgehoben. Die Gesamtfreiheitsstrafe wird aufgehoben.
II. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Augsburg zurückverwiesen.

Gründe

I.
1
Das Amtsgericht Augsburg hat den Angeklagten mit Urteil vom 30. September 2022 wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in drei Fällen in Tatmehrheit mit fahrlässiger Körperverletzung schuldig gesprochen und gegen ihn deswegen unter Einbeziehung der Strafe aus einem vorangegangenen Strafurteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.
2
Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Augsburg mit Urteil vom 14. März 2023 als unbegründet verworfen.
3
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt und beantragt wird, das angefochtene Urteil des Landgerichts mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Augsburg zurückzuverweisen.
4
Die Generalstaatsanwaltschaft München nimmt in ihrem Vorlageschreiben vom 22. Mai 2023 hierzu wie folgt Stellung:
5
Das Urteil des Landgerichts sei im Umfang des Schuldspruchs wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in drei Fällen nebst der insoweit verhängten Strafe aufzuheben. Die vom Angeklagten erklärte Beschränkung seines Rechtsmittels der Berufung sei insoweit unwirksam, da die vom Amtsgericht hierzu getroffenen Feststellungen so lückenhaft seien, dass sie nicht die Beurteilung erlauben würden, ob sich der Angeklagte überhaupt wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht strafbar gemacht habe. Der Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung sei hingegen wegen wirksamer Berufungsbeschränkung rechtskräftig geworden, die insoweit festgesetzte Einzelfreiheitsstrafe sei frei von Rechtsfehlern.
6
Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt, auf die Revision des Angeklagten das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 14. März 2023 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, soweit der Angeklagte wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in drei Fällen verurteilt wurde, die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Kammer des Landgerichts Augsburg zurückzuweisen sowie die Revision des Angeklagten im Übrigen durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
II.
A.
7
Die Revision hat aus den insoweit bereits von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 22. Mai 2023 aufgeführten Gründen wegen eines durchgreifenden Rechtsfehlers (§ 337 StPO) Erfolg, soweit der Angeklagte wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in drei Fällen verurteilt worden ist, denn die Beschränkung seiner Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch war insoweit nicht wirksam. Das Landgericht hätte eigenständig Feststellungen zu den entsprechenden Tatvorwürfen treffen müssen. Dadurch, dass es von der Rechtskraft der Schuldsprüche ausgegangen und lediglich noch über Rechtsfolgen befunden hat, hat es seine Kognitionspflicht verletzt.
8
1. Gemäß § 318 S. 1 StPO kann zwar die Berufung auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden, die Zulässigkeit einer entsprechenden Erklärung unterliegt jedoch Einschränkungen. Ob das Berufungsgericht diese rechtlich zutreffend beurteilt und über alle Bestandteile des Ersturteils entschieden hat, die von der Berufung erfasst worden sind, ist vom Revisionsgericht auf die erhobene Sachrüge hin von Amts wegen zu überprüfen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 352 Rn. 4; BayObLG, Beschluss vom 24. Oktober 2022, 206 StRR 280/22 [n.v.]).
9
a) Bei der Möglichkeit, eine Berufung auf bestimmte Beschwerdepunkte nach § 318 StPO zu beschränken, handelt es sich um eine prozessuale Gestaltungsmacht, deren Ausübung im Rahmen des Möglichen zu respektieren ist (BGH, Beschluss vom 27. April 2017, 4 StR 547/16, BGHSt 62, 155 = NJW 2017, 2482, 2483 Rn. 17; Beschluss vom 26. September 2019, 5 StR 206/19, NJW 2020, 253 Rn. 16).
10
b) Bei wirksamer Beschränkung erwächst der nicht angegriffene Teil des Ersturteils in Teilrechtskraft, § 316 Abs. 1 StPO (BGH NJW 2017, 2482 Rn. 18). Das Berufungsgericht als zweite Tatsacheninstanz hat nur in dem Umfang neu zu entscheiden wie die Anfechtung reicht. Über den einheitlichen Prozessgegenstand wird danach nicht mehr in einem, sondern durch zwei stufenweise nacheinander ergehende tatrichterliche Urteile entschieden, die sich zu einer einheitlichen, das Verfahren abschließenden Sachentscheidung zusammenfügen müssen, welche ein einheitliches Ganzes ergibt, das keine inneren Widersprüche aufweist; sog. Grundsatz der Widerspruchsfreiheit (st. Rspr.; vgl. nur BGH, NJW 2017, 2482, 2483 Rn. 18; BGH, Beschluss vom 2. März 1995, 1 StR 595/94, NJW 1995, 2365).
11
c) Im Hinblick auf diese weitreichenden Auswirkungen ist eine Rechtsmittelbeschränkung nicht uneingeschränkt zulässig. Voraussetzung ist stets, dass der angegriffene Entscheidungsteil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden kann, ohne dass eine Prüfung des übrigen Urteilsinhalts notwendig würde, sog. Trennbarkeit (st. Rspr.; BGH NJW 2017, 2482, 2483 Rn. 19; BGH, Beschluss vom 25. April 2018, 1 StR 136/18, BeckRS 2018, 14695 Rn. 3). Danach ist eine den Schuldspruch unberührt lassende isolierte Anfechtung des Straf- bzw. Rechtsfolgenausspruchs regelmäßig zulässig (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO a.a.O. § 318 Rn. 16; st. Rspr.; vgl. BGH BeckRS 2018, 14695 Rn. 3; BGH NJW 2017, 2482, 2483 Rn. 20).
12
d) Der Rechtsfolgenausspruch ist vom Schuldspruch aber nur dann trennbar, wenn die zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen eine tragfähige Grundlage für die vom Berufungsgericht eigenständig festzusetzen Rechtsfolgen darstellen (BGH NJW 2017, 2482, 2483 Rn. 19 m.w.N.; KK-StPO/Paul, 9. Aufl. 2023, § 318 Rn. 7a). Daran fehlt es, wenn die dem nicht angefochtenen Schuldspruch zugrundeliegenden Feststellungen tatsächlicher und rechtlicher Art so mangelhaft, insbesondere unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so dürftig sind, dass sie Art und Umfang der Schuld nicht hinreichend erkennen lassen und keine taugliche Grundlage für die Bestimmung der Rechtsfolge bieten (BGH NJW 2017, 2482, 2483 Rn 20; BayObLG, Beschluss vom 24. Oktober 2022, 206 StRR 280/22 [n.v.]; Beschl. v. 18. März 2021, 202 StRR 19/21, BeckRS 2021, 14721 Rn. 4 m.w.N.; MeyerGoßner/Schmitt a.a.O. § 318 Rn. 16; KK-StPO/Paul a.a.O. § 318 Rn. 7a), oder wenn unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2017, 2482, 2483 Rn. 20; BGH, Urt. v. 2. Dezember 2015, 2 StR 258/15, BeckRS 2016, 3826 Rn. 14; BGH, Urt. v. 6. August 2014, 2 StR 60/14, NStZ 2014, 635; BayObLG BeckRS 2021, 14721 Rn. 4).
13
2. Diesen Maßstäben genügen die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils nicht.
14
a) Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte mit einem näher bezeichneten „Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Starnberg“ zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden sei, die er vollständig verbüßt habe (AU S. 12). Die Ausgangsentscheidungen für diese nachträgliche Gesamtstrafenbildung sind nicht bezeichnet, damit auch die jeweiligen Schuldsprüche nicht ersichtlich. Einzeln aufgeführt sind darüber hinaus ein Beschluss der Strafvollstreckungskammer Augsburg vom 9. Dezember 2014 sowie Beschlüsse des Amtsgerichts Nördlingen aus dem Jahr 2017, in denen festgestellt sei, dass die gesetzlich eintretende Führungsaufsicht nicht entfalle und ihre Dauer fünf Jahre betrage. „Mit Ziff 3.f des Beschlusses“ (wobei unklar bleibt, welche der bezeichneten Entscheidung maßgeblich ist) sei der Angeklagte angewiesen worden, keine alkoholischen Getränke und illegale Betäubungsmittel zu sich zu nehmen (Abstinenzweisung). Diese Weisung sei gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB strafbewehrt. Obwohl der Angeklagte die Weisung gekannt habe und auf die Strafbarkeit bei Verstoß gegen die Weisung hingewiesen worden sei, habe er diese in den anschließend näher bezeichneten drei Fällen missachtet Er habe jeweils Alkohol konsumiert (AU S. 12). Strafantrag des Leiters der Führungsaufsichtsstelle sei gestellt. Zu den einzelnen Fällen stellt das Landgericht fest, dass der Angeklagte am 11. Oktober 2019 volltrunken gewesen sei, am 20. Dezember 2019 bei einer Atemalkoholkontrolle eine BAK von 0,73 mg/l (ohne Ausfallerscheinungen) aufgewiesen habe, und dass er am 21. Dezember 2019 eine Atemalkoholkonzentration von 1,05 mg/l aufgewiesen habe, wobei er weder geh- noch stehfest gewesen sei (AU S. 12 f.).
15
b) Diese Feststellungen sind unzureichend. Sie ermöglichen die Überprüfung des Schuldspruchs nicht. Es lässt sich aus ihnen bereits nicht ersehen, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat. Dies hat zur Folge, dass das Berufungsgericht über die entsprechenden Anklagevorwürfe selbst hätte entscheiden müssen.
16
aa) Bei dem Straftatbestand des § 145a StGB handelt es sich um eine Blankettvorschrift, die erst durch genaue Bestimmung der Führungsaufsichtsweisung gemäß § 68b Abs. 1 StGB, auf den er Bezug nimmt, seinen Inhalt erhält; erst hierdurch wird auch die Vereinbarkeit der Norm mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet (BGH, Beschluss vom 19. August 2015, 5 StR 275/15, BeckRS 2015, 15770, Rn. 5; Fischer, StGB a.a.O. § 145a Rn. 6). Daraus folgt zum einen, dass die Weisungen ihrem Inhalt nach fehlerfrei sein müssen, was als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal vollständig in den Urteilsgründen darzustellen ist (BGH a.a.O.). Im Hinblick darauf, dass § 68b Abs. 2 StGB auch nicht strafbewehrte Weisungen zulässt, muss sich zudem aus dem Wortlaut des Führungsaufsichtsbeschlusses selbst klar und unmissverständlich ergeben, dass es sich bei der in Rede stehenden Weisung um eine solche nach § 68b Abs. 1 StGB handelt, die gemäß § 145a Satz 1 StGB strafbewehrt ist (BGH, Beschluss vom 16. Juni 2021, 3 StR 50/21, BeckRS 2021, 22700 Rn. 3; Beschluss vom 8. September 2016, 1 StR 377/16, BeckRS 2016, 18882 Rn. 3; BGH BeckRS 2015, 15770, Rn. 6; BayObLG, Beschluss vom 24. Oktober 2022, 206 StRR 280/22 [n.v.]); vgl. Fischer, a.a.O. Rn. 6). Auch dieser notwendige Inhalt des Führungsaufsichtsbeschlusses ist als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Strafnorm in den Urteilsgründen darzustellen (vgl. BGH BeckRS 2021, 22700 Rn. 3). Ferner sind im Hinblick auf das weitere strafbarkeitsbegründende Merkmal, dass durch den Verstoß der Zweck Maßregel konkret gefährdet sei, die entsprechenden Tatsachen festzustellen.
17
bb) Die amtsgerichtlichen Feststellungen lassen, auch unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Urteilsgründe, schon nicht erkennen, ob im Führungsaufsichtsbeschluss auf die Strafbarkeit weisungswidrigen Verhaltens hingewiesen worden war.
18
Der bloße Hinweis im Urteil, die Weisung sei nach § 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB strafbewehrt (AU S. 12), verfehlt die aufgezeigten Anforderungen. Die Wendung verschafft keine Gewissheit darüber, dass sich dies aus dem Führungsaufsichtsbeschluss selbst unmissverständlich ergibt; sie legt vielmehr nahe, dass es sich dabei um eine vom erkennenden Amtsgericht selbst getroffene Wertung handelt. Aus den ergänzenden Feststellungen des Amtsgerichts, der Angeklagte habe die Weisungen gekannt, ist insoweit ebenfalls nichts zu ersehen, denn eine Kenntniserlangung kann auch auf anderem Wege erlangt sein. Eine Kenntnis vom strafbewehrten Charakter der Weisung im Führungsaufsichtsbeschluss nur durch eine etwaige lediglich mündliche Belehrung nach § 268a StPO oder §§ 453a, 463 Abs. 1 StPO nicht ersetzt werden (BGH BeckRS 2021, 22700 Rn. 3).
19
bb) Da dem Ersturteil nicht zu entnehmen ist, aus welchen Gründen im Führungsaufsichtsbeschluss ein Alkohol- und Drogenverbot angeordnet war, insbesondere bereits die Anlasstat nicht bezeichnet wird, fehlt zudem jede Grundlage für die Beurteilung, ob die Weisung rechtmäßig angeordnet wurde. Dies ist nur dann der Fall, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründet haben, dass Alkoholkonsum des Angeklagten zur Gefahr weiterer Straftaten beitragen könne (vgl. nur Fischer, StGB, a.a.O., § 68b Rn. 14). Hinsichtlich der Einschränkungen, die für die Anordnung eines Alkoholkonsumverbots für suchtkranke Personen gelten, wird der Senat nachstehend Hinweise zum weiteren Verfahren geben.
20
cc) Der amtsgerichtlich festgestellte Sachverhalt erlaubt ferner nicht die Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal des § 145a StGB, dass durch die festgestellten Verstöße des Angeklagten der Zweck Maßregel konkret gefährdet gewesen sei. Der Hinweis im Sachverhalt des Ausgangsurteils, dies sei der Fall gewesen (AU S. 12), stellt lediglich das Ergebnis seiner eigenen rechtlichen Würdigung dar, die nicht davon entbinden kann, entsprechend § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO die zugrunde liegenden Tatsachen festzustellen.
21
a) Infolge der aufgezeigten Lücke in den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts lässt sich aus diesen die Verwirklichung strafbarer Handlungen nach § 145a StGB nicht erkennen. Sie stellen deshalb keine taugliche Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung dar. Dies führt zur Aufhebung der Schuldsprüche wegen des Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in drei Fällen nebst den hierzu getroffenen Feststellungen, § 353 StPO. Die Aufhebung erfasst sowohl die verhängten Einzelstrafen wie auch die gebildete (nachträgliche) Gesamtstrafe.
22
Das neue Tatgericht, an welches die Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO zurückverwiesen wird, wird über die entsprechenden Tatvorwürfe selbst Beweis zu erheben und Feststellungen zu treffen haben.
23
b) Für das weitere Verfahren weist der Senat in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Vorlageschreiben vom 22. Mai 2023 (S. 4) auf Folgendes hin:
24
Bereits die Feststellungen des Amtsgerichts zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten zum Alkoholkonsum des Angeklagten seit seinem 14. Lebensjahr (AU S. 3) sowie die hierzu weitergehenden und genaueren Feststellungen des Landgerichts lassen es als möglich erscheinen, dass der Angeklagte unter einer Suchterkrankung leidet. Das Landgericht hat festgestellt, der Angeklagte sei „alkoholkrank“ (UA S. 11).
25
Eine Abstinenzweisung gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB ist regelmäßig dann verhältnismäßig, wenn sie gegenüber einer Person angeordnet wird, die ohne weiteres zum Verzicht auf den Konsum von Suchtmitteln fähig ist, und wenn im Falle erneuten Alkohol- oder Suchtmittelkonsums mit der Begehung erheblicher, die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit betreffenden Straftaten zu rechnen ist. Wenn der Verzicht auf den Konsum von Suchtmitteln lediglich vom Willen und der charakterlichen Festigkeit des Weisungsunterworfenen abhängt, ist es ohne weiteres zumutbar, für die Dauer der Führungsaufsicht zur Vermeidung weiterer Straftaten einen solchen Verzicht einzufordern. Anders verhält es sich demgegenüber im Fall eines nicht- oder erfolglos therapierten langjährigen Suchtkranken. Ungeachtet der Tatsache, dass § 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB nicht zwischen erfolgreich therapierten und nichttherapierten Suchtkranken unterscheidet, stellt sich die Frage der Zumutbarkeit des Verzichts auf den Konsum von Suchtmitteln in beiden Fällen unterschiedlich dar. Für den Suchtkranken beinhaltet die Abstinenzweisung eine deutlich schwerere Belastung. Dennoch wird auch in diesen Fällen nicht ausnahmslos davon ausgegangen werden können, dass die Weisung, auf den Konsum von Suchtmitteln zu verzichten, unzumutbar ist. Vielmehr ist auch insoweit eine Abwägung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles erforderlich. Dabei sind insbesondere die Fragen, in welchem Umfang überhaupt die Aussicht besteht, den mit einer Abstinenzweisung verfolgten Zweck zu erreichen, ob und inwieweit der Suchtkranke sich Therapieangeboten geöffnet hat und welche Straftaten im Falle weiteren – oder erneuten – Suchtmittelkonsums zu erwarten sind, in die Abwägung einzustellen (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 30. März 2016 – 2 BvR 496/12 –, juris Rn. 24 – 26). Die Frage der Abhängigkeit des Angeklagten, der Verlauf und das Ergebnis des erfolgten Maßregelvollzugs sowie gegebenenfalls die Möglichkeit der Begehung weiterer Straftaten bei erneutem Suchtmittelmissbrauch werden daher vom neuen Tatrichter in seiner Abwägung zu erörtern sein.
B.
26
Die Revision wendet sich, da keine entsprechende Einschränkung des Rechtsmittels erklärt oder sonst erkennbar geworden ist, zumal sich der gestellte Revisionsantrag auf die Aufhebung des gesamten angegriffenen Berufungsurteils richtet, auch gegen die Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung.
27
1. Der Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung ist bereits wegen insoweit wirksamer Beschränkung der Berufung des Angeklagten gemäß § 318 StPO in Rechtskraft erwachsen, sodass sich der Revisionsangriff hiergegen als unbegründet erweist. Insbesondere entsprechen die Feststellungen des Ausgangsurteils zu diesem Tatkomplex den aufgezeigten Anforderungen.
28
Auf die zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft (Vorlageschreiben S. 4) wird ergänzend Bezug genommen.
29
Die Revision wird insoweit gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
30
2. Die vom Landgericht diesbezüglich verhängte Einzelfreiheitsstrafe kann indessen, auch unter Berücksichtigung des insoweit eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstabs lediglich darauf, ob die Strafzumessung unter Rechtsfehlern gemäß § 337 StPO leidet, keinen Bestand haben.
31
Die Begründung dafür, warum die verhängte Freiheitsstrafe von fünf Monaten gemäß § 47 Abs. 1 StPO unerlässlich sei, genügt nicht den hier anzustellenden Anforderungen. Das Landgericht führt zunächst an, der Angeklagte sei mehrfach und auch einschlägig vorgeahndet (UA S. 11), unterlässt es aber hinsichtlich des Schuldspruchs wegen fahrlässiger Körperverletzung die „einschlägige“ Vorstrafe zu benennen. Zwar lässt sich aus dem in den Urteilsgründen mitgeteilten Auszug aus dem Bundeszentralregister ersehen, dass der Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 25. April 2019 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt worden war. Nach der Rechtfertigung des Bundesgerichtshofs erfordert die strafschärfende Berücksichtigung einschlägiger Vorstrafen zwar nicht die Mitteilung sämtlicher Einzelheiten des Sachverhalts der früheren Entscheidung, es sind jedoch diejenigen Einzelheiten mitzuteilen, die für die Strafschärfung in der gegenständlichen Entscheidung von Bedeutung sind (BGH, Beschluss vom 10. September 2003, 1 StR 371/03, BeckRS 2003, 8158). Da das Spektrum fahrlässiger Körperverletzungen eine Vielzahl denkbarer Verletzungshandlungen, die von einfachsten Versehen, die jedem einmal unterlaufen können, bis zur groben Fahrlässigkeit an der Grenze zum bedingten Vorsatz reichen, umfasst, die sich in ihrer Strafwürdigkeit erheblich unterscheiden können, hätte es gegenständlich einer, wenn auch nur knappen, Darstellung des früheren Sachverhalts bedurft, um die Wertung als einschlägiger Vorstrafen nachvollziehen zu können.
32
Soweit das Landgericht ferner darauf hinweist, dass der Angeklagte unter offener Bewährung und offener Führungsaufsicht gehandelt habe, versteht sich bei einer fahrlässigen Tatbegehung jedenfalls nicht von selbst, dass er sich insoweit bewährungs- und aufsichtsfeindlich verhalten hat und dies als Strafzumessungsgrund zu seinem Nachteil gewertet werden kann. Auch insoweit hätte es näherer Darlegung und Abwägung bedurft.
III.
33
Auf die Revision des Angeklagten hin ist daher das angefochtene Urteil im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch wegen dreier Verstöße gegen Weisungen während der Führungsaufsicht sowie im Rechtsfolgenausspruch bezüglich des Schuldspruchs wegen fahrlässiger Körperverletzung, jeweils mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, §§ 349 Abs. 2 und Abs. 4, 353 Abs. 1 und Abs. 2 StPO. Die Aufhebung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs betreffend dreier Verstöße gegen Weisungen während der Führungsaufsicht sowie des Rechtsfolgenausspruchs wegen fahrlässiger Körperverletzung zieht auch die Aufhebung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
34
Die weitergehende Revision war als unbegründet zu verwerfen, § 349 Abs. 2 StPO.