Inhalt

VG München, Beschluss v. 04.07.2023 – M 19L DK 23.599
Titel:

Einstellung eines Disziplinarklageverfahrens nach Entlassung auf eigenen Antrag  

Normenkette:
BayDG Art. 11 Abs. 6, Art. 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2, Art. 57 Abs. 2 Nr. 2
Leitsätze:
1. Wäre die Beamtin bei Nichteinstellung des Disziplinarverfahrens aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, so ist mit der Einstellung die Feststellung nach Art. 11 Abs. 6 S. 2 BayDG zu verbinden, so dass die Beamtin bei einem bayerischen Dienstherrn nicht erneut zur Beamtin ernannt werden darf und auch kein anderes Beschäftigungsverhältnis begründet werden soll. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ununterbrochenes unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst für die Dauer von mehr als vier Monaten führt zur Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (hier: 10 Monate). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstellung eines Disziplinarklageverfahrens nach Entlassung auf eigenen Antrag, Feststellung der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 BayDG, Unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst für 10 Monate durch Gymnasiallehrerin
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16398

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BayDG vorliegen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Verfahrensgegenstand ist eine Disziplinarklage der Landesanwaltschaft Bayern als Disziplinarbehörde vom 8. Februar 2023 mit dem Ziel der Entfernung der Beklagten als Lebenszeitbeamtin (Studienrätin in Besoldungsgruppe A 13) aus dem Beamtenverhältnis. Der Beklagten wird zur Last gelegt, seit 1. August 2022 – nach Beendigung einer familienpolitischen Beurlaubung bis zuletzt 31. Juli 2022 – dem Dienst unerlaubt ferngeblieben zu sein und seit 31. März 2022 weder E-Mails und Anrufe ihrer Schule (…) noch Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 5. Mai und 28. Juni 2022 beantwortet zu haben.
2
Die Beklagte äußerte sich im gerichtlichen Verfahren mit Schreiben vom 4., 11. und 18. April 2023 und wies – nach Auslegung ihrer schwer nachvollziehbaren Ausführungen – insbesondere auf die nichtige Zustellung der Disziplinarklage, den Fortbestand des Deutschen Reiches, die private Haftung aller „sogenannten Richter, Staatsanwälte, Polizisten“ etc., die Ablehnung des ihr mit der Klage angetragenen Vertrages und die Ungültigkeit der ihr zugesandten Schreiben mangels Unterschrift hin.
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Nachdem die Beklagte auf ihren Antrag hin mit Ablauf des Monats Mai 2023 aus dem Beamtenverhältnis entlassen wurde, regte der Kläger mit Schreiben vom 16. Juni 2023 an das Verwaltungsgericht München
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eine Einstellung des Verfahrens und die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 BayDG an.
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Die Beklagte erhielt hierzu die Gelegenheit zur Äußerung, von der sie nicht Gebrauch machte.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Disziplinarakte verwiesen.
II.
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Das Disziplinarverfahren gegen die Beklagte ist einzustellen (Nr. 1), das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) wird festgestellt (Nr. 2) und der Beklagten sind die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (Nr. 3).
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1. Das Disziplinarverfahren gegen die Beklagte ist nach Art. 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayDG einzustellen. Sie unterfällt infolge ihrer Entlassung mit Ablauf des Monats Mai 2023 nicht mehr dem Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes. Die Verfahrenseinstellung erfolgt durch Beschluss des Disziplinargerichts (Art. 57 Abs. 2 Nr. 2 BayDG).
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2. Wäre das Disziplinarverfahren nicht einzustellen, wäre die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, sodass die Einstellung mit der Feststellung nach Art. 11 Abs. 6 Satz 2 BayDG verbunden wird, dass dessen Voraussetzungen vorliegen (vgl. Art. 33 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BayDG). Diese Feststellung hat zur Folge, dass die Beklagte bei einem bayerischen Dienstherrn nicht erneut zur Beamtin ernannt werden darf und auch kein anderes Beschäftigungsverhältnis begründet werden soll.
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Der Kläger hat in der Disziplinarklage zutreffend dargestellt, dass das unerlaubte Fernbleiben der Beklagten vom Dienst seit 1. August 2022 – und damit bis zu ihrer Entlassung Ende Mai 2023 – für die Dauer von zehn Monaten einen Verstoß gegen die Dienstleistungspflicht als Grundpflicht eines jeden Beamten darstellt und mit der Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) zu ahnden wäre. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der ununterbrochenes unerlaubtes Fernbleiben für die Dauer von mehr als vier Monaten zur Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt (BVerwG, U.v. 12.10.2006 – 1 D 2.05 – juris Rn. 51; U.v. 6.5.2003 – 1 D 26.02 – juris Rn. 54 ff.). Besondere Beweggründe für das Fernbleiben oder Milderungsgründe, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Damit bedarf es keiner Klärung der Fragen, wie die unterbliebene Reaktion der Beklagten auf die Kontaktversuche des Dienstherrn und ihre Schreiben an das Verwaltungsgericht München, die noch nicht zum Gegenstand des Disziplinarverfahrens gemacht wurden, disziplinarrechtlich zu würdigen sind.
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3. Über die Kosten des Verfahrens ist nach Art. 72 Abs. 4 Satz 2 BayDG i.V.m. § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu entscheiden. Danach ergibt sich die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Vorliegend entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen, gegen die ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen worden wäre.