Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 25.01.2023 – B 8 K 21.886
Titel:

Zustellung nur einer Bescheidausfertigung des Widerspruchsbescheides an beide, Ehepartner, Überschreiten der Altersgrenze bei Beginn der medizinischen Behandlung, Missverständlichkeit des Antragsformulars hinsichtlich der Definition des Beginns der medizinischen Behandlung in Abgrenzung zum förderrechtlichen Begriff des vorzeitigen Maßnahmenbeginns

Normenketten:
Richtlinie zur Förderung von Kinderwunschbehandlungen – Kinderwunsch-Richtlinie -
VwGO § 73 Abs. 3 S. 1
Schlagworte:
Zustellung nur einer Bescheidausfertigung des Widerspruchsbescheides an beide, Ehepartner, Überschreiten der Altersgrenze bei Beginn der medizinischen Behandlung, Missverständlichkeit des Antragsformulars hinsichtlich der Definition des Beginns der medizinischen Behandlung in Abgrenzung zum förderrechtlichen Begriff des vorzeitigen Maßnahmenbeginns
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16393

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

1
Die Kläger sind Eheleute und begehren die Übernahme der Kosten einer erneuten (hier. 4.) IVF-Behandlung nach der Richtlinie zur Förderung von Kinderwunschbehandlungen (Kinderwunsch-Richtlinie), Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 08.10.2020, Az. IV1/6541.01-1/630.
2
Sie beantragten mit dem hierfür vorgesehenen Formblatt am 17.12.2020, eingegangen beim Beklagten am 21.12.2020, die Übernahme von Kosten in Höhe von bis zu 1.800,00 EUR. Darin gaben sie unter Nr. 1 das Geburtsdatum der Klägerin zu 1 mit …1981 an. Unter Nr. 4.2 des Formblattes sind als Zuwendungsvoraussetzungen festgestellt, dass bei Beginn der Behandlung beide Antragsteller das 25. Lebensjahr vollendet haben und die Frau das 40. Lebensjahr und der Mann das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben darf. Als Alter der Klägerin gaben die Kläger 39 Jahre und als Alter des Mannes 41 Jahre an. Sie bestätigten u.a. in Nr. 6 des Formblattes, „dass mit der Behandlung noch nicht begonnen worden“ ist. „Mit der Behandlung werden wir erst nach Erhalt des Zuwendungsbescheides beginnen.“ Als unmittelbarer Hinweis dazu ist hierzu auf dem Merkblatt zu lesen: „Als Maßnahmenbeginn zählt der Kauf von Medikamenten bzw. das Einlösen von Rezepten, die für die Kinderwunschbehandlung erforderlich sind.“ Soweit unter Nr. 4.4 die Kläger die Frage, ob die Behandlung in einer Reproduktionseinrichtung in Bayern oder einem angrenzenden Bundesland (Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen, Sachsen) erfolgt, zunächst verneint hatten, stellten sie dieses mit Fax vom 28.12.2020 gegenüber dem Beklagten richtig. Die vorgelegten Arztrechnungen bestätigen die Behandlung im Bundesland Bayern.
3
Sie übermittelten zudem Unterlagen ihrer Krankenkasse über das Angebot „BKK Kinderwunsch“ verbunden mit einer „Erhöhung der Altersgrenze der Frau von 40 auf 42 Jahre (Beginn des anstehenden Zyklus vor Vollendung des 42. Lebensjahres)“.
4
Ausweislich eines Aktenvermerks vom 29.12.2020 erkannte der Beklagte, dass es sich um einen „Grenzfall“ handelt, da die Altersgrenze der Frau vielleicht überschritten wird. Deutlich wird dies durch den Vermerk: „40. bzw. 50. Geburtstag liegt im Bewilligungszeitraum“.
5
Mit Bescheid vom 29.12.2020 bewilligte der Beklagte im Wege der Projektförderung eine Zuwendung von bis zu 1.800,00 EUR für die Zeit vom 29.12.2020 bis 28.12.2021 als Anteilsfinanzierung. Die tatsächliche zustehende Zuwendung könne erst nach Abschluss der Behandlung anhand der Angaben im Auszahlungsantrag und der beizufügenden Unterlagen berechnet werden. Unter dem Punkt Auszahlung der Zuwendung, Nachweis der Verwendung ist u.a. Folgendes ausgeführt:
„Der Zuwendungsbescheid wird außerdem unwirksam, wenn die Behandlung erst am oder nach dem 40. Geburtstag der Frau bzw. 50. Geburtstag des Mannes begonnen wird. Auch dann kann keine Auszahlung der Zuwendung erfolgen.
Die Auszahlung der Zuwendung kann nicht erfolgen, wenn ein Verstoß gegen das Verbot des vorzeitigen Maßnahmenbeginns festgestellt wird. Als Maßnahmenbeginn zählt der Kauf von Medikamenten beziehungsweise das Einlösen von Rezepten, die für die Kinderwunschbehandlung erforderlich sind. Dies darf erst nach dem Erhalt des Zuwendungsbescheids erfolgen. Erfolgt dies schon vorher, wird die Zuwendung im Schlussbescheid auf 0 € festgesetzt.“
6
Mit Antrag vom 15.05.2021 beantragten die Kläger die Auszahlung der Zuwendung und legten Rechnungen vor. Das erste Rezept wurden ausweislich der vorgelegten Kopien am 13.01.2021 bei der Apotheke eingereicht. Die Kläger ergänzten mit Schreiben vom 27.06.2021, dass der Behandlungsbeginn vor dem 40. Geburtstag der Ehefrau (geb. am …*) erfolgt sei. Das Rezept sei bereits am 13.01.2021 eingelöst worden. Außerdem verwiesen sie auf den Wortlaut des Hinweises unter Nr. 6 des Antrags, wonach als Maßnahmenbeginn der Kauf von Medikamenten bzw. das Einlösen von Rezepten, die für die Kinderwunschbehandlung erforderlich sind, zähle.
7
Der Beklagte setzte mit Schlussbescheid vom 05.07.2021 den Auszahlungsantrag auf 0 EUR fest. Zur Begründung führte er aus, dass im Zuwendungsbescheid festgelegt worden sei, dass keine Auszahlung der Zuwendung erfolgen könne, wenn die Behandlung am oder nach dem 40. Geburtstag der Frau begonnen worden sei. Den vorgelegten Unterlagen sei jedoch zu entnehmen, dass die Behandlung im März 2021 stattgefunden habe. Zu dieser Zeit sei die Klägerin bereits 40 Jahre alt gewesen.
8
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit Fax vom 08.07.2021, eingegangen beim Beklagten am gleichen Tag, Widerspruch ein. Sie verwiesen auf den Hinweis unter Nr. 6 des Antrags.
9
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2021 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, die von den Klägern herangezogene Textpassage bringe lediglich einen systematischen Zusammenhang zum Ausdruck, dass für die Zwecke der Prüfung eines vorzeitigen Maßnahmenbeginns auf den Tag des Kaufs der Medikamente abgestellt werde. Zum Zwecke der Prüfung der Altersgrenzen i.S.v. Nr. 9.1 der Kinderwunsch-Richtlinie komme es hingegen auf den Zeitpunkt des ersten Stimulationstages im stimulierten Zyklus bzw. des ersten Tages der Down-Regulation an. Der Stimulationstag sei nicht gleichzusetzen mit dem Einlösen eines Medikaments. Die Festlegung des Höchstalters beruhe auf dem Gesichtspunkt, dass die Konzeptionswahrscheinlichkeit nach dem 40. Lebensjahr gering sei. Insofern begegne es auch keinen rechtlichen Bedenken, für die Zwecke der Prüfung der Altersgrenzen nicht auf den – von Zuwendungsempfängern selbst beeinflussbaren – Zeitpunkt des Kaufs der Medikamente abzustellen.
10
Der Bescheid wurde ausweislich der PZU den Klägern am 23.07.2021 zugestellt.
11
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 09.08.2021, dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag zugegangen, erhoben die Kläger Klage. Sie beantragen,
1.
Der Bescheid des Beklagten vom 05.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.07.2021 wird aufgehoben.
2.
Der Beklagte wird verpflichtet, einen Schlussbescheid in Höhe der tatsächlich zustehenden Zuwendung zu erlassen, sowie den Betrag von 29,11 EUR den Klägern zu erstatten.
12
Zur Begründung wird im Wesentlichen erneut auf den Hinweis unter Nr. 6 im Antragsformular Bezug genommen. Der Inhalt des Formulars diene der Aufklärung des Bürgers und enthalte zudem Auskünfte. Diese seien maßgeblich. Das unrichtige Formular sei einer unrichtigen Beratung oder Auskunft i.S.d. §§ 13, 15 SGB I gleichzusetzen. Hätten die Kläger von der Auslegung der Behörde gewusst, hätten sie voraussichtlich der Behandlung nicht unterzogen und die Unkosten wären nicht angefallen. Sofern der klägerische Anspruch unter diesem Gesichtspunkt nicht gegeben sei, so bestehe aufgrund dieses Sachverhalts ein Anspruch der Kläger auf Gewährung der Zuwendung nach dem sozialen Herstellungsanspruch.
13
Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 02.09.2021,
die Klage abzuweisen.
14
Zur Begründung ist ausgeführt, Ziffer 4.1.2 der Kinderwunsch-Richtlinie Bayern bestimme, dass die Zuwendungsempfänger die Voraussetzungen nach § 27a SGB V in der jeweils geltenden Fassung erfüllen müssen. Nach § 27a SGB V sei der (krankenversicherungsrechtliche) Anspruch (und damit auch die Gewährung der Zuwendung) ausgeschlossen für weibliche Versicherte, die das 40. Lebensjahr vollendet haben. Nach § 27a SGB V bestimme der Gemeinsame Bundesausschuss die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen. Die relevanten Bestimmungen befänden sich dabei in den Richtlinien des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (im Folgenden: GBA-Richtlinien, Fassung vom 14.08.1990, zuletzt geändert am 16.03.2017, BAnz AT 01.06.2017). In Ziffer 9.1 der GBA-Richtlinien sei u.a. festgelegt, dass die hier relevante Altersgrenze der Frau von 40 Jahren in jedem Behandlungszyklus zum Zeitpunkt des ersten Zyklustages im Spontanzyklus, des ersten Stimulationstages im stimulierten Zyklus bzw. des ersten Tages der Down-Regulation erfüllt sein müsse. Diese Regelung entspreche auch der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten. Gemessen daran werde die Auszahlung zu Recht verweigert.
15
Der Einwand der Kläger ändere daran nichts. Insbesondere beziehe sich der fragliche Passus im Antragsformular nach verständiger Auslegung nicht auf die Altersgrenzen aus Ziffer 4 des Formulars. Er stehe vielmehr in einem textlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem vorhergehenden Satz und beziehe sich deshalb auf einen vorzeitigen Maßnahmenbeginn. Im Übrigen handele es sich bei einem Antragsformular nicht um eine Auskunft im Rechtssinne. Ein Förderanspruch entgegen der Förderpraxis ergebe sich nicht daraus.
16
Mit Schriftsatz vom 02.01.2023 ergänzte der Beklagte seine Argumentation dahingehend, dass den Klägern die Problematik der Altersgrenze durchaus bewusst gewesen sei. Auch sei ein entsprechendes Auskunftsverlangen gemäß § 25 BayVwVfG an ihn nicht herangetragen worden.
17
Das Gericht teilte den Klägern mit Schriftsatz vom 12.12.2022 die voraussichtliche Rechtsauffassung des Gerichts mit und hörte gleichzeitig zum Erlass eines Gerichtsbescheides an.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO.

Entscheidungsgründe

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1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
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2. Die Klage ist zulässig.
21
Die als Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO) erhobene Klage hat jedoch keinen Erfolg. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Bewilligung einer Förderung nach den Richtlinien. Der streitgegenständliche, die Förderung ablehnende Bescheid des Beklagten vom 05.07.2021 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Er beruht rechtsfehlerfrei auf der zugrundliegenden Haushaltsordnung des Freistaates Bayern (BayHO) sowie der Richtlinie zur Förderung von Kinderwunschbehandlungen – Kinderwunsch-Richtlinie – vom 08.10.2020, Az. IV1/6541.01-1/630. Ein Anspruch der Kläger auf die begehrte Förderung ist auch aus Gründen des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht gegeben (§ 113 Abs. 5 VwGO).
22
2.1 Formale Mängel des streitgegenständlichen Bescheides sind nicht erkennbar.
23
Unproblematisch ist, dass die Behörde den an mehrere Personen gerichteten Verwaltungsakt in einem Bescheid zusammengefasst hat. Dies wird aus Zweckmäßigkeitsgründen allgemein als zulässig angesehen (vgl. OVG NRW, U.v. 26.09.1994 – 22 A 2426/94 –, juris und NVWZ-RR Jahr 1995 623 m.w.N.).
24
Es kann dahinstehen, ob die förmliche Zustellung nach § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO des Widerspruchsbescheides eine Aushändigung jeweils einer Bescheidausfertigung an jeden Ehepartner bedurft hätte (OVG NRW, a.a.O.; a.A. BVerwG, U.v. 24.01.1992 – 7 C 38.90 – juris und NVwZ 1992, 565; B.v. 8.12.1995 – 11 B 132/95 –, juris). Art. 8a VwZVG ist vorliegend bei der Zustellung des Widerspruchsbescheides nicht anwendbar.
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Doch vorliegend ergeben sich keine Zulässigkeitsprobleme, da ein etwaiger Mangel der gegenüber den Klägern erfolgten Zustellung des Widerspruchsbescheids gemäß § 8 Abs. 1 VwZG geheilt wäre. Nach dieser Vorschrift gilt ein fehlerhaft zugestelltes Schriftstück als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es die (jeweilige) Empfangsberechtigten nachweislich erhalten haben. Da beide Eheleute innerhalb der Frist Klage erhoben haben und damit beide den Widerspruchsbescheid erhalten und von ihm Kenntnis genommen haben müssen, ist die Klage zulässig.
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Der Beklagte (vgl. Art. 25 BayAGSG) hat als zuständige Bewilligungsbehörde gemäß Nr. 6.2 der Kinderwunsch-Richtlinie gehandelt.
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2.2 Auch in materieller Hinsicht ist der Bescheid nicht zu beanstanden.
28
Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Freistaates Bayern.
29
Bei der Gewährung einer finanziellen Zuwendung nach der Kinderwunsch-Richtlinie handelt es sich rechtlich um eine Subvention im Sinne der Definition in Art. 23 BayHO. Danach dürfen Ausgaben für Leistungen an Stellen außerhalb der Staatsverwaltung (Zuwendungen) nur veranschlagt werden, wenn der Staat an der Erfüllung durch solche Stellen ein erhebliches Interesse hat, das ohne die Zuwendungen nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann.
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Dies setzt keine dedizierte gesetzliche Ermächtigung voraus, weil es sich bei der Gewährung beantragter Zuwendungen um eine reine Leistungsverwaltung ohne Eingriffe in Rechtspositionen Privater handelt. Gesetzesfrei gewährte Fördermittel haben ihre Legitimationsgrundlage in der jeweiligen Haushaltsordnung in Verbindung mit dem jeweils geltenden – als Gesetz beschlossenen – Haushaltsplan, in welchem u.a. die konkret bezeichneten Zuwendungen ausgewiesen sind. Im Übrigen ergeben sich Einzelheiten zum Antragsverfahren, den Bewilligungsvoraussetzungen, Finanzierungsarten und Höhe sowie Rückabwicklung der Förderung aus den Verwaltungsvorschriften zu § 44 BHO im Allgemeinen und den fachspezifischen Förderrichtlinien im Besonderen.
31
Die Exekutive ist grundsätzlich frei, Regelungen über Zuwendungsempfänger, Zuwendungsobjekte, Zuwendungsverfahren und Zuwendungsumfang zu treffen (vgl. BVerwG, U.v. 26.04.1979 – 3 C 111/79 – in juris, NJW 1979, S. 2059; BVerwG U.v. 27.03.1982, BVerwGE 90, 112). Dies geschieht üblicherweise durch Richtlinien. Dabei handelt es sich nicht um nach außen wirkende und anspruchsbegründende Rechtsnormen, sondern um verwaltungsinterne Weisungen oder Verwaltungsvorschriften. Für die Verwaltung sind diese Richtlinien allerdings bindend und entfalten deshalb in Form der Selbstbindung Außenwirkung über den Gleichheitssatz nach Art. 3 des Grundgesetzes (GG) und das im Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Gebot des Vertrauensschutzes (vgl. BVerwG U.v. vom 08.04.1997, BVerwGE 104, 220/221). Der Antragsteller hat so (lediglich) Anspruch darauf, nach einem aufgestellten Verteilungsprogramm willkürfrei und im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes behandelt zu werden (vgl. VG Augsburg U.v. 17.12.2012 – Au 3 K 12.1382 –, BeckRS 2013, 46525 Rn. 35, 36, beck-online).
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Den Gerichten ist es verwehrt, die Bewilligungspraxis durch eine eigenständige Auslegung der jeweiligen Richtlinien selbst zu bestimmen. Sie haben vielmehr die Richtlinien als Willenserklärung des Richtliniengebers unter Berücksichtigung dessen wirklichen Willens und der tatsächlichen Handhabung (Bewilligungspraxis) anzuwenden (vgl. BVerwG U.v. vom 19.09.2000, BVerwGE 112, 63/67; OVG Lüneburg U.v. vom 21.02.2006 – 10 LB 45/03 – Rn. 31, juris). Hierbei hat sich die durch die Gerichte durchzuführende Überprüfung nur darauf zu beschränken, ob aufgrund der angewandten Vorschriften überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel zulässig ist, sie mit EU-Vorschriften im Einklang steht und ob eine Verletzung des Gleichheitssatzes vorliegt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, missachtet wurde und sich daraus ein Anspruch ergibt (BVerwG, U.v. 26.04.1979 – 3 C 111/79 – a.a.O.).
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Letztlich reduziert sich daher die Überprüfungsmöglichkeit des Gerichtes auf die Frage, ob der Gleichheitssatz verletzt ist und der Klagepartei Fördermittel in einer Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden Weise vorenthalten worden.
34
2.2.1 Ein Förderanspruch nach der Kinderwunsch-Richtlinie vom 08.10.2020 ist an die Erfüllung verschiedener Zuwendungsvoraussetzungen (Nr. 4) geknüpft.
35
Gemäß Nr. 4.1 werden Zuwendungen ungeachtet des Krankenversicherungsstatus gewährt,
sofern
o 4.1.1 das Paar seinen Hauptwohnsitz in Bayern hat, und
o 4.1.2 die Zuwendungsempfänger nach Nr. 3 die sonstigen Voraussetzungen des § 27a SGB V in der jeweils geltenden Fassung erfüllen und
o 4.1.3 die Behandlung in einer Reproduktionseinrichtung in Bayern oder einem angrenzenden Bundesland (Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen, Sachsen) erfolgt.
Nr. 4.2. ..(…)
Nr. 4.3. 1Die Maßnahme ist zuwendungsfähig, wenn mit der Behandlung des jeweiligen förderfähigen Behandlungszyklus einschließlich der medikamentösen Behandlung noch nicht begonnen worden ist. 2Als Maßnahmebeginn zählt der Kauf von Medikamenten beziehungsweise das Einlösen von Rezepten, die für die Kinderwunschbehandlung erforderlich sind (…).
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§ 27a Abs. 3 und 5 SGB V „Künstliche Befruchtung“ lauten wie folgt:
„(1) (…)
(2) (…)
(3) 1Anspruch auf Sachleistungen nach Absatz 1 besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. 2Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen. 3Die Krankenkasse übernimmt 50 vom Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden.
(4) (…)
(5) Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 4.“
37
Der gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen legte in seinen Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (Richtlinien über künstliche Befruchtung in der Fassung vom 14.08.1990, veröffentlicht im Bundesarbeitsblatt 1990, Nr. 12, zuletzt geändert am 16.03.2017, veröffentlicht im Bundesanzeiger BAnz AT 01.06.2017 B4, in Kraft getreten am 02.06.2017) unter Nr. 9.1 Folgendes fest:
38
9.1 Anspruch auf Leistung zur künstlichen Befruchtung besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben. Der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. Lebensjahr und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Die angegebenen Altersgrenzen müssen für beide Partner in jedem Behandlungszyklus (Zyklusfall) zum Zeitpunkt des ersten Zyklustages im Spontanzyklus, des ersten Stimulationstages im stimulierten Zyklus bzw. des ersten Tages der Down-Regulation erfüllt sein.
39
9.2 Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen (Muster s. Anlage I)
40
In der geänderten Fassung dieser Richtlinien des Bundesausschusses, zuletzt geändert am 16.12.2021, veröffentlicht im Bundesanzeiger (BAnz AT 08.02.2022 B3), in Kraft getreten am 09.02.2022, erhielt Nr. 9.1 folgenden Wortlaut:
41
9.1 Anspruch auf Leistung zur künstlichen Befruchtung besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben. Der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. Lebensjahr und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Bei den Indikationen nach den Nummern 11.1 bis 11.5 Buchstabe a gilt: Die angegebenen Altersgrenzen müssen für beide Partner in jedem Behandlungszyklus (Zyklusfall) zum Zeitpunkt des ersten Zyklustages im Spontanzyklus, des ersten Stimulationstages im stimulierten Zyklus bzw. des ersten Tages der Down-Regulation erfüllt sein. Bei der Indikation nach Nummer 11.5 Buchstabe b gilt: Die angegebenen Altersgrenzen müssen für beide Partner bei jedem Versuch zum Zeitpunkt des ersten Tages der Einleitung zur hormonellen Vorbereitung des Endometriums gemäß Nummer 12.3 Buchstabe b erfüllt sein.
42
9.2 Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen (Muster s. Anlage I).
43
2.2.2 Da die Kläger nicht alle der notwendigen Zuwendungsvoraussetzungen erfüllen, ist die Ablehnung des Förderantrags durch den Beklagten entsprechend der Förderpraxis, die sich – was nicht zu kritisieren ist – an den für den Beklagten verbindlichen Förderrichtlinien orientiert, nicht zu beanstanden. Zweifelsfrei handelt es sich bei den Zuwendungsvoraussetzungen nach der Kinderwunsch-Richtlinie um unterschiedliche Voraussetzungen, die alle unabhängig voneinander und nebeneinander erfüllt sein müssen.
44
Entscheidungsunerheblich ist, wenn die Krankenkasse der Kläger von den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (s.o.) abweicht und entgegen dieser Richtlinien einen Zuschuss gewährt. Ausschlaggebend für den hier streitigen Zuwendungsanspruch sind ausschließlich die Zuwendungsvoraussetzungen der Kinderwunsch-Richtlinie und die darauf aufbauende Bewilligungspraxis des Beklagten, die sich grundsätzlich an dem Wortlaut der Richtlinie zu orientieren hat.
45
a. Vorliegend ist die Zuwendungsvoraussetzung der Altersgrenze nicht erfüllt. Der Verweis in Nr. 4.1.2 der Kinderwunsch-Richtlinie auf die Voraussetzungen des § 27a SGB V und über § 27a Abs. 5 i.V.m. § 92 SGB V auf die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (Richtlinien über künstliche Befruchtung i.d.F. vom 14.08.2021, zuletzt geändert am 16.12.2021, in Kraft getreten am 09.02.2022) macht deutlich, dass es sich hierbei um medizinische Voraussetzungen handelt und demzufolge die medizinischen Voraussetzungen, wie sie sich aus den Richtlinien des Bundesausschusses ergeben, einzuhalten sind.
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Wenn sich der Beklagte im Rahmen seiner Zuwendungspraxis am Wortlaut der Richtlinie (Verweis auf § 27a SGB V) orientiert und die maßgebliche Altersgrenze zum Zeitpunkt des Beginns der tatsächlichen medizinischen Behandlung, d.h. „des ersten Zyklustages im Spontanzyklus, des ersten Stimulationstages im stimulierten Zyklus bzw. des ersten Tages der Down-Regulation“ nach der Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über künstliche Befruchtung i.d.F. vom 16.03.2017 als auch i.d.F. vom 16.12.2021 bestimmt, ist das nicht zu beanstanden und erscheint keinesfalls willkürlich.
47
Dass neben der Voraussetzung in Nr. 4.1.2 der Kinderwunsch-Richtlinie nach Nr. 4.3 der Kinderwunsch-Richtlinie die Zuwendungsfähigkeit vorliegt, wenn „mit der Behandlung des jeweiligen förderfähigen Behandlungszyklus einschließlich der medikamentösen Behandlung noch nicht begonnen worden ist“ und als Maßnahmebeginn „der Kauf von Medikamenten beziehungsweise das Einlösen von Rezepten“ zählt, der nicht vor der Entscheidung über die Zuwendungsfähigkeit, d.h. vor dem Erlass des Zuwendungsbescheides, liegen darf, ändert an der obigen Ausführungen nichts. Beide Voraussetzungen gelten unabhängig nebeneinander. Während die Altersgrenze in Nr. 4.1.2 der Kinderwunsch-Richtlinie zweifelsfrei durch den Verweis auf § 27a SGB V eine rein medizinische Voraussetzung darstellt, ist in Nr. 4.3 der Kinderwunsch-Richtlinie eine rein zuwendungsrechtliche Voraussetzung formuliert, die eine Zuwendung bei einem Kauf von Medikamenten vor Erhalt des Zuwendungsbescheides ausschließt. Insofern ist die Kinderwunsch-Richtlinie für den Beklagte nicht mehrdeutig oder willkürlich.
48
b. Soweit im Antragsformular, worauf die Kläger zutreffend hinweisen, einmal in Nr. 4.2 des Antragsformulars der Begriff „Beginn der Behandlung“ bei der Bestätigung der Kläger zur Einhaltung der Altersgrenze und in Nr. 6 des Antragsformulars die Formulierung und der Begriff „Behandlung noch nicht begonnen“ und „Maßnahmenbeginn“ mit unterschiedlichen Inhalten (s.o.) verwendet werden, ist dies bedauerlich, begründet jedoch keinen Zuwendungsanspruch. Gleiches gilt hinsichtlich der Ausführungen im Bescheid vom 29.12.2020 zum Beginn der Behandlung am oder nach dem 40. Geburtstag der Frau und zum Verbot des „vorzeitigen Maßnahmenbeginns“, der mit dem Einlösen von Rezepten beginne.
49
Da ein Zuwendungsanspruch im Wesentlichen vom Gleichbehandlungsgrundsatz und damit von der Bewilligungspraxis abhängt (s.o.) und dem Gericht keine Anhaltspunkte vorliegen und von den Klägern auch vorgetragen wurden, dass der Beklagte allgemein Zuwendungen entgegen des Wortlauts der Richtlinie gewährt, ist allein der Wortlaut des Antragsformulars nicht entscheidungserheblich. Insbesondere ersetzen Formulierungen, die Anlass für Missverständnisse geben können, keinen Zuwendungsanspruch.
50
Das Antragsformular selbst kann auch nicht als Zusicherung im Sinne von Art. 38 Abs. 1 BayVwVfG verstanden werden, einen bestimmten Verwaltungsakt auch tatsächlich zu erlassen und die begehrte Zuwendung zu gewähren. Vielmehr werden darin von den Antragstellern nur die erforderlichen Angaben erbeten, die für die Zuwendungsentscheidung notwendig sind. Die Annahme, das Ausfüllen eines Zuwendungsantrags enthalte bereits eine Zusicherung dahingehend, die Zuwendung dann tatsächlich auch zu gewähren, liegt eher fern.
51
Auch dem Wortlaut des Bescheids vom 29.12.2020 lässt sich keine solche Zusicherung entnehmen. Vielmehr wird darin noch nachvollziehbar einerseits zwischen Beginn der „Behandlung erst am oder nach dem 40. Geburtstag der Frau“ und andererseits „Maßnahmenbeginn“, Kauf von Medikamenten, differenziert. Diesen Formulierungen lässt sich auch aus laienhafter Sicht nicht entnehmen, dass der Beklagte bei beiden Zuwendungsvoraussetzungen ausschließlich auf den Kauf von Medikamenten abstellen und deshalb eine Zuwendung gewähren wird.
52
Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass den Klägern durch die Patienteninformation ihrer Krankenkasse im Angebot zu „BKK Kinderwunsch“ bekannt gewesen ist, dass im Zusammenhang mit der dortigen Erhöhung der Altersgrenze der Frau auf das 42. Lebensjahr ebenfalls auf den Beginn des anstehenden Zyklus abgestellt wird.
53
Selbst wenn man eine „Zusicherung“ bejahen würde – was nicht der Fall ist – müsste diese hier als unverbindlich und nicht rechtswirksam angesehen werden. Eine Behörde ist zwar nach Treu und Glauben grundsätzlich an Zusagen gebunden; dieser Grundsatz findet aber dort seine Grenze, wo er durch Erfüllung der Zusage zu einem gesetzwidrigen Verhalten genötigt wäre (vgl. dazu BVerwG, U.v. v. 18.04.1997 – 8 C 38/95 – juris; BSG, U.v. 15.06.1976 – 11 RA 80/75 – BeckRS 1976, 431). Vielmehr rechtfertigt insbesondere eine Verletzung einer (möglichen) behördlichen Auskunfts-, Beratungs- oder Betreuungspflicht es nicht, eine Zuwendungsvoraussetzung als gewahrt anzusehen und einen Anspruch zu bejahen, wenn dieser nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften nicht besteht (BVerwG, U.v.18.04.1997 – 8 C 38/95 – juris Rnr. 12). Das wäre jedoch vorliegend der Fall, wenn der Beklagte entgegen der Kinderwunsch-Richtlinie und der eigenen Förderpraxis unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsprinzip gehalten wäre, die Zuwendung zu gewähren.
54
c. Der streitgegenständliche Anspruch auf Zahlung der beantragten 1.800,00 EUR lässt sich zudem weder aus dem von den Klägern angesprochen sozialen Herstellungsanspruch noch aus einem Folgenbeseitigungsanspruch ableiten. Aus beiden ergibt sich kein Anspruch der Kläger darauf, so gestellt zu werden, als hätten sie alle Zuwendungsvoraussetzungen nach der Kinderwunsch-Richtlinie erfüllt.
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Der vom Bundessozialgericht als Rechtsinstitut eingeführte soziale Herstellungsanspruch ist auf die vorliegende Fallkonstellation nicht anwendbar. Im vorliegenden Verfahren ist ausschließlich streitgegenständlich die Gewährung einer freiwilligen förderrechtlichen Zuwendung und kein Anspruch auf Erfüllung sozialer Rechte nach §§ 1, 2 und 11 SGB I. Aus diesem Grund ist bereits der Anwendungsbereich des sozialen Herstellungsanspruches des SGB I, der Ausgangspunkt des sozialen Herstellungsanspruches, nicht eröffnet. Auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lässt sich entnehmen, dass das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nur anwendbar ist, wenn die Folgen der Pflichtverletzung eines Leistungsträgers bei der Erfüllung seiner Aufgaben nach dem SGB im Gesetz weder speziell geregelt noch darin in anderer Weise, etwa durch Härteklauseln, Wiedereinsetzungsregeln oder Fiktionen konzeptuell mitbedacht sind (BSG, B.v. 25.2.2020 – B 13 R 284/18 B – BeckRS 2020, 5287 beck-online Rn. 5). Es handelt sich bei der begehrten Zuwendung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB I allerdings zweifelsfrei um keine der „in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen“. Unerheblich ist dabei, dass der Beklagte im Rahmen anderweitiger Zuständigkeiten (z.B. im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes oder des Unterhaltsvorschussgesetzes) durchaus Sozialleistungsträger gemäß § 12 SGB I ist.
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Darüber hinaus würde es an der notwendigen Kausalität zwischen der behaupteten „Falschberatung“ und dem geltend gemachten Förderanspruch fehlen. Nach den Kriterien des Bundessozialgerichts soll der Zustand wiederhergestellt werden, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger sich rechtmäßig verhalten hätte (LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 13.11.2008 – L 21 R 667/06 – juris Rn. 45, unter Verweis auf BSG, U.v. 27.07.2003 – B 4 RA 13/03 R – juris).
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Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Hätte nämlich der Beklagte die Formulierungen im Antragsformular entsprechend der Kinderwunsch-Richtlinie so gewählt, dass die Kläger diese nicht missverstehen hätten können, so hätte sich gerade kein Zuwendungsanspruch nach der Kinderwunsch-Richtlinie in Höhe von 1.800,00 EUR ergeben.
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Auch im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs lässt sich kein Zuwendungsanspruch ableiten. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Betroffene im Wege der Folgenbeseitigung keinen Anspruch hat, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der behördliche Fehler nicht passiert wäre (VGH Baden-Württemberg, U.v. 22.05.2014 – 10 S 1719/13 –, juris Rnr. 57 mw.N.). Der Folgenbeseitigungsanspruch ist (nur) auf die Wiederherstellung des ursprünglichen rechtmäßigen, durch hoheitlichen Eingriff veränderten Zustands gerichtet (BVerwG, B.v 16.06.1986 – 2 B 67/86 –, juris).
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Auch hier gilt, dass die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nicht in einen Anspruch auf Bewilligung der begehrten Zuwendung mündet, da eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gerade nicht die Erfüllung der Altersgrenze der Frau beinhaltet bzw. diese ersetzt.
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Damit besteht kein Anspruch der Kläger auf Erlass eines Zuwendungsbescheides über 1.800,00 EUR. Der streitgegenständliche, den Zuwendungsantrag ablehnende Bescheid ist rechtmäßig.
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d. Ein Anspruch aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) ist ebenfalls nicht erkennbar. Anhaltspunkte für eine allgemeine Bewilligungspraxis des Beklagten, Zuwendungen auch für Frauen zu gewähren, die das 40. Lebensjahr zum Beginn der medizinischen Behandlung im Sinne des § 7a SGB V bereits vollendet haben, sind nicht ersichtlich und von den Klägern auch nicht vorgetragen worden.
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3. Die Kläger tragen als Unterlegene gemäß § 154 VwGO die Kosten des Verfahrens. Insbesondere sind die womöglich missverständlichen Formulierungen im Antragsformular nicht mehr ursächlich für die Erhebung der Klage, da der Beklagte in seinen Ausführungen im Widerspruchsbescheid die unterschiedlichen, unabhängig nebeneinander bestehenden Fördervoraussetzungen nachvollziehbar erklärt hat. Aus diesem Grund findet § 155 Abs. 4 VwGO keine Anwendung.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 und Abs. 1 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.