Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 24.05.2023 – B 7 S 23.50126
Titel:

Dublin-Verfahren (Italien)

Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1a, § 34a Abs. 1
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1, Art. 29
EMRK Art. 3
GRCh Art. 4
Leitsätze:
Von der Übernahmebereitschaft Italiens im „Dublin“-Verfahren ist jedenfalls dann auszugehen, wenn diese nach Verhängung des „Übernahmestopps“ ausdrücklich erklärt wurde. (Rn. 42)
In Italien liegt weder bei der Durchführung von Asylverfahren noch hinsichtlich des Aufnahmesystems ein grundlegendes systemisches Versagen vor, welches für einen „Dublin-Rückkehrer“ nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad nahelegt; dies gilt auch bei der Überstellung einer Familie mit Kleinkindern. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
„Dublin“-Verfahren, Italien, „Rückübernahmestopp“ Italiens, Ausdrückliche Erklärung der Übernahmebereitschaft, unzulässiger Asylantrag, Überstellung, systemische Mängel, Rückübernahmestopp
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16388

Tenor

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 04.05.2023 wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Eilverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen die angeordnete Überstellung nach Italien im Rahmen eines sog. „Dublin-Verfahrens“.
2
Die in den Jahren 2018 bzw. 2020 in der Türkei geborenen Antragsteller sind syrische Staatsangehörige mit kurdischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Sie reisten zusammen mit ihren Eltern am 08.09.2022 in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerten am 14.09.2022 Asylgesuche. Förmliche Asylanträge wurden am 31.01.2023 gestellt.
3
Die EURODAC-Abfrage des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ergab bei den Eltern der Antragsteller Treffer der „Kategorie 2“ (IT2 … bzw. IT2 …), wonach diese am 27.08.2022 in Italien aufgegriffen und ihnen am 28.08.2022 in Italien Fingerabdrücke abgenommen worden sind. Auf ein am 08.11.2022 an Italien gerichtetes Übernahmeersuchen erklärten die italienischen Behörden mit Schreiben vom 22.12.2022 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Antragsteller und deren Eltern gem. Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO.
4
Im Rahmen des persönlichen Gespräches zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und der persönlichen Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit der gestellten Asylanträge am 31.03.2023 führten die Eltern der Antragsteller im Wesentlichen aus, sie hätten Syrien am 25.02.2018 verlassen und seien über die Türkei und Italien nach Deutschland eingereist. Am 07.08.2022 seien sie in Italien eingereist. Dort hätten sie sich zehn Tage lang aufgehalten. Anschließend seien sie weitergegangen und am 08.09.2022 über Nürnberg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.
5
Bei der Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am 27.04.2023 trug der Vater der Antragsteller im Wesentlichen vor, sie seien am 27.08.2022 nach Italien eingereist und hätten Italien am 05.09.2022 wieder verlassen. In Italien habe man keinen Asylantrag gestellt, da das Ziel Deutschland gewesen sei. Wo sie in Italien gelebt hätten, wisse er nicht genau. Nach Italien wolle man nicht zurück. Die gesundheitliche Situation des Antragstellers zu 2 sei dort schlecht gewesen. Man habe gesagt, man würde sich um den Antragsteller zu 2 kümmern, es sei aber nie einer gekommen und habe sich um ihn gekümmert. In Deutschland habe man festgestellt, dass der Antragsteller zu 2 verengte Atemwege habe. In Italien sei es sehr voll gewesen und es habe von allem immer zu wenig gegeben. Am ersten Tag in Deutschland sei der Antragsteller zu 2 behandelt worden. Er sei sechs Tage im Krankenhaus gewesen und benötige ein Asthmaspray.
6
Die Mutter der Antragsteller äußerte sich am 27.04.2023 im Rahmen der Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags weitestgehend identisch wie der Kindesvater. Überdies führte sie aus, sie habe bereits seit mehreren Jahren nach Deutschland gewollt, um hier sesshaft zu werden. Sie habe einen Bandscheibenvorfall oder sowas in der Art an der Wirbelsäule bzw. am Halswirbel. Daneben habe sie auch Probleme mit der Schilddrüse. Sie nehme Medikamente, die die Schilddrüse regelten.
7
Im Rahmen der Anhörungen wurde dem Bundesamt ein Arztbrief des Klinikums … vom 31.10.2022 vorgelegt, wonach sich der Antragsteller zu 2 dort vom 29.10.2022 bis zum 05.11.2022 in stationärer Behandlung wegen einer Bronchopneumonie befunden hat. Ferner wurde ein Arztbrief des Klinikums … vom 18.11.2022 vorgelegt, wonach sich der Antragsteller zu 2 am 18.11.2022 wegen eines grippalen Infekts in ambulanter Behandlung befunden hat. Bezüglich der Mutter der Antragsteller wurde ein ärztliches Attest von Dr. med. …, …, vom 01.03.2023 vorgelegt, wonach diese unter Hypothyreose, Haarausfall, Müdigkeit, Antriebshemmung, LWS-Syndrom bei degenerativer Veränderung, Bandscheibenvorwölbung bei L4/L5 ohne Nervenkompression, einer kleinen Bandscheibenprotrusion, Nackenschmerzen bei HWS-Syndrom und Parästhesie und elektrisierende Schmerzen der Hände beidseitig leidet.
8
Mit Bescheid vom 04.05.2023, als Einschreiben zur Post gegeben am 09.05.2023, lehnte das Bundesamt die Anträge als unzulässig ab (Ziff. 1). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2). Die Abschiebung nach Italien wurde angeordnet (Ziff. 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gem. § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 4).
9
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Asylanträge seien gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, da Italien aufgrund der illegalen Einreise über dessen Außengrenze gem. Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Daher erfolge keine materielle Prüfung des Asylantrags in Deutschland.
10
Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien nicht gegeben. Ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG sei nicht einschlägig. Eine Abschiebung sei gem. § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus einer Anwendung der EMRK ergebe. In Betracht komme dabei in erster Linie eine Verletzung des Art. 3 EMRK und damit die Prüfung, ob im Falle einer Abschiebung der Betroffene tatsächlich Gefahr laufe, einer dieser absoluten Schutznorm widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Einer Dublin-Überstellung stünden damit einzig außergewöhnliche und schwerwiegende humanitäre Gründe entgegen. Die Eltern der Antragsteller hätten im Wesentlichen vorgetragen, dass die Fingerabdrücke in Italien unter Zwang hätten abgegeben werden müssen. In Italien habe man sich insgesamt zehn Tage aufgehalten. Asyl habe man in Italien nicht beantragen wollen, da das Zielland der Familie Deutschland gewesen sei. Die medizinische Versorgung in Italien sei schlecht. Insbesondere die gesundheitliche Situation des Antragstellers zu 2 sei in Italien nicht beachtet worden. Dieser leide an Asthma. Eine Behandlung habe insoweit in Italien nicht stattgefunden. Diese Einlassungen könnten kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 AufenthG begründen, da die Antragsteller nicht substantiiert dargelegt hätten, inwiefern ihnen in Italien eine individuelle Gefahr bzw. Rechtsverletzung drohe. Aufgrund des ermittelten EURODAC-Treffers sei von einer illegalen Einreise, Aufenthalt sowie Weiterreise ohne Stellung eines Asylantrags in Italien auszugehen. In der Praxis stellten viele Flüchtlinge keinen Asylantrag in Italien, da diese häufig nicht in Italien bleiben wollten. Es könne dem italienischen Staat nicht zugerechnet werden, wenn sich Flüchtlinge bewusst dafür entschieden hätten, kein Asyl zu beantragen und diese sich somit außerhalb des Systems aufhielten. Da es sich bei Italien um einen Mitgliedstaat der Europäischen Union handele, sei aufgrund des normativen Vergewisserungskonzepts davon auszugehen, dass in Italien die Anwendung der Genfer-Flüchtlingskonvention und der EMRK sichergestellt sei. Einer Überstellung entgegenstehende systemische aber auch bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen fielen nur dann unter Art. 4 GRC, welcher Art. 3 EMRK entspreche, wenn diese eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichten, die von sämtlichen Umständen des Einzelfalles abhänge. Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit sei erst erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaates zur Folge habe, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaube, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden und die ihre psychische oder physische Gesundheit beeinträchtige oder sie in einen Zustand der Verelendung versetze, der mit der Menschenwürde unvereinbar sei. Diese Schwelle sei selbst durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betroffenen Personen gekennzeichneten Situation nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sei, aufgrund derer sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befinde, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden könne. Auch der Sachvortrag der Antragsteller, man sei bei der Einreise nach Italien zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen gezwungen worden, sei nicht geeignet, eine Rechtsverletzung zu begründen. Es sei den Antragstellern zumutbar und es sei sogar für eine spätere Antragstellung erforderlich, mit den zuständigen Behörden zu kooperieren. Der Umstand, dass bei einer Weigerung zur Durchführung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen Zwangsmaßnahmen angedroht werden, sei nicht als Verfahrensmangel zu werten, sondern diene der Gefahrenabwehr. Anhaltspunkte, dass die Maßnahmen unverhältnismäßig oder sonst widerrechtlich gewesen seien, sei nicht vorgetragen. Im Übrigen seien seitens des Bundesamtes keine strukturellen oder rechtsstaatlichen Defizite bezüglich Italiens bekannt, die eine Rechtsverletzung der Antragsteller als glaubhaft erscheinen ließen (wird umfassend ausgeführt).
11
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien ebenfalls nicht einschlägig. Die Mutter der Antragsteller habe vorgebracht, dass sie an einem Bandscheibenvorfall leide und Probleme mit der Schilddrüse habe. Der Antragsteller zu 2 leide an Asthma und werde mit einem Asthmaspray behandelt. Diese Krankheiten stellten vorliegend jedoch keine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dar. Eine solche Gefahr liege nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Bezüglich des Antragstellers zu 2 sei, basierend auf der diagnostizierten Lungenentzündung und dem grippalen Infekt, jeweils von einer Kurzzeiterkrankung auszugehen, die zwischenzeitlich ausgeheilt sei. Die Schilddrüsenunterfunktion und die Bandscheibenvorwölbung der Mutter der Antragsteller stelle keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung dar. Vor dem Hintergrund einer weiteren noch erforderlichen fachärztlichen Abklärung bleibe die Art und Schwere der Leiden offen. Eine Reiseunfähigkeit werde weder behauptet, noch sei eine solche seitens der vorgelegten ärztlichen Unterlagen begründet.
12
Außergewöhnliche humanitäre Gründe, das Selbsteintrittsrecht gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich, insbesondere bleibe der subjektive Wunsch der Antragsteller, in einem bestimmten Land bleiben zu wollen, im Rahmen der Anwendung des Dublin-Verfahrens außer Betracht und stelle keinen schutzwürdigen Belang dar. Die vorgebrachte Bindung der Kindesmutter zu einem Bruder sei nicht berücksichtigungsfähig, da das vorgetragene Verwandtschaftsverhältnis schon nicht von Art. 2g der Dublin-III-VO erfasst sei.
13
Die Abschiebungsanordnung beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG.
14
Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gem. § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Die Antragsteller verfügten im Bundesgebiet über keine wesentlichen persönlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen gewesen seien. Es seien auch sonst keine Belange vorgetragen, die es angezeigt erscheinen ließen, eine kürzere Frist festzusetzen.
15
Mit Schriftsatz vom 12.05.2023, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob die Bevollmächtigte der Antragsteller – soweit der Bescheid (auch) die Eltern der Antragsteller betrifft, wurde kein Rechtsbehelf eingelegt – Klage gegen den Bescheid vom 04.05.2022, die unter dem Az. B 7 K 23.50127 geführt wird. Zugleich wird beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid, mit dem den Antragstellern die Abschiebung angedroht wird, anzuordnen.
16
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid verletze die Antragsteller in ihren Rechten und müsse aufgehoben werden. Es sei kein ordnungsgemäß durchgeführtes Verfahren nach der Dublin-III-VO durchgeführt worden, insbesondere sei das nach Art. 4 Abs. 3 Dublin-III-VO vorgeschriebene Merkblatt nicht ausgehändigt worden. Weiterhin sei darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet sei, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, da nicht ersichtlich sei, aus welchen Gründen die Antragsteller zunächst im normalen Asylverfahren angehört worden seien und dann über ein Jahr nichts passiert sei. Der Antragsgegnerin sei bereits seit dem 10.05.2023 bewusst, dass es sich um ein Dublin-Verfahren handele. Gleichwohl sei dahingehend nichts weiter veranlasst worden. Eine Verdichtung des Selbsteintrittsrechts in eine Selbsteintrittspflicht finde in den Fällen statt, in denen das Bundesamt das Verfahren ohne ersichtlichen Grund und unangemessen lang verzögere. Aufgrund des Dargelegten und der beiliegenden Unterlagen sei hinsichtlich Ziff. 2 des Bescheids gegen die Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
17
Mit Schriftsatz vom 17.05.2023 beantragt das Bundesamt für die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
18
Zur Begründung bezieht sich die Antragsgegnerin auf die angefochtene Entscheidung.
19
Mit Schriftsatz vom 22.05.2023 führte die Bevollmächtige der Antragsteller ergänzend aus, in Italien herrschten bei den Aufnahmebedingungen systematische Mängel, die für die Antragsteller bei einer Rückführung zur Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC führen könnten. Deshalb müsse die Antragsgegnerin hier von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen. Eine Rückführung sei unzulässig. Dies sei immer dann der Fall, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat regelhaft so defizitär seien, dass anzunehmen sei, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe.
20
Außerdem sei relevant, dass Italien nach den vorliegenden Informationen keine Dublin-Rückkehrer aufnehme, was ebenfalls auf das Vorliegen systematischer Mängel hinweise.
21
Bei den Antragstellern sei auch relevant, dass es sich um kleine Kinder handele, also vulnerable Personen, die einer besonderen Betreuung bedürften, da ihnen sonst Obdachlosigkeit drohe und die Befriedigung der elementarsten Bedürfnisse von Kindern in keinster Weise gewährleistet sei. Eine Garantieerklärung der italienischen Behörden liege jedenfalls nicht vor.
22
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
23
1. Der Antrag vom 12.05.2023 ist gem. § 122, § 88 VwGO sachgerecht als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziff. 3 des Bescheids vom 04.05.2023 enthaltene Abschiebungsanordnung nach Italien auszulegen.
24
2. Der so zu verstehende Antrag ist zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
25
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage – im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO – ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht in der Regel kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessensabwägung.
26
Vorliegend stellt sich die angegriffene Abschiebungsanordnung unter Zugrundelegung der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Sach- und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar, so dass das Aussetzungsinteresse der Antragsteller hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung zurückzutreten hat.
27
Nach § 34a Abs. 1 AsylG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angeordnet, wenn der Ausländer in einem für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Staat abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Zuständigkeit des anderen Staates gegeben ist und feststeht, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist.
28
Diese Voraussetzungen liegen hier – wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt – im Hinblick auf die beabsichtigte Überstellung nach Italien vor. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist das Gericht zunächst vollumfänglich auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 3 AsylG).
29
Ergänzend ist lediglich Folgendes auszuführen:
30
1. Die Asylanträge sind gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG in Deutschland unzulässig.
31
Wie vom Bundesamt im Ergebnis zutreffend mit Bescheid vom 04.05.2023 festgestellt, ist Italien für das Asylverfahren der Antragsteller zuständig. Die Zuständigkeit Italiens folgt aus Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO. Diese Regelung bestimmt, dass für den Fall, dass auf Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß der beiden in Art. 22 Abs. 3 Dublin-III-VO genannten Verzeichnisse, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 (EURODAC-VO) festgestellt wird, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Vorliegend ergibt sich aus den EURODAC-Treffern, dass den Eltern der Antragsteller in Italien Fingerabdrücke abgenommen wurden. Unerheblich ist, dass für die in den Jahren 2018 bzw. 2020 geborenen Antragsteller offensichtlich keine EURODAC-Treffer für Italien vorliegen, zumal deren Eltern bei der Befragung gegenüber dem Bundesamt angegeben haben, dass die gesamte Familie, also auch die hiesigen Antragsteller nach Italien eingereist ist und sich dort für einige Tage aufgehalten haben. Im Übrigen wurde von den Eltern wiederholt moniert, dass sich in Italien um den seinerzeit erkrankten Antragsteller zu 2 niemand gekümmert habe. Letztlich hat Italien seine Zuständigkeit nach Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO auch für das Asylverfahren der Antragsteller ausdrücklich erklärt.
32
Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO entfallen, da noch keine 12 Monate seit dem illegalen Grenzübertritt nach Italien vergangen sind.
33
Die Zuständigkeit Italiens ist ferner nicht gemäß Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO entfallen, weil das Bundesamt innerhalb der in Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO festgesetzten Frist von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung für die Eltern der Antragsteller ein Aufnahmegesuch an Italien gestellt hat. Die italienischen Behörden haben das Übernahmeersuchen akzeptiert. Italien ist damit verpflichtet, die betreffenden Personen aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen. Das Bundesamt hat in seinem Übernahmeersuchen ausdrücklich auch die minderjährigen Antragsteller, mit Nennung der jeweiligen Geburtsdaten, aufgenommen. Italien hat mit Schreiben vom 22.12.2022 die Aufnahmebereitschaft für die Antragsteller (und deren Eltern) bestätigt.
34
Letztlich ist die Zuständigkeit für das Asylverfahren nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO auf Deutschland übergegangen, weil die sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO vorliegend noch nicht abgelaufen ist.
35
2. Die Überstellung nach Italien ist auch nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich.
36
a) Insbesondere liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO begründen oder möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO sprechen.
37
aa) Systemische Mängel sind nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen weder bei der Durchführung von Asylverfahren noch hinsichtlich des Aufnahmesystems in Italien festzustellen.
38
Nach dem vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung entwickelten „Konzept der normativen Vergewisserung“ ist davon auszugehen, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK – sichergestellt ist (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris). Dieses vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Konzept steht im Einklang mit dem der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems zugrundeliegenden Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris). Unter diesen Bedingungen muss die nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung gelten, dass die Behandlung eines Asylbewerbers bzw. als schutzberechtigt anerkannten Ausländers in jedem einzelnen dieser Staaten im Einklang mit den genannten Rechten steht.
39
Hiervon kann nur dann nicht ausgegangen werden, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem Konzept der normativen Vergewisserung bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht aufgefangen wird (vgl. EuGH, U.v. 10.12.2013 – Rs. C-394/12 – juris; BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris). Den nationalen Gerichten obliegt im Einzelfall die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Personen implizieren (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris, m.w.N., B.v. 6.6.2014 – 10 B 35/14 – juris). Schwachstellen fallen daher nur dann unter Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Einzelfalls abhängt (EuGH, U.v. 19.03.2019 – C-163/17 – juris).
40
Gemessen hieran ist in Bezug auf Italien nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse nicht davon auszugehen, dass den Antragstellern bei einer Überstellung derzeit eine menschenunwürdige Behandlung im vorgenannten Sinne droht. In der Rechtsprechung des Gerichts ist geklärt, dass für junge und gesunde Männer das italienische Asylsystem derzeit keine systemischen Mängel aufweist (vgl. beispielsweise VG Bayreuth, B.v. 1.2.2023 - B 7 S 23.50020; VG Bayreuth, B.v. 2.3.2023 – B 4 S 23.50039; vgl. auch BVerwG, B.v. 17.1.2022 -1 B 66.21 – juris; VG Köln, B.v. 17.8.2022 – 8 L 686/22.A – juris; OVG NRW, B.v. 15.7.2022 – 11 A 1138/21.A – juris; VG Würzburg, U.v. 10.6.2022 – juris; BayVGH, U.v. 15.12.2022 – 24 B 22.50020 – juris). Ferner ist in der Rechtsprechung des Gerichts geklärt, dass auch der Überstellung einer Familie mit Kleinkindern nach Italien keine systemischen Mängel des italienischen Asylsystems entgegenstehen (VG Bayreuth, B.v. 27.10.2022 – B 8 S 22.50212 – juris; VG Bayreuth, B.v. 11.4.2023 – B 7 S 23.50063 – juris; vgl. auch VG Stuttgart, U.v. 21.7.2022 – A 4 K 1253/22 – juris).
41
Vorliegend ist davon auszugehen, dass die minderjährigen Antragsteller allenfalls zusammen mit ihren Eltern, also die gesamte Kernfamilie, nach Italien überstellt werden wird. Es mag zwar immer wieder vorkommen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihres Asylantrags in Italien auf sich alleine gestellt und zum Teil auch obdachlos sind. Dies und auch die zum Teil lange Dauer der Asylverfahren sind darauf zurückzuführen, dass das italienische Asylsystem aufgrund der hohen Asylbewerberzahlen stark ausgelastet und an der Kapazitätsgrenze ist. Die im Bereich der Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber weiterhin feststellbaren Mängel und Defizite sind aber weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen „Dublin-Rückkehrer“ nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad nahelegt. Es ist vielmehr im Grundsatz davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, völker- und unionsrechtskonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass Asylbewerber im Normalfall – gerade wenn minderjährige Kinder unter den zu Überstellenden sind – nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen müssen (vgl. VG Bayreuth, B.v. 8.3.2023 – B 7 S 23.50050; VG Bayreuth, B.v. 11.4.2023 – B 7 S 23.50063 – juris).
42
Allein die Tatsache, dass Italien derzeit offensichtlich die Aufnahme von zu überstellenden „Dublin-Flüchtlingen“ weitgehend ablehnt, begründet keinen hinreichenden Beleg dafür, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der überstellten Personen implizieren (vgl. hierzu VG Augsburg, B.v. 20.1.2023 – Au 8 S 23.50020 – juris). Es ist auch nicht ersichtlich, dass derzeit bereits feststünde, dass die Antragsteller innerhalb der nächsten sechs Monate nicht zurückgeführt werden könnten (vgl. zum Ganzen mit weiteren Nachweisen: VG Regensburg, B.v. 13.2.2023 – RO 16 S 23.50073 – juris m.w.N.; VG Bayreuth, B.v. 8.3.2023 – B 7 S 23.50050; VG Bayreuth, B.v. 11.4.2023 – B 7 S 23.50063 – juris). Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es derzeit in der Rechtsprechung umstritten ist, ob der „Rückübernahmestopp“ Italiens die Verpflichtung nach sich zieht, die in Deutschland gestellten Asylanträge im nationalen Verfahren zu verbescheiden (so z.B. VG Braunschweig, U.v. 9.5.2023 – 2 A 277/22 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 26.4.2023 – 10 LA 48/23 – juris). Vorliegend hat sich Italien jedoch – im Gegensatz zum „Regelfall“, wonach Italien auf Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuche überhaupt nicht (mehr) antwortet – mit Schreiben vom 22.12.2022 – und damit nach Verkündung des Übernahmestopps Anfang Dezember 2022 – ausdrücklich für die Antragsteller und deren Eltern als zuständig erklärt und die Übernahme akzeptiert (vgl. Bl. 95 der Behördenakte). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Antragsteller in Italien keiner unmenschlichen Behandlung während des Asylverfahrens ausgesetzt sind, zumal sich aufgrund des „Rückübernahmestopps“ die Lage, insbesondere hinsichtlich Unterbringung und Versorgung, entspannen dürfte.
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Auch darüber hinaus wurden durch die Antragsteller keine durchgreifenden Anhaltspunkte für systemische Mängel vorgetragen. Die Antragsteller haben sich – zusammen mit ihren Eltern – nur wenige Tage in Italien aufgehalten. Sie haben dort keinen Asylantrag gestellt, weil sie von vornherein nur noch Deutschland gewollt haben. Sie konnten gegenüber dem Bundesamt nicht einmal annähernd angeben, wo sie sich in Italien genau aufgehalten haben. Auch die Einlassungen dahingehend, in Italien habe sich seinerzeit niemand um den damals gesundheitlich angeschlagenen Antragsteller zu 2 gekümmert, können keine systemischen Mängel des italienischen Asylverfahrens begründen. Zum einen ist der Vortrag vage und unsubstantiiert, zum anderen haben sich die Antragsteller bewusst gegen das Durchlaufen des Asylverfahrens in Italien entschieden. Sie haben sich damit ohne rechtlich relevanten Grund von Anfang an dem italienischen Asylverfahren „entzogen“. Im Rahmen des italienischen Asylverfahrens wäre dem Antragsteller zu 2 – und auch seiner Mutter – eine hinreichende medizinische Versorgung offen gestanden und es hätte ihnen gerade nicht – unter dem Aspekt der Gesundheitsversorgung – eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK in Italien gedroht. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass weder der Antragsteller zu 2, noch seine Mutter unter lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen leiden. Die vorgetragenen „Standarderkrankungen“ hätten ohne weiteres auch in Italien im Rahmen eines dort laufenden Asylverfahrens ordnungsgemäß und zielführend behandelt werden können (siehe hierzu auch nachfolgend unter b).
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bb) Auch nach unterstellter Zuerkennung internationalen Schutzes droht Schutzsuchenden in Italien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 4 GRC verstoßende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. In der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts ist geklärt, dass auch Familien mit Kleinkindern, denen in Italien der internationale Schutz zuerkannt wurde, grds. keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. VG Bayreuth, U.v. 23.3.2023 – B 7 K 22.30813 – juris; VG Bayreuth, U.v. 4.8.2022 – B 3 K 22.30194; vgl. auch OVG Koblenz, U.v. 27.3.2023 – 13 A 10948/22.OVG – juris)
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cc) Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegen die diesbezüglichen Ausführungen im Antragsschriftsatz vom 12.05.2023 offensichtlich neben der Sache. Das Bundesamt hat die Antragsteller zu keinem Zeitpunkt „zunächst im normalen Asylverfahren“ behandelt. Ferner sind die Ausführungen unzutreffend, dass im Falle der Antragsteller „über ein Jahr nichts passiert“ sei. Selbst die Datumsangabe auf S. 3 des Antragsschriftsatzes vom 12.05.2023 ist unschlüssig, wenn die Antragstellerseite insoweit ausführt, dass dem Bundesamt bereits seit dem 10.05.2023 bewusst sei, dass es sich vorliegend um ein Dublin-Verfahren handele. Von daher dürfte die Bevollmächtigte der Antragsteller zur Antragsbegründung offensichtlich auf einen alten und auf diesen Sachverhalt überhaupt nicht zugeschnittenen Textbaustein zurückgegriffen haben. Letztlich ist auch der Vortrag, das nach Art. 4 Abs. 3 Dublin-III-VO vorgeschriebene Merkblatt sei nicht ausgehändigt worden, unzutreffend. Laut Behördenakte (insbesondere Bl. 201 ff.) wurden den Eltern der Antragsteller gleichwohl die entsprechenden notwendigen Informationen zum Dublin-Verfahren ausgehändigt.
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b) Es sind auch keine Anhaltspunkte für innerstaatliche oder zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die der Abschiebungsanordnung entgegenstehen würden, ersichtlich.
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Insbesondere leidet der Antragsteller zu 2 an keiner lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich alsbald nach der Abschiebung verschlechtern würde. Wie das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zutreffend ausführt, litt der Antragsteller zu 2 in Italien bzw. bei seiner Einreise nach Deutschland im Sommer/Herbst 2022 an einer akuten Atemwegserkrankung. Diese ist inzwischen ausgeheilt. Es liegen jedenfalls keine weiteren Anhaltspunkte bzw. keine Belege dahingehend vor, dass der Antragsteller zu 2 im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Italien abgeschoben werden könnte. Selbst wenn er gegenwärtig noch bzw. dauerhaft ein Asthmaspray benötigen sollte, ist nicht ersichtlich, dass ein Solches dem Antragsteller zu 2 in Italien nicht zugänglich wäre.
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Auch unter Einbeziehung der Mutter der Antragsteller ist insoweit festzuhalten, dass diese ebenfalls unter keiner lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG leidet. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid vom 04.05.2023 verwiesen. Im Übrigen mangelt es an einem aussagekräftigen ärztlichen Attest. Das dem Bundesamt vorgelegte Attest von Dr. med. Eva Hofmann, Stegaurach, vom 01.03.2023 erfüllt nicht einmal ansatzweise die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Attest im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 und 3 i.V.m. § 60a Abs. 2c AufenthG.
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Anhaltspunkte für innerstaatliche Abschiebungshindernisse sind weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich, insbesondere sind auch die Eltern der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig nach Italien, so dass eine Trennung der Kernfamilie nicht im Raum steht.
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3. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzulehnen.
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4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für das Eilverfahren ist mangels hinreichender Erfolgsaussichten (§ 166 VwGO i.V.m. § 114, § 121 Abs. 2 ZPO) ebenfalls abzulehnen. Im Übrigen wurden nicht einmal „PKH-Unterlagen“ (vgl. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO) eingereicht.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.