Titel:
Sekundärmigration Griechenland, langjähriger Voraufenthalt, junger und gesunder Mann, Integration in Griechenland
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
AsylG § 35
AsylG § 36 Abs. 4 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1
GRC Art. 4
EMRK Art. 3
Leitsatz:
Einem jungen und gesunden Asylbewerber, der (auch) nach der Schutzzuerkennung mehrere Jahre in Griechenland gelebt hat und dort integriert war (Beziehung zu einer Griechin), droht bei einer Rückführung keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in Griechenland.
Schlagworte:
Sekundärmigration Griechenland, langjähriger Voraufenthalt, junger und gesunder Mann, Integration in Griechenland
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16387
Tenor
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28.04.2023 wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
1
Der Antragsteller ist syrischer Staatangehöriger mit kurdischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 08.07.2022 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 18.10.2022 einen Asylantrag.
2
Die EURDODAC-Trefferabfrage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ergab einen Treffer der „Kategorie 1“ (GR1 …), wonach der Antragsteller am 17.12.2018 in Griechenland internationalen Schutz beantragt hat. Nach Mitteilung der griechischen Behörden wurde dem Antragsteller am 02.04.2020 in Griechenland die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
3
Bei den Befragungen am 03.02.2023 bzw. am 14.03.2023 gab der Antragsteller gegenüber dem Bundesamt im Wesentlichen an, er habe Syrien entweder im November 2011 oder im Januar 2012 verlassen. Anschließend habe er bis zum Jahr 2016 in der Türkei gelebt. Von der Türkei aus sei er mit einem Schlauchboot nach Griechenland gefahren. In Griechenland habe er vom 20.08.2016 bis Juli 2022 gelebt. Die ersten drei Jahre sei er auf der Insel Lesbos gewesen. Anschließend habe er sich bis Juli 2022 in Athen aufgehalten. Zur Weiterreise nach Deutschland habe er sich entschieden, weil es in Griechenland keine Sicherheit und keine Zukunft gebe. Dort müsse er Miete und Essen selber bezahlen. Er habe auch keine eigene Wohnung gehabt. Man könne in Griechenland nicht leben. In Griechenland sei er zweimal von der Polizei geschlagen worden. Sie hätten gefragt, warum er in Griechenland sei und was er in Europa wolle bzw. warum er noch so spät auf der Straße sei. Insgesamt habe er sieben Jahre in Griechenland gelebt, um dort Fuß zu fassen. Dies habe er aber nicht geschafft. In Griechenland schiebe man Flüchtlinge ab. Man bringe sie an die Grenze zur Türkei. Er sei auch einmal für vier Monate wegen seines Asylantrags eingesperrt worden. Um seinen Aufenthaltstitel zu verlängern, brauche man 1,5 bis 2 Jahre. In diesem Zeitraum dürfe man nicht arbeiten und habe keine Krankenversicherung. Außerdem änderten sich die Gesetze und das System alle drei bis vier Monate. Man bekomme keine legalen Jobs und könne immer nur zwei Stunden legal arbeiten. Die restlichen Stunden müsse man schwarzarbeiten. Selbst die Griechen würden aus ihrer Heimat flüchten. In Griechenland habe er von null anfangen müssen und sei nach sieben Jahren immer noch auf null gewesen. Für einen Ausländer sei es in Griechenland sehr schwer. Er sei dennoch so lange in Griechenland geblieben, weil es fünf Jahre gedauert habe, bis sein Asylantrag positiv verbeschieden worden sei. Außerdem sei er in einer Beziehung mit einer Griechin gewesen und es sei einfach nicht besser geworden. Vor der Entscheidung über seinen Asylantrag in Griechenland habe er kein Geld für die Weiterreise gehabt. In Deutschland habe er dagegen mehrere Onkel und Tanten sowie Cousins.
4
Mit Bescheid vom 28.04.2023 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziff. 1). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2). Dem Antragsteller wurde die Abschiebung nach Griechenland angedroht (Ziff. 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gem. § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 4).
5
Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Asylantrag sei gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig, da dem Antragsteller laut Schreiben der griechischen Behörden bereits in Griechenland internationaler Schutz gewährt worden sei. Der Antrag werde daher in Deutschland nicht materiell geprüft.
6
Der Entscheidung des Asylantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG stehe auch nicht entgegen, dass der EuGH mit Urteil vom 19.03.2019 (Az.: C-297/17) entschieden habe, dass eine Ablehnung des Asylantrags als unzulässig, weil dem Antragsteller in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits internationaler Schutz gewährt worden sei, nur dann möglich sei, wenn der Antragsteller keiner ernsthaften Gefahr ausgesetzt sei, aufgrund der Lebensumstände, die ihn im Mitgliedstaat erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK zu erfahren. Eine derartige Menschenrechtsverletzung drohe dem Antragsteller in Griechenland nicht. Zwar verkenne man nicht die derzeit schwierigen Lebensverhältnisse von international Schutzberechtigten in Griechenland, von einer allgemeinen Unzumutbarkeit bei einer Rückkehr nach Griechenland könne aber nicht ausgegangen werden (wird umfassend ausgeführt). Dem Antragsteller sei es möglich, mit der erforderlichen Eigeninitiative zu vermeiden, dass er in eine Situation extremer materieller Not gerate, die ihm es nicht erlauben würde, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Der Vortrag, dass er nicht nach Griechenland, sondern in Deutschland bleiben wolle, lasse nicht auf systemische Mängel in Griechenland schließen. Persönliche Präferenzen im Hinblick auf den schutzgewährenden Mitgliedstaat könnten nicht berücksichtigt werden, da es im Rahmen des gemeinsamen europäischen Asylsystems für Asylsuchende keine Wahlmöglichkeit gebe, mit der diese selbst entscheiden könnten, in welches europäische Land man gehe, um Schutz zu suchen. Soweit der Antragsteller vorgetragen habe, es gebe keine Sicherheit und Arbeit in Griechenland und das Leben für Flüchtlinge sei dort sehr schwer, sei festzuhalten, dass sich hieraus ebenfalls kein systemischer Mangel ableiten lasse. Eine Verletzung des Art. 3 EMRK läge nur vor, wenn im Falle einer Überstellung nach Griechenland der Antragsteller seine elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigen könnte. Eine möglicherweise vorhandene besondere Verletzlichkeit sei durch den Antragsteller nachzuweisen. Von diesem werde aber nicht nachvollziehbar und hinreichend dargelegt, dass er sich nach den Schutzgewährungen erfolglos um Versorgungs- und Hilfeleistungen bemüht habe. Er habe auch nicht angegeben, dass er Grundsicherung beantragt habe. Daneben seien die Lebensumstände mit Blick auf den Aufenthalt nach der Schutzzuerkennung von ungefähr zwei Jahren und drei Monaten weitestgehend ungeklärt. Der Antragsteller habe die Lebensumstände insoweit nicht genauer dargelegt. Es könne nicht erkannt werden, dass dem Antragsteller im Falle der Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine existenzkritische Situation drohe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der gesunde und arbeitsfähige Antragsteller erneut in der Lage sein werde, den Lebensunterhalt selbst zu organisieren. Die humanitären Bedingungen in Griechenland, unter denen der Antragsteller als anerkannter Schutzberechtigter leben werde, stellten daher keine unabhängig von seinem Willen oder seinen Entscheidungen ergehende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar.
7
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK seien nicht einschlägig. Hinsichtlich der Situation, in der der Antragsteller im schutzgewährenden Staat leben werde, könne keine andere Wertung erfolgen, als schon zu den Voraussetzungen der Unzulässigkeit anhand der Anforderungen des EuGHs erfolgt sei.
8
Gefahren i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die dem Antragsteller bei einer Abschiebung nach Griechenland drohen könnten, seien weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
9
Die Abschiebungsandrohung sei nach §§ 34, 35 AsylG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Um eine mit der Rückführungsrichtlinie zu vereinbarende modifizierte Anwendung zu erreichen, erfolge die Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO. Hierdurch beginne die Ausreisefrist nicht vor Ablauf der Klagefrist zu laufen, im Falle einer fristgerechten Stellung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht vor Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts über diesen.
10
Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gem. § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Die Befristung auf 30 Monate sei im vorliegenden Fall angemessen. Die Frist beginne mit der Abschiebung. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange seien weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
11
Mit Schriftsatz vom 07.05.2023, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage (Az.: B 7 K 23.30403) gegen den Bescheid vom 28.04.2023 und beantragt zugleich, gem. § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
12
Eine Begründung erfolgte nicht.
13
Mit Schriftsatz vom 11.05.2023 beantragt das Bundesamt für die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
14
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, eine Abhilfeentscheidung im Klageverfahren komme nicht in Betracht. Vorliegend seien „besondere Umstände des Einzelfalls“ gegeben. Nach sechs Jahren Aufenthalt in Griechenland (davon über zwei Jahre nach der Zuerkennung der Schutzberechtigung), zudem längere Zeit in einer Beziehung mit einer Griechin lebend, sei davon auszugehen, dass der Antragsteller hinreichend integriert gewesen sei und sich bei einer Rückkehr auch relativ schnell wieder integrieren könne. Dass er seine Miete und sein Essen selber bezahlen müsse, sei ein Umstand, der ihn auch bei einem Verbleib in Deutschland erwarte. Eine eigene Wohnung stünde ihm auch in Deutschland nicht zu.
15
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
16
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 5 VwGO ist gem. §§ 122, 88 VwGO als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziff. 3 des Bescheids vom 28.04.2023 ausgesprochene Abschiebungsandrohung nach Griechenland auszulegen.
17
2. Der so zu verstehende Antrag ist zwar zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
18
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris; VG Augsburg, B.v. 28.3.2017 – Au 7 S 17.30519 – juris).
19
Die Androhung der Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland begegnet bei Anlegung des obigen Maßstabs keinen rechtlichen Bedenken. Die Klage wird mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben. Damit kommt auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessensabwägung nicht in Betracht.
20
a) Nach § 35 AsylG droht das Bundesamt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war. Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag in Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Diese Voraussetzungen liegen vor. Nach Mitteilung der zuständigen Behörde in Griechenland wurde dem Antragsteller bereits in Griechenland internationaler Schutz i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt.
21
b) Die Unzulässigkeitsentscheidung ist auch nicht aufgrund der gegenwärtigen Lebensverhältnisse in Griechenland rechtswidrig. Das Bundesamt dürfte im vorliegenden Einzelfall des Antragstellers von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG Gebrauch machen.
22
Liegen die geschriebenen Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor, kann eine Unzulässigkeitsentscheidung nach der Rechtsprechung des EuGHs aus Gründen des vorrangigen Unionsrechts gleichwohl ausnahmsweise ausgeschlossen sein, wenn die Lebensverhältnisse, die den Antragsteller als anerkannter Schutzberechtigter in dem anderen Mitgliedstaat erwarten, diesen der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC zu erfahren. Unter diesen Voraussetzungen ist es den Mitgliedstaaten untersagt, von der durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen (vgl. EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540.17 – juris; EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297-17 – juris; BVerwG, U.v. 17.6.2020 – 1 C 35/19 – juris; BVerwG, U.v. 21.4.2020 – 1 C 4/19 – juris). Damit ist geklärt, dass Verstöße gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK (vgl. SächsOVG, U.v. 15.6.2020 – 5 A 382.18 – juris) im Mitgliedstaat der anderweitigen Schutzgewährung nicht nur bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Nichtfeststellung von Abschiebungsverboten bzw. einer Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen sind, sondern bereits zur Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung führen.
23
Dem hiesigen Antragsteller droht jedoch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („ernsthafte Gefahr“, vgl. BVerwG, U.v. 17.6.2020 – 1 C 35/19 – juris) eine derartige Behandlung zu erfahren.
24
aa) Systemische oder allgemeine oder bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen fallen nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann unter Art. 4 GRC, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt und die dann erreicht wäre, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich die betroffene Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann.
25
bb) Für in Griechenland anerkannte Schutzberechtigte besteht nach der Rechtsprechung -vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls – grundsätzlich die ernsthafte Gefahr, dass sie im Falle ihrer Rückkehr nach Griechenland ihre elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum nicht befriedigen können und damit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK erfahren (so auch OVG Bautzen, U.v. 27.4.2022 – 5 A 492/21 A – juris; OVG Münster, B.v. 5.4.2022 – 11 A 314/22.A – juris; VGH Mannheim, U.v. 27.1.2022 – A 4 S 2443/21 – juris; VG Kassel, B.v. 23.2.2023 – 7 L 263/23.KS.A – juris m.w.N.; VG Bremen, U.v. 23.2.2023 – 5 K 1434/22 – juris m.w.N.). Dies dürfte nach der überwiegenden Rechtsprechung auch für in Griechenland anerkannte Schutzberechtigte gelten, die alleinstehend, gesund und arbeitsfähig sind. Diese Annahme bedarf im vorliegenden Verfahren jedoch keiner Vertiefung, da trotz der allgemeinen Verhältnisse in Griechenland eine Unzulässigkeitsentscheidung jedenfalls im Einzelfall rechtmäßig sein kann, wenn in der Person des Antragstellers besondere Umstände vorliegen, welche eine Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK als unwahrscheinlich erscheinen lassen. Liegen solche besonderen Umstände vor (beispielsweise langjähriger früherer Aufenthalt im Drittstaat), obliegt es nämlich dem jeweiligen Antragsteller im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten konkret darzulegen, warum (auch gerade) ihm eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. VG Bremen, U.v. 23.2.2023 – 5 K 14.34/22 – juris). Solche besonderen Umstände des Einzelfalls sind vorliegend gegeben. Der Antragsteller hat insbesondere – trotz der beachtlichen Länge seines Voraufenthalts – nicht annähernd dargelegt, dass er bei einer Rückkehr nach Griechenland in eine Situation extremer materieller Not geraten wird. Der Antragsteller lebte von 2016 bis Mitte 2022 in Griechenland. Nach Aktenlage hat er in Griechenland erst Ende 2018 und damit über zwei Jahre nach der dortigen Einreise einen Asylantrag gestellt. Von daher hat es der Antragsteller augenscheinlich geschafft – offensichtlich ohne staatliche Unterstützung im Rahmen eines laufenden Asylverfahrens – sich über zwei Jahre in Griechenland „durchzuschlagen“. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund dessen, dass zu dieser Zeit deutlich schlechtere Bedingungen für Asylbewerber bzw. Migranten in Griechenland vorherrschten. Soweit der Antragsteller beim Bundesamt vortrug, es habe fünf Jahre gedauert, bis sein Asylantrag positiv verbeschieden worden sei, ist dies dem Antragsteller offensichtlich selbst zuzurechnen, da er eine unverzügliche Antragstellung bei Einreise in Griechenland unterlassen hat. Laut Aktenlage wurde der Asylantrag nämlich erst Ende 2018 gestellt. Ferner hat der Antragsteller – offensichtlich nach der Zuerkennung des internationalen Schutzes – vom Jahre 2020 an bis zu seiner Ausreise in Athen gelebt, ohne dass nur annährend aufgezeigt wurde, dass er dort als anerkannter Flüchtling eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erfahren hat. Außer „kleinerer Reiberein“ mit der Polizei ist insoweit nichts vorgetragen. Er hat in Griechenland offensichtlich in einer Beziehung mit einer Griechin gelebt und war dort sozial integriert. Einen plausiblen Grund für die Weiterreise nach Deutschland hat der junge, gesunde und erwerbsfähige Antragsteller nicht angegeben. Ihm war es offensichtlich auch möglich, in Griechenland zu arbeiten. Selbst Tätigkeiten in der Schattenwirtschaft können nach ständiger Rechtsprechung zur Sicherung des Existenzminimums beitragen und sind im Rahmen der zumutbaren Erwerbsmöglichkeiten vom Antragsteller wahrzunehmen. Allein die Tatsache, dass es in Griechenland „sehr schwer“ gewesen sein soll und er dort keine Zukunft sieht, führt nicht zum Vorhandensein einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. EuGH-Rechtsprechung. Dass der Antragsteller in Griechenland seine Miete und sein Essen selber bezahlen musste, führt per se ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung durch das Bundesamt. Dass nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die Asylbewerberleistungen eingestellt werden, ist systemimmanent und beispielsweise auch in der Bundesrepublik Deutschland so. Dass ihm anderweitige staatliche Unterstützungsleistungen nach Anerkennung als Asylbewerber verweigert wurden, lässt sich dem Vortrag ebenfalls nicht entnehmen. Der Antragsteller hat sich nicht einmal annähernd dahingehend geäußert, ob er überhaupt versucht hat, staatliche Unterstützungsleistungen für sich zu beanspruchen. Für das Gericht drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass der Antragsteller – nach Scheitern seiner Beziehung mit einer Griechin – aufgrund der besseren Lebensumstände nach Deutschland weitergereist ist.
26
Aufgrund der Gesamtumstände des hiesigen Antragstellers vermag das Gericht daher im konkreten Einzelfall nicht zu erkennen, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Griechenland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
27
3. Die unter Ziff. 2 des Bescheids getroffene Feststellung des Fehlens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist aus den oben genannten Gründen ebenfalls nicht zu beanstanden.
28
Die Abschiebungsandrohung unter Ziff. 3 des Bescheids wird sich daher im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen, so dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung ohne Erfolg bleibt.
29
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gem. § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
30
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).