Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 15.03.2023 – B 6 S 23.181
Titel:

Versagung der Aufenthaltserlaubnis bei Wechsel des Aufenthaltszwecks rechtmäßig

Normenketten:
AufenthG § 16a Abs. 1 S. 1, § 19c Abs. 1, § 39 Abs. 1, § 51 Abs. 1 Nr. 1
BeschV § 12 S. 1
Leitsatz:
Die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn der Antrag rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer des seitherigen Titels gestellt wird und kein Wechsel des Aufenthaltszwecks vorliegt. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufenthaltserlaubnis für Beschäftigung im Anschluss an Tätigkeit als Au-pair-Mädchen, Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für Au-pair-Beschäftigung unzulässig, Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zur Ausbildung zur Pflegefachfrau erst nach Vorlage eines Ausbildungsvertrages, kein öffentliches Interesse an einer übergangsweisen Beschäftigung im Patiententransport vor Beginn der Ausbildung zur Pflegefachfrau, Tansania, Aufenthaltserlaubnis, Au-pair-Beschäftigung, Ausbildung zur Pflegefachfrau, Ausbildungsvertrag, Visum-Verfahren, Vorab-Zustimmung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16383

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin …, …, wird abgelehnt.
2. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage, die gerichtet ist auf die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis, die Aufhebung der Androhung ihrer Abschiebung und des auf drei Jahre ab dem Tag einer eventuellen Abschiebung befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots. Außerdem beantragt sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
2
Die ledige Antragstellerin, geboren am … in … (Vereinigte Republik Tansania), ist Staatsangehörige ihres Herkunftslandes und besitzt einen bis 28.06.2031 gültigen Reisepass. 2020 erwarb sie an der Universität … (Vereinigte Republik Tansania) ein Diplom in Informationstechnologie. 2021 erhielt sie ein Zertifikat des … in … über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B 1.
3
Auf ihren Antrag vom 01.12.2021 hin erteilte ihr die Deutsche Botschaft in … ein Visum für eine Beschäftigung als Aupair bei einer Familie in … Am 31.01.2022 reiste sie erstmals ins Bundesgebiet ein und nahm die Tätigkeit bei ihren Gasteltern auf. Am 21.04.2022 erteilte ihr das Migrationsamt der … eine bis 31.01.2023 gültige Aufenthaltserlaubnis gemäß § 19c Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 12 BeschV.
4
Nach Ende der einjährigen Beschäftigung als Aupair zog die Antragstellerin zu ihrer Tante M.K., die als Assistenzärztin in der Neurochirurgischen Klinik des Uniklinikums … arbeitet, nach … (Landkreis …*). Am 30.01.2023 meldete sie sich dort an.
5
Nach vorausgegangenem E-Mail-Verkehr zwischen ihrer Tante und der zuständigen Sachbearbeiterin im Landratsamt … ging am 31.01.2023 beim Landratsamt … der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ein, dem als Anlage u.a. ein Krankenversicherungsnachweis beigefügt war. Als Aufenthaltszweck nannte die Antragstellerin „Ausbildung und Arbeitsaufnahme“ und räumte ein, eine Stellenzusage stehe noch aus. Auf Nachfrage erklärte ihre Tante am 03.02.2023, die Antragstellerin habe sich beim Klinikum … und beim Universitätsklinikum … für eine Ausbildung zur Krankenschwester beworben. Ein Ausbildungsvertrag sei noch nicht abgeschlossen, weil die künftigen Arbeitgeber zuvor die Vorlage eines Aufenthaltstitels verlangten. Neben der dreijährigen Berufsausbildung habe sie vor, einem Minijob nachzugehen. Vor dem Ausbildungsbeginn am 01.09.2023 wolle sie in einem Pflegeheim, in der Gastronomie oder bei einer Reinigungsfirma arbeiten. Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis übermittelte sie am 13.02.2023 ein Schreiben des Universitätsklinikums …, das der Antragstellerin am 06.02.2023 mitteilte, ihre Bewerbungsunterlagen um einen Ausbildungsplatz seien an das Dezernat Personalwirtschaft weitergeleitet worden. Ab 16.03.2023 sei sie für eine Beschäftigung im internen Patiententransportdienst des Internistischen Zentrums vorgesehen.
6
Mit Bescheid vom 17.02.2023, der der Antragstellerin per Postzustellungsurkunde am 21.02.2023 zugestellt wurde, lehnte das Landratsamt … den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab (Ziff. 1), forderte die Antragstellerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einem Monat zu verlassen (Ziff. 2), drohte ihr, falls sie nicht oder nicht fristgerecht ausreise, die Abschiebung nach Tansania an, und befristete die Wirkungen der Abschiebung auf die Dauer von drei Jahren beginnend mit dem Tag der Abschiebung (Ziff. 3).
7
Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als Au-pair-Mädchen scheide aus, weil diese Beschäftigung kraft Gesetzes nur für bis zu einem Jahr erlaubt werden dürfe. Eine Verlängerung als Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung komme nicht in Betracht, weil sich die geplante Berufsausbildung nicht unmittelbar an den Au-pair-Aufenthalt anschließe und kein Ausbildungsplatz nachgewiesen sei. Schließlich dürfe auch keine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung unabhängig von einer Qualifikation der Antragstellerin als Fachkraft erteilt werden, weil weder die Beschäftigungsverordnung noch eine zwischenstaatliche Vereinbarung bestimme, dass die Antragstellerin zu der Beschäftigung im Patiententransportdienst, die sie übergangsweise ausüben wolle, zugelassen werden könne.
8
Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf drei Jahre sei angemessen, um dem persönlichen Interesse der Antragstellerin, wiedereinreisen zu können, und dem öffentlichen Interesse, dass die Abschiebung eine anhaltende Wirkung habe, gerecht zu werden.
9
Am 21.02.2023 erhielt die Antragstellerin eine Grenzübertrittbescheinigung, in der eine Ausreisefrist bis 21.03.2023 vermerkt wurde.
10
Mit Schriftsatz vom 02.03.2023 hat die Antragstellerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erheben und beantragen lassen, den Bescheid vom 17.02.2023 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihr eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, hilfsweise unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag erneut zu entscheiden. Dieses Verfahren wird unter dem Az. B 6 K 23.182 geführt.
11
Mit gleichem Schriftsatz vom 02.03.2023 hat die Antragstellerin weiterhin gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragen lassen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
12
Zusätzlich hat sie, ebenfalls am 02.03.2023, beantragen lassen, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin …, …, beizuordnen.
13
Am 02.03.2023 ging bei Gericht auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein.
14
Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragstellerin, die über die dafür erforderlichen Sprachkenntnisse verfüge, habe vor, im September 2023 eine Ausbildung als Krankenschwester, d.h. in einem Mangelberuf, zu beginnen. Zudem stamme sie aus Tansania, einem Staat für eine Anwerbung zur Beschäftigung im Pflegebereich. Dürfe sie den Zeitraum bis zum Beginn der Ausbildung aufenthaltsrechtlich nicht mit der Beschäftigung im Patiententransportdienst überbrücken und müsse stattdessen ausreisen, bestehe die Gefahr, dass das dann zu beantragende Visum nicht bis zum Beginn des Ausbildungsverhältnisses erteilt werde und dadurch dem deutschen Staat Schaden entstehe, weil sich die Ausbildung einer potentiellen Pflegekraft verzögere. Deshalb sei auch beabsichtigt, vorsorglich eine Vorabzustimmung bei der zuständigen Ausländerbehörde zu beantragen.
15
Der Antragsgegner hat binnen der ihm gesetzten Äußerungsfrist am 08.03.2023 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
16
Zur Begründung macht er geltend, der Aufenthaltstitel könne nicht als Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit verlängert werden. Weder die Beschäftigungsverordnung noch eine zwischenstaatliche Vereinbarung mit Tansania bestimme, dass die Antragstellerin zu einer Beschäftigung im Patiententransport innerhalb der Universitätsklinik … zugelassen werden könne. Da die Ausbildung, für die weder ein Ausbildungsvertrag noch zumindest ein konkretes Angebot vorgelegt worden sei, erst in nahezu sechs Monaten anfange, schließe sie sich nicht unmittelbar oder zumindest zeitnah an die am 31.01.2023 abgelaufene bisherige Aufenthaltserlaubnis an. Es könne auch nicht schon ab jetzt erstmals eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausbildung erteilt werden, weil die zur Überbrückung beabsichtigte Tätigkeit nicht Teil der Ausbildung sei und auch nicht dazu diene, sich auf die Ausbildung vorzubereiten.
17
Die Antragstellerin solle deshalb ausreisen. Sobald sie einen Ausbildungsvertrag erhalten habe, könne sie bei der Deutschen Botschaft in … ein Visum zur Ausbildung beantragen. Die Durchführung des Visumverfahrens bis zum geplanten Ausbildungsbeginn am 01.09.2023 sei durchaus möglich.
18
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Behördenakte verwiesen.
II.
19
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin …, …, wird abgelehnt.
20
Gemäß § 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Wird Prozesskostenhilfe bewilligt, so ist in Verfahren ohne Anwaltszwang nach § 121 Abs. 2 ZPO ein Anwalt beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich ist.
21
Hinreichende Erfolgsaussicht für Rechtsverfolgung oder -verteidigung liegt vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Es muss also aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Kläger mit seinem Begehren durchdringen wird.
22
Wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
23
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 17.02.2023 wird abgelehnt. Er ist zulässig, aber unbegründet.
24
a) Der Antrag ist zulässig.
25
aa) Was die Klage betreffend eine Aufenthaltserlaubnis (Ziff. 1 des Bescheides vom 17.02.2023) angeht, ist einstweiliger Rechtsschutz über einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu suchen. Der Antrag, der am 31.01.2023 bei der zuständigen Ausländerbehörde eingegangen ist, wurde rechtzeitig gestellt, bevor die Geltungsdauer des bisherigen Aufenthaltstitels am 31.01.2023 ablief, und hat damit die Fortgeltungsfiktion gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöst. Diese Vergünstigung ist durch die ablehnende Entscheidung im Bescheid vom 17.02.2023 entfallen (zur Statthaftigkeit eines Antrages gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vgl. statt aller Kluth, in: Kluth/Heusch, BeckOKAuslR, Stand 01.01.2023, § 81 AufenthG Rn. 48 m. w. N.).
26
bb) Was die Klage gegen die Abschiebungsandrohung (Ziff. 2 des Bescheides vom 17.02.2023) betrifft, die gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO, Art. 21a Satz 1, Art. 29 Abs. 1, Art. 29 Abs. 2 Nr. 4, Art. 34 Satz 1, Art. 36 Abs. 1 Satz 1 BayVwZVG keine aufschiebende Wirkung hat, richtet sich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO.
27
cc) Schließlich ist der Antrag auch hinsichtlich der Anordnung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes (Ziff. 3 des Bescheides vom 17.02.2023) zulässig. Die Anordnung ist gem. § 80 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG i. V. m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG kraft Gesetzes sofort vollziehbar, so dass die Anfechtungsklage auch dagegen keine aufschiebende Wirkung hat (VGH Mannheim, B. v. 13.11.2019 – 11 S 2996.19 – InfAuslR 2020, 106/111f.).
28
b) Der Antrag ist aber unbegründet.
29
Im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung des von der Behörde geltend gemachten Interesses an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und des Interesses des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann (st. Rspr. vgl. nur BVerwG, B. v. 16.09.2014 – 7 VR 1/14 – NVwZ 2015, 82 Rn. 10). Wird die Klage offensichtlich erfolglos bleiben, weil der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist und/oder keine Rechte des Antragstellers verletzt, wird der Antrag abgelehnt (Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 970 m. w. N.).
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aa) Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg, soweit er sich gegen die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis richtet.
31
(1) Die zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretene Antragstellerin hat am 31.01.2023 zwar nur die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung und Arbeitsaufnahme beantragt und die Ausländerbehörde in Ziffer 1 des Tenors des Bescheides vom 17.02.2023 nur die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt. Ein Antrag auf „Verlängerung“ eines Aufenthaltstitels umfasst aber grundsätzlich auch Ansprüche, die auf die Neuerteilung eines Aufenthaltstitels gerichtet sind. Zudem ist bei einem anwaltlich nicht vertretenen Ausländer davon auszugehen, dass er den Antrag stellen will, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspricht und gestellt werden muss, um das erkennbar angestrebte Ziel zu erreichen (VGH Kassel, B. v. 24.11.2016 – 3 BV 2566/16 – InfAuslR 2017, 119/120f.; Samel, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 4 AufenthG Rn.51f.).
32
Das Gericht legt deshalb, wie bereits die Ausländerbehörde in den Gründen des Bescheides, seiner Entscheidung zugrunde, dass die Antragstellerin eine Verlängerung oder Neuerteilung eines Aufenthaltstitels erreichen will, der es ihr erlaubt, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, um zunächst ab dem 16.03.2023 im Patiententransport in der Uniklinik … beschäftigt zu werden und anschließend eine Ausbildung zur Pflegefachfrau zu absolvieren und dabei zusätzlich einer davon unabhängigen Beschäftigung in Gestalt eines Minijobs nachzugehen.
33
2) Die Ablehnung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
34
Die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ist gerichtet auf die weitere lückenlose Legalisierung des Aufenthalts ohne Wechsel des Aufenthaltszwecks. Der Antrag muss deshalb gestellt werden, so lange der bisherige Aufenthaltstitel noch nicht, insbesondere nicht gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG durch Ablauf seiner Geltungsdauer, erloschen ist (BVerwG, U. v. 22.06.2011 – 1 5/10 – BVerwGE 140, 64 Rn. 14 = InfAuslR 2011, 373, jew. Rn. 14). Der gleiche Aufenthaltszweck liegt vor, wenn er dem gleichen Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes entnommen ist wie der Zweck, der der bisherigen Aufenthaltserlaubnis zugrunde lag (BVerwG; U. v. 04.09.2007 -1 C 43.06 – BVerwGE 129, 226 Rn. 12 = InfAuslR 2008, 71/74). Ist der Antrag danach als Verlängerungsantrag zu behandeln einzustufen, finden darauf dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung (§ 8 Abs. 1 AufenthG).
35
a) Nach diesen Vorgaben kann die bisher erteilte Aufenthaltserlaubnis nicht als Aufenthaltserlaubnis für eine Au-pair-Beschäftigung verlängert werden. Nach Ablauf ihres Vertrages als Aupair beabsichtigt die Antragstellerin nicht mehr, sich zu diesem Zweck im Bundesgebiet aufzuhalten. Zudem setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 19c Abs. 1 AufentG, § 39 Abs. 1 AufenthG die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (i .F. Bundesagentur) voraus, die bei Au-pair-Beschäftigung gemäß § 12 Satz 1 BeschV nur für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr erteilt werden darf.
36
b) Auch eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung scheidet aus. Während die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum bisherigen Aufenthaltszweck „Erwerbstätigkeit“ in Kapitel 2 Abschnitt 4 des Aufenthaltsgesetzes geregelt ist, ist ein Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung in Kapitel 2 Abschnitt 3 des Aufenthaltsgesetzes normiert, so dass der bisherige Aufenthaltszweck nicht beibehalten wird.
37
c) Schließlich kommt auch eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nur für den Zeitraum der verabredeten Erwerbstätigkeit der Antragstellerin im Patiententransport vom 16.03.2023 bis 31.08.2023 nicht in Betracht. Auch ihr steht entgegen, dass wegen der Unterbrechung vom 31.01.2023 (Ende der Geltungsdauer der bisherigen Aufenthaltserlaubnis) bis 16.03.2023 (Beginn der Erwerbstätigkeit) keine lückenlose Legalisierung erreicht werden kann.
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(3) Die Ablehnung der (Neu-)Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist nach summarischer Prüfung ebenfalls rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
39
Eine Legalisierung ihres Aufenthalts zu den angegebenen Aufenthaltszwecken ohne vorherige Ausreise, Durchführung eines Visumverfahrens und anschließende Wiedereinreise setzte voraus, dass der Antragsgegner ihr eine Aufenthaltserlaubnis für die Erwerbstätigkeit als Mitarbeiterin im Patiententransport in der Uniklinik … vom 16.03.2023 bis 31.08.2023 und eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ab 01.09.2023 erteilt. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vollständig vor.
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a) Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der betrieblichen Ausbildung erteilt werden, wenn die Bundesagentur zugestimmt hat. Die Zustimmung kann erteilt werden, wenn dies durch die BeschV bestimmt ist (§ 39 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). § 8 BeschV sieht vor, dass die Zustimmung mit Vorrangprüfung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 16a Abs. 1 AufenthG erteilt werden kann.
41
Eine betriebliche Ausbildung ist auch ein Ausbildungsgang an einer berufsbildenden Schule, soweit er insbesondere durch die Zahlung einer Ausbildungsvergütung den Charakter einer betrieblichen Ausbildung hat, wie es gem. § 16 PflegeBG bei der Ausbildung zur Pflegefachfrau der Fall ist (Schöninger, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOKMigR, Stand 15.01.2023, § 16a AufenthG Rn. 7).
42
Eine Aufenthaltserlaubnis kann aber nur erteilt werden, wenn ein bereits abgeschlossener und damit rechtswirksamer Ausbildungsvertrag vorgelegt wurde. Zum einen ist erst dann gegenüber der Ausländerbehörde das Ausbildungsverhältnis als Aufenthaltszweck nachgewiesen, weil § 6 Abs. 1 PflegeBG den Abschluss des Vertrages verlangt, um ein Ausbildungsverhältnis zu begründen (VG Sigmaringen, U. v. 02.02.2021 – 3 K 4481/20 – juris Rn. 21; Fleuß, in: Kluth/Heusch, BeckOKAuslR, Stand 01.01.2023, § 16a AufenthG Rn. 5). Zum zweiten setzt das Prüfprogramm der Bundesagentur für die erforderliche Zustimmung das Bestehen eines - den Ausbildungsbetrieb bindenden – Vertrages voraus (VG Karlsruhe, B. v. 09.06.2022 – 19 K 1524/22 – InfAuslR 2022, 359/363).
43
Die von der Antragstellerin angestrebte Ausbildung zur Pflegefachfrau ist damit zwar eine betriebliche Ausbildung. Ohne Vorlage eines Ausbildungsvertrages, der mit einer entsprechenden vertraglichen Regelung auch bereits abgeschlossen werden kann, wenn noch keine Beschäftigungserlaubnis erteilt wurde (Schöninger, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOKMIgR, Stand 15.01.2023, § 16a AufenthG Rn. 9b.1), kann aber keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, so dass die Ablehnung rechtmäßig ist.
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Ergänzend weist das Gericht im Hinblick auf die Mitarbeit beim Patiententransport vor der Ausbildung darauf hin, dass der Aufenthaltszweck einer Berufsausbildung gemäß § 16a
45
Abs. 1 Satz 3 AufenthG zwar den Besuch eines Deutschsprachkurses zur Vorbereitung auf die Berufsausbildung umfasst, jedoch keine weiteren (übergangsweisen oder vorbereitenden) Beschäftigungen vor Ausbildungsbeginn (VGH Mannheim, B. v. 10.03.2020 – 11 S 2335/19 – juris Rn. 19). Im Übrigen hängt auch die zusätzliche Ausübung eines Minijobs davon ab, dass die Antragstellerin eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausbildung hat. Denn die Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung zur Pflegefachfrau, einer staatlich anerkannten, gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 PflegeBG dreijährigen, und damit nach § 2 Abs. 12a AufenthG qualifizierten Berufsausbildung, erlaubt auch, zusätzlich 10 Stunden pro Woche anderweitig erwerbstätig zu sein (§ 16a Abs. 3 Satz 1 Hs.1 AufenthG).
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b) Auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Beschäftigung im Patiententransport kommt nicht in Betracht.
47
aa) Gemäß § 19c Abs. 1 AufenthG kann eine Aufenthaltserlaubnis unabhängig von einer Qualifikation als Fachkraft zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn die Beschäftigungsverordnung oder eine zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt, dass der Ausländer zur Ausübung dieser Beschäftigung zugelassen werden kann.
48
Diese Vorschrift greift nicht zugunsten der Antragstellerin ein, weil weder die BeschV noch eine Vereinbarung zwischen Deutschland oder der Europäischen Union und Tansania eine entsprechende Regelung enthält, dass die Antragstellerin zur Mitarbeit im Patiententransport zugelassen werden kann.
49
bb) Gemäß § 19c Abs. 3 AufenthG kann im begründeten Einzelfall einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn an seiner Beschäftigung ein öffentliches, insbesondere ein arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht.
50
Die eng auszulegende Auffangnorm darf nicht dazu genutzt werden, den allgemeinen Anwerbestopp zu umgehen, sondern greift nur ein, wenn die Beschäftigung ansonsten nicht zugelassen werden kann. Ein öffentliches Interesse an der Einstellung eines konkreten Ausländers ist namentlich dann gegeben, wenn sie dazu beiträgt, das in dem Unternehmen weitere Arbeitsplätze geschaffen werden oder verhindert, dass Arbeitsplätze abgebaut werden. Die Sondervorschrift ist im Gegensatz dazu aber nicht schon dann anzuwenden, wenn ein privater Arbeitgeber bekundet, den Ausländer einstellen zu wollen, die Nichtzulassung zu individuellen Härten führt oder der Ausländer in einem Mangelberuf beschäftigt werden soll (Bergmann/Broscheit, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 19c AufenthG Rn. 13-16).
51
Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass bei ihr die Voraussetzungen der Zulassungsnorm gegeben sind. Zwar kann die Beschäftigung als Mitarbeiterin im Patiententransportdienst nicht auf der Grundlage des Katalogs der BeschV zugelassen werden. Die Sonderregelung greift aber nicht zu ihren Gunsten ein, weil an der übergangsweisen Beschäftigung bis zur Aufnahme der Ausbildung ein privates, aber kein öffentliches Interesse besteht.
52
Ein öffentliches Interesse lässt sich einerseits nicht aus § 38 BeschV ableiten. Diese Vorschrift erlaubt nicht die bevorzugte Anwerbung von Auszubildenden im Pflegebereich aus Tansania, sondern bezweckt, privaten Dienstleistern die Anwerbung und Arbeitsvermittlung in Gesundheits- und Pflegeberufen aus den 57 Ländern, darunter Tansania, die in der Anlage zur BeschV aufgeführt sind, zu untersagen. Gleiches gilt für die private Rekrutierung und Vermittlung in Ausbildungsverhältnisse in den beiden Bereichen (BVerwG, U. v. 19.11.2019 – 1 C 41.18 – BVerwGE 167, 98 = InfAuslR 2020, 150, jew. Rn. 20).
53
Andererseits liegt es auch nicht im öffentlichen Interesse, dass der Antragstellerin der weitere Aufenthalt in den nächsten Monaten vom 16.03.2023 bis 31.08.2023 erlaubt wird, damit sie nicht Gefahr läuft, weil sie zuvor ein Visumverfahren in Tansania durchführen muss, nicht rechtzeitig zum Ausbildungsstart am 01.09.2023 zurück zu sein. Dagegen spricht schon, dass es nach den Angaben der Deutschen Botschaft in … (aufgerufen am 14.03.2023) bis zu vier Wochen dauern kann, bis ein Termin zur Verfügung steht (www. …diplo.de Visa – long term (National visa) Before you start. 3.Schedule an appointment online) und für das Visumverfahren dann ein bis drei Monate einzuplanen sind (www. …diplo.de Information sheet: National Visa for vocational training Section 16a Residence Act. Basic information). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Dauer des Verfahrens so kurz als möglich gehalten werden kann, wenn eine Vorabzustimmung vorgelegt wird, die die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin beschaffen will. Damit hat die Antragstellerin, insbesondere, wenn sie eine Vorabzustimmung der Ausländerbehörde, in deren Bezirk sie ihre Ausbildung absolviert, vorlegt, gute Chancen, ihr Ziel zu erreichen, sich nach Durchführung eines Visumverfahrens im Bundesgebiet aufhalten zu dürfen, um rechtzeitig ihre Ausbildung zu beginnen und durchzuführen und einen Minijob auszuüben.
54
bb) Der Antrag ist auch unbegründet, soweit er sich gegen die Abschiebungsandrohung richtet. Denn die Androhung der Abschiebung gemäß § 59 Abs. 1 AufenthG in ihr Herkunftsland Tansania für den Fall, dass sie die Ausreisefrist von einem Monat ab Zustellung des Bescheides nicht einhält (§ 59 Abs. 1 AufenthG) ist aller Voraussicht nach rechtmäßig, so dass die Anfechtungsklage allem Dafürhalten nach keinen Erfolg haben wird.
55
cc) Schließlich ist der Antrag auch unbegründet, soweit er sich gegen das auf drei Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot richtet.
56
Auch insoweit verspricht die dagegen gerichtete Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg. Der Antragsgegner geht nach dem Tenor und der Begründung des Bescheides zwar davon aus, dass die Wirkungen der Abschiebung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG a. F. von Gesetzes wegen eintreten, statt das Einreise- und Aufenthaltsverbot im Einzelfall anzuordnen, wie es der Gesetzeslage seit 21.08.2019 entspricht. Die Ermessensentscheidung über die Befristung gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist jedoch unionsrechtskonform als konstitutiver Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots von bestimmter Dauer auszulegen (BVerwG, U. v. 07.09.2021 – 1 C 47/20 – BVerwGE 176, 201 = InfAuslR 2022, 36, jew. Rn. 36). Die Länge der Sperre hält das grundsätzlich geltende gesetzliche Höchstmaß von fünf Jahren nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ein und ist auch sonst nicht zu beanstanden.
57
3. Als unterliegender Teil trägt die Antragstellerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Höhe des Streitwertes bemisst sich nach § 63 Abs. 2 GKG, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffern 8.1 und 1.5 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.