Titel:
Erfolgreiche Klage gegen Rückforderung von Ausbildungskosten nach Entlassung aus der Bundeswehr wegen Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse
Normenketten:
SG § 55 Abs. 4 S. 2, § 56 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, S. 3
StGB § 86a
Leitsätze:
1. Die behauptete Verkennung der Voraussetzungen einer Entlassung nach § 55 Abs. 4 SG führt nur dann zur Nichtigkeit einer bestandskräftigen Entlassungsverfügung, wenn die Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr gerechtfertigt erscheint (hier abgelehnt für die Entlassung wegen fehlender Eignung infolge Verwendung einer der Uniformen von Hitlerjugend bzw. Afrika-Korps ähnlichen Kleidung unter gleichzeitigem Zitat eines verbotenen Liedtextes). (Rn. 27 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Berücksichtigung einer besonderen Härte scheidet nicht von vornherein aus, wenn der Erstattungspflichtige die Beendigung des Dienstverhältnisses grob fahrlässig oder vorsätzlich selbst herbeigeführt hat. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Beklagte verletzt das ihr eingeräumte Härtefall-Ermessen, wenn sie weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Erstattungspflichtigen ermittelt noch eine Gewährung von Ratenzahlungen vorsieht. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rückforderung von Ausbildungskosten nach Entlassung aus der Bundeswehr wegen mangelnder Eignung, Härtefall (wirtschaftliche Existenzgefährdung), Rückforderung, Ausbildungskosten, Soldat, Eignung, Entlassung, besondere Härte, wirtschaftliche Verhältnisse, grobe Fahrlässigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16380
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 28.10.2021 und der Widerspruchsbescheid vom 11.08.2022 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 v.H. des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Ausbildungskosten.
2
Aufgrund seiner Erklärung vom 10.03.2014 wurde der Kläger mit Verfügung des Karrierecenters der Bundeswehr München vom 13.05.2014 zur Ableistung eines elfmonatigen freiwilligen Wehrdienstes ab dem 01.10.2014 in die Bundeswehr eingestellt. Aufgrund seiner Bewerbung vom 18.08.2015 und der abgegebenen Verpflichtungserklärung vom 15.02.2016 wurde er mit Verfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) – Assessmentcenter für Führungskräfte der Bundeswehr – Referat 6 – Einplanung und Transfermanagement – Sachgebiet Heer 511 vom 15.02.2016 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes zum 27.06.2016 übernommen. Mit Ernennungsurkunde des Präsidenten des BAPersBw vom 13.06.2016, dem Kläger am 29.06.2016 ausgehändigt, wurde er zum 01.07.2016 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde auf Grundlage seiner Verpflichtungserklärung vom 15.02.2016 über eine Verpflichtungszeit von fünfzehn Jahren zunächst auf sechs Jahre mit vorläufigem Dienstzeitende am 30.09.2020 festgesetzt. Im Verlauf seiner militärischen Ausbildung hat der Kläger in der Zeit vom 01.10.2017 bis zum 25.05.2019 ein Studium im Studiengang Maschinenbau FH an der Universität der Bundeswehr absolviert. Zu einer Verlängerung der festgesetzten Dienstzeit auf fünfzehn Jahre gemäß der abgegebenen Verpflichtungserklärung ist es nicht gekommen, da der Kläger mit Ablauf des 25.05.2019 gemäß § 55 Abs. 4 des Soldatengesetzes (SG) wegen mangelnder Eignung aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entlassen wurde. Der Entlassungsbescheid vom 24.04.2019 ist bestandskräftig.
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Mit Leistungsbescheid vom 28.10.2021 forderte das BAPersBw den Kläger auf, die anlässlich des Studiums der Fachrichtung „Maschinenbau FH“ an der Universität der Bundeswehr entstandenen Kosten zu erstatten. Der Erstattungsbetrag wurde auf 48.667,51 Euro festgesetzt und sollte unverzüglich und in voller Höhe auf das angegebene Konto überwiesen werden.
4
Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SG müsse ein früherer Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit seinem Studium oder einer Fachausbildung verbunden gewesen sei und der seine Entlassung nach § 55 Abs. 4 SG vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt habe, die entstandenen Kosten seines Studiums oder einer Fachausbildung erstatten. Über die Erstattungsbestimmungen sei der Kläger am 05.10.2015, am 15.02.2016, am 29.06.2016 und am 07.12.2018 schriftlich belehrt worden. Der Kläger habe seine Entlassung gemäß § 55 Abs. 4 SG zumindest grob fahrlässig verursacht. Dabei liege die ihm vorzuwerfende Pflichtverletzung darin, dass er sich in seinem Profilbild des Messenger-Dienstes WhatsApp mit schwarz/anthrazitfarbiger Feldmütze und einem beige/braunen Hemd präsentiert habe, welches an die Uniform der Hitlerjugend und die des Afrika-Korps erinnert habe. Darüber hinaus sei sein Profilbild mit einem Statustext unterlegt gewesen, welches dem Lied „Ein junges Volks steht auf“ entsprungen sei und als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation im Sinne des § 86a des Strafgesetzbuches (StGB) verboten sei. Der Kläger habe eingeräumt, dass durch die verwendete Bekleidung durchaus der Eindruck erweckt worden sein könnte, dass es sich um die Uniform der Hitlerjugend gehandelt habe. Damit habe die Handlung des Klägers berechtigter Weise zu Zweifeln an seiner Verfassungstreue sowie zu einem Achtungs- und Vertrauensverlust geführt, welche als Folge auch seine Vorbildfunktion als künftiger Offizier nachhaltig beschädigt habe. Ausweislich der als Anlage beigefügten Kostenzusammenstellung des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw) vom 21.07.2021, die Bestandteil des Bescheides sei, seien anlässlich des Studiums des Klägers an der Universität der Bundeswehr Ausbildungskosten in Höhe von 48.667,51 Euro entstanden.
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Die Tatsache, dass der Erstattungsbetrag grundsätzlich sofort und in voller Höhe fällig sei, begründe mit Blick auf die bestehenden Pfändungsschutzvorschriften im Regelfall keine besondere Härte im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG. Anhaltspunkte für eine wirtschaftliche Existenzgefährdung seien im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Auf die Anhörung zur Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse vom 05.08.2021 habe der Kläger keinen Antrag auf Ratenzahlung oder Stundung des Rückforderungsbetrages gestellt. Da beim Kläger grobe Fahrlässigkeit anzunehmen sei, scheide ein Vergleich zu den Kosten an einer zivilen Universität und eine sich daraus ggf. ergebende Unverhältnismäßigkeit aus. Auch wenn der Kläger sein Studium während der Bundeswehrzeit nicht erfolgreich habe abschließen können, sei das von ihm hinzugewonnene Wissen in über fünf vollständig absolvierten Trimestern sowohl im privaten Bereich als auch in einigen Berufen vorteilhaft. Mit seinem Einwand, dass sich die Kosten des Studiums bei höherer Studierendenzahl verringern müssten, könne der Kläger nicht durchdringen. Das Studium bei der Bundeswehr sei ein Intensivstudium, welches sich durch eine hohe Betreuungsquote (Verhältnis Student zu Dozent/Professoren) und ein intensives Studienangebot (Trimester statt Semester) auszeichne. Daher müssten, wie der Kostenermittlung des BAIUDBw zu entnehmen sei, bei steigenden Studierendenzahlen (jedes Jahr um ca. 35 bis 50 Studierende) auch die Personal- und sonstigen -Kosten ansteigen.
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Mit Schreiben vom 25.11.2021 erhob der Kläger beim BAPersBw Widerspruch gegen den Leistungsbescheid vom 28.10.2021. Zur Begründung führte er aus, dass er derzeit studiere und bis 2023 kein Einkommen erzielen werde. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass er sich neben dem Studium um seine kranke Mutter kümmern müsse. Darüber hinaus habe er seine Entlassung nicht grob fahrlässig herbeigeführt. Dies sei im Übrigen Gegenstand eines Disziplinarverfahrens vor dem Truppendienstgericht. Es werde auf die Vergleichsmöglichkeit verwiesen, einen Erstattungsbetrag in Höhe von 18.000,00 Euro zu leisten, sofern auf den Restbetrag verzichtet und eine angemessene Stundungsregelung miteinbezogen werde.
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Mit Bescheid des BAPersBw vom 11.08.2022 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Vortrag des Klägers im Widerspruchsverfahren nicht geeignet sei, von der Rückforderung abzusehen oder den Erstattungsbetrag zu reduzieren. Der angegriffene Bescheid trage auch der Härtefallregelung in § 56 Abs. 4 Satz 3 SG in nicht zu beanstandender Weise Rechnung. Lediglich die wegen ihrer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer entlassenen Soldaten hätten die Kosten einer Fachausbildung nur insoweit zu erstatten, als ihnen ein Vorteil aus der Ausbildung verblieben sei. Die Ermittlung der tatsächlichen Kosten durch das BAIUDBw vom 21.07.2021 fuße auf einer Kostenträgerrechnung. Die Basisdaten/Kosten zur Durchführung des Lehrbetriebes in den einzelnen Studiengängen würden von der Abteilung Controlling der Universität der Bundeswehr (UniBw) für jedes Studienjahr gesondert ermittelt und dem BAIUDBw sodann zur Verfügung gestellt. Die durchschnittlichen Kosten eines Studienplatzes der UniBw ergäben sich durch eine Divisionskalkulation durch die Anzahl der Studierenden des jeweiligen Jahrgangs im entsprechenden Fachbereich. Soweit der Kläger vortrage, dass er über kein Einkommen verfüge und die Rückforderung seine wirtschaftliche Existenz gefährde, lägen hierzu keinerlei Anhaltspunkte vor. Dem klägerischen Vorschlag, den Erstattungsbetrag auf 18.000,00 Euro zu reduzieren und auf weitere Rückforderungsansprüche zu verzichten, könne aus haushälterischen Gründen nicht zugestimmt werden.
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Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 17.08.2022, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 18.08.2022 eingegangen, hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28.10.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.08.2022 aufzuheben sowie die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich der Kläger gegen die Höhe des geltend gemachten Rückzahlungsanspruchs stelle. Die Berechnung sei undurchsichtig, intransparent und mitunter willkürlich. Mit Eröffnungs- und Anhörungsniederschrift vom 07.12.2018 sei dem Kläger eröffnet worden, dass er aus dem Dienst entlassen werden solle. Die folgenden Maßnahmen seien eine reine Formalität gewesen. Der Kläger sei also spätestens seit Anfang Dezember 2018 mit der Situation konfrontiert gewesen, dass er keine Zukunft bei der Bundeswehr und keine Aussicht gehabt habe, sein begonnenes Studium abzuschließen. Mithin sei es ihm weder möglich gewesen seit dieser Mitteilung ordentliche Prüfungen abzulegen, noch das Semester für seinen Ausbildungsfortschritt sinnvoll zu nutzen. Insofern sei die Geltendmachung der Ausbildungskosten für den kompletten Zeitraum vom 01.10.2018 bis 25.05.2019 (in der Aufstellung mit „2018/2019“ überschrieben) rechtsfehlerhaft. Aus der übersandten Aufstellung lasse sich entnehmen, dass die UniBw in dem genannten Studiengang offensichtlich eine Verbreiterung des Studienganges vorgenommen habe, mit dem Effekt, dass die Kosten pro Studienplatz/Tag im Laufe der Zeit gefallen seien. Nach aller Erfahrung verhalte es sich so, dass hierbei in den vorangegangenen Studienjahren höhere Investitionen getätigt worden seien, als eigentlich notwendig gewesen seien, so dass der Kläger diese „Investitionskosten“ für eine Vergrößerung der Studienkapazitäten mittragen solle, ohne von diesen in irgendeiner Form zu profitiert zu haben. Während im Studienjahr 2017/2018 die täglichen Studienplatzkosten bei 81,38 Euro pro Tag gelegen hätten, hätten diese beispielsweise im darauffolgenden Studienjahr 2018/2019 nur noch 57,43 Euro pro Tag/Person betragen. Einer gerichtlichen Überprüfung sei zu unterziehen, ob dieser Trend weiterhin angehalten habe, so dass die Berechnungsgrundlage insofern bereits insgesamt nicht nachvollziehbar sei. Selbiges gelte für die sprunghafte Erhöhung der Materialkosten um 50.000,00 Euro von 2017/2018 auf 2018/2019. Schließlich müsse sich der Kostenerstattungsanspruch an den vergleichbaren Kosten eines zivilen Studiums messen lassen. Selbst an der Privathochschule SRH koste ein Studienplatz 650,00 Euro pro Monat, mithin 7.800,00 Euro pro Jahr. Bei einer anzurechnenden Studiendauer von rund einem Jahr läge der zu erstattende Gesamtbetrag mithin bei knapp 8.000,00 Euro. Selbst wenn man bei Trimestern davon ausgehen müsse, dass die Kosten pro Jahr um 50% erhöht seien, wären dies lediglich 12.000,00 Euro. Schließlich werde darauf hingewiesen, dass die Entlassung des Klägers ausweislich des Urteils des Truppendienstgerichtes unzulässig erfolgt sei.
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Mit Schriftsatz vom 07.11.2022 beantragt das BAPersBw für die Beklagte,
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass der angegriffene Leistungsbescheid vom 28.10.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2022 rechtmäßig sei. Der Kläger greife mit seinem Einwand, die Geltendmachung der Ausbildungskosten für den kompletten Zeitraum vom 01.10.2018 bis 25.05.2019 sei rechtsfehlerhaft, nicht durch. Dem Kläger sei mit Eröffnungs- und Anhörungsniederschrift vom 07.12.2018 (Bl. 17 der Festsetzungsakte) mitgeteilt worden, dass sein nächster Disziplinarvorgesetzter bei der personalbearbeitenden Stelle seine Entlassung beantragt habe, und nicht, dass er entlassen werde. Laut Exmatrikulationsbescheinigung vom 29.05.2019 habe der Kläger sein Studium zum 25.05.2019 beendet. Bis zu seiner Exmatrikulation habe es dem Kläger zugestanden, Lehrveranstaltungen zu besuchen und Leistungen zu erbringen. Nach der Auskunft des Prüfungs- und Praktikantenamtes der Bundeswehr sei ein Studierender gemäß der Immatrikulations- und Exmatrikulationsordnung sogar verpflichtet, an Lehrveranstaltungen und Prüfungen teilzunehmen. Die Pflicht entfalle erst mit der Exmatrikulation. Es sei für die Frage der Rechtmäßigkeit der Rückforderung der Ausbildungskosten nach § 56 Abs. 4 SG überdies irrelevant, ob der ehemalige Soldat das Studium abschließe, ob er Leistungsnachweise erlange oder ob die eventuell erworbenen Leistungen im weiteren Ausbildungsweg angerechnet werden könnten. Auch wenn kein Abschluss- bzw. Leistungsnachweis erlangt werde, würden bei einer nicht rein militärischen Zwecken dienenden Ausbildung – wie im Falle des Klägers – Kenntnisse erworben, die im zivilen Berufsleben verwendbar seien und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbesserten. Es komme nicht darauf an, wie weit die Ausbildung bei Ausscheiden aus der Bundeswehr fortgeschritten gewesen sei. Auch die konkrete Verwertbarkeit für den Kläger sei ohne Belang, da es ausschließlich um die abstrakte zivile Nutzbarkeit gehe. Entscheidend sei, dass der ehemalige Soldat Kenntnisse und Fähigkeiten erworben habe, die er nach dem Ausscheiden aus dem Soldatenverhältnis nutzen könne, sei es auch nur im Rahmen einer zusätzlichen Ausbildung oder als Grundlage für eine noch abzulegende Prüfung.
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Soweit der Kläger die Höhe der Ausbildungskosten an der Universität der Beklagten moniere, sei darauf hinzuweisen, dass das Studium an der Universität der Bundeswehr anders organisiert sei als ein Studium an einer zivilen Universität. Die Universität der Beklagten ermögliche ein in Trimestern organisiertes Intensivstudium mit einer Individualbetreuung der Studierenden. Viele akademische Veranstaltungen fänden in Kleingruppen statt, das Betreuungsverhältnis zwischen Professorenschaft und Studierenden von etwa 1:18 ermögliche engen Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden. Im Gegensatz dazu habe der Betreuungsschlüssel an den staatlichen Universitäten im Jahr 2015 bundesweit bei 1:73 gelegen.
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Soweit der Kläger darauf hinweise, dass die Entlassung nach dem Urteil des Truppendienstgerichtes unzulässig erfolgt sei, sei dies für das hiesige Verfahren irrelevant. Stehe nämlich bestandskräftig fest, dass das Dienstverhältnis des Soldaten auf Zeit geendet habe, könne der frühere Soldat im Rechtsstreit über die Erstattungspflicht hiergegen keine Einwände mehr vorbringen.
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Mit Schriftsatz vom 25.01.2023 stimmte der Klägerbevollmächtigte einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu. Mit Schriftsatz vom 07.02.2023 erklärte die Beklagte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der vorgelegten Behördenakte, § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Entscheidungsgründe
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Mit Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
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I. Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
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Der Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 28.10.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2022 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weshalb die beiden vorgenannten Bescheide aufzuheben waren (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Zwar geht die Beklagte zutreffend davon aus, dass der Kläger gemäß § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SG grundsätzlich zur Rückzahlung von Ausbildungskosten verpflichtet ist (dazu unter 1). Die danach bestehende Erstattungspflicht greift jedoch nicht in jedem Fall. So kann nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Hierbei handelt es sich um eine sog Koppelungsvorschrift, die als Tatbestandsmerkmal das gerichtlich voll überprüfbare Vorliegen einer – gemessen am Regelfall atypischen – besonderen Härte voraussetzt. Ist dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, muss sich daran noch eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn anschließen, die nach Maßgabe des § 114 VwGO nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. OVG NW, u.v. 20.4.2015 – 1 A 1242/12 – juris Rn. 34). Die Beklagte hat mit ihrem Leistungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides dem Vorliegen eines solchen Härtefalls jedenfalls in einem Punkt zu Unrecht nicht Rechnung getragen (dazu unter 2). Sie hat damit zur Frage der Härtefallregelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG eine nicht ermessensgerechte Entscheidung getroffen, was im Ergebnis die Rechtswidrigkeit der Bescheide und ihre Aufhebung zur Folge hat.
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1. Der Kläger ist grundsätzlich zur Erstattung der Kosten des von ihm in Anspruch genommenen Studiums verpflichtet.
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Die Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Ausbildungskosten ergibt sich aus § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SG. Demnach muss ein früherer Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war, die Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten, wenn er seine Entlassung nach § 55 Abs. 4 SG vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SG erfasst auch Soldaten auf Zeit, die während ihres aktiven Dienstverhältnisses zur Ausübung dieses Dienstes auf Kosten der Bundeswehr ein Studium oder eine Fachausbildung absolviert haben und ihre vorzeitige Entlassung wegen mangelnder Eignung nach § 55 Abs. 4 SG vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben.
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Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SG liegen vor. Der Kläger war Soldat auf Zeit. Er verpflichtete sich am 15.02.2016 für fünfzehn Jahre. Seine Dienstzeit wurde zunächst auf sechs Jahre zwischenfestgesetzt. Die Beklagte entließ den Kläger mit bestandskräftigem Bescheid vom 24.04.2019 zum 25.05.2019 nach § 55 Abs. 4 Satz 2 SG vorzeitig aus der Bundeswehr.
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Seine auf § 55 Abs. 4 Satz 2 SG gestützte Entlassung, die bestandskräftig geworden ist und deshalb keiner inzidenten Rechtsmäßigkeitskontrolle unterliegt (dazu unter a), hat der Kläger jedenfalls grob fahrlässig herbeigeführt (dazu unter b).
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a) Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Rückforderungsbescheids vom 28.10.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2022 findet keine inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entlassungsverfügung vom 24.04.2019 statt, sondern nur eine inzidente Prüfung ihrer Wirksamkeit (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2017 – 6 ZB 16.1519 – juris Rn. 5).
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Wirkung der Bestandskraft in diesem Sinne ist nicht nur die formelle Unanfechtbarkeit der Entlassungsverfügung mit Rechtsbehelfen. Hinzu kommt vielmehr die materielle (Tatbestands-)Wirkung‚ wonach nicht nur die Behörde‚ die den Verwaltungsakt erlassen hat‚ sondern auch alle anderen Behörden und öffentlich-rechtlichen Rechtsträger sowie grundsätzlich auch alle Gerichte die Tatsache‚ dass der Verwaltungsakt erlassen wurde‚ rechtlich existent ist und die in ihm enthaltene Regelung oder Feststellung getroffen worden ist‚ als maßgeblich akzeptieren müssen‚ ohne die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts nochmals überprüfen zu müssen oder zu dürfen (vgl. dazu BayVGH, U.v. 2.8.2016 – 22 B 16.619 – juris Rn. 45; OVG NW‚ U.v. 6.10.2016 – 11 A 1297/14 – juris Rn. 47). Die Bestandskraft der Entlassungsverfügung kann nicht durch eine inzidente Überprüfung in anderen Rechtsbehelfsverfahren unterlaufen werden (vgl. BVerwG‚ B.v. 23.2.2010 – 1 WB 36.09 – juris Rn. 58 zur Bestandskraft der Beurteilung eines Soldaten), da andernfalls der Bindungswirkung eines vorgelagerten Verwaltungsaktes die Grundlage entzogen würde (BayVGH, B.v. 26.1.2017 – 6 ZB 16.1519 – juris Rn. 6).
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Diese Bindungswirkung entfiele nur‚ wenn der Verwaltungsakt nichtig wäre. Das ist gemäß § 44 Abs. 1 des Verwaltungsverfahensgesetzes (VwVfG) nur dann der Fall‚ wenn der Verwaltungsakt an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes stellt eine besondere Ausnahme von dem Grundsatz dar‚ dass ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Der dem Verwaltungsakt anhaftende Fehler muss diesen als schlechterdings unerträglich‚ d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lassen. Der schwerwiegende Fehler muss darüber hinaus für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist daher nur dann anzunehmen‚ wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden‚ dass von niemandem erwartet werden kann‚ den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. BVerwG‚ B.v. 11.5.2000 – 11 B 26.00 – juris; BVerwG‚ U.v. 17.10.1997 – 8 C 1.96 – juris Rn. 28; VGH BW, U.v. 15.12.2016 – 2 S 2506/14 – juris Rn. 23; HessVGH‚ B.v. 24.11.2016 – 3 B 2515/16 – juris Rn. 12; BAG‚ U.v. 16.4.2015 – 6 AZR 71/14 – juris; OVG SH‚ U.v. 5.2.2015 – 4 LB 15/13 – juris;). Nach Art und Ausmaß muss dem Verstoß daher ein solches Gewicht zukommen‚ dass eine Einschränkung des Gebots der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu Gunsten der Bestandskraft und der Rechtssicherheit des Verwaltungsaktes nicht mehr gerechtfertigt erscheint (BayVGH, B.v. 26.1.2017 – 6 ZB 16.1519 – juris Rn. 7).
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Beruht der angebliche Fehler – wie der Kläger geltend macht – auf einer behaupteten Verkennung der Voraussetzungen einer Entlassung nach § 55 Abs. 4 SG‚ so führt dies daher nur dann zur Nichtigkeit der Entlassungsverfügung, wenn die Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr gerechtfertigt erscheint (BayVGH, B.v. 26.1.2017 – 6 ZB 16.1519 – juris Rn. 8). Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall.
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Zwar führte das Truppendienstgericht Süd anlässlich seines im Rahmen des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ergangenen Urteils vom 11.02.2022 (Az. …*) aus, dass es sich bei den dem Kläger zur Last gelegten Umständen nicht um ein Fehlverhalten handele, das Ausdruck einer nicht mehr in den Griff zu bekommenden, die Persönlichkeit des früheren Soldaten prägenden Entwicklung sei und auf eine dauerhafte Pflichtvergessenheit schließen lasse. Der Kläger habe demnach nicht gegen seine politische Treuepflicht nach § 8 Alt. 1 SG verstoßen. Die Beweisaufnahme habe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes ablehne. Vor diesem Hintergrund drückte das Truppendienstgericht sein Unverständnis darüber aus, dass der frühere Soldat die aus Sicht der entscheidenden Kammer „unverhältnismäßige Entlassung“ gemäß § 55 Abs. 4 Satz 2 SG widerstandslos akzeptiert habe. Da der Kläger allerdings durch die Verwendung einer der Uniformen von Hitlerjugend bzw. Afrika-Korps ähnlichen Kleidung unter gleichzeitigem Zitat eines verbotenen Liedtextes bewusst und zurechenbar den objektiven Anschein begründete, er stehe nicht hinter dem Staat des Grundgesetzes, verletzte er jedenfalls die Pflicht gemäß § 8 Alt. 2 SG, sich von Bestrebungen zu distanzieren, die den Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen. Weil der Kläger mit seinem Verhalten darüber hinaus weitere Dienstpflichten verletzte und einen Straftatbestand verwirklichte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass seine Entlassung wegen fehlender Eignung unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt mehr gerechtfertigt erscheint.
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Selbst wenn – was sich vorliegend allerdings nach Auffassung der Kammer nicht aufdrängt – die Einschätzung der Beklagten, ein Verbleib des Klägers in seinem Dienstverhältnis könne die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr gefährden, unzutreffend gewesen wäre, ließe sich daraus ein Nichtigkeitsvorwurf in Bezug auf die Entlassungsverfügung nicht herleiten. Denn dies könnte angesichts der Schwere des oben dargelegten Verstoßes gegen die Dienstpflichten keinesfalls als schlechterdings unerträglich‚ d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar angesehen werden. Eine Fehlerhaftigkeit der bestandskräftig gewordenen Entlassungsverfügung ist darüber hinaus bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände auch keinesfalls offenkundig.
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b) Auch hat der Kläger seine auf § 55 Abs. 4 Satz 2 SG gestützte Entlassung grob fahrlässig herbeigeführt.
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Die Bestandskraft des Entlassungsbescheids vom 24.04.2019 steht der Prüfung, ob der Kläger seine Entlassung nach § 55 Abs. 4 Satz 2 SG grob fahrlässig verursacht hat, nicht entgegen. Der Kläger ist wegen mangelnder Eignung entlassen worden. Darauf beschränkt sich die Tatbestandswirkung des Entlassungsbescheides. In diesem Bescheid ist lediglich als Element der Begründung und ohne rechtliche Bindungswirkung festgehalten worden, dass der Kläger durch sein Verhalten diverse Dienstpflichten verletzt habe (vgl. BayVGH, U.v. 18.5.2010 – 15 B 08.3111 – juris Rn. 18).
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Der Fahrlässigkeitsbegriff bezieht sich auf ein individuelles Verhalten des Soldaten. Dementsprechend muss stets unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände, d.h. der individuellen Kenntnisse und Erfahrungen des Soldaten beurteilt werden, ob und in welchem Maß das Verhalten fahrlässig war. Grobe Fahrlässigkeit erfordert ein besonders schwerwiegendes und auch subjektiv schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten, das über das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich hinausgeht. Grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich schwerem Maße verletzt und dabei Überlegungen unterlässt und Verhaltenspflichten missachtet, die ganz naheliegen und im gegebenen Fall jedem hätten einleuchten müssen (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.2017 – 2 C 22.16 – juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 18.5.2010 – 15 B 08.3111 – juris Rn. 16; B.v. 1.6.2017 – 6 ZB 17.903 – juris Rn. 6, B.v. 21.12.2017 – 6 ZB 17.150 – juris Rn. 5 jeweils m.w.N.).
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Gemessen daran hat der Kläger seine Entlassung jedenfalls grob fahrlässig verursacht. Unstreitig hat sich der Kläger am …2018 in seinen für einen nicht näher bestimmbaren Personenkreis einsehbaren Statusinformationen bei dem Kurznachrichtendienst WhatsApp im Profilbild mit schwarz/anthrazit-farbiger Feldmütze und einem beige/braunem Hemd präsentiert. In der Folge erklärte der Kläger selbst, dass die verwendete Kleidung durchaus den Eindruck habe erwecken können, dass es sich um die Uniform der Hitlerjugend handele. Als Statustext zu dem vorgenannten Lichtbild war zu lesen: „Vor uns marschieren mit sturmzerfetzten Fahnen die toten Helden der alten Nation, und über uns die Heldenahnen“. Der genannte Text entstammt dem Lied „Ein junges Volk steht auf“, welches als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation im Sinne des § 86a StGB verboten ist. Zwar führte der Kläger wiederholt aus, dass er die verwendete Textzeile nicht gekannt habe. Selbst wenn dem Kläger jedoch ausdrückliche Bezüge zur nationalsozialistischen Ideologie oder zur Hitlerjugend gefehlt haben mögen, tritt jedenfalls der kriegsverherrlichende und auf den nationalsozialistischen Topos der Volksgemeinschaft abstellende Charakter auch der Refrainzeilen sofort offen zu Tage. Die Kammer schließt sich insoweit den Ausführungen des Truppendienstgerichtes Süd in seinem Urteil vom 11.02.2022 – … an, welches angesichts der Unzufriedenheit des Klägers und seines Geschichtsinteresses davon ausging, dass der Kläger die in Rede stehende Textzeile überprüft und dann bewusst als Profilinformation übernommen hat. Zumal er auch keine sinnvolle Erklärung dafür liefern konnte, wie er auf die fragliche Passage gestoßen ist. Auch die Staatsanwaltschaft ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der frühere Soldat nicht „aus Versehen“ eine verfassungsfeindliche Textzeile verbreitet, sondern vorsätzlich gehandelt hat. Denn das wegen Verwendens von Kennzeichen einer nationalsozialistischen Organisation (§ 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB) eingeleitete Strafverfahren wurde nach § 153a Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) nur gegen Zahlung einer Geldauflage endgültig eingestellt. Das Verwenden der verfassungsfeindlichen Liedzeile in Kombination mit einem Profilbild, auf welchem sich der Kläger gezielt in einer der Uniformen von Hitlerjugend oder Afrika-Korps ähnlichen Kleidung präsentierte, spricht für eine beabsichtigte Provokation und damit sogar für ein vorsätzliches Handeln des Klägers. Dass der Dienstherr infolgedessen an der Verfassungstreue des Klägers zweifelte und das Verhalten zu einem Achtungs- und Vertrauensverlust führte sowie die Vorbildfunktion eines künftigen Offiziers nachhaltig beschädigte, hätte in der konkreten Situation jedem einleuchten müssen. Infolgedessen hätte sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass dieses Verhalten als Anlass für eine Entlassung wegen mangelnder Eignung herangezogen werden kann.
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Damit liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 56 Abs. 4 Nr. 2 SG vor, mit der Folge, dass der Kläger grundsätzlich die Kosten des von ihm in Anspruch genommenen Studiums zu erstatten hat. Erstattungsfähig sind zum einen die unmittelbaren Ausbildungskosten im engeren Sinne wie Ausbildungsgebühren und Aufwendungen für Ausbildungsmittel. Zum anderen gehören hierzu die mittelbaren Kosten der Ausbildung wie Reisekosten und Trennungsgeld sowie die ersparten Lebenshaltungskosten und die Kosten für die Krankenversicherung (VGH BW, U.v. 6.7.2016 – 4 S 2237/15 – juris Rn. 26 m.w.N.; BVerwG, U.v. 30.3.2006 – 2 19.05 – juris). Der Einwand des Klägerbevollmächtigten, die der Beklagten tatsächlich durch das klägerische Studium bei der Bundeswehr entstandenen Kosten seien nicht nachvollziehbar auf den Betrag von 48.667,51 Euro berechnet worden, greift nicht durch. Die Berechnungsmethode der Beklagten zur Ermittlung der tatsächlichen Ausbildungskosten ist nicht zu beanstanden. Der Begriff der Ausbildungskosten umfasst bei einer Ausbildung in Einrichtungen der Bundeswehr auch die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen errechneten, anteilig auf die Spezialausbildung des einzelnen Soldaten entfallenden Kosten der erforderlichen Ausbildungseinrichtungen, d.h. die sogenannten Rahmenkosten (vgl. BVerwG, U.v. 11.2.1977 – VI C 135/74 – juris Rn. 41). Dazu zählen die Personalkosten und die sonstigen Betriebskosten, wie sie in der Anlage 1 zum Bescheid vom 21.07.2021 angesetzt und zutreffend durch die Anzahl der Studierenden geteilt worden sind (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2015 – 6 ZB 14.1841 – juris Rn. 8; HessVGH, B.v. 28.11.2008 – 1 ZU 2203/07 – juris Rn. 10). Es besteht kein Anhaltspunkt, der inhaltliche Zweifel an den angesetzten Rechnungspositionen begründen könnte. Insbesondere hat die Beklagtenseite nachvollziehbar dargelegt, dass steigende Studierendenzahlen in Anbetracht der Ausgestaltung als Intensivstudium in Trimestern und der damit einhergehenden hohen Betreuungsintensität gerade nicht zu einer Reduktion der Ausbildungskosten pro Studierendem führen. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass der Kläger mit der im Streit stehenden Rückforderungssumme für Investitionskosten einer künftigen Ausweitung der Studienkapazitäten herangezogen wurde.
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2. Die Höhe des Erstattungsanspruchs ist vom Gesetz jedoch nicht auf die Höhe der erstattungsfähigen Ausbildungskosten festgelegt, sondern der Dienstherr ist ermächtigt, von einem Erstattungsverlangen ganz abzusehen oder den Betrag zu reduzieren, wenn die Erstattung der – vollständigen – Ausbildungskosten eine besondere Härte im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG für den Soldaten bedeuten würde.
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Die Vorschrift verknüpft den gerichtlich überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff der „besonderen Härte“ auf der Tatbestandsebene mit der Ermessensermächtigung auf der Rechtsfolgenseite (BVerwG, U.v. 12.3.2020 – 2 C 37.18 – juris Rn. 13; U.v. 12.4.2017 – 2 C 16.16 – juris Rn. 36; B.v. 22.9.2016 – 2 B 25.15 – juris Rn. 29 jeweils m.w.N.). Der Dienstherr ist dementsprechend bei Vorliegen einer besonderen Härte zu Ermessenserwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf einen Ausgleich der Ausbildungskosten verpflichtet (BVerwG, U.v. 7.4.2022 – 2 C 8.20 – juris Rn. 14; U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 16; U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – juris Rn. 6). Der unbestimmte Rechtsbegriff der „besonderen Härte“, der durch Verwaltungsvorschriften des Dienstherrn nur umschrieben, nicht aber inhaltlich verändert werden darf, erstreckt sich insbesondere auf die von der Regelvorschrift des § 56 Abs. 4 Satz 1 SG nicht erfassten schwerwiegenden Umstände, denen sich der Soldat nicht entziehen kann (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.2020 – 2 C 37.18 – juris Rn. 13). Zweck der Härteregelung ist es, den von den Regelvorschriften nicht erfassten Ausnahmefällen und Grenzsituationen – den atypischen Fällen – Rechnung tragen zu können (BVerwG, U.v. 7.4.2022 – 2 C 8.20 – juris Rn. 14.; U.v. 12.4.2017 – 2 C 16.16 – juris Rn. 36 m.w.N.). Sie hat dabei ihren inneren Grund in dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. So kann die uneingeschränkte Heranziehung zur Kostenerstattung als besondere Härte anzusehen sein, wenn der von dem Soldaten durch die militärische Ausbildung erlangte Vorteil für das spätere zivile Berufsleben in einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Missverhältnis zu den durch das Studium oder die Fachausbildung entstandenen Kosten steht (vgl. BVerwG, U.v. 11.2.1977 – VI C 135.74 – juris Rn. 50; BayVGH, B.v. 7.11.2022 – 6 ZB 22.364 – juris Rn. 7).
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Die Berücksichtigung einer besonderen Härte scheidet nicht von vornherein aus, wenn der Erstattungspflichtige – wie hier – die Beendigung des Dienstverhältnisses grob fahrlässig oder vorsätzlich selbst herbeigeführt hat. Eine solche Regel gilt nach dem Gesetz jedenfalls nicht ausnahmslos. Denn die Härtevorschrift des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG findet in sämtlichen Fällen des Satzes 1 uneingeschränkt Anwendung, und zwar selbst dann, wenn der frühere Soldat auf Zeit seine Entlassung nach § 55 Abs. 4 SG vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat (§ 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SG). Bei Anwendung der Härteregelung sind aber wegen des Sanktionscharakters der Erstattungspflicht die Verursachungsbeiträge für die vorzeitige Beendigung des Soldatenverhältnisses zu berücksichtigen (BayVGH, B.v. 7.11.2022 – 6 ZB 22.364 – juris Rn. 12). Hier hat der Kläger zwar ausweislich der obigen Ausführungen schuldhaft einen Verursachungsbeitrag für die Entlassung nach § 55 Abs. 4 Satz 2 SG gesetzt. Mit eigenständigem Gewicht hinzugetreten ist aber die Personalentscheidung des Dienstherrn, den Kläger gemäß § 55 Abs. 4 Satz 2 SG zu entlassen. In einer solchen Fallgestaltung kommt dem Sanktionscharakter der Erstattungspflicht nur geringere Bedeutung zu als bei einem vorsätzlichen Herbeiführen der Entlassung (BayVGH, B.v. 7.11.2022 – 6 ZB 22.364 – juris Rn. 13).
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Der Begriff „besondere Härte“ im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG setzt ausweislich der vorgenannten Grundsätze außergewöhnliche Umstände und damit einen atypischen Sachverhalt voraus, da die Vorschrift als Regelfall von der Erstattung der vollen Ausbildungskosten ausgeht, sofern der Soldat auf Zeit nicht für die Zeit in der Bundeswehr blieb, zu der er sich ursprünglich verpflichtete (NdsOVG, B.v. 27.10.2014 – 5 LA 106/14 – juris Rn. 10). Ein derartiger atypischer Fall liegt in der Regel zunächst bei Kriegsdienstverweigerern vor, wobei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Erstattungspflicht insofern auf den erlangten finanziellen Vorteil zu beschränken ist, der dem Kriegsdienstverweigerer real und nachprüfbar im zivilen Berufsleben verblieben ist (vgl. BVerwG, U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – juris Rn. 15ff.; U.v. 12.3.2020 – 2 C 37/18 – juris Rn. 15ff.). Grund dieser Privilegierung ist die Zwangslage, die mit der Entscheidung zwischen einem Verbleib in der Bundeswehr entgegen dem eigenen Gewissen und dem Ausscheiden mit der Kostentragungsfolge einhergeht (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.2020 – 2 C 37/18 – juris Rn. 16).
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Ein zu berücksichtigender Härtefall im vorgenannten Sinne liegt beim Kläger nicht vor, insbesondere kein der Kriegsdienstverweigerung vergleichbarer Fall. Der Kläger, der wegen mangelnder Eignung aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit entlassen wurde, befand sich gerade nicht in der beschriebenen oder einer vergleichbaren Zwangslage, die typischerweise bei Kriegsdienstverweigerern besteht. In den anderen Fällen der nicht wegen Kriegsdienstverweigerung anerkannten Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit aber dient die Erstattungspflicht nicht primär dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Beklagten, indem verhindert werden soll, dass ein Soldat die Kenntnisse und Fähigkeiten, die ihm das Studium oder die Fachausbildung vermittelt haben, unentgeltlich im zivilen Berufsleben verwertet. Die Regelungen über die Entlassung von Soldaten sowie über die Erstattungspflicht sollen vielmehr die Personalplanung und damit die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr sicherstellen. Durch den unterschiedlich ausgestalteten Umfang der Erstattungspflicht soll dem vorzeitigen Ausscheiden von besonders ausgebildeten und deswegen in ihrer Funktion nicht ohne Weiteres zu ersetzenden Soldaten aus der Bundeswehr wirksam entgegengewirkt werden, um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu sichern. Die Kostenerstattungspflicht ist dabei lediglich ein Mittel, um dieses eigentliche, für die gesamte staatliche Gemeinschaft bedeutsame Ziel zu erreichen (vgl. NdsOVG, U.v. 26.4.2016 – 5 LB 156/15 – juris Rn. 108 m.w.N.).
40
Entgegen der Ansicht des Klägers kann er der Rückforderung auch nicht entgegenhalten, dass er aus der Ausbildung keine Vorteile erlangt hätte, die er im späteren Berufsleben nutzen könnte. Ob ein erstattungspflichtiger Vorteil für den ausgeschiedenen Soldaten besteht, bestimmt sich insbesondere danach, ob dieser die erworbenen Spezial- und Fachkenntnisse im zivilen Berufsleben nutzen kann (vgl. BVerwG, U.v. 11.2.1977 – 6 C 105.74 – juris Rn. 31). Das ist auch dann zu bejahen, wenn die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten für den Soldaten „nur im Rahmen einer zusätzlichen Ausbildung oder als Grundlage für eine noch abzulegende Prüfung“ in zivilen Bereichen verwertbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.1982 – 6 C 3.81 – juris Rn. 30; U.v. 11.2.1977 – 6 C 135.74 – juris Rn. 33). Auch die Anrechenbarkeit von Studienzeiten und Studienleistungen bei einer etwaigen späteren Fortsetzung des Studiums bildet eine vorteilsbegründende Verwendungsmöglichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.1982 – 6 C 3.81 – juris Rn. 31; BayVGH, B.v. 19.5.2015 – 6 ZB 14.1841 – juris Rn. 11; OVG NW, U.v. 9.11.2016 – 1 A 1064/14 – juris Rn. 89).
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Die fehlende Erlangung eines Vorteils für das spätere Berufsleben kann als Härtefall einer Erstattungspflicht nur dann entgegengehalten werden, wenn es sich um militärspezifische Ausbildungen handelt, die dem Soldaten im zivilen Berufsleben kaum oder gar keinen Nutzen bringen (vgl. VG Schleswig, U.v. 21.9.2017 – 12 A 34/17 – juris), der Soldat mithin durch die Ausbildung nahezu ausschließlich militärisch nutzbare Fähigkeiten erlangt hat. Dies ist jedoch bei dem vom Kläger betriebenen Maschinenbaustudium ersichtlich nicht der Fall. Soweit der Kläger weiterhin darauf verweist, dass er infolge der Einleitung des Entlassverfahrens durch die Beklagte keine Kenntnisse erlangt habe, handelt es sich zum einen um eine pauschale Behauptung. Zum anderen werden gerade zu Beginn eines Studiums Grundlagen vermittelt, die auch im weiteren Studienverlauf bedeutsam sind, so dass nicht nachvollziehbar ist, dass der Kläger jedenfalls im Zeitraum von Oktober 2017 bis zu dem Vorfall am …2018, welcher letztlich zu seiner Entlassung führte, keinerlei verwertbare Kenntnisse und Fähigkeiten erlangt haben will. Auch wenn der Kläger keine anrechenbaren Studien- bzw. Prüfungsleistungen erworben haben sollte, stünde dies der Annahme erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten nicht entgegen (vgl. VG Halle, U.v. 30.3.2022 – 5 A 87/20 HAL).
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Ebenso wenig führt die Höhe der Rückforderung im Verhältnis zu der kurzen Zeit des Studiums zur Begründung eines Härtefalls. Hier kann nicht der Vergleich mit den Kosten eines Studiums an einer öffentlichen Hochschule gezogen werden. Dies würde zu dem vom Gesetzgeber erkennbar nicht gewollten Ergebnis führen, dass stets ein Härtefall angenommen werden müsste, da ein Studium bei der Bundeswehr infolge seiner speziellen Ausgestaltung immer kostenintensiver als ein ziviles Studium ist. Der Gesetzgeber hat deshalb in die grundsätzliche Abwägung auch andere Umstände eingestellt. Er wollte auch Entlassungen entgegenwirken und hat die wirtschaftlichen Verhältnisse, unter denen Soldaten und Studierende leben, in den Blick genommen (vgl. VG Halle, U.v. 30.3.2022 – 5 A 87/20 HAL). Ferner war eine Reduzierung der Erstattung auch nicht deshalb erforderlich, weil der Kläger für die erhaltenen Ausbildungsleistungen im zivilen Bereich möglicherweise geringere Kosten hätte aufwenden müssen. Die Situation des nach § 55 Abs. 4 SG wegen mangelnder Eignung entlassenen Klägers ist der eines anerkannten Kriegsdienstverweigerers nicht vergleichbar (s.o.). In Fällen der Kriegsdienstverweigerung darf der Erstattungsbetrag unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG, wonach niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf, nicht höher sein als der Betrag, den der als Kriegsdienstverweigerer anerkannte Soldat dadurch erspart hat, dass die Beklagte den Erwerb von Spezialkenntnissen und Fähigkeiten, die ihm im späteren Berufsleben von Nutzen sind, finanziert hat. Durch diese Beschränkung der zu erstattenden Kosten auf den durch das Studium oder die Fachausbildung erlangten Vorteil ist sichergestellt, dass die Erstattung nicht zu einer Maßnahme wird, die den Betroffenen von der Stellung des Antrags auf Kriegsdienstverweigerung abhält (vgl. BVerwG, U.v. 30.3.2006 – 2 C 18/05 – juris Rn. 18; U.v. 12.3.2020 – 2 C 37/18 – juris Rn. 16). Der unausweichlichen Zwangslage, durch Verbleib im Wehrdienstverhältnis seinem Gewissen zuwiderhandeln zu müssen, war der Kläger jedoch nicht ausgesetzt. Aufgrund des bestandskräftigen Entlassungsbescheids vom 24.04.2019 steht zwischen den Beteiligten verbindlich fest, dass der Kläger wegen mangelnder Eignung vorzeitig aus der Bundeswehr ausgeschieden ist.
43
Auch war die Beklagte nicht gehalten, neben der Härtefallentscheidung nach § 56 Abs. 4 Satz 2 SG eine Billigkeitsentscheidung treffen, wie sie im Falle der Rückforderung zu viel gezahlter Dienst- oder Versorgungsbezüge notwendig ist. Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden. Das gleiche gilt nach § 52 Abs. 2 Satz 3 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) bei der Rückforderung von Versorgungsbezügen. Hier hingegen geht es um die Rückforderung von Ausbildungskosten, für die das Soldatengesetz in § 56 Abs. 4 Satz 3 SG eine spezialgesetzliche Härtefallregelung vorsieht. Eine darüber hinausgehende Billigkeitsentscheidung ist angesichts der Härtefallregelung nicht erforderlich (BayVGH, B.v. 20.10.2017 – 6 ZB 17.1371 – juris Rn 15).
44
Die Beklagte hat das ihr eingeräumte Härtefall-Ermessen jedoch dadurch verletzt, dass der angegriffene Leistungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ermittelt noch eine Gewährung von Ratenzahlungen vorgesehen hat. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darf die Erstattung von Ausbildungskosten den ehemaligen Soldaten nicht in eine existenzielle wirtschaftliche Notlage bringen (BVerfG, B.v. 22.1.1975 – 2 BvL 51/71 – BVerfGE 39, 128/143; BVerwG, U.v. 12.4.2017 – 2 C 16/16 – juris Rn. 37 m.w.N.).
45
Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass sie den Kläger mit Schreiben vom 05.08.2021 zu der beabsichtigten Rückforderung der Ausbildungskosten angehört sowie auf die Möglichkeit der Beantragung von Ratenzahlung oder einer Stundung des Rückforderungsbetrages hingewiesen hat (Bl. 35 der Festsetzungsakte). Auch haben der Kläger, dem dieses Schreiben ausweislich der in den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde am 07.08.2021 zugegangen ist (Bl. 38 der Festsetzungsakte), mit E-Mail vom 03.09.2021 sowie sein Bevollmächtigter mit Schriftsatz vom 17.09.2021 daraufhin vordinglich Einwände gegen die Forderung dem Grunde nach geltend gemacht, ohne Ausführungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers zu tätigen. Jedoch wies der Bevollmächtigte des Klägers jedenfalls im Rahmen seines Widerspruchs vom 25.11.2021 darauf hin, dass der Kläger derzeit studiere und bis mindestens 2023 kein Einkommen erzielen werde (Bl. 61 der Festsetzungsakte). Weiterhin machte der Kläger selbst im Rahmen eines Schreibens vom 27.12.2021 Ausführungen zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen (Bl. 67 der Festsetzungsakte). In Anbetracht dessen konnte die Beklagte jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2022 (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 17.12.2015 – OVG 7 B 27.14 – juris Rn. 51) aus der mangelnden Mitwirkung des Klägers nicht darauf schließen, dass dieser in der Lage sei, den Erstattungsbetrag sofort und in voller Höhe zu bezahlen. Vielmehr hätte sie die Klägerseite in Anbetracht deren Vortrags im Widerspruchsverfahren nochmals zur dezidierten Stellungnahme zur Einkommens- und Vermögenslage unter Vorlage entsprechender Nachweise auffordern müssen.
46
Der Umstand, dass die Erstattung von Ausbildungskosten den ehemaligen Soldaten nicht in eine existenzielle wirtschaftliche Notlage bringen darf, kann im Einzelfall auch eine Begrenzung der absoluten Höhe der Rückforderung notwendig machen. Bei der Gewährung von Ratenzahlung darf die Zahlungspflicht grundsätzlich nicht während des gesamten weiteren Berufslebens des ehemaligen Soldaten andauern, sondern muss auch zeitlich begrenzt sein (vgl. BVerwG, U.v. 12.4.2017 – 2 C 16/16 – juris Rn. 37 m.w.N.). Der Umfang von Verzicht, Stundung und Ratenhöhe hängt wegen der Zielsetzung der Vermeidung einer wirtschaftlichen Notlage stark von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des ehemaligen Soldaten ab. Da diese Faktoren in aller Regel über einen hier regelmäßig relevanten Zeitraum von mehreren Jahrzehnten beruflicher Tätigkeit nicht einheitlich zu bewerten sein werden, ist es Aufgabe der Beklagten, während der laufenden Rückzahlung die Einkommens- und Vermögenssituation des ehemaligen Soldaten im Blick zu behalten, um nicht nur die Höhe der Rate, sondern auch die mögliche vorzeitige Beendigung der Rückzahlungsverpflichtung in angemessenem Umfang anzupassen oder zu bestimmen. Zwar bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer Vorab-Festlegung im Rückforderungsbescheid nicht. Erforderlich ist aber, dass der angegriffene Rückforderungsbescheid eine jährliche Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse sowie gegebenenfalls eine Anpassung der monatlichen Teilzahlungsrate von Amts wegen vorsieht (vgl. BVerwG, U.v. 12.4.2017 – 2 C 16/16 – juris Rn. 38ff.; B.v. 23.1.2017 – 2 B 65/16 – juris Rn. 12f.).
47
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708f. ZPO. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig i.S.d. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, weil die Hinzuziehung vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei im Zeitpunkt der Bestellung für erforderlich gehalten werden durfte und es dem Kläger nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen. Dies gilt hier in Anbetracht der Komplexität des Falles sowie insbesondere seiner erheblichen finanziellen Auswirkungen auf den Kläger (vgl. Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 162, Rn. 29).