Inhalt

LG München I, Urteil v. 07.07.2023 – 1 Ks 121 Js 158369/19
Titel:

Freispruch im Wiederaufnahmeverfahren wegen wahrscheinlicher unfallbedingter Todesursache des Opfers

Normenkette:
StPO § 261
Leitsatz:
Kommt die Kammer nach einer vollständigen und umfassenden Gesamtwürdigung aller in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse und Beweisergebnisse sowie aller in Betracht zu ziehenden Umstände zu der Überzeugung, dass das Opfer infolge eines Unfallgeschehens zu Tode kam, weil aus rechtsmedizinischer Sicht ein Unfallgeschehen nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich ist, wurde somit also schon kein Tötungsdelikt begangen, ist der Angeklagte bereits deshalb freizusprechen. (Rn. 72 – 261) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Wiederaufnahme, Beweiswürdigung, Freispruch, Unfall, Unfallgeschehen
Vorinstanzen:
LG München II, Urteil vom 17.01.2012 – 2 Ks 31 Js 40341/08
LG München II, Urteil vom 12.05.2010 – 1 Ks 31 Js 40341/08
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16324

Tenor

I. Der Angeklagte  geboren am ... in ... wird unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München II – 4. Strafkammer als Schwurgericht – vom 17.01.2012, Az.: 2 Ks 31 Js 40341/08,  freigesprochen. 
II. Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens und der Rechtsmittelverfahren, sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
III. Der Angeklagte ist aus der Staatskasse zu entschädigen
1. für den Vollzug der durch Haftbefehl des Amtsgerichts München vom 26.02.2009 (Gz.: ER I Gs 1477/09) angeordneten Untersuchungshaft für den Zeitraum vom 26.02.2009 bis zum 05.09.2012 sowie für den Vollzug der durch Urteil des Landgerichts München II vom 17.01.2012 (Az.: 2 Ks 31 Js 40341/08) verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe für den Zeitraum vom 06.09.2012 bis zum 12.08.2022,
2. für die aufgrund der Beschlüsse des Amtsgerichts München vom 02.12.2008 (Gz. ER I Gs 11013/08) und vom 13.01.2009 (Gz.: ER I Gs 272/09) beim Angeklagten am 13.01.2009 durchgeführten Durchsuchungen seiner Wohnräume in der S1. straße 2 in R.-E., einschließlich der Nebenräume und seines Pkw MercedesBenz, amtl. Kennz... sowie seiner Werkstatt in der S1. straße 4 in R.-E.sowie
3. für sämtliche am 13.01.2009 erfolgten Sicherstellungen von diversen, im Gewahrsam des Angeklagten befindlichen Gegenstände sowie für die am 26.02.2009 erfolgte Sicherstellung seines Mobiltelefons der Marke LG.

Entscheidungsgründe

(abgekürzt gem. § 267 Abs. 5 S. 2 und 3 StPO)
1
Der Angeklagte war wegen erwiesener Unschuld aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
A. Verfahrensgang
I. Verfahren vor dem Landgericht München II
2
Die Staatsanwaltschaft München II erhob am 18.08.2009 Anklage zum Landgericht München II -Schwurgericht – gegen den Angeklagten wegen Mordes zum Nachteil von L. K. und sah mit Verfügung vom 20.08.2009 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung des Tatvorwurfs der Untreue hinsichtlich eines Geldbetrages in Höhe von 54.500,- Euro zum Nachteil von L. K. ab.
3
Die Hauptverhandlung über die mit Eröffnungsbeschluss vom 05.10.2009 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage wurde an 17 Tagen im Zeitraum vom 25.11.2009 bis 12.05.2010 durchgeführt. Mit Beschluss vom 11.05.2010 stellte das Landgericht München II – 1. Strafkammer als Schwurgericht – das Verfahren hinsichtlich des Tatvorwurfs der veruntreuenden Unterschlagung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein und verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 12.05.2010 wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe (Az.: 1 Ks 31 Js 40341/08).
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Dieses Urteil wurde auf die Revision des Angeklagten mit Beschluss des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 12.01.2011 (Az.: 1 StR 582/10) mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer als Schwurgericht des Landgerichts München II zurückverwiesen.
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Nach einer weiteren 17-tägigen Hauptverhandlung wurde der Angeklagte vom Landgericht München II – 4. Strafkammer als zweites Schwurgericht – mit Urteil vom 17.01.2012 wegen Mordes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung erneut zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt (Az.: 2 Ks 31 Js 40341/08).
6
Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil wurde mit Beschluss des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 05.09.2012 (Az.: 1 StR 272/12) als unbegründet verworfen, wodurch das landgerichtliche Urteil vom 17.01.2012 am 05.09.2012 in Rechtskraft erwuchs.
II. Wiederaufnahmeverfahren
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Mit Antragsschrift vom 11.06.2019, eingegangen am selben Tag beim Landgericht München I – 1. Strafkammer als Schwurgericht – als zuständigem Wiederaufnahmegericht, beantragte der Angeklagte über seine Verteidigerin, Rechtsanwältin R2., die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen das rechtskräftige Urteil des Landgerichts München II vom 17.01.2012 (Az.: 2 Ks 31 Js 40341/08) zuzulassen und die Vollstreckung gemäß § 360 Abs. 2 StPO zu unterbrechen. Der Angeklagte stützte seinen Wiederaufnahmeantrag auf § 359 Nr. 5 StPO und behauptete die Beibringung sowohl neuer Tatsachen als auch neuer Beweismittel. Ziel des Antrags war die Freisprechung des Angeklagten.
8
Der Wiederaufnahmeantrag wurde mit Beschluss des Landgerichts München I – 1. Strafkammer als Schwurgericht – vom 01.12.2020 als unzulässig verworfen, der Antrag auf Vollstreckungsunterbrechung zurückgewiesen.
9
Mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 23.09.2021 (Gz.: 2 Ws 1306/20) wurde dieser landgerichtliche Beschluss auf die sofortige Beschwerde der Verteidigerin Rechtsanwältin R2. vom 07.12.2020, eingegangen bei Gericht am folgenden Tag, insoweit aufgehoben, als der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unzulässig verworfen worden war. Der Antrag auf Wiederaufnahme des durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts München II vom 17.01.2012 (Az.: 2 Ks 31 Js 40341/08) abgeschlossenen Verfahrens wurde für zulässig erklärt und die sofortige Beschwerde im Übrigen als unbegründet verworfen.
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Nach der Durchführung einer fünftägigen Probationsverhandlung im Zeitraum vom 02.05.2022 bis 31.05.2022 und der Schlussanhörung der Beteiligten ordnete das Landgericht München I – 1. Strafkammer als Schwurgericht – mit Beschluss vom 12.08.2022 die Wiederaufnahme des mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts München II vom 17.01.2012 (Az.: 2 Ks 31 Js 40341/08) abgeschlossenen Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an.
B. Persönliche Verhältnisse
I. Lebenslauf und Werdegang
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Der Angeklagte kam am ... 1960 in K. in Mecklenburg in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik als Sohn der Eheleute B. K. G. und L. G., geborene Dr., zur Welt und wuchs bei seinen Eltern, die in der Landwirtschaft tätig waren, auf. Er hat drei ältere Brüder sowie eine ältere und zwei jüngere Schwestern, zu denen sein Verhältnis unbelastet ist. Zu zwei Schwestern ist sein Verhältnis besonders eng.
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Auch zu seiner Mutter, die nach dem Tod ihres Ehemannes zuletzt in T. lebte, hatte der Angeklagte ein gutes Verhältnis. Sie verstarb im Jahr 2010 im Alter von 85 Jahren während der Untersuchungshaft des Angeklagten im vorliegenden Verfahren.
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Nach dem Besuch eines Kindergartens wurde der Angeklagte im Alter von sieben Jahren eingeschult und besuchte die P. Oberschule in G.-T. bis zur zehnten Klasse, ohne eine Jahrgangsstufe zu wiederholen. Nach dem Abschluss einer dreijährigen Lehre zum Agrotechniker / Mechanisator leistete er 18 Monate Wehrdienst bei der Marine der Nationalen Volksarmee ab. Nachdem seine Eltern unterdessen nach N. umgezogen waren, bewohnte der Angeklagte nach dem Wehrdienst eine Mietwohnung in M. und legte im Zeitraum 1986 / 1987 die Meisterprüfung ab.
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Am 18.07.1990 zog der Angeklagte nach R.-E. (Landkreis Miesbach) in Bayern um. Dort war er als Kraftfahrer bei der R3. L1. GmbH beschäftigt und war bis zu deren Insolvenz im Jahr 1996 mit der Auslieferung von Klimageräten betraut. Im Juni 1996 trat der Angeklagte, der bis dahin bereits nebenberuflich Hausmeistertätigkeiten in einer Wohnanlage im R4.weg verrichtet hatte, die Stelle als Hausmeister in der Wohnanlage S1.strasse 2 bis 6 an, die er bis zu seiner Inhaftierung im hiesigen Verfahren am 26.02.2009 mit großer Hingabe ausübte.
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Im Jahr 2002 hatte der Angeklagte in der Tschechischen Republik die damals 19-jährige ukrainische Staatsangehörige M. V.kennengelernt und besuchte sie in der Folgezeit häufig in der Ukraine. Im Mai 2005 erhielt sie ein für drei Monate gültiges Visum für die Bundesrepublik Deutschland und zog beim Angeklagten ein. Der gemeinsame Sohn ... wurde am ... 2006 geboren. Seit der Eheschließung am ... 2005 trägt sie den Namen ..., die gemeinsame Tochter N. wurde am ...2009 geboren während der Untersuchungshaft des Angeklagten im vorliegenden Verfahren.
II. Wirtschaftliche Verhältnisse
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Vor seiner Inhaftierung in diesem Verfahren bezog der Angeklagte als Hausmeister ein monatliches Bruttogehalt von rund 3.000,- Euro, wovon ihm – nach Abzug von 460,- Euro Miete zuzüglich 100,- Euro Nebenkosten für die Hausmeisterwohnung – ein Nettobetrag von rund 1.500,- Euro ausgezahlt wurde. Er unterstützte seine Schwiegermutter, die in der Ukraine in einem Haus lebt, regelmäßig mit 400,- bis 500,- Euro pro Monat. Darüber hinaus zahlte er die Raten für ein Immobiliendarlehen, das aus dem Erwerb einer Doppelhaushälfte in G. leben resultierte, welche im Alleineigentum seiner geschiedenen Ehefrau A. G. steht. Ende Dezember 2008 hatte der Angeklagte Bankverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt knapp 89.000,- Euro, wovon rund 70.000,- Euro aus dem genannten Immobiliendarlehen resultierten.
17
Aufgrund der Verurteilung des Angeklagten vom 12.05.2010 (vgl. oben A.I.) wurde das Arbeitsverhältnis seiner Hausmeisterstelle seitens des Arbeitgebers mit Schreiben vom 21.05.2010 außerordentlich gekündigt. Seine Ehefrau M. G. zog daraufhin in eine kleinere Dreizimmerwohnung in der T. straße 46 in R.-E. und sah sich zur Aufnahme einer Arbeitstätigkeit gezwungen, um sich und die beiden gemeinsamen kleinen Kinder finanziell zu versorgen, nachdem sie zuvor Hausfrau gewesen war.
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Nach dem Antrag des Angeklagten auf Restschuldbefreiung vom 31.03.2014 wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 28.04.2014 eröffnet (Az.: 3 IK 464/14). Die Verfahrenskosten aus dem Strafverfahren vor dem Landgericht München II (vgl. oben A.I.) betrugen nach der Tilgung aus einer Eigengeldpfändung in Höhe von rund 820,- Euro und einer Sachpfändung in den sichergestellten Familienschmuck des Angeklagten in Höhe von knapp 2.800,- Euro noch rund 83.500,- Euro. Mit Beschluss vom 03.08.2020 (Az. nunmehr: 5 IK 464/14) wurde dem Angeklagten vom Amtsgericht Augsburg Restschuldbefreiung erteilt. Am 20.11.2020 stimmte die Generalstaatsanwaltschaft München der unbefristeten Niederschlagung der Gerichtskosten wegen eines endgültigen Vollstreckungshindernisses zu.
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Seit seiner Haftentlassung am 12.08.2022 (vgl. unten V.) wohnt der Angeklagte mit seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern in der Wohnung in der T. straße 46 in R.-E.. Nach dem Erhalt seiner Ausweisdokumente und Papiere konnte er am 10.10.2022 eine neue Arbeitsstelle als Kraftfahrer in der Naturkäserei T.Land eG in Kr. antreten, wo er mit der Auslieferung von Waren betraut ist und rund 2.100,- bis 2.200,- Euro netto pro Monat verdient.
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Derzeit hat der Angeklagte – auch infolge der Privatinsolvenz – weder Schulden noch Vermögen. Zuletzt hatte er bei seinem langjährigen Freund Fr. V. noch Schulden in Höhe von etwa 57.000,- Euro gehabt, welche dieser ihm aber durch Schenkung erlassen hat.
III. Gesundheit sowie Alkohol- und Drogenkonsum
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Der Angeklagte ist körperlich im Wesentlichen gesund abgesehen von Bandscheibenbeschwerden und einer Schilddrüsenüberfunktion, welche medikamentös behandelt wird. Schwere Unfälle, insbesondere unter Beteiligung des Kopfes, hat der Angeklagte nicht erlitten. Er musste auch keine schweren Krankheiten durchmachen. Im Jahr 1994 war eine Knieoperation erforderlich.
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Auch psychisch ist der Angeklagte gesund. Vor dem Hintergrund der gegen ihn geführten kriminalpolizeilichen Ermittlungen im vorliegenden Verfahren unternahm er am 15.01.2009 gegen 05:30 Uhr einen Suizidversuch mit Medikamenten in Kombination mit dem Konsum von Bier, zu dessen Durchführung er sich in den Heizungskeller der von ihm als Hausmeister betreuten Wohnanlage einsperrte und von innen den Schlüssel ins Schloss steckte, um das Aufsperren der Tür von außen zu verhindern. Die Blutalkoholkonzentration einer am 15.01.2009 entnommenen Blutprobe, deren genauer Entnahmezeitpunkt nicht dokumentiert wurde und sich auch nicht rekonstruieren ließ, betrug 0,91 ‰. In einem Abschiedsbrief an seine Ehefrau teilte der Angeklagte mit, dass er den Druck nicht mehr aushalte. Im Anschluss an diesen Suizidversuch war der Angeklagte zehn Tage auf der psychiatrischen Station im Krankenhaus Ag. stationär untergebracht. Davon abgesehen war er nie in psychologischer oder psychiatrischer Behandlung. Er war auch seither nie wieder suizidal und zeigte auch keine Anzeichen einer psychischen Erkrankung.
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Der Angeklagte hat nie Drogen konsumiert. Er raucht Zigaretten und trinkt Alkohol in sozial üblichem Umfang.
IV. Intelligenz und Persönlichkeit
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Der Angeklagte besitzt eine durchschnittliche Intelligenzausstattung. Es bestehen keine Anhaltspunkte für einen hirnorganisch bedingten Abbau seiner kognitiven Leistungsfähigkeit.
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Die Persönlichkeit des Angeklagten ist durch Fleiß, Durchhaltevermögen, Geduld, Gelassenheit, Wertschätzung und Hilfsbereitschaft sowie durch das Bemühen gekennzeichnet, sich durch korrektes Verhalten einen guten Ruf und die Anerkennung seiner Mitmenschen zu erwerben. Hinweise auf eine Persönlichkeitsstörung liegen nicht vor. Der Angeklagte verfügt über eine äußerst hohe Frustrationstoleranz. Seine Aggressionsbereitschaft ist nicht erhöht.
V. Haft
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Der Angeklagte wurde am 26.02.2009 aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts München vom selben Tag (Gz.: ER I Gs 1477/09) festgenommen und befand sich seither bis zum 05.09.2012 ununterbrochen in dieser Sache in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) M..
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Vom 06.09.2012 bis zum 12.08.2022 befand sich der Angeklagte zur Verbüßung der mit Urteil des Landgerichts München II vom 17.01.2012 (Az.: 2 Ks 31 Js 40341/08), rechtskräftig seit 05.09.2012, verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe ununterbrochen in Strafhaft, und zwar vom 06.09.2012 bis zum 10.01.2013 in der JVA M. und vom 10.01.2013 bis zum 12.08.2022 in der JVA L. am L..
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In der JVA M. war der Angeklagte als Hausarbeiter und in der JVA L. am L. durchgängig in der Kammer und Wäscherei beschäftigt. Er wurde als fleißiger, korrekter und umsichtiger Arbeiter wahrgenommen, der konstant sehr gute Arbeitsleistungen erbrachte. Sein Umgang mit dem Wachpersonal und den Mitgefangenen war beanstandungsfrei. Streitigkeiten ging er aus dem Weg. Er zeigte sich aufgeschlossen, höflich, respektvoll, vernünftig, einsichtig, verträglich, friedliebend und kameradschaftlich. Überdies trat er ruhig, diszipliniert, offen, freundlich, aufmerksam, humorvoll, hilfsbereit und verlässlich auf. Er war stets ordentlich und gepflegt. Er erhielt konstant Besuch von Familienangehörigen, insbesondere von seiner Ehefrau, seinen Kindern und einer Schwester. Sein soziales Umfeld blieb auch während der langjährigen Haft stabil.
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Nach dem Wegfall der Rechtsgrundlage für die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe durch den Beschluss des Landgerichts München I – 1. Strafkammer als Schwurgericht – vom 12.08.2022 wurde der Angeklagte am selben Tag unverzüglich in Freiheit entlassen.
VI. Vorstrafen
30
Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
C. Tatvorwurf
31
I. Anklageschrift der Staatsanwaltschaft München II vom 18.08.2009 Ohne Berücksichtigung des ursprünglich ebenfalls erhobenen Tatvorwurfs der veruntreuenden Unterschlagung, hinsichtlich dessen das Verfahren mit Beschluss des Landgerichts München II vom 11.05.2010 gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden war (Az.: 1 Ks 31 Js 40341/08; vgl. oben A.I.), lag dem Angeklagten nach der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft München II vom 18.08.2009 zur Last, L. K. heimtückisch und aus Habgier getötet zu haben, um eine andere Straftat zu verdecken (§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Var. 3, 5 und 9 StGB). Diesem Tatvorwurf lag zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde:
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Der Angeklagte habe sich über viele Jahre hinweg das Vertrauen der am ... 1921 geborenen L. K. erschlichen, die seit dem Tod ihres am ... 2007 verstorbenen Ehemannes Al. K. die 3-Zimmer-Wohnung im Obergeschoß des Anwesens S1. straße 6 in R.-E. (Landkreis Miesbach) allein bewohnt habe. Der Angeklagte, der als Hausmeister die Anwesen S1. straße 2 und 6 betreut und einen Schlüssel für ihre Wohnung besessen habe, sei ihre wichtigste Bezugsperson gewesen. Er habe für L. K., die an Knieproblemen gelitten und kaum mehr die Wohnung verlassen habe, Botengänge und Einkäufe erledigt und auch eine Vollmacht für ihre Bankkonten und ihr Bankschließfach gehabt. Er habe Schmuck sowie mindestens zwei Pelzmäntel aus ihrem Eigentum erhalten oder an sich genommen.
33
Anlässlich eines wegen Darmproblemen erfolgten stationären Aufenthalts im Krankenhaus Ag. vom 23.10.2008 bis 28.10.2008 habe L. K. den Angeklagten in einer handschriftlich verfassten und ihm ausgehändigten Vollmacht am 23.10.2008 dazu ermächtigt, in ihrer Abwesenheit über alles zu verfügen. Ab diesem Zeitpunkt habe der Angeklagte ungehinderten Zugriff auf ihre Geldkassette gehabt, in welcher L. K. erhebliche Mengen Bargeld, zuletzt ab Mai 2008 21.000,00 Euro, aufbewahrt habe. Da der Angeklagte angenommen habe, dass L. K. im Krankenhaus Ag. versterben würde, habe er noch am 23.10.2008 8.000,00 Euro Bargeld aus der Geldkassette entnommen und damit eigene Schulden bei seinem Freund Fr. V. beglichen.
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Am frühen Nachmittag des 28.10.2008 habe der Angeklagte die wieder genesene L. K. aus dem Krankenhaus Ag. abgeholt und zu ihrer Wohnung gefahren. Er habe sie in ihre Wohnung begleitet und mit ihr zusammen einen Kaffee getrunken. Bei dieser Gelegenheit habe L. K. ihren Geldbestand überprüft und einen erheblichen Fehlbetrag von mehreren tausend Euro festgestellt, wofür sie den in desolaten finanziellen Verhältnissen lebenden Angeklagten verantwortlich gemacht habe. In der Folge habe sich im Zusammenhang mit dem Fehlbestand, den Zahlungen an den Angeklagten und den erhaltenen Gegenständen ein Streit zwischen dem Angeklagten und L. K. entwickelt, in dessen Verlauf sich der Angeklagte entschlossen habe, L. K. zu töten, um sich ihrer ein für alle Mal zu entledigen, die erhaltenen Gegenstände behalten zu können und die unberechtigte Vereinnahmung von Bargeld zu vertuschen.
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Zu diesem Zweck habe der Angeklagte kurz vor 15:00 Uhr L. K. mit einem stumpfen Gegenstand zweimal von hinten auf den Kopf geschlagen, wobei er ausgenutzt habe, dass sich L. K. zu diesem Zeitpunkt keines Angriffs versehen habe und sich deshalb eines solchen auch nicht habe erwehren können. Ab diesem Zeitpunkt sei L. K. entweder benommen oder bewusstlos gewesen und habe infolge der Schläge eine etwa 7 cm hohe und bis zu 5 cm breite schwarz-rote Einblutung im Scheitelhinterhauptsbereich in der Mitte sowie eine Einblutung mit einem Durchmesser von etwa 3 cm und einer Schichtdicke von 5 mm im seitlichen hinteren Scheitelbereich rechts erlitten. Ferner habe sie einen Bluterguss an der Rückseite des linken Oberarms erlitten.
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Der Angeklagte habe überlegt, ob er L. K. retten und ein Sturzgeschehen vortäuschen solle, und um 14:57 Uhr zweimal den Telefonanschluss ihres Hausarztes Dr. W1. angewählt, das Telefonat jedoch sogleich wieder beendet, ohne dass eine Verbindung zustande gekommen sei. In Fortführung seines ursprünglichen Plans, L. K. zu töten, habe der Angeklagte sie ins Badezimmer verbracht und in die Badewanne gelegt, habe Wasser in die Wanne einlaufen lassen und L. K. so lange unter die Wasseroberfläche gedrückt, bis sie schließlich ertrunken sei. Das Wasser habe er währenddessen und danach kontinuierlich nachlaufen lassen.
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Unmittelbar darauf habe der Angeklagte die Wohnung verlassen und einen Schlüsselbund der Verstorbenen von außen an der geschlossenen Wohnungstür hängen lassen, damit der Pflegedienst die Leiche würde finden können, ohne dass seine Hinzuziehung als Hausmeister erforderlich würde. Anschließend sei der Angeklagte die 2,7 Kilometer lange Strecke zum E. Markt in der „St.-J.-Str.“ [Anmerkung: gemeint S2. straße] 83 in B. W. gefahren, um sich so ein Alibi zu verschaffen. Um 15:08 Uhr habe er dort angeblich Einkäufe für L. K. getätigt und um 15:09 Uhr den Pflegedienst verständigt, dass sich dieser nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus wieder um ihre Medikamenteneinnahme kümmern solle.
II. Gerichtliche Hinweise gemäß § 265 StPO im Wiederaufnahmeverfahren
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Am 1. Hauptverhandlungstag des Wiederaufnahmeverfahrens erging ein gerichtlicher Hinweis gemäß § 265 StPO, wonach abweichend von der Anklageschrift in tatsächlicher Hinsicht auch in Betracht komme, dass der Einkauf des Angeklagten am 28.10.2008 im E.-Markt R. in der S2. straße 83 in B, W, nicht um 15:08 Uhr getätigt, sondern die eingekaufte Ware um 15:30 Uhr bezahlt worden sei.
39
Am 15. Hauptverhandlungstag erging ein weiterer gerichtlicher Hinweis gemäß § 265 StPO, wonach in tatsächlicher Hinsicht auch Folgendes in Betracht komme: Der Angeklagte habe bereits um 15:07:10 Uhr von seinem Handy bei der Auskunft angerufen und sich von dort mit dem Pflegedienst Mi. verbinden lassen, um dort die Nachricht auf dem Anrufbeantworter zu hinterlassen, dass Frau K1. wieder zuhause sei und abends wieder angefahren werden solle.
40
Das Telefonat habe um 15:09:59 Uhr geendet.
D. Festgestellter Sachverhalt
I. Vorgeschichte
41
Der Angeklagte war seit Juni 1996 hauptberuflich als Hausmeister in der Wohnanlage S1. straße 2 bis 6 in R.-E. im Landkreis Miesbach tätig. Daneben verrichtete er für die Bewohner dieser insgesamt 44 Wohnungen umfassenden Wohnanlage, unter denen sich auch zahlreiche ältere Personen befanden, zum Teil regelmäßig und zum Teil nach Bedarf Gefälligkeiten, wie Einkäufe, kleinere und größere Reparaturarbeiten sowie Fahrdienste, wofür sich die Bewohner teilweise gegenüber dem Angeklagten finanziell erkenntlich zeigten.
42
Die spätere Verstorbene L. K., die zum Zeitpunkt ihres Todes am ... 2008 87 Jahre alt war, lebte seit dem Tod ihres am ... 2007 verstorbenen Ehemannes Al. K. allein in einer gemieteten Dreizimmerwohnung im ersten Obergeschoss des Anwesens S1. straße 6 in R.-E.. Für den Zutritt zu dieser Wohnung waren insgesamt vier – üblicherweise verschlossen gehaltene – Türen zu überwinden: die Hauseingangstür im Erdgeschoss, eine Glastür im ersten Obergeschoss, ferner eine braune Holztür sowie die weiße Wohnungstür.
43
L. K. litt unter anderem an einer Arthrose in den Knie- und Hüftgelenken, an Vorhofflimmern sowie an einer kollagenen Kolitis, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, welche ohne adäquate medikamentöse Behandlung regelmäßig mit starken Durchfällen einherging. Ferner bestand bei L. K. insbesondere auch eine langjährige arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) mit der Folge einer ausgeprägten zerebralen Mikroangiopathie, einer Erkrankung der kleinen Hirngefäße, die typischerweise mit Gang- und Standunsicherheiten einhergeht und bei L. K. bereits zu zahlreichen lakunären Infarkten geführt hatte. L. K. zeigte zudem Symptome einer beginnenden Demenz.
44
Vom 12. bis 20.11.2007 wurde L. K. wegen erhöhten Blutdrucks mit Atemnot (hypertensive Entgleisung mit Dyspnoe) und Schwindel stationär in der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz behandelt. Hierbei wurde eine Linksherzinsuffizienz NYHA-Stadium II (Stadium II nach der Klassifikation der New York Heart Association) bei hypertensiver Herz- und Nierenerkrankung, kompensierter Niereninsuffizienz und hypertensiver Enzephalopathie mit Schwindelsymptomen bei subkortikaler arteriosklerotischer Enzephalopathie ohne Hinweis auf ein akutes zentrales Geschehen diagnostiziert.
45
Seit einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus Ag. in H. vom 07. bis 13.12.2007 wegen einer akuten linksseitigen Lungenembolie wurde L. K. mit dem blutgerinnungshemmenden Medikament Marcumar® behandelt. Die Überwachung der Medikamenteneinnahme erfolgte ab dem 13.12.2007 durch den ambulanten Pflegedienst Mi., der von K. S., geschiedene Mi., betrieben wurde.
46
Bei einem weiteren stationären Aufenthalt in der As. St.-klinik B. T. vom 18. bis 24.07.2008 wurden bei L. K. eine transitorische ischämische Attacke (TIA) mit rechtsseitiger Beinheberschwäche, eine hypertensive Herz- und Nierenerkrankung, jeweils Stadium II, sowie eine hypertensive Enzephalopathie und eine Carotissklerose ohne signifikante Stenosen diagnostiziert.
47
Beim Gehen war L. K. auf die Benutzung eines Gehstocks angewiesen; die Benutzung eines Rollators verweigerte sie. Es kam es bei ihr wiederholt zu Schwindelzuständen und Stürzen. Dokumentiert sind im Jahr 2008 mindestens drei Stürze in ihrer Wohnung am 05.03., 29.04. und 21.06.2008.
48
Aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigungen war L. K. nicht mehr in der Lage, selbständig Besorgungen außer Haus zu erledigen. Sie nahm deshalb – bereits vor dem Tod ihres Ehemannes am ... 2007 und in stark zunehmendem Maße seither – die Hilfe des Angeklagten in Anspruch, der sich bereits mehrere Jahre um Al. K. gekümmert und für diesen Besorgungen erledigt hatte. Neben ihrem Hausarzt Dr. W1. und den ambulanten Pflegekräften war der Angeklagte für L. K. seit dem Tod ihres Ehemannes die maßgebliche Bezugsperson im Alltag.
49
Der Angeklagte kümmerte sich mit großem Einsatz um L. K., indem er unter anderem für sie Einkäufe erledigte, das Frühstück und Kaffee am Nachmittag zubereitete, Fahrdienste erbrachte, Geschirr spülte und die Wäsche in der Waschmaschine im Keller wusch. Bevor L. K. ihre Wäsche dem Angeklagten zum Waschen übergab, weichte sie ihre Leibwäsche stets und andere verschmutzte Kleidungsstücke zum Teil ebenfalls regelmäßig erst vorher ein. Für seine Gefälligkeiten erhielt der Angeklagte von L2. K. pauschal 100,- Euro pro Monat sowie 500,- Euro zu Weihnachten sowie eine zusätzliche Aufwandsentschädigung für Fahrdienste und gelegentlich Trinkgeld. Auf Bitten von L. K. tätigte der Angeklagte für sie auch Bargeldabhebungen von ihrem Bankkonto und hinterlegte in ihrem Auftrag für sie Wertsachen in ihrem Bankschließfach, die er später auch wieder für sie dort abholte.
50
L. K. litt in der Zeit vor dem 23.10.2008 zunehmend unter starkem Durchfall infolge ihrer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, sodass sie mehrmals täglich die Toilette aufsuchen musste. Nachdem sich ihr Zustand in der vorangegangenen Nacht deutlich verschlechtert hatte, wurde sie am Morgen des 23.10.2008 von ihrem Hausarzt Dr. W1. stationär ins Krankenhaus eingewiesen. Mit einem Rettungswagen wurde sie in das Krankenhaus Ag. in H. verbracht und dort bis zum 28.10.2008 stationär behandelt.
51
Anlässlich der Aufnahme im Krankenhaus wurden bei L. K. eine akute kollagene Kolitis in Verbindung mit einer Exsikkose sowie eine hypertensive Entgleisung diagnostiziert.
52
Noch am Aufnahmetag wurde das Medikament Marcumar® abgesetzt, da die laborchemische Blutuntersuchung stark erhöhte Blutgerinnungswerte erbracht hatte. Aufgrund dessen wurde auch die Dosierung des ebenfalls die Blutgerinnung hemmenden Medikaments Acetylsalicylsäure reduziert. Der Durchfall klang nach zwei Tagen aufgrund der diesbezüglichen medikamentösen Behandlung im Krankenhaus ab. Am 27.10.2008 wurde der Angeklagte von der Klinik verständigt, dass L. K. am Folgetag bei gebessertem Gesundheitszustand auf eigenen Wunsch entlassen werde und er sie am 28.10.2008 gegen 12:30 Uhr abholen könne.
II. Todestag
53
Der zum genannten Termin im Krankenhaus Ag. erschienene Angeklagte musste zunächst die Durchführung der Visite abwarten, bevor er am 28.10.2008 gegen 13:30 Uhr mit L. K. das Krankenhaus verlassen konnte. Diese war immer noch deutlich geschwächt, auch wenn sich ihr Gesundheitszustand gegenüber dem Einlieferungstag gebessert hatte. Aufgrund ihrer geäußerten Befürchtung, die Wegstrecke vom Krankenhauseingang zum Fahrzeug des Angeklagten nicht zu Fuß bewältigen zu können, schob dieser sie mit einem Roll- oder Transportstuhl zu seinem Pkw und war ihr anschließend beim Einsteigen ins Fahrzeug behilflich.
54
Im Anwesen S1. straße 6 in R.-E. half der Angeklagte L2. K1. beim Treppensteigen hinauf zu ihrer Wohnung, indem er sie unterhakte und stützte. Nach dem Eintreffen in ihrer Wohnung gegen 14:00 Uhr bereitete er auf ihren Wunsch Kaffee zu, den er anschließend mit ihr zusammen trank. Ferner rechnete er mit ihr seine für sie getätigten Einkäufe ab, für die er etwa 40,- Euro ausgelegt hatte. L. K. übergab ihm daraufhin insgesamt 100,- Euro in bar, die sich aus 50,- Euro Aufwandsentschädigung für das Abholen aus dem Krankenhaus, etwa 40,- Euro Auslagenerstattung für die getätigten Einkäufe und etwa 10,- Euro Trinkgeld zusammensetzten.
55
Um 14:47 Uhr nahm der Angeklagte in der Wohnung von L. K. einen Anruf seiner Ehefrau M. G. auf seinem Mobiltelefon entgegen. Um 14:57:07 Uhr und 14:57:21 Uhr wählte der Angeklagte vom Festnetzanschluss der Wohnung K. jeweils den Telefonanschluss der Praxis ihres Hausarztes Dr. W1. an, um diesen über die Entlassung seiner Patientin aus dem Krankenhaus zu informieren, damit dieser auch den ambulanten Pflegedienst hiervon in Kenntnis setzen würde. Der Angeklagte brach beide Anrufe nach einer dokumentierten Verbindungsdauer von null Sekunden für den ersten Anruf und einer Sekunde für den zweiten Anruf ab, wobei nicht feststellbar war, ob nur beim zweiten Anruf oder auch bereits beim ersten eine Verbindung zustande gekommen war. Der Abbruch des Anrufs nach der zustande gekommenen Verbindung erfolgte, weil entweder eine Bandansage oder ein Anrufbeantworter am Anschluss der Arztpraxis zu hören war.
56
Der Angeklagte informierte L. K. darüber, dass er an diesem Nachmittag noch seine Mutter im Krankenhaus besuchen wolle, und bot ihr an, vor dem Verlassen ihrer Wohnung noch ein Fußbad für sie zuzubereiten, wie er es in der Vergangenheit bereits häufiger getan hatte. L. K. lehnte dies jedoch sinngemäß mit der Äußerung ab, sie wisse schon, wie sie sich ihre Füße wasche. Sie bat den Angeklagten, drei Tafeln Schokolade, eine Packung Ferrero KINDER-Schoko-Bons sowie eine Packung Inkontinenzeinlagen der Marke TENA Active für sie einzukaufen, und teilte ihm mit, dass sie beabsichtige, sich ins Bett zu legen. Deshalb steckte er im Einvernehmen mit ihr beim Verlassen der Wohnung den Schlüssel ihres verstorbenen Ehemannes von außen in das Schloss der weißen Wohnungstür, um dem ambulanten Pflegedienst am Abend ein Betreten der Wohnung auch für den Fall zu ermöglichen, dass L. K. bei dessen Ankunft noch schlafen und deshalb die Türklingel nicht hören sollte. Als der Angeklagte die Wohnung gegen 15:00 Uhr verließ, lebte L. K. noch.
57
Da es dem Angeklagten entgegen seiner Absicht zuvor nicht gelungen war, vom Festnetzanschluss der Wohnung K. den Hausarzt Dr. W1. telefonisch über die Entlassung seiner Patientin aus dem Krankenhaus zu informieren, rief er um 15:07:10 Uhr von seinem Mobiltelefon bei der Telefonauskunft an und ließ sich mit dem Pflegedienst Mi. verbinden, um diesem die Rückkehr von L. K. aus dem Krankenhaus unmittelbar selbst mitzuteilen und zugleich die Wiederaufnahme der Hausbesuche im Rahmen der ambulanten Pflege am Abend des 28.10.2008 zu veranlassen. Er hinterließ eine entsprechende Nachricht auf dem Anrufbeantworter, der seinen Anruf am Anschluss des Pflegedienstes entgegennahm, und beendete um 15:09:59 Uhr das Telefonat.
58
Anschließend räumte der Angeklagte Geräte in der Werkstatt auf und fuhr die 2,77 km lange Strecke zum E.-Markt R. in der S2. straße 83 in B. W.. In einem engen zeitlichen Zusammenhang damit nahm der Angeklagte um 15:18 Uhr einen Anruf seiner Ehefrau M. G. mit einer Verbindungsdauer von 44 Sekunden auf seinem Mobiltelefon entgegen. Er tätigte in dem E.-Markt die von L. K. erbetenen Einkäufe für sie und bezahlte diese um 15:30 Uhr an der dortigen Kasse. Um 15:38 Uhr ging auf seinem Mobiltelefon ein weiterer Anruf seiner Ehefrau mit einer Verbindungsdauer von zwei Sekunden ein. Er rief sie um 15:51 Uhr zurück und kündigte ihr in einem zehn Sekunden dauernden Telefonat an, in Kürze nach Hause zu kommen.
59
Zu Hause trank der Angeklagte in seiner Wohnung in der S1. straße 2 in R.-E. zusammen mit seiner Ehefrau Tee, rauchte mit ihr und ließ sich von ihr die Haare tönen. Anschließend besuchten die beiden gemeinsam mit ihrem Sohn die Mutter des Angeklagten, L. G., im Krankenhaus Ag. und begaben sich danach in einen Einkaufsmarkt, bevor sie am späten Abend nach Hause zurückkehrten.
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Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem gegen 15:00 Uhr erfolgten Verlassen der Wohnung durch den Angeklagten und 18:00 Uhr, wahrscheinlich im Zeitraum zwischen 16:30 Uhr und 18:00 Uhr, begab sich L. K. in das Badezimmer ihrer Wohnung. Sie beugte sich über die Badewanne und öffnete beide Drehregler für warmes und kaltes Wasser der an der gegenüberliegenden Wand montierten Armatur. Möglicherweise verschloss L. K. zudem den Badewannenabfluss oder dieser war noch von einem früheren Zeitpunkt verschlossen oder wurde erst im Zuge des nachfolgenden Geschehens unabsichtlich verschlossen.
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Anlass für das Aufdrehen des Wassers an der Badewannenarmatur war wahrscheinlich, dass L. K. die zahlreichen, mit Kot beschmutzten Wäschestücke in der Badewanne einweichen wollte, die sich aufgrund ihres starken Durchfalls am 23.10.2008 und in den Tagen zuvor noch in ihrer Wohnung befanden und zu denen weitere verschmutzte Wäschestücke von dem Krankenhausaufenthalt hinzugekommen waren. Möglicherweise beabsichtigte L. K. aber auch stattdessen, nach dem Öffnen der beiden Drehregler das Wasser durch den Duschschlauch zu leiten und mit diesem die unter dem Waschbecken abgestellte Waschschüssel aus Kunststoff mit Wasser zu befüllen, um darin ein Fußbad zu nehmen. Nicht ausschließbar drehte L. K. aber auch aus einem anderen, unbekannten Grund das Wasser an der Badewannenarmatur auf.
62
Im weiteren Verlauf stürzte L. K. aufgrund einer unbekannten Ursache und aus einer nicht näher feststellbaren Position mit dem Kopf voran in die jedenfalls noch nicht hoch mit Wasser gefüllte Badewanne und stieß zumindest einmal mit dem Hinterkopf – und möglicherweise überdies mit der rechten Kopfseite – gegen die Innenfläche der Badewanne. Sie erlitt hierbei zumindest ein 7 cm hohes und bis zu 5 cm breites Hämatom in der Mitte des Scheitelhinterhauptsbereichs und zog sich möglicherweise ferner ein Hämatom mit einem Durchmesser von 3 cm und einer Schichtdicke von bis zu 5 mm im seitlichen hinteren Scheitelbereich rechts zu.
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L. K. kam in rechter Seitenlage in der Badewanne zu liegen, wobei sich ihr Kopf in dem – von der Raummitte aus betrachtet – linken Bereich der Wanne unterhalb des in den Drehknopf für die Bedienung des Abflusses integrierten Notablaufs befand und das linke Bein über den Wannenrand hinausragte oder heraushing. Entweder wegen einer Bewusstseinstrübung oder gar Bewusstlosigkeit infolge des Sturzes oder aufgrund ihrer altersbedingten Bewegungseinschränkungen gelang es L. K. nicht, sich aus dieser Position zu befreien oder zumindest die beiden Drehregler der Badewannenarmatur zu schließen und hierdurch ein weiteres Nachlaufen des Wassers und damit ein Ansteigen des Wasserspiegels zu verhindern. Da der Badewannenabfluss jedenfalls nunmehr verschlossen war, stieg der Wasserspiegel in der Badewanne durch das weiter nachlaufende Wasser immer weiter an.
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In den folgenden Minuten gerieten beide Atemöffnungen von L. K. unterhalb des ansteigenden Wasserspiegels, sodass es zu einer Aspiration von Wasser kam und schließlich der Tod durch Ertrinken eintrat. Durch unwillkürliche, krampfhafte Bewegungen und Zuckungen der Extremitäten in der agonalen Phase des Ertrinkungsvorgangs und / oder eine auftriebsbedingte Rotation infolge des weiteren Anstiegs des Wasserspiegels kam es möglicherweise noch zu einer leichten Lageveränderung des Leichnams und insbesondere der Gliedmaßen.
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Gegen 18:30 Uhr traf die an diesem Abend mit der Medikamentengabe bei L. K. betraute Pflegekraft M. S., geborene St., in der St.-straße 6 in R.E. ein, nachdem sie zuvor um 17:30 Uhr ihren Dienst angetreten und auftragsgemäß bereits vier andere Patienten im Raum T. versorgt hatte. Mit dem beim Pflegedienst Mi. hinterlegten Schlüssel, den sie wie üblich bei Dienstantritt im dortigen Büro abgeholt hatte, sperrte sie die Hauseingangstür, die Glastür im ersten Obergeschoss sowie die braune Holztür auf. Die nicht versperrte, sondern lediglich ins Schloss gezogene, weiße Wohnungstür öffnete sie mit dem von außen im Schloss steckenden Schlüssel.
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In der Wohnung begann sie, nach L. K. zu rufen und sie im Flur, im Wohnzimmer, in der Küche und im Schlafzimmer zu suchen. Anschließend begab sich die Pflegekraft ins Badezimmer, von wo sie das Plätschern von Wasser vernommen hatte. Dort entdeckte sie den Leichnam in der Badewanne und drehte das weiterhin nachlaufende Wasser ab, indem sie beide Drehregler der Badewannenarmatur schloss. Mit ihrem dienstlichen Mobiltelefon verständigte sie ihre in der Nähe wohnende Kollegin S. W., die sich umgehend auf den Weg zu ihr machte. Um 18:31 Uhr wurde vom Festnetzanschluss der Wohnung K. ein Notruf bei der Rettungsleitstelle unter der damaligen Nummer 19222 abgesetzt. Vom selben Anschluss wurde diese Nummer nochmals um 18:41 Uhr und um 18:52 Uhr gewählt.
III. Bauliche Verhältnisse im Badezimmer
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Der Zugang zu dem 2,15 m langen und 2,50 m breiten Badezimmer in der Wohnung K. erfolgte vom Wohnungsflur aus über eine – vom Flur aus gesehen – rechts angeschlagene Tür. Der geflieste Badezimmerboden war mit zwei rechteckigen Badvorlegern und einem Toilettenvorleger ausgelegt. In der gegenüber der Badezimmertür gelegenen Wand war ein 1 m breites Fenster eingelassen. An der – vom Flur aus gesehen – linken Längswand des Badezimmers waren ein Waschbecken und – rechts daneben, auf der von der Badezimmertür abgewandten Seite – eine Toilette angebracht. Entlang der rechten Längswand war eine 1,70 m lange, 75 cm breite und 60 cm hohe Badewanne eingebaut, welche als Innenmaße eine Länge von 1,55 m, eine Breite von 60 cm sowie eine Höhe von 41 cm vom Boden bis zur Oberkante des Notablaufs sowie von weiteren 4 cm bis zur Oberkante der Wanne aufwies.
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Der Abfluss der Badewanne sowie der zu dessen Bedienung angebrachte Drehknopf, in welchem der Notablauf integriert war, befanden sich an der – von der Raummitte aus betrachtet – linken, von der Badezimmertür abgewandten Seite der Wanne. Bei Öffnung der Badezimmertür im rechten Winkel wurde die Wanne auf einer Länge von 58 cm durch das Türblatt verdeckt. Die 18 cm breite Badewannenarmatur, die an der rechten Längswand des Badezimmers montiert war, bestand aus einer Mischbatterie mit zwei Drehreglern, welche mit rot und blau für warmes und kaltes Wasser markiert waren, sowie aus einem Wasserhahn und einem Anschluss, an welchem ein Duschschlauch mit Handbrause angeschlossen war. Der Abstand von der linken Seite der Armatur zum linken Badewannenrand betrug 25 cm, derjenige von der rechten Seite der Armatur zum rechten Wannenrand 1,27 m.
IV. Auffindesituation
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Der Leichnam der Verstorbenen L. K. befand sich in rechter Seitenlage in der bis zur Unterkante des Überlaufs vollständig mit Wasser gefüllten Badewanne, wobei die rechte Körperseite auf dem Wannenboden auflag. Der Kopf des Leichnams befand sich in dem – von der Raummitte aus betrachtet – linken Bereich der Wanne unterhalb des in den Drehknopf für die Bedienung des Abflusses integrierten Notablaufs. Das rechte Bein des Leichnams lag leicht angewinkelt auf dem Wannenboden auf, wobei die Fußspitze an der Schräge der – von der Raummitte aus betrachtet – rechten Seite der Wanne nach oben aus der Wasseroberfläche herausragte. Das linke Bein lag auf Höhe der Kniebeuge oberhalb des Wasserspiegels auf dem Badewannenrand auf, sodass der linke Unterschenkel und der linke Fuß über den Wannenrand heraushingen. Der rechte Arm war etwa rechtwinklig gebeugt, wobei der Oberarm unter dem Oberkörper auf dem Wannenboden auflag. Der linke Oberarm führte etwa im rechten Winkel vom Körper weg zum Wannenrand. Dort zeigte der linke Unterarm nach unten, so dass der linke Handrücken auf dem Badewannenboden auflag. Die Finger beider Hände waren angewinkelt.
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L. K. war mit einer hellblauen Schlafanzughose aus eher dünnerem Stoff, einem hellblauen kurzärmligen Shirt aus dünnem Stoff sowie mit einer darüber getragenen dunkelblauen Strickjacke bekleidet. Unter dem Shirt und der Schlafanzughose trug sie ein Unterhemd und eine Unterhose mit einer Slipeinlage darin. Sowohl die Unterhose als auch die Schlafanzughose wiesen braune Kotantragungen auf. An den Füßen trug L. K. weiße Socken. In der Badewanne befand sich zudem frei im Wasser schwimmend ein weißes Tuch.
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Auf dem Boden unterhalb des Waschbeckens war eine rosafarbene Waschschüssel aus Kunststoff abgestellt, auf welcher zusammengefaltet ein Handtuch und eine Antirutschmatte lagen. Unter der Schüssel lag ein rosafarbener Badvorleger, welcher an der – von der Raummitte aus betrachtet – rechten vorderen Ecke durch einen zum Teil darunter liegenden rechten Pantoffel zusammengeschoben war, dessen Spitze schräg in Richtung des – von der Raummitte aus betrachtet – rechten Bereichs der Badewanne zeigte. Daneben lag der Toilettenvorleger verschoben und verdreht am Boden schräg vor der Toilette. Unmittelbar vor der Längsseite der Badewanne befand sich ein zweiter rosafarbener Badvorleger, auf welchem nahezu parallel zur Badewanne ein schwarzer Gehstock lag, dessen silberfarbener Griff in Richtung der gegenüber der Badezimmertür gelegenen Wand zeigte. Aus der Raummitte betrachtet links von diesem Badvorleger befand sich der zweite – linke – Pantoffel, dessen Spitze in Richtung Toilette zeigte und dessen Fersenbereich zum Teil auf dem – aus der Raummitte betrachtet – linken Rand des Badvorlegers stand. Das Thermostat der Heizung im Badezimmer war auf Stufe fünf eingestellt, das Badezimmerfenster geschlossen. Der Rollladen vor dem Badezimmerfenster war – ebenso wie vor dem Küchenfenster – heruntergelassen.
E. Beweiswürdigung
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Nach einer vollständigen und umfassenden Gesamtwürdigung aller in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse und Beweisergebnisse sowie aller in Betracht zu ziehenden Umstände gelangte das Schwurgericht zu der Überzeugung, dass L. K. infolge eines Unfallgeschehens zu Tode kam, indem sie aufgrund einer unbekannten Ursache in die Badewanne stürzte und darin ertrank.
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Diese Überzeugung beruht maßgeblich darauf, dass zum einen aus rechtsmedizinischer Sicht ein Unfallgeschehen nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich ist, und dass zum anderen keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen lassen würden, dass L. K. Opfer eines Tötungsdelikts geworden wäre. Da somit schon kein Tötungsdelikt begangen wurde, kann sich dementsprechend auch der Angeklagte eines solchen nicht schuldig gemacht haben.
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Hinzukommt, dass der Angeklagte, dem vorgeworfen wurde, am 28.10.2008 zwischen 14:57 Uhr und 15:08 Uhr L. K. in der Badewanne ertränkt und hierdurch getötet zu haben, für den wahrscheinlichen Zeitraum des Todeseintritts am 28.10.2008 zwischen 16:30 Uhr und 18:00 Uhr überdies ein Alibi hat.
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Der Angeklagte war deshalb wegen erwiesener Unschuld aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
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Der oben unter D. festgestellte Sachverhalt beruht auf dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme und der damit im Einklang stehenden Einlassung des Angeklagten.
I. Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung zur Sache
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Der Angeklagte ließ sich in der Hauptverhandlung bei verschiedenen Gelegenheiten – nahezu ausschließlich über seine Verteidiger – zur Sache ein und bestritt umfassend den ihm zur Last gelegten Tatvorwurf. Er sei unschuldig. Er sei 13 Jahre und sieben Monate unschuldig inhaftiert gewesen.
1. Schriftliche Einlassung am 1. Hauptverhandlungstag
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Am 1. Hauptverhandlungstag gab seine Verteidigerin Rechtsanwältin R2. eine – anschließend dem Gericht in Schriftform übergebene – Erklärung für den Angeklagten ab, welche dieser als inhaltlich richtig bestätigte und sich zu eigen machte. Zusammengefasst ließ sich der Angeklagte darin im Wesentlichen wie folgt ein:
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Er habe L. K. nicht umgebracht, ihr keinerlei Gewalt angetan. Er habe ihr auch kein Geld weggenommen, weder unterschlagen noch gestohlen. Seine Schulden habe er mit dem Erlös aus dem Verkauf eines Motorrads sowie mit Nebeneinkünften in bar zum Beispiel aus Renovierungsarbeiten beglichen.
a. Angaben zur Verstorbenen und zu dem Verhältnis zwischen ihnen
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Das Vertrauen der Verstorbenen habe er sich nicht „erschlichen“, sondern mit seiner korrekten Art und Hilfsbereitschaft erworben. Er habe L. K. in vielerlei Hinsicht im Alltag unterstützt, zum Beispiel für sie eingekauft, das Frühstück zubereitet, Geschirr gespült, ihre Wäsche gewaschen und Fahrdienste für sie erbracht. Hierfür habe er von L. K. jedenfalls pauschal 100,- Euro pro Monat und zu Weihnachten 500,- Euro erhalten. Für Fahrdienste habe sie sich gesondert finanziell erkenntlich gezeigt.
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Häufig habe er L. K. mehrmals am Tag aufgesucht. Zum Kaffeetrinken am Nachmittag habe er oftmals auch seine Ehefrau und seinen Sohn mitgebracht. Er habe auch Bankgeschäfte für die Verstorbene erledigt, zum Beispiel Bargeld für sie von der Bank abgehoben und Schmuck in ihr Bankschließfach gebracht, welches sie auf seine Empfehlung hin eingerichtet habe. Alles habe er stets gewissenhaft und beanstandungsfrei erledigt. Anlass für seine Empfehlung hinsichtlich der Einrichtung eines Bankschließfachs sei gewesen, dass L. K. im April 2008 einen Ring vermisst habe. Um dies aufzuklären, habe er die Polizei darüber informiert. Deren Ermittlungen seien ergebnislos verlaufen. Später sei L. K. eingefallen, dass sie den Ring verschenkt habe.
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Dem Angeklagten zufolge sei L. K. „immer herzensgut“ zu ihm gewesen. Obwohl das Verhältnis zwischen ihnen sehr gut gewesen sei, habe er sie gesiezt, weil er Respekt vor alten Menschen habe und so erzogen worden sei. Sie habe ihm Verschiedenes geschenkt, zum Beispiel Kleidung ihres verstorbenen Ehemannes, welche er im Keller gelagert und – mit Ausnahme von zwei Paar Schuhen, die er seinem Bruder gegeben habe – nach ihrem Tod weggeworfen habe. Seiner Ehefrau habe L. K. ab und zu Schmuck geschenkt, welchen sie in einer separaten Dose aufbewahrt hätten, da er, der Angeklagte, nicht sicher gewesen sei, ob L. K. den Schmuck nicht eines Tages zurückfordern würde. Außerdem habe die Verstorbene seiner Mutter jedenfalls einen Pelzmantel geschenkt. Den zweiten Pelzmantel, der bei seiner Mutter gefunden worden sei, habe diese seiner Meinung nach von seinem Vater zum 60. Geburtstag geschenkt bekommen.
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Wie der Angeklagte weiter angab, habe L. K. ihn zwar manchmal mehrmals am Tag angerufen, aber es habe deshalb nie Streit gegeben. Sie sei „vielleicht manchmal etwas fordernd“ gewesen, womit er aber gut habe umgehen können. Manchmal sei sie auch „leicht eifersüchtig“ gewesen, was er aber nicht ernst genommen habe.
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Der Gesundheitszustand der Verstorbenen habe sich seit dem Tod ihres Ehemannes immer mehr verschlechtert. Sie habe nach seiner Kenntnis eine Vielzahl von gesundheitlichen Beschwerden wie Bluthochdruck, Darmbeschwerden und Schwindelanfälle gehabt. Er wisse von mehreren Stürzen, bei denen sie umgefallen sei „wie ein Brett“. Sie habe einen Gehstock benutzt.
85
Die Wäsche, die L. K. ihm zum Waschen mitgegeben habe, habe sie stets vorher eingeweicht. Er habe sie oft gebeten, dies sein zu lassen, da die Wäsche ohnehin gleich in die Waschmaschine komme, aber sie „hätte ihm niemals im Leben verkotete Wäsche mitgegeben“. Dass sie die Wäsche nicht nur in der Plastikschüssel, sondern auch in der Badewanne eingeweicht habe, habe er selbst nicht gesehen, schließe dies aber daraus, dass es gelegentlich mehr Wäsche gewesen sei und diese dann überhaupt nicht in die Waschschüssel gepasst hätte.
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Zum Beispiel sei auch einmal ein Bademantel dabei gewesen.
87
Nach seiner Meinung habe sich L. K. die Füße nicht in der Badewanne gewaschen und wäre auch nicht allein in die Badewanne gestiegen.
b. Angaben zum Krankenhausaufenthalt der Verstorbenen ab dem 23.10.2008
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Dem Angeklagten zufolge habe L. K. ihn am 23.10.2008 gegen 04:15 Uhr angerufen und ihm mitgeteilt, dass es ihr schlecht gehe und sie starken Durchfall habe. Er habe dann ihren Hausarzt Dr. W1. angerufen, welcher schließlich eine Einweisung ins Krankenhaus veranlasst habe. Er, der Angeklagte, habe ihr noch Kleidung und Geld aus der Geldkassette – seiner Erinnerung nach 200,- oder 250,- Euro – eingepackt. Außerdem habe L. K. auf einen kleinen Merkzettel geschrieben, dass er über alles verfügen könne. Solche Zettel habe sie schon öfter zuvor geschrieben, weil sie nicht gewollt habe, dass ihre Schwester nach ihrem Tod ihre Wohnung ausräume. Mehrere dieser Zettel habe er in der Vergangenheit schon weggeworfen. Er habe L. K. mehrmals im Krankenhaus besucht.
c. Angaben zum 28.10.2008
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Wie der Angeklagte angab, habe er L. K. am 28.10.2008 im Krankenhaus abgeholt.
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Da sie schwach auf den Beinen gewesen sei, habe er sie in einem Roll- oder Transportstuhl zum Fahrzeug gebracht und ihr beim Einsteigen geholfen. Nach seiner Erinnerung seien sie kurz nach 14:00 Uhr zu Hause angekommen. Das Treppensteigen sei für L. K. „extrem mühsam“ gewesen. Er habe sie stützen und ihr die Treppe hinaufhelfen müssen. In der Wohnung habe er sie in ihren Fernsehsessel gesetzt, ihr die Schuhe ausgezogen und Kaffee gekocht, den sie dann zusammen getrunken hätten. Auf ihre Bitte hin habe er dann „die Kasse“ geholt, welche sich an ihrem Bett unter einer Wolldecke befunden habe. Dann sei abgerechnet worden. Nach seiner Erinnerung habe er rund 40,- Euro ausgelegt und für das Abholen habe ihm L. K. 50,- Euro gegeben, was sie auf insgesamt 100,- Euro aufgerundet habe.
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Diesen Betrag habe sie ihm aus der schwarzen Brieftasche gegeben.
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Auf seine Frage, ob er ihr ein Fußbad zubereiten solle, habe L. K. sinngemäß geäußert, sie wisse schon, wie sie sich ihre Füße wasche. Das Fußbad habe sie stets in einer Schüssel genommen, in welche er zwei Beutel Kamillentee gegeben habe. Er habe dann erfolglos versucht, den Hausarzt Dr. W1. zu erreichen, um ihm mitzuteilen, dass L. K. wieder zuhause sei, damit dieser den Pflegedienst verständige. Die Nummer des Pflegedienstes habe er gerade nicht zur Hand gehabt. Seinen Angaben zufolge wisse er nicht mehr, ob er es ein- oder zweimal bei Dr. W1. versucht habe und ob eine Warteschleife oder ein Anrufbeantworter zu hören gewesen sei. Er erinnere sich jedoch deutlich an ein Knacken in der Leitung, welches ihm den Eindruck vermittelt habe, dass das Telefon nicht abgehoben werde.
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Bevor er kurz vor 15:00 Uhr die Wohnung verlassen habe, habe L. K. ihn noch angewiesen, den Schlüssel ihres verstorbenen Mannes draußen an der Tür hängen zu lassen, damit der Pflegedienst in die Wohnung kommen könne. Die sogenannte „Schlüsselabrede“ habe es jedenfalls zwischen ihm, dem Angeklagten, und L. K. gegeben. Ob der Pflegedienst explizit hiervon gewusst habe, wisse er nicht. Er habe einmal, als er in B. T. gewesen sei, einen Anruf vom Pflegedienst erhalten mit der Mitteilung, dass L. K. diesem die Tür nicht geöffnet habe, und mit der Bitte, nach seiner Rückkehr nach ihr zu schauen, was er auch getan habe. L. K. habe das Nichtöffnen der Tür damit begründet, dass sie eingeschlafen und nicht rechtzeitig zur Tür gekommen sei. Er habe ihr erklärt, dass der Pflegedienst auch dann Zutritt zu ihrer Wohnung haben müsse, wenn er, der Angeklagte, zum Beispiel einmal nach München fahre. Seinen weiteren Angaben zufolge habe er daraufhin den Schlüssel einige Male außen in die Tür gesteckt, zum Beispiel dann, wenn L. K. sich habe hinlegen wollen. Möglicherweise habe sie den Schlüssel wieder abgezogen, nachdem sie aufgewacht sei. Es könne vielleicht auch vorgekommen sein, dass sie die Tür einfach angelehnt habe. Angst habe sie jedenfalls nicht haben müssen, weil ja vor der eigentlichen Wohnungstür noch zwei geschlossene Türen zu überwinden gewesen seien, bevor man in die Wohnung gelangt sei.
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Wie der Angeklagte ferner angab, habe er nach dem Verlassen der Wohnung gegen 15:00 Uhr noch seine Geräte aufgeräumt und sei dann losgefahren, um für L. K. einzukaufen. Auf dem Weg zum E.-Markt habe er in einer Haltebucht angehalten, sich von der Telefonauskunft mit dem Pflegedienst verbinden lassen und auf dem Anrufbeantworter die Nachricht hinterlassen, dass L. K. wieder zu Hause sei.
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Im E.-Markt habe er die speziellen, von L. K. gewünschten, Binden gesucht und ihre bevorzugte Schokolade geholt. Danach sei er nach Hause gefahren und habe seine Frau in einem auf dem Weg geführten Telefonat gebeten, schon einmal Tee zuzubereiten. Diesen hätten sie nach seiner Rückkehr zusammen getrunken. Seine Frau habe ihm die Haare getönt und sie hätten zusammen geraucht. Dies habe insgesamt etwa 15 Minuten gedauert. Danach hätten sie gemeinsam mit ihrem Sohn seine Mutter im Krankenhaus Ag. besucht.
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Anschließend hätten sie eine Kaufland-Filiale aufgesucht.
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Bei ihrer Rückkehr nach Hause hätten sie sich darüber gewundert, dass das Fahrzeug des Pflegedienstes noch so spät dagestanden sei. Er habe dann einen Anruf von der Polizei erhalten mit der Bitte, in die Wohnung von L. K. zu kommen. Entweder schon am Telefon oder erst an der Haustür habe er sinngemäß gefragt, was denn los sei, er habe sie doch erst an diesem Tag aus dem Krankenhaus abgeholt.
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Seinen Angaben zufolge sei sich der Angeklagte sicher, dass der Polizist, mit dem er an der Tür gesprochen habe, ihm nicht gesagt habe, dass L. K. tot sei, sondern, wenn überhaupt, sinngemäß geäußert habe, dass sie im Bad liege. Ihm sei jedenfalls klar gewesen, dass etwas passiert sein müsse. Er habe von dem Krankenhausaufenthalt der Verstorbenen berichtet sowie davon, dass er sie abgeholt habe und wann er die Wohnung verlassen habe. Dann habe der Polizeibeamte ihn sinngemäß – nach der Erinnerung des Angeklagten sogar zweimal – gefragt, ob er nach 15:00 Uhr nochmal in der Wohnung gewesen sei. Die Polizei habe ihn dann wieder weggeschickt und ihn gebeten, sich bereitzuhalten und alle Schlüssel mitzubringen, wenn er später nochmal angerufen werde, weil die Wohnung dann versiegelt werde.
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Er sei zurück zu seiner Ehefrau gegangen und habe ihr davon erzählt. Seiner Erinnerung nach habe sie ihm geraten, den Einkaufszettel mitzunehmen. Die Einkäufe habe er in seinem Fahrzeug zurückgelassen. Dies habe er oft so gehandhabt, wenn er Einkäufe – anders als zum Beispiel Kühlgut – erst am nächsten Tag zu L. K. gebracht habe.
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Wie der Angeklagte weiter angab, habe er sich nach dem erneuten Anruf der Polizei wieder zur Wohnung K. begeben und den Einkaufszettel, den Schmuck sowie jedenfalls einen Zettel mitgebracht, auf dem gestanden sei, dass er über alles verfügen könne. Den Einkaufszettel habe er mitgebracht, weil der Polizist ihn zuvor gefragt habe, ob er nach 15:00 Uhr noch in der Wohnung gewesen sei. Den Schmuck und den Zettel habe er mitgebracht, weil er korrekt habe sein wollen. Er habe insbesondere auch keinen Ärger mit der Schwester der Verstorbenen haben wollen. Dieser habe sie nämlich einmal einen Ring mit einem grünen Stein geschenkt, den sie später wieder von ihr zurückgefordert habe. Den von ihrer Schwester mit der Post zurückgeschickten Ring habe L. K. anschließend ihm gegeben und ihm aufgetragen, diesen seiner Frau zu geben. Er, der Angeklagte, habe „im Hinterkopf“ gehabt, dass er der Schwester würde erklären müssen, warum er den Ring habe, den sie habe zurückgeben müssen. Er habe gedacht, dass die Polizei darüber entscheiden solle, ob er und seine Frau den Schmuck behalten dürften oder nicht.
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Ob und wann er seiner Ehefrau am Abend des 28.10.2008 erzählt habe, dass L. K. tot sei, wisse er nicht mehr. Er habe ihr jedenfalls erzählt, dass etwas passiert sei. Dies sei ja auch klar gewesen, nachdem die Polizei vor Ort gewesen sei und ihn gebeten habe, die Schlüssel zurückzubringen. Den genauen Zeitpunkt, wann ihm jemand explizit gesagt habe, dass L. K. tot sei, könne er nicht mehr genau benennen. Jedenfalls seien seine Ehefrau und er „natürlich bereits an diesem Abend“ davon ausgegangen, dass L. K. tot sei. Dass diese ertrunken sei, habe ihm und seiner Frau erst später seine Mutter erzählt, die das nach seiner Kenntnis von einer weiblichen Pflegekraft, die bei ihr tätig gewesen sei, erfahren habe.
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Die Aussage in einer seiner Vernehmungen, wonach er froh gewesen sei, dass er L. K. nicht im Bad habe liegen sehen, habe – anders als ihm vorgehalten worden sei – kein Täterwissen offenbart. Das Gegenteil sei vielmehr der Fall: Er habe die Vorstellung gehabt, dass da vielleicht viel Blut gewesen sei und er dann Albträume davon bekommen hätte.
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Er habe L. K. nichts getan. Er sei 13 Jahre und 7 Monate unschuldig im Gefängnis gesessen.
2. Ergänzende Einlassung am 1. Hauptverhandlungstag
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Im weiteren Verlauf des 1. Hauptverhandlungstages ließ sich der Angeklagte über seinen Verteidiger Rechtsanwalt W2. auf Nachfragen des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten im Wesentlichen zu folgenden Punkten ergänzend zur Sache ein und machte sich die Ausführungen seines Verteidigers zu eigen:
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Mindestens einen Sturz, bei welchem L. K. umgefallen sei „wie ein Brett“, habe er selbst gesehen. Er glaube, dies sei im Jahr 2008 gewesen. In zwei Fällen – irgendwann im Zeitraum von 2006 bis 2008 – habe er L. K. in der Wohnung am Boden liegend vorgefunden, den jeweiligen Sturz aber nicht selbst beobachtet. Von anderen Stürzen habe sie ihm lediglich berichtet. Einen Arzt habe sie infolge der Stürze seines Wissens nie aufsuchen müssen.
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Der Angeklagte konkretisierte seine bisherige Einlassung, wonach L. K. die Wäsche, die sie ihm zum Waschen mitgegeben habe, stets vorher eingeweicht habe dahingehend, dass insoweit differenziert werden müsse. Ihre Leibwäsche sowie verschmutzte Kleidungsstücke, aber auch Blusen, habe L. K. stets vorgewaschen und ihm diese in der rosafarbenen Plastikschüssel oder auch einmal in dem Wäschekorb übergeben, während sie andere Wäschestücke, wie zum Beispiel Handtücher, nicht vorgewaschen habe.
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Bei ihrem letzten Krankenhausaufenthalt habe er L. K. glaublich zwei Mal im Krankenhaus besucht und ihr einmal auch Unterwäsche mitgebracht. Mitgegeben habe sie ihm jeweils nichts. Bei der Abholung der Verstorbenen aus dem Krankenhaus am 28.10.2008 seien ihm dann befüllte Tüten mitgegeben worden. Diese habe er in der Wohnung K. nahe der Wohnzimmertür in den Flur gestellt. Zu diesem Zeitpunkt sei der fotografisch dokumentierte, mit Wäschestücken gefüllte Wäschekorb nicht auf der Kommode im Flurbereich gestanden. Üblicherweise habe sich dieser Wäschekorb im Schlafzimmer befunden. Das Badezimmer habe er am 28.10.2008 zu keinem Zeitpunkt betreten.
3. Ergänzende Einlassung am 8. Hauptverhandlungstag
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Am 8. Hauptverhandlungstag gab die Verteidigerin des Angeklagten, Rechtsanwältin R2., für diesen im Wesentlichen folgende weitere ergänzende Einlassung ab, welche sich der Angeklagte wiederum zu eigen machte:
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Er habe für L. K. häufiger ein Fußbad in der rosafarbenen Plastikschüssel zubereitet. Diese habe er oftmals in der Küche mit Wasser befüllt, wo sich Teebeutel befunden hätten, die er für die Zubereitung des Fußbades benutzt habe.
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Als er am 28.10.2008 gegen 15:00 Uhr die Wohnung von L. K. verlassen habe, habe diese – abgesehen von ihren Schuhen und ihrer Steppjacke, die sie abgelegt habe – dieselbe Kleidung getragen wie zuvor bei der Abholung aus dem Krankenhaus. Es habe sich dabei um eine blaue Trainingshose, nicht um eine Schlafanzughose, und eine blaue Strickjacke gehandelt.
111
Er habe für L. K. nicht nur Schmuck, sondern auch Bargeld in das Bankschließfach gebracht oder von dort geholt. Seiner Erinnerung nach sei die größte Summe, die sich jemals im Bankschließfach befunden habe, 20.000,- Euro gewesen. Zuletzt, wann genau könne er nicht mehr sagen, habe L. K. ihn gebeten, ihr die Geldkassette aus dem Bankschließfach zubringen, so dass dieses dann leer gewesen sei.
4. Letztes Wort des Angeklagten am 16. Hauptverhandlungstag
112
Zur Sache erklärte der Angeklagte in seinem letzten Wort am 16. Hauptverhandlungstag, dass er unschuldig sei.
II. Kein Tötungsdelikt, sondern Unfall
113
Aus rechtsmedizinischer Sicht ist ein Unfallgeschehen nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich. Tatsächliche Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen würden, dass L. K. Opfer eines Tötungsdelikts geworden wäre, liegen nicht vor.
114
1. Die oben unter D. IV. getroffenen Feststellungen zur Auffindesituation beruhen im Wesentlichen auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern aus der Wohnung K., die von der Zeugin ... ’in K., vormals ..., im Rahmen ihres Einsatzes als Beamtin des Kriminaldauerdienstes gefertigt worden waren und von ihr eräutert wurden. Ferner zog die Strafkammer die von dem Spurensicherungsbeamten ... gefertigten und von ihm erläuterten Skizzen von der Wohnung K. heran.
115
Die Feststellungen zum Eintreffen der Pflegekraft M. S., geborene St., beruhen im Wesentlichen auf deren glaubhaften Angaben. Sie bekundete insbesondere, an beiden Drehreglern der Badewannenarmatur das weiterhin in die Wanne nachlaufende Wasser abgedreht zu haben.
116
2. Nach den Ausführungen des sehr erfahrenen rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. B2. sei aus rechtsmedizinischer Sicht ein Unfallgeschehen nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich. Anhaltspunkte dafür, dass L. K. Opfer eines Gewaltdelikts geworden sei, lägen aus rechtsmedizinischer Sicht nicht vor.
117
Prof. Dr. B2. berücksichtigte bei seiner Gutachtenserstattung die Behandlungs- und Krankenunterlagen der Verstorbenen sowie ferner die Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M. insbesondere über die Obduktion des Leichnams am 29.10.2008 sowie über die toxikologische und histologische Untersuchung hierbei asservierter Proben. Außerdem zog er die in diesem Zusammenhang relevanten Lichtbilder heran.
118
Darüber hinaus stützte er sich auf seine durch die Teilnahme an der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse und berücksichtigte insbesondere auch die Aussagen des Hausarztes der Verstorbenen, Dr. W1., und ihres behandelnden Arztes im Krankenhaus Ag., Prof. Dr. H2.. Nicht zuletzt bezog Prof. Dr. B2. in seine Ausführungen auch die Gutachten des biomechanischen Sachverständigen Prof. Dr. S3. und des neuroradiologischen Sachverständigen PD Dr. G2. ein, welche er aus rechtsmedizinischer Sicht als plausibel und zutreffend erachtete.
119
a. Nach den überzeugenden Darlegungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. B2. sei der Tod von L. K. infolge Ertrinkens eingetreten. Seinen Ausführungen zufolge entsprächen sowohl das mit einem Umfang von 14 Seiten sehr übersichtlich gehaltene Obduktionsprotokoll als auch der sich hieraus ergebende Ablauf der Obduktion den diesbezüglich aufgestellten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, weshalb aus rechtsmedizinischer Sicht kein Anlass bestehe, die in dem Obduktionsprotokoll dokumentierten Befunde in Zweifel zu ziehen. Auch die darin aus diesen Befunden abgeleitete Todesursache – Tod infolge von Ertrinken – sei aus rechtsmedizinischer Sicht schlüssig und ohne weiteres plausibel.
120
(1) Wie der rechtsmedizinische Sachverständige ausführte, lasse der Obduktionsbefund, wonach insbesondere beide Lungenflügel hochgradig gebläht gewesen seien und das Retraktionsvermögen, vor allem rechts, aufgehoben gewesen sei, auf einen Todeseintritt infolge Ertrinkens in Süßwasser schließen. Neben weiteren, damit zwanglos in Einklang stehenden Obduktionsbefunden, wie etwa Schaumbildung in der Luftröhre, passe hierzu auch der Umstand, dass die Leiche der Verstorbenen in der mit Wasser gefüllten häuslichen Badewanne aufgefunden worden sei, wobei sich ihre Atemöffnungen unter Wasser befunden hätten.
121
Laut Prof. Dr. B2. erstrecke sich der gesamte Ertrinkungsvorgang typischerweise über eine Zeitspanne von fünf bis zehn Minuten. Allerdings könne diese Zeitspanne durch bestehende Vorerkrankungen und ein hohes Lebensalter verkürzt werden, wovon im Fall der Verstorbenen L. K. auszugehen sei. In der agonalen Phase des Ertrinkungsvorgangs komme es zu einer terminalen Schnappatmung sowie zu unwillkürlichen, krampfhaften Bewegungen und Zuckungen der Gliedmaßen, bis letztlich der Herz- und Kreislaufstillstand eintrete.
122
(2) Auf der Grundlage der bei der Verstorbenen erhobenen toxikologischen Befunde lasse sich dem rechtsmedizinischen Sachverständigen zufolge ein intoxikationsbedingter Tod ebenso ausschließen wie die Begünstigung des Ertrinkungsvorgangs durch eine etwaige Intoxikation. Eine Alkoholisierung der Verstorbenen habe ebenso wenig vorgelegen wie eine Beeinflussung mit sonstigen zentral dämpfenden Substanzen oder mit Giftstoffen. Im Blut der Verstorbenen sei Koffein nachgewiesen worden, was im Einklang mit der Einlassung des Angeklagten stehe, wonach dieser am Nachmittag des 28.10.2008 Kaffee zubereitet und zusammen mit L. K. getrunken habe.
123
b. Wie Prof. Dr. B2. weiter darlegte, hätten sich bei der am 29.10.2008 durchgeführten Obduktion zwei – äußerlich nicht sichtbare – Kopfschwartenhämatome gezeigt. Im Scheitelhinterhauptsbereich in der Mitte habe eine 7 cm hohe und bis zu 5 cm breite schwarz-rote Einblutung vorgelegen. Eine weitere Einblutung im seitlichen hinteren Scheitelbereich rechts habe einen Durchmesser von 3 cm sowie eine Schichtdicke von bis zu 5 mm aufgewiesen. Beide Hämatome seien auf die Einwirkung stumpfer Gewalt zurückzuführen.
124
(1) Jedenfalls das 7 cm hohe und bis zu 5 cm breite Hämatom in der Mitte des Scheitelhinterhauptsbereichs sei erst kurz vor dem Todeseintritt durch stumpfe Gewalteinwirkung entstanden und lasse sich zwanglos durch ein Anschlagen mit dem Kopf an der Innenfläche der Badewanne im Rahmen eines – letztlich zum Ertrinkungstod führenden – Sturzes in die Badewanne erklären.
125
Dem rechtsmedizinischen Sachverständigen zufolge sei im Rahmen der Obduktion lediglich von diesem einen – im Scheitelhinterhauptsbereich in der Mitte gelegenen, 7 cm hohen und bis zu 5 cm breiten – Kopfschwartenhämatom eine Gewebeprobe für eine etwaige spätere histologische Untersuchung entnommen worden. Aus dieser einen Kopfschwartenprobe seien im Jahr 2011 zwei Gewebeproben herausgeschnitten und anschließend histologisch untersucht worden. In beiden Proben sei jeweils weder Fibronektin noch eine Randinfiltration mit Granulozyten nachgewiesen worden, wodurch belegt sei, dass dieses Kopfschwartenhämatom erst kurz vor dem Todeseintritt entstanden sein könne.
126
Insoweit erläuterte Prof. Dr. B2., dass es sich sowohl bei der Bildung von Fibronektin als auch bei der Infiltration des Wundrandes mit Granulozyten jeweils um eine Reaktion handle, welche nach jeder Entstehung einer Verletzung im lebenden menschlichen Körper ablaufe. Die Ausbildung von Fibronektin-Netzen sei frühestens etwa 10 bis 20 Minuten und spätestens 4 Stunden nach der Verletzungsentstehung zu beobachten. Die Randinfiltration mit Granulozyten, welche 15 Stunden nach der Entstehung einer Verletzung sicher vorliege, beginne frühestens 20 bis 30 Minuten nach der Verletzungsentstehung. Hieraus lasse sich mithin ableiten, dass das 7 cm hohe und bis zu 5 cm breite Hämatom in der Mitte des Scheitelhinterhauptsbereichs höchstens 4 Stunden vor dem Ableben entstanden sei.
127
Sowohl für diese Einblutung als auch für die zweite, im seitlichen hinteren Scheitelbereich rechts gelegene, Einblutung mit einem Durchmesser von 3 cm sowie einer Schichtdicke von bis zu 5 mm gelte, dass aufgrund ihrer beschriebenen makroskopischen Eigenschaften jeweils von einer Entstehung zu Lebzeiten auszugehen sei. Hinsichtlich beider Hämatome habe der damalige Obduzent in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 04.12.2008 dokumentiert, dass diese „frisch“ gewirkt hätten. Diese auf makroskopischer Grundlage abgegebene Einschätzung umfasse nach rechtsmedizinischem Verständnis üblicherweise einen Entstehungszeitraum bis zu etwa 24 Stunden vor dem Todeseintritt.
128
Da im Rahmen der Obduktion keine Gewebeprobe von dem zweiten Hämatom entnommen worden sei, sei dieses auch nicht histologisch untersucht worden. Deshalb könne dessen Entstehungszeitpunkt über die soeben dargelegte makroskopische Einschätzung hinaus nicht näher eingegrenzt werden. Das zweite Hämatom könne somit in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang, unter Umständen auch gleichzeitig, mit dem erstgenannten Hämatom durch ein Anschlagen mit dem Kopf an der Innenfläche der Badewanne im Rahmen eines – letztlich zum Ertrinkungstod führenden – Sturzes in die Badewanne entstanden sein, aber auch wesentlich früher, bis zu etwa 24 Stunden vor dem Todeseintritt.
129
(2) Dem Sachverständigen zufolge sei davon auszugehen, dass die Ausprägung beider Hämatome weder durch die Einnahme blutgerinnungshemmender Medikamente noch durch die bei der Auffindesituation bestehende geringgradige Kopftieflage in der Wanne wesentlich beeinflusst worden sei.
130
Laut Prof. Dr. B2. habe bei L. K. am Todestag keine relevante Störung der Blutgerinnung mehr vorgelegen. Das blutgerinnungshemmende Medikament Marcumar®, welches die Verstorbene im Jahr 2008 ärztlich verordnet eingenommen habe, sei beim letzten Krankenhausaufenthalt noch am Aufnahmetag, dem 23.10.2008, wegen stark erhöhter Blutgerinnungswerte abgesetzt worden. Das ebenfalls – allerdings in geringerem Maße – die Blutgerinnung hemmende Medikament Acetylsalicylsäure sei der Verstorbenen seither nur noch in reduzierter Dosierung verabreicht worden, sodass ihre Blutgerinnungswerte gegen Ende ihres stationären Krankenhausaufenthalts nicht mehr signifikant erhöht gewesen seien. Deshalb könne ein relevanter Einfluss des nur noch in geringer Dosierung eingenommenen Medikaments Acetylsalicylsäure auf die Ausprägung der beiden Hämatome ebenso ausgeschlossen werden wie die Auslösung einer spontanen Blutung durch dieses Medikament. Vielmehr sei allenfalls eine geringgradige Verstärkung der jeweils durch die Einwirkung stumpfer Gewalt verursachten Einblutungen in die Kopfschwarte zu erwarten.
131
Wie der Sachverständige weiter darlegte, habe die nur geringgradig ausgeprägte Kopftieflage für die Ausprägung der beiden Kopfschwartenhämatome, wenn überhaupt, dann allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt. Aufgrund seiner Lokalisation in der Mitte des Scheitelhinterhauptsbereichs habe sich das 7 cm hohe und bis zu 5 cm breite Hämatom nicht in demjenigen Bereich befunden, in welchem sich bei einer Kopftieflage nach dem Todeseintritt bei fehlender HerzKreislauf-Tätigkeit das Blut, der Schwerkraft folgend, anreichere. Das zweite, im seitlichen hinteren Scheitelbereich rechts gelegene Hämatom mit einem Durchmesser von 3 cm sowie einer Schichtdicke von bis zu 5 mm sei zu kleinflächig, als dass ein relevanter Einfluss der geringgradig ausgeprägten Kopftieflage angenommen werden könne.
132
c. Laut Prof. Dr. B2. gebe es aus rechtsmedizinischer Sicht keine Anhaltspunkte dafür, dass L. K. Opfer eines Gewaltdelikts geworden wäre. Der Sachverständige stellte klar, dass zwar als stumpfe Gewalteinwirkung für die Entstehung der beiden Kopfschwartenhämatome außer einem Anschlagen mit dem Kopf an die Innenfläche der Badewanne im Rahmen eines Sturzgeschehens sowie einem sonstigen unfallbedingten Anschlagen des Kopfes prinzipiell gleichermaßen auch die Beibringung durch fremde Hand, wie etwa durch einen Schlag mit einem Gegenstand, in Betracht komme. Jedoch lägen aus rechtsmedizinischer Sicht keine Anhaltspunkte vor, aus denen sich die Beibringung durch fremde Hand ableiten lassen würde.
133
Dasselbe gelte für die Frage, auf welche Art und Weise L. K. in die Badewanne gelangt und dort im Wasser schließlich ertrunken sei. Wie Prof. Dr. B2. betonte, sei auch im Obduktionsprotokoll festgehalten worden, dass aus rechtsmedizinischer Sicht insgesamt „keine zwingenden Anhaltspunkte für die Mitwirkung fremder Hand in Bezug auf das Hineinkommen ins Wasser vorhanden“ seien.
134
Dem rechtsmedizinischen Sachverständigen zufolge seien bei der Obduktion noch weitere, durch stumpfe Gewalteinwirkung hervorgerufene Befunde erhoben worden, welche jedoch allesamt keinen Rückschluss darauf zuließen, dass kurz vor dem Todeseintritt Tätlichkeiten gegen die Verstorbene verübt worden wären. Es habe sich entweder um postmortal entstandene oder um ältere – das heißt längere Zeit vor dem Todeseintritt entstandene – oder um gänzlich unspezifische Befunde gehandelt.
135
d. Wie der biomechanische Sachverständige Prof. Dr. S3., Leiter des Instituts für Modellierung und Simulation biomechanischer Systeme der Universität St., in seinem Gutachten überzeugend, widerspruchsfrei und von großer Sachkunde getragen ausführte und durch computergestützte Simulationen nachvollziehbar belegte, sei es ohne weiteres möglich, dass L. K. aus verschiedenen Ausgangspositionen vor der Badewanne – insbesondere auch aus einer Position im linken Bereich vor der Badewanne, außerhalb des Schwenkbereichs der Badezimmertür, frontal vor der Badewannenarmatur – in die Badewanne gestürzt sei und hierbei eine im Wesentlichen der Auffindesituation entsprechende Endlage erreicht habe.
136
Prof. Dr. S3. wies mithilfe seiner computergestützten Simulationen zudem nach, dass diese Stürze sowohl bei einer leicht nach vorne gebeugten als auch bei einer aufrechtstehenden Körperhaltung möglich seien sowie überdies aus einer Ausgangshaltung, bei welcher der Oberkörper frontal vor der Wannenarmatur über die Badewanne gebeugt und die linke Hand auf dem Wannenrand abgestützt werde, während die Beine für einen möglichst sicheren Stand am vorderen Badewannenrand verspannt würden.
137
(1) Der biomechanische Sachverständige erläuterte nachvollziehbar die Grundlagen der von ihm durchgeführten computergestützten Simulationen, bei welchen er von einem Sturz in eine leere, mithin nicht mit Wasser gefüllte, Badewanne ausgegangen sei. Das Badezimmer der Wohnung K. und die darin befindliche Badewanne habe er für die computergestützten Simulationen anhand ihrer bekannten Maße mit zwölf Kontaktflächen für die Badewanne und einer Kontaktfläche für den Boden modellieren können. Die Badewannenarmatur sei hingegen lediglich visualisiert worden.
138
Sämtliche Simulationen basierten auf der Gravitation als naturgesetzlicher Konstante sowie auf bestimmten vordefinierten Reibwerten zwischen dem Menschmodell und seiner Umgebung. Das den Simulationen zugrundeliegende, biomechanisch valide Menschmodell berücksichtige sämtliche anatomischen Maße des Menschen, darunter insbesondere die Segmentlägen der Extremitäten und des Gesamtkörpers, welche in entsprechenden Datenbanken hinterlegt seien. Unter Heranziehung mathematischer Konzepte werde jedem Körpersegment die seinen Eigenschaften – also seiner Länge und seiner Masse – entsprechende Masseträgheit zugemessen, um dessen Rotationseigenschaften zu ermitteln. Ferner würden die Steifheit der Wirbelkörper sowie die Eigenschaften aller dazwischen befindlichen Bandscheiben beschrieben. Auch Gelenke und Muskeln sowie umgebendes Gewebe – insbesondere Fettgewebe, die sogenannte Schwabbelmasse – würden erfasst. Alle diese Parameter des menschlichen Körpers seien mit mathematischen Gleichungen hinterlegt.
139
Anhand der bekannten Körpergröße der Verstorbenen von 1,65 m und ihres bekannten Körpergewichts von 74 kg sei das den Simulationen zugrundeliegende Modell des Menschen für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts individualisiert worden. Bei den zuletzt durchgeführten Simulationen habe das auf diese Weise individualisierte Menschmodell neben den oben genannten Körpersegmenten, Wirbelkörpern und Bandscheiben insbesondere auch 40 Gelenke, 36 Muskeln und 27,6 kg sogenannte Schwabbelmasse umfasst.
140
Dem individualisierten Menschmodell seien zuletzt insgesamt 200 Kontaktpunkte zugewiesen worden, an welchen der auf diese Weise modellierte Körper der Verstorbenen bei den Simulationen mit der Umgebung interagieren könne. Drei dieser Kontaktpunkte hätten sich am Kopf befunden, davon zwei an den Lokalisationen der beiden Kopfschwartenhämatome sowie ein weiterer an der Stirn. Im Falle eines Kontakts zwischen dem modellierten Körper der Verstorbenen und der modellierten Badewanne werde ein Kontaktpaar zwischen dem Kontaktpunkt des Körpers sowie demjenigen der Umgebung erstellt und die hierbei wirkende Kontaktkraft unter vorgegebenen Elastizitätsparametern berechnet. Diese Kontaktkraft wiederum werde von der Simulation weiterverarbeitet.
141
(2) Wie Prof. Dr. S3. darlegte, habe er für sein Gutachten zehn Simulationen vollständig aufbereitet, welche auf die oben skizzierte Weise durchgeführt worden und erfolgreich verlaufen seien. Erfolgreich in diesem Sinne bedeute, dass das individualisierte Menschmodell im Rahmen der Simulation eine hinreichend mit der Auffindesituation korrelierende Endlage erreicht habe, also mit dem Körper in Rechtsseitenlage in der Wanne und dem Kopf in dem – von der Raummitte aus betrachtet – linken Bereich der Wanne unterhalb des in den Drehknopf für die Bedienung des Abflusses integrierten Notablaufs, während das linke Bein über den Wannenrand heraushänge.
142
Hinsichtlich des Aspekts einer hinreichend mit der Auffindesituation korrelierenden Endlage wies Prof. Dr. S3. auf die aus biomechanischer Sicht zwanglos bestehende Möglichkeit hin, dass der vom Wasser ausgehende Auftrieb infolge des nach dem Sturzgeschehen erfolgten Anstiegs des Wasserspiegels zu einer Rotationsbewegung des Körpers im Wasser geführt habe. Der Anstieg des Wasserspiegels sei von den durchgeführten Simulationen nicht umfasst. Deshalb sei es nicht erforderlich, dass die simulierte Endlage exakt mit der Auffindesituation übereinstimme.
143
Dem Sachverständigen zufolge seien in den zehn vollständig aufbereiteten Simulationen verschiedene Ausgangspositionen vor der Badewanne, verschiedene Körperhaltungen mit aufrechtem Stand oder nach vorne gebeugtem Oberkörper, verschiedene Zustände der Muskelanspannung sowie unterschiedliche Kontaktparameter enthalten.
144
Bei einem Teil der in diesem Sinne erfolgreichen Simulationen sei als Anfangsbedingung angenommen worden, dass das individualisierte Menschmodell aus einem gebeugten Stand aufgrund einer 600 Millisekunden andauernden Muskelerschlaffung der gesamten Skelettmuskulatur infolge einer – in irgendeiner Form krankheitsbedingten – 600 Millisekunden andauernden „Bewusstlosigkeit“ nach vorne falle und nach Reaktivierung des Muskeltonus versuche, den Sturz passiv – mithin ohne willkürliche, aktive motorische Gegenbewegung – abzufangen.
145
Bei einer weiteren in diesem Sinne erfolgreichen Simulation seien abweichend davon als Anfangsbedingungen – anstelle einer initialen Muskelerschlaffung der gesamten Skelettmuskulatur – ein aufrechter Stand und eine leichte Bewegungsintention nach vorne angenommen worden, damit der Sturz nach vorne in Richtung der Wanne erfolge und nicht, wie anatomisch bedingt zu erwarten, nach hinten auf den Boden von der Wanne weg. Bei dieser Simulation sei ab dem sturzbedingten Anprall des Kopfes in der Wanne eine dauerhafte Muskelerschlaffung bis zum Ende der Simulation angenommen worden.
146
Bei einer weiteren in diesem Sinne erfolgreichen Simulation sei eine Ausgangshaltung angenommen worden, bei welcher sich das individualisierte Menschmodell frontal vor der Wannenarmatur über die Badewanne beuge, mit der linken Hand auf dem Wannenrand abstütze und die Beine am vorderen Badewannenrand verspanne, um die Wannenarmatur zu bedienen.
147
Im Zusammenhang damit führte der biomechanische Sachverständige ergänzend aus, dass sich die Position des rechten Pantoffels im Rahmen der Auffindesituation an der – von der Raummitte aus betrachtet – rechten vorderen Ecke des rosafarbenen Badvorlegers unterhalb des Waschbeckens zwanglos mit dem soeben skizzierten Sturzgeschehen in Einklang bringen lasse. Wenn zunächst die Beine am vorderen Badewannenrand verspannt worden seien, komme es im Zuge des Sturzgeschehens zu einem Wegrutschen des rechten Fußes vom Boden, wodurch der an diesem Fuß getragene Pantoffel weggeschleudert werde. Unter Zugrundelegung der sich aus der durchgeführten Simulation zu einem plausiblen Zeitpunkt kurz nach Beginn des Sturzgeschehens ergebenden Geschwindigkeit lasse sich unter Einbeziehung allgemeiner physikalischer Grundsätze aus dem Bereich der Mechanik errechnen, dass der Pantoffel etwa 50 cm weit vom Ursprungsort weggeschleudert werde. Die hierdurch abgeschätzte Endlage des Pantoffels entspreche im Wesentlichen annähernd der tatsächlichen Auffindesituation des rechten Pantoffels im Badezimmer.
148
Schließlich sei laut Prof. Dr. S3. im Rahmen der vollständig ausgewerteten Simulationen auch noch ein Szenario überprüft worden, bei welchem das individualisierte Menschmodell versuche, den Sturz aktiv durch eine willkürliche motorische Gegenbewegung abzufangen. Bei dieser Überprüfung habe sich gezeigt, dass mit den der 87-jährigen Verstorbenen individuell zur Verfügung stehenden Bewegungsmöglichkeiten ein einmal in Gang gesetztes Sturzgeschehen durch eine aktive Gegenbewegung nicht mehr abzufangen gewesen sei.
149
Dem biomechanischen Sachverständigen zufolge hätten sich bei der Auswertung der zwei an den Lokalisationen der beiden Kopfschwartenhämatome befindlichen Kontaktpunkte jeweils Kontaktkräfte ergeben. Trotz ihrer Lokalisation an unterschiedlichen Stellen des Kopfes sei dies im Hinblick darauf, dass die Badewanne eine Wölbung aufweise, nicht überraschend. Die Größenordnung der im Rahmen der Simulationen gemessenen Kontaktkräfte sei durchaus plausibel, wenngleich dem Modell ein punktförmiger Kontakt zugrunde liege und in der Realität eher von einem flächenhaften Kontakt ausgegangen werden müsse. Auch wenn den im Rahmen der Simulation ermittelten Kraftspitzen deshalb nur eine eingeschränkte Aussagekraft zukomme, ändere dies nichts daran, dass die Kinematik der Simulation realistisch sei.
150
Zusammengefasst sei es laut Prof. Dr. S3. somit in sämtlichen vollständig ausgewerteten erfolgreichen Simulationen unter verschiedenen Ausgangsbedingungen und Annahmen zu Stürzen des individualisierten Menschmodells in die Badewanne mit einer der Auffindesituation im Wesentlichen entsprechenden Endlage gekommen, ohne dass eine Ausgangsposition vor der – aus der Raummitte betrachtet – rechten Hälfte der Badewanne im Schwenkbereich der Badezimmertür erforderlich gewesen wäre. Nur solche Simulationen, die mit absichtlich unplausiblen und unphysiologischen Anfangsbedingungen gestartet worden seien, hätten keinen Sturz des individualisierten Menschmodells in die Wanne gezeigt. Dies erlaube aus biomechanischer Sicht die Schlussfolgerung, dass ein Sturz in die Wanne nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich sei.
151
e. Der Sachverständige Prof. Dr. B2. erachtete die Ausführungen des biomechanischen Sachverständigen Prof. Dr. S3. aus rechtsmedizinischer Sicht vollumfänglich für plausibel und zutreffend.
152
Hinsichtlich des Aspekts einer hinreichend mit der Auffindesituation korrelierenden Endlage des individualisierten Menschmodells führte er ergänzend aus, dass aus rechtsmedizinischer Sicht insbesondere auch eine Positionsveränderung des Körpers, vor allem der Extremitäten, infolge von unwillkürlichen, krampfhaften Bewegungen und Zuckungen der Gliedmaßen in der agonalen Phase des Ertrinkungsvorgangs (vgl. oben 2. a.(1)) in Betracht zu ziehen sei.
153
Wie der rechtsmedizinische Sachverständige darlegte, sei insbesondere eine Veränderung der konkreten Position und Ausrichtung des linken Arms sowie des über den Badewannenrand heraushängenden linken Beins im Rahmen eines agonalen Krampfgeschehens ohne weiteres plausibel und durchaus naheliegend. Auch deshalb sei – unabhängig von dem biomechanischen Aspekt einer möglichen Rotationsbewegung des Körpers infolge des vom Anstieg des Wasserspiegels ausgehenden Wasserauftriebs – eine exakte Übereinstimmung der biomechanisch simulierten Endlage des individualisierten Menschmodells mit der Auffindesituation aus rechtsmedizinischer Sicht nicht erforderlich.
154
Hingegen sei nicht davon auszugehen, dass das – mit Sicherheit erst kurz vor dem Todeseintritt durch stumpfe Gewalteinwirkung hervorgerufene (vgl. oben b.(1)) – 7 cm hohe und bis zu 5 cm breite Kopfschwartenhämatom in der Mitte des Scheitelhinterhauptsbereichs (erst) im Rahmen eines agonalen Krampfgeschehens entstanden sei. Die hierbei auftretenden unwillkürlichen, krampfhaften Bewegungen und Zuckungen beträfen vor allem die Extremitäten und nicht den Kopf.
155
Die Entstehung jedenfalls dieses Kopfschwartenhämatoms durch ein Anschlagen mit dem Kopf an der Innenfläche der Badewanne im Rahmen eines – letztlich zum Ertrinkungstod führenden – Sturzes in die Badewanne sei auch unter Berücksichtigung der von Prof. Dr. S3. durchgeführten Simulationen und hierbei ermittelten Kontaktkräfte ohne weiteres plausibel. Die Simulationen hätten aber auch gezeigt, dass das zweite Hämatom, dessen Entstehungszeitpunkt sich mangels histologischer Untersuchung nicht näher eingrenzen lasse (vgl. oben b.(1)), ebenfalls zwanglos im Rahmen dieses Sturzgeschehens entstanden sein könne. Bei den Simulationen seien jeweils Kontaktkräfte in einer Größenordnung ermittelt worden, die für die Ausbildung eines Hämatoms ausreichend seien, jedoch noch keine Frakturen des knöchernen Schädels erwarten ließen. Darüber hinaus sei auch der Eintritt einer Bewusstseinstrübung oder gar Bewusstlosigkeit infolge des simulierten Sturzgeschehens plausibel erwartbar.
156
Wie Prof. Dr. B2. weiter ausführte, sei die Zeitspanne von mehreren Minuten zwischen dem Anschlagen mit dem Kopf an der Innenfläche der Badewanne im Rahmen des Sturzes und dem Todeseintritt durch Ertrinken (vgl. oben a.(1)) ausreichend für die Ausbildung eines Hämatoms dieser Größe.
157
f. Unter Einbeziehung der Behandlungs- und Krankenunterlagen der Verstorbenen, der Aussagen ihres Hausarztes Dr. W1. und ihres behandelnden Arztes im Krankenhaus Ag., Prof. Dr. H2., sowie der Ausführungen des neuroradiologischen Sachverständigen PD Dr. G2. legte der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. B2. ferner dar, dass vorliegend sowohl äußere als auch innere Ursachen ohne weiteres als mögliche Auslöser eines Sturzgeschehens in Betracht kämen.
158
Zu den möglichen äußeren Ursachen zähle neben dem Umknicken oder Ausrutschen mit den für das Alter und den körperlichen Zustand der Verstorbenen ungeeigneten Pantoffeln insbesondere auch ein Stolpern, wofür bei L. K. wegen einer seit längerem bestehenden, erheblichen Gangunsicherheit ein deutlich erhöhtes Risiko vorgelegen habe. Aufgrund einer Arthrose in den Hüft- und Kniegelenken sei die Gehfähigkeit der Verstorbenen erheblich beeinträchtigt gewesen. Sie sei beim Gehen auf die Benutzung eines Gehstocks angewiesen gewesen oder habe sich anderweitig abstützen müssen.
159
Als mögliche innere Ursachen seien insbesondere ein plötzlich auftretendes HerzKreislauf-Problem mit Schwindel sowie eine transitorische ischämische Attacke (TIA), eine kurzzeitige Durchblutungsstörung des Gehirns, in Erwägung zu ziehen. Für beides habe bei L. K. aufgrund ihrer Vorerkrankungen ebenfalls ein deutlich erhöhtes Risiko bestanden. Prof. Dr. B2. berichtete über die Vorerkrankungen der Verstorbenen und ihre deshalb erfolgten stationären Krankenhausaufenthalte in der Vergangenheit wie oben unter D. I. festgestellt.
160
Der neuroradiologische Sachverständige PD Dr. G2. vom Universitätsklinikum H.-E. erläuterte überzeugend, dass sich auf den beim stationären Krankenhausaufenthalt der Verstorbenen vom 18. bis 24.07.2008 gefertigten Aufnahmen einer cranialen Computertomografie (CCT) sowie einer Magnetresonanztomografie (MRT) des Schädels eine ausgeprägte zerebrale Mikroangiopathie zeige, wie sie als Folge einer langjährigen arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck) zu beobachten sei. Hierbei handle es sich um eine Erkrankung der kleinen Hirngefäße, die typischerweise mit Gang- und Standunsicherheiten einhergehe und bei L. K. bereits zu zahlreichen lakunären Infarkten geführt habe, was auf diesen Aufnahmen ebenfalls zu sehen sei.
161
Zusammenfassend kam der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. B2. zu dem Ergebnis, dass bei L. K. insgesamt ein deutlich erhöhtes Sturzrisiko bestanden habe. Dieses komme auch darin zum Ausdruck, dass im Jahr 2008 mindestens drei Stürze in ihrer Wohnung am 05.03., 29.04. und 21.06.2008 dokumentiert seien. Hinzukomme, dass L. K. erst wenige Stunden vor ihrem Tod in einem zwar gebesserten, aber immer noch deutlich geschwächten Zustand aus dem Krankenhaus entlassen worden sei, ihre diversen Grunderkrankungen fortbestanden hätten und ihre diesbezügliche Medikation, insbesondere diejenige zur Behandlung ihrer arteriellen Hypertonie, (noch) nicht optimal eingestellt gewesen sei.
162
g. Insgesamt erachtete Prof. Dr. B2. daher ein Unfallgeschehen aus rechtsmedizinischer Sicht nicht nur als möglich, sondern sogar als wahrscheinlich. Dabei sei es aus rechtsmedizinischer Sicht ohne weiteres plausibel, dass L. K. aufgrund einer äußeren oder inneren Ursache in die jedenfalls noch nicht hoch mit Wasser gefüllte Badewanne gestürzt sei, hierbei durch Anschlagen mit dem Kopf an der Innenfläche der Badewanne zumindest das 7 cm hohe und bis zu 5 cm breite Hämatom in der Mitte des Scheitelhinterhauptsbereichs, möglicherweise aber auch beide Kopfschwartenhämatome, erlitten habe und anschließend – möglicherweise infolgedessen bereits bewusstlos oder zumindest bewusstseinsgetrübt – im ansteigenden Wasser ertrunken sei. Die Dauer des sich über mehrere Minuten erstreckenden Ertrinkungsvorgangs sei für die Ausbildung eines Hämatoms dieser Größe ausreichend.
163
h. Das Schwurgericht schließt sich der Einschätzung des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. B2. mit den von ihm angeführten Argumenten an. Seine Ausführungen waren – ebenso wie diejenigen der Sachverständigen Prof. Dr. S3. und PD Dr. G2. – überzeugend, widerspruchsfrei und von großer Sachkunde getragen. Die Sachverständigen gingen überdies von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus.
164
3. Zur Überzeugung des Schwurgerichts haben sich nicht nur aus der von Prof. Dr. B2. überzeugend dargelegten rechtsmedizinischen Sicht (vgl. oben 2.c.), sondern auch sonst keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass L. K. Opfer eines Tötungsdelikts geworden wäre. Dementsprechend liegen auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte L2. K1. getötet hätte.
165
Insbesondere bot auch die gesamte Spurenlage keine Hinweise, die darauf schließen lassen würden, dass ein Tötungsdelikt zum Nachteil von L. K. begangen worden wäre. Dementsprechend gibt es auch keine Spuren, wie im Übrigen auch sonst keine Indizien, die nach einer Gesamtwürdigung auf ein vom Angeklagten begangenes Tötungsdelikt schließen lassen würden.
166
a. Wie sich aus den glaubhaften Angaben des Spurensicherungsbeamten KHK T. sowie aus den widerspruchsfreien und überzeugenden Ausführungen der DNASachverständigen Prof. Dr. A2. ergibt, befand sich unter den im Bereich der Badewanne und an der Kleidung der Verstorbenen gesicherten DNA-Spuren keine einzige, deren Merkmalmuster mit dem DNA-Muster des Angeklagten übereinstimmen oder bei welcher der Angeklagte zumindest als Mitverursacher in Betracht kommen würde.
167
b. Der bei Eintreffen der Pflegekraft M. S., geborene St., außen an der Wohnungstür im Schloss steckende Schlüssel erlaubt nach der Überzeugung des Schwurgerichts keinen Rückschluss auf ein stattgefundenes Tötungsdelikt und weist dementsprechend auch nicht auf eine etwaige Täterschaft des Angeklagten hin.
168
Soweit dieser Umstand in der Anklageschrift insofern als ein Indiz für eine Täterschaft des Angeklagten gewertet wurde, als dieser damit bezweckt habe, dass der Pflegedienst die Leiche würde finden können, ohne dass seine Hinzuziehung als Hausmeister erforderlich würde, ist selbst im Falle einer unterstellten Täterschaft des Angeklagten nicht ersichtlich, weshalb es für ihn vorteilhafter und damit erstrebenswert hätte sein sollen, dass die Pflegekraft die Leiche allein und nicht in seiner Anwesenheit auffindet.
169
Abgesehen davon lässt sich der außen im Wohnungstürschloss steckende Schlüssel nach der Einlassung des Angeklagten zwanglos mit der sogenannten „Schlüsselabrede“ zwischen ihm und der Verstorbenen erklären. Demnach habe der Angeklagte im Einvernehmen mit L. K. den Schlüssel ihres verstorbenen Ehemanns außen in das Wohnungstürschloss gesteckt, wenn er sich außerhalb von R.-E. aufgehalten habe, um insbesondere dem Pflegedienst – trotz seiner Abwesenheit – Zutritt zu der Wohnung auch für den Fall zu ermöglichen, dass L. K. bei dessen Ankunft noch schlafen und deshalb die Türklingel nicht hören sollte.
170
Diese Einlassung erachtet die Strafkammer als plausibel und damit glaubhaft, zumal es in der Vergangenheit vorgekommen war, dass der Angeklagte, der sich außerhalb von R.-E. aufgehalten hatte, einen Anruf auf seinem Mobiltelefon erhalten hatte mit der Bitte, die Wohnung der Verstorbenen aufzusperren, da L. K. nicht öffne.
171
Zudem steht diese sogenannte „Schlüsselabrede“ auch nicht im Widerspruch zum Sicherheitsbedürfnis der Verstorbenen. Wie die Pflegekraft C. L. bereits in ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung im Jahr 2011 angegeben hatte, sei die Wohnungstür der Verstorbenen üblicherweise einen Spalt offen gestanden, wenn sie diese abends aufgesucht habe. Wenn die Tür nicht offen gestanden sei, habe sie an der Wohnungstür geläutet in der Hoffnung, dass L. K. die Tür öffnen werde. Diese Angaben wurden von der Zeugin L3. in der Hauptverhandlung glaubhaft bestätigt. Hierdurch ist belegt, dass ein freier Zugang über die – entweder einen Spalt offenstehende oder durch den außen im Schloss steckenden Schlüssel problemlos zu öffnende – Wohnungstür mit dem Sicherheitsbedürfnis der Verstorbenen ohne weiteres im Einklang stand. Dies ist aufgrund der besonderen baulichen Situation auch zwanglos nachvollziehbar, da zunächst drei Türen, und zwar die Hauseingangstür im Erdgeschoss sowie eine Glastür und eine braune Holztür im ersten Obergeschoss, die allesamt üblicherweise verschlossen gehalten wurden, zu überwinden waren, bevor man zur Wohnungstür der Verstorbenen gelangte.
172
c. Der – aus kriminalistischer Sicht zunächst auffällige und deshalb zu einer Überprüfung Anlass gebende – Umstand, dass der Angeklagte am Abend des 28.10.2008 den Polizeibeamten in der Wohnung K. den von der Verstorbenen erhaltenen Schmuck, den von ihr handgeschriebenen Zettel mit einer auf ihn lautenden Vollmacht sowie den Kassenbeleg über seine an diesem Tag um 15:30 Uhr bezahlten Einkäufe im Markt Riedel in der S2. straße 83 in B. W. übergab, lässt sich zwanglos mit der Persönlichkeit des Angeklagten erklären, die unter anderem durch das Bemühen gekennzeichnet ist, sich durch korrektes Verhalten einen guten Ruf und die Anerkennung seiner Mitmenschen zu erwerben.
173
d. Den glaubhaften Angaben der Zeugin ... zufolge habe der Angeklagte in seiner polizeilichen Zeugenvernehmung vom 14.11.2008 die Frage, ob er L. K. im Badezimmer noch einmal gesehen habe, verneint und hinzugefügt „ich bin auch froh darum. Ich kann so was auch gar nicht sehen. Wenn sie dann im Bad vielleicht noch irgendwo dahingerumpelt ist…so was vergisst man dann nie“.
174
Durch diese Antwort offenbarte der Angeklagte zur Überzeugung des Schwurgerichts gerade kein Täterwissen. Denn äußerlich ohne weiteres sichtbare oder gar nach außen blutende Verletzungsbefunde, wie sie infolge eines Anstoßens oder Anschlagens typischerweise zu erwarten sind, wies der Leichnam der Verstorbenen gerade nicht auf.
175
Hätte der Angeklagte hingegen als Täter eines Körperverletzungs- und / oder Tötungsdelikts die Verletzungen und / oder den Tod der Verstorbenen verursacht, hätte er gewusst, dass L. K. hierdurch keine äußerlich ohne weiteres sichtbaren oder gar nach außen blutenden Verletzungsbefunde davongetragen hatte.
176
4. Ein Unfallgeschehen ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich im Nachhinein nicht mehr zweifelsfrei aufklären ließ, was L. K. dazu veranlasste, am 28.10.2008 in ihrem nach dem vorangegangenen stationären Krankenhausaufenthalt noch deutlich geschwächten Zustand das Wasser an der Badewannenarmatur aufzudrehen und möglicherweise zudem den Badewannenabfluss zu verschließen.
177
a. Dass L. K. vor ihrem Sturz in die Badewanne das Wasser an der Badewannenarmatur aufdrehte und möglicherweise zudem den Badewannenabfluss verschloss, schließt die Strafkammer aus dem Umstand, dass bei der Auffindung der Leiche am 28.10.2008 gegen 18:30 Uhr durch die Pflegekraft M. S., geborene St., die Badewanne bis zur Unterkante des Überlaufs vollständig mit Wasser gefüllt war. Dabei ist das Verschließen des Badewannenabflusses allerdings nicht zwingend, da es ebenso möglich ist, dass der Abfluss noch von einem früheren Zeitpunkt verschlossen war oder erst im Zuge des Sturzgeschehens unabsichtlich verschlossen wurde.
178
Dass L. K. beide Drehregler für warmes und kaltes Wasser der an der gegenüberliegenden Wand montierten Armatur öffnete, schließt das Schwurgericht zum einen aus den glaubhaften Angaben der Zeugin S4., geborene St., wonach diese nach ihrem Eintreffen im Badezimmer an beiden Drehreglern der Badewannenarmatur das weiterhin in die Wanne nachlaufende Wasser abgedreht habe. Zum anderen legte der thermodynamische Sachverständige Prof. Dr. H3. überzeugend dar, dass auch aufgrund der um 21:05 Uhr gemessenen Wassertemperatur von 25,9°C (vgl. unten III.1.a.) davon auszugehen sei, dass ursprünglich beide Drehregler der Badewannenarmatur geöffnet gewesen seien (vgl. unten III.1.b.(2)).
179
b. Zwar ließ sich der Anlass, warum L. K. am 28.10.2008 das Wasser an der Badewannenarmatur aufdrehte, nicht mehr zweifelsfrei aufklären. Jedoch ist es zur Überzeugung des Schwurgerichts nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme naheliegend und deshalb zumindest wahrscheinlich, dass L. K. den Badewannenabfluss verschloss und Wasser in die Badewanne einließ, um darin die zahlreichen, mit Kot beschmutzten Wäschestücke, die sich aufgrund ihres starken Durchfalls am 23.10.2008 und in den Tagen zuvor noch in ihrer Wohnung befanden und zu denen weitere verschmutzte Wäschestücke von dem Krankenhausaufenthalt hinzugekommen waren, einzuweichen.
180
(1) Der Angeklagte ließ sich dahingehend ein, dass L. K. ihre Leibwäsche und verschmutzte Kleidungsstücke, aber auch Blusen, stets erst vorher eingeweicht habe, bevor sie ihm diese zum Waschen in der Waschmaschine übergeben habe, während sie andere Wäschestücke, wie zum Beispiel Handtücher, nicht vorher eingeweicht habe. Diese Einlassung erachtet das Schwurgericht als glaubhaft, da sie im Einklang mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht.
181
Die verstorbene Zeugin C2. E. erklärte in ihrer am 19.03.2019 vor dem Notar Dr. P. G3. in L. abgegebenen eidesstattlichen Versicherung, welche zur Verlesung kam, dass L. K. ihres Wissens in den 1970er und 1980er Jahren stets ihre Wäsche in ihrem Waschbecken ausgewaschen oder in der Badewanne eingeweicht habe, bevor sie diese jemandem zum Waschen mitgegeben, in eine Reinigung gebracht oder in der Waschmaschine gewaschen habe.
182
Die Pflegekraft C. L. berichtete glaubhaft, dass sie bei einem Besuch im Rahmen des Pflegedienstes bei L. K. gesehen habe, dass benutzte Unterhosen im Waschbecken im Badezimmer eingeweicht worden seien.
183
Die Zeugin U. B3. bekundete insoweit glaubhaft, dass ihres Wissens L. K. kleinere Wäschestücke wie zum Beispiel Socken entweder in der unter dem Waschbecken abgestellten Waschschüssel aus Kunststoff oder auch im Waschbecken ausgewaschen habe.
184
(2) Wie auf zwei der in der Wohnung K. gefertigten und in Augenschein genommenen polizeilichen Lichtbilder erkennbar ist, stand auf einer Kommode im Flur in der Nähe des Badezimmers ein großer Wäschekorb, der mit zahlreichen, zum Teil großen Wäschestücken bis oben hin gefüllt war, wobei einzelne Wäschestücke aufgrund ihrer Größe und der Vielzahl der Wäschestücke aus dem Korb heraus nach unten hingen. Neben diesem Wäschekorb lag ein augenscheinlich (zumindest überwiegend) leerer, anthrazitfarbener Müllbeutel aus Kunststoff auf der Kommode.
185
(3) L. K. hatte in der Zeit vor dem 23.10.2008 zunehmend unter starkem Durchfall gelitten und wurde deshalb am 23.10.2008 stationär ins Krankenhaus eingewiesen, wo der Durchfall noch zwei Tage andauerte. Es liegt deshalb nahe, dass sich bei ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus noch mit Kot verschmutzte Wäsche aus der Zeit bis zum 23.10.2008 in ihrer Wohnung befand und weitere Schmutzwäsche von dem Krankenhausaufenthalt hinzukam, zumal sowohl die Unterhose als auch die Schlafanzughose, die bei der Auffindung der Leiche von dieser getragen wurden, braune Kotantragungen aufwiesen.
186
Die Schlussfolgerung, dass bei der Rückkehr aus dem Krankenhaus am 28.10.2008 weitere Schmutzwäsche von dem Krankenhausaufenthalt zu der in der Wohnung vorhandenen Wäsche hinzukam, wird gestützt durch die Angaben der Zeugin D. B4., die damals als Pflegekraft im Krankenhaus Ag. beschäftigt war. Diese bekundete glaubhaft, dass die im Krankenhaus angefallene Schmutzwäsche von den Pflegekräften üblicherweise in anthrazitfarbenen Müllbeuteln aus Kunststoff entweder den zu Besuch kommenden Angehörigen der Patienten oder den Patienten selbst bei ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus mitgegeben worden sei. Die Zeugin bestätigte ferner, dass es sich bei dem anthrazitfarbenen Müllbeutel aus Kunststoff, der auf dem mit der Zeugin in Augenschein genommenen polizeilichen Lichtbild neben dem Wäschekorb auf der Kommode erkennbar ist, um einen solchen Müllbeutel handle, wie er üblicherweise von den Pflegekräften im Krankenhaus Ag. verwendet worden sei, um den Patienten bei ihrer Entlassung die angefallene Schmutzwäsche mitzugeben.
187
(4) Es ist zwar davon auszugehen, dass die am 28.10.2008 87-jährige L. K. aufgrund ihres Alters und ihrer von zahlreichen körperlichen Beschwerden geprägten gesundheitlichen Verfassung ihre Leibwäsche nicht mehr regelmäßig in der Badewanne, sondern ganz überwiegend in der rosafarbenen Waschschüssel aus Kunststoff oder auch im Waschbecken im Badezimmer einweichte. Allerdings befand sich aufgrund der besonderen Umstände des vorangegangenen starken Durchfalls und des hierdurch bedingten mehrtägigen stationären Krankenhausaufenthalts eine Vielzahl – insbesondere auch mit Kot – verschmutzter Wäschestücke in der Wohnung K.. Dass L. K. angesichts dessen den Entschluss fasste, nicht die Vielzahl einzelner Wäschestücke nacheinander in der rosafarbenen Waschschüssel aus Kunststoff und / oder im Waschbecken im Badezimmer einzuweichen, sondern stattdessen gleichzeitig in der Badewanne, erscheint naheliegend und gut nachvollziehbar, zumal sich in dem bis oben hin gefüllten Wäschekorb auf der Kommode auch große Wäschestücke befanden, wie auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern erkennbar ist.
188
Dabei lässt der Umstand, dass der anthrazitfarbene Müllbeutel aus Kunststoff auf der Kommode augenscheinlich (zumindest überwiegend) leer war, während der daneben stehende Wäschekorb bis oben hin mit – zum Teil großen – Wäschestücken gefüllt war, darauf schließen, dass sich L. K. nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus auch tatsächlich mit ihrer Schmutzwäsche beschäftigt und die im Krankenhaus angefallenen, verschmutzten Wäschestücke bereits von dem Müllbeutel in den Wäschekorb umgeräumt hatte. Dass sie beabsichtigte, die Wäschestücke – oder zumindest einen Teil von ihnen – anschließend ihrer Gewohnheit entsprechend einzuweichen, bevor sie diese dem Angeklagten zum Waschen übergeben würde, liegt ebenfalls nahe.
189
Zur Überzeugung des Schwurgerichts ist es somit naheliegend und deshalb zumindest wahrscheinlich, dass L. K. den Badewannenabfluss verschloss und Wasser in die Badewanne einließ, um darin anschließend mit Kot verschmutzte (Leib-)Wäsche einzuweichen.
190
(5) Insbesondere vor dem Hintergrund der von L. K. gegenüber dem Angeklagten getätigten sinngemäßen Äußerung, sie wisse schon, wie sie sich ihre Füße wasche, hält es die Strafkammer für möglich, aber weniger wahrscheinlich, dass L. K. beide Drehregler an der Badewannenarmatur öffnete, um danach das Wasser durch den Duschschlauch zu leiten und mit diesem die unter dem Waschbecken abgestellte rosafarbene Waschschüssel aus Kunststoff mit Wasser zu befüllen, um darin ein Fußbad zu nehmen.
191
Allerdings erscheint es naheliegender, dass L. K. die Waschschüssel, die nach wie vor aufgeräumt unterhalb des Waschbeckens stand, unmittelbar am Wasserhahn des Waschbeckens befüllt hätte, was nach den Platzverhältnissen auch ohne weiteres möglich gewesen wäre, wie sich einem der in Augenschein genommenen polizeilichen Lichtbilder entnehmen lässt. Da L. K. ihre Fußbäder üblicherweise im Wohnzimmer zu nehmen pflegte, wäre es zudem naheliegender gewesen, die Waschschüssel erst in der Küche zu befüllen, da der Weg von dort ins Wohnzimmer kürzer ist. Dies habe auch der Angeklagte seiner Einlassung zufolge so gehandhabt, zumal sich in der Küche die Teebeutel befunden hätten, die er für die Zubereitung des Fußbades benutzt habe (vgl. oben I.3.).
192
(6) Für nicht ausschließbar hält es die Strafkammer, dass L. K. aber auch aus einem anderen, unbekannten Grund das Wasser an der Badewannenarmatur aufdrehte, wobei das Schwurgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber ausschließt, dass dies geschah, um in der Badewanne ein Vollbad oder ein Fußbad zu nehmen.
193
Zahlreiche zu diesem Thema einvernommene Zeugen gaben – im Einklang mit der Einlassung des Angeklagten – übereinstimmend und damit glaubhaft an, dass L. K. nie gebadet habe und sich auch nie durch Pflegekräfte in der Wanne habe baden lassen, obwohl in der Wohnung ein Badewannenlift vorhanden war, der sich aber, wie auch auf den in Augenschein genommenen polizeilichen Lichtbildern erkennbar ist, ausgebaut im vormaligen Schlafzimmer ihres verstorbenen Ehemannes befand und nach den glaubhaften Angaben der Zeugin EKHK’in Utsch auch funktionstüchtig gewesen sei. Fußbäder nahm L. K. hingegen zwar regelmäßig, dies aber stets in ihrer rosafarbenen Waschschüssel und üblicherweise im Wohnzimmer.
194
5. Da aus rechtsmedizinischer Sicht ein Unfallgeschehen nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich ist und keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen lassen würden, dass L. K. Opfer eines Tötungsdelikts geworden wäre, gelangte das Schwurgericht nach einer vollständigen und umfassenden Gesamtwürdigung aller in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse und Beweisergebnisse sowie aller in Betracht zu ziehenden Umstände zu der Überzeugung, dass L. K. infolge eines Unfallgeschehens zu Tode kam, indem sie aus unbekannter Ursache in die Badewanne stürzte und in dieser, wie oben unter D. II. festgestellt, anschließend ertrank. Da somit schon kein Tötungsdelikt begangen wurde, kann sich dementsprechend auch der Angeklagte eines solchen nicht schuldig gemacht haben.
III. Alibi des Angeklagten
195
Überdies hat der Angeklagte, dem vorgeworfen wurde, am 28.10.2008 zwischen 14:57 Uhr und 15:08 Uhr L. K. in der Badewanne ertränkt und hierdurch getötet zu haben, für den wahrscheinlichen Zeitraum des Todeseintritts am 28.10.2008 zwischen 16:30 Uhr und 18:00 Uhr ein Alibi.
196
1. Der wahrscheinliche Zeitraum des Todeseintritts am 28.10.2008 zwischen 16:30 Uhr und 18:00 Uhr ergibt sich aus den temperaturgestützten Todeszeitschätzungen des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. H3., stellvertretender Leiter des Instituts für Technische Thermodynamik und Thermische Verfahrenstechnik der Universität St., sowie der Sachverständigen Prof. Dr. M1. und PD Dr. M2. vom Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum J., welche der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. B2. als nachvollziehbar, plausibel und zutreffend erachtete.
197
Im Zusammenhang mit den durchgeführten Todeszeitschätzungen stellte die Sachverständige Prof. Dr. M1. klar, dass unter Todeszeit in diesem Kontext stets der Zeitpunkt des Herz-Kreislauf-Stillstands gemeint sei, da zu diesem Zeitpunkt die Temperaturregulation im Körper zusammenbreche und der Abkühlvorgang beginne.
198
a. Die Zeugin ..., vormals KOM’in ..., berichtete glaubhaft, dass sie am 28.10.2008 um 21:05 Uhr die Temperatur des Wassers in der Badewanne mit 25,9°C gemessen und anschließend das Wasser aus der Wanne abgelassen habe. Um 21:15 Uhr habe sie gemeinsam mit ihrem Kollegen KHK Jennerwein den Leichnam der Verstorbenen aus der Badewanne geborgen und auf einer aus der Wohnung K. entnommenen Matratzen-Inkontinenzauflage, einem wasserundurchlässigen Matratzenschoner, abgelegt. Um 21:50 Uhr habe die Zeugin an dem Leichnam der Verstorbenen eine Rektaltemperatur von 33,9°C gemessen.
199
Dass die Auffindung der Leiche und das Abdrehen des nachlaufenden Wassers an der Badewannenarmatur durch die Pflegekraft M. S., geborene St., am 28.10.2008 gegen 18:30 Uhr erfolgte, schließt die Strafkammer aus dem Umstand, dass um 18:31 Uhr vom Festnetzanschluss der Wohnung K. ein Notruf bei der Rettungsleitstelle unter der damaligen Nummer 19222 abgesetzt wurde. Letzteres ergibt sich aus dem insoweit verlesenen Protokoll der entsprechenden Telekommunikationsverbindungsdaten ebenso wie der Umstand, dass diese Nummer vom selben Anschluss nochmals um 18:41 Uhr und um 18:52 Uhr gewählt wurde.
200
b. Wie der thermodynamische Sachverständige Prof. Dr.-Ing. H3. darlegte, lasse sich nach den physikalischen Grundsätzen der Thermodynamik – ausgehend von der um 21:05 Uhr gemessenen Wassertemperatur von 25,9°C (Endtemperatur) – für die Wassertemperatur zum Zeitpunkt des Abdrehens des nachlaufenden Wassers um 18:30 Uhr (Ausgangstemperatur) eine Temperaturuntergrenze von 24,9°C und eine Obergrenze von 28,3°C herleiten.
201
Für die sich daran anschließenden temperaturgestützten Abschätzungen der Todeszeit gelte, dass eine höhere Ausgangstemperatur des Wassers um 18:30 Uhr mit einem zeitlich früheren Todeseintritt korreliere, während eine niedrigere Wassertemperatur einen zeitlich späteren Todeseintritt bedinge. Ausgehend von dem Anklagevorwurf, wonach dem Angeklagten zur Last liege, L. K. gegen 15:00 Uhr getötet zu haben, wirke sich eine niedrigere Wassertemperatur mithin zu seinen Gunsten und eine höhere Wassertemperatur zu seinen Lasten aus.
202
(1) Der thermodynamische Sachverständige erläuterte nachvollziehbar die Grundlagen der von ihm durchgeführten Berechnungen.
203
Demnach habe er zunächst die Wassermenge in der Badewanne ermittelt. Aus den bekannten Maßen der Badewanne in der Wohnung K. errechne sich eine Gesamtfüllmenge von 200 Litern Wasser. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass sich die tatsächliche Füllmenge der Badewanne durch den im Wasser liegenden Leichnam verringert habe. Wie Prof. Dr.-Ing. H3. weiter ausführte, habe er ausgehend von den bekannten Körpermaßen der 1,65 m großen und 74 kg schweren Verstorbenen experimentell ermittelt, dass durch den Leichnam in der Badewanne etwa 60 Liter Wasser verdrängt worden seien, sodass die Badewanne tatsächlich mit rund 140 Litern Wasser gefüllt gewesen sei.
204
Darüber hinaus habe er experimentell das Spektrum eines Parameters ermittelt, welcher zum einen bekannte Faktoren wie etwa die Stoffeigenschaften des Wassers enthalte und zum anderen alle unbekannten Faktoren abbilde wie die Eigenschaften – insbesondere Material und Wärmeleitfähigkeit – der Badewanne, die Temperatur von Wänden, Decke und Boden des Badezimmers, den Öffnungszustand der Badezimmertür sowie die Lage des Leichnams im Wasser und den möglicherweise durch das aus der Wanne heraushängende linke Bein hervorgerufenen „Docht-Effekt“, worunter man verstehe, dass Wasser aufgrund von Kapillarwirkung langsam aus der Wanne gesogen werde.
205
Zur experimentellen Ermittlung des Spektrums dieses Parameters habe er insgesamt sechs Messreihen durchgeführt, wovon vier in einem baulich kleineren Badezimmer als demjenigen der Verstorbenen stattgefunden hätten und zwei in einem baulich größeren. Somit sei es möglich gewesen, durch Interpolieren der ermittelten Werte eine Abschätzung für das Badezimmer der Verstorbenen zu erhalten. Im Rahmen der durchgeführten Messreihen habe er unter anderem die Füllstände der Badewanne sowie die Ausgangstemperaturen variiert. Dabei hätten sämtliche Messungen das Spektrum des experimentell ermittelten Parameters bestätigt und somit das mathematische Modell der Abkühlkurve validiert.
206
Das auf diese Weise ermittelte und validierte Modell der Abkühlkurve erlaube somit die Rückrechnung von der zu einem bestimmten Zeitpunkt gemessenen und demnach bekannten Endtemperatur des Wassers zu der noch unbekannten Ausgangstemperatur, die zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt vorgelegen habe. Unter Verwendung der Grenzwerte aus dem Spektrum des experimentell ermittelten Parameters ließen sich auf diese Weise die Ober- und Untergrenze der Ausgangstemperatur berechnen.
207
Seinen weiteren Angaben zufolge habe Prof. Dr.-Ing. H3. die Raumluft im Badezimmer der Verstorbenen auf 25°C geschätzt. Dies sei ihm aufgrund der Zeugenangaben, wonach das Badezimmerfenster geschlossen und der Heizungsregler auf Stufe fünf eingestellt gewesen sei, sowie aufgrund der von ihm mit unterschiedlichen Raumtemperaturen durchgeführten Messreihen plausibel erschienen.
208
Den weiteren Ausführungen des Sachverständigen zufolge liege seinem Gutachten die Annahme zugrunde, dass das bis 18:30 Uhr in die Badewanne nachlaufende Wasser eine im Wesentlichen gleichbleibende Temperatur gehabt habe, wobei geringfügige Temperaturveränderungen von untergeordneter Bedeutung seien. Hieraus ergebe sich, dass auch die Temperatur des Wassers in der Wanne bis 18:30 Uhr konstant gewesen sein müsse, sobald der maximale Füllstand der Badewanne erreicht gewesen sei. Dies folge daraus, dass eine große Menge ruhenden Wassers eine hohe Wärmekapazität aufweise und als träges System nur langsam abkühle. Hieran ändere sich auch nichts durch das Ablaufen des Wassers über den Notablauf und durch den im Wasser liegenden Leichnam, da beides Teil des trägen Systems sei. Der anfängliche Zeitraum, in welchem der Füllstand durch das nachlaufende Wasser zunächst ansteige, sei im Verhältnis zum Gesamtzeitraum von untergeordneter Bedeutung, da der maximale Füllstand des Wassers innerhalb einiger Minuten erreicht werde.
209
Wie Prof. Dr.-Ing. H3. erläuterte, folge das Abkühlverhalten des Wassers in der Badewanne allgemeingültigen physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Nach dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik bleibe die Energiebilanz eines abgeschlossenen Gesamtsystems – vorliegend also die Energiebilanz zwischen dem Wasser, dem darin befindlichen Leichnam und der Umgebung, insbesondere der Raumluft und der Zimmerwände – gleich, sodass innerhalb dieses abgeschlossenen Systems keine Energie durch den Abkühlvorgang verloren gehen könne. Vielmehr werde die Energie vom wärmeren Medium auf das kältere Medium – hier einerseits vom wärmeren Wasser auf die kältere Raumluft sowie andererseits vom wärmeren Leichnam auf das kältere Wasser – übertragen.
210
(2) Der Sachverständige legte dar, dass er mithilfe des von ihm ermittelten und validierten Modells der Abkühlkurve ausgehend von der um 21:05 Uhr gemessenen Wassertemperatur von 25,9°C eine Rückrechnung auf die Ausgangstemperatur um 18:30 Uhr vorgenommen habe, wobei er den Umstand, dass vom Leichnam Wärmeenergie an das Wasser übertragen worden sei, zunächst nicht berücksichtigt habe. Diese Rückrechnung habe für den relevanten Zeitpunkt um 18:30 Uhr zunächst eine Temperaturuntergrenze von 26,5°C und eine Obergrenze von 29,3°C erbracht.
211
Wie Prof. Dr.-Ing. H3. erläuterte, müsse allerdings nach den oben dargelegten physikalischen Gesetzmäßigkeiten zusätzlich berücksichtigt werden, dass der im Zeitraum von 18:30 Uhr bis 21:05 Uhr erfolgte Abkühlvorgang des Wassers dadurch verzögert worden sei, dass der im Wasser befindliche Leichnam seinerseits Wärmeenergie an das Wannenwasser abgegeben habe, was ebenfalls aus dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik folge. Dies lasse sich zudem bereits daraus schließen, dass die um 21:50 Uhr an dem Leichnam gemessene Rektaltemperatur 33,9°C betragen habe und somit rund 3°C niedriger gewesen sei als die anzunehmende Temperatur der Verstorbenen zu Lebzeiten bzw. zum Zeitpunkt des Todeseintritts.
212
Auch die durch die Abgabe von Wärmeenergie vom Leichnam an das Wannenwasser bedingte Verzögerung des Abkühlvorgangs habe der Sachverständige seinen Angaben zufolge im Rahmen seiner Messreihen experimentell überprüft, indem er ein sogenanntes Dry Pack – einen mit Wasser gefüllten, wasserdichten Sack – auf eine im mittleren Normbereich liegende Körperkerntemperatur von 37,2°C erwärmt und in das Wannenwasser gelegt habe. Die durchgeführten Messungen hätten bestätigt, dass sich das umgebende Wasser zunächst langsam erwärmt habe, bevor es im weiteren Verlauf langsamer als in den ohne Dry Pack durchgeführten Versuchsreihen abgekühlt sei.
213
Prof. Dr.-Ing. H3. erläuterte, dass er die im mittleren Normbereich liegende Körperkerntemperatur von 37,2°C angenommen habe, da – insbesondere auch aus dem Entlassbericht des Krankenhauses Ag., über welchen der sachverständige Zeuge Prof. Dr. H2. berichtet habe – keine Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende rektale Körperkerntemperatur der Verstorbenen kurz vor ihrem Tod vorlägen.
214
Hiervon ausgehend ergebe sich rechnerisch aufgrund des Verhältnisses von Gewicht und Wärmekapazität des Leichnams der Verstorbenen zur Menge und Wärmekapazität des Wassers in der Badewanne eine um etwa 1°C verringerte Abkühlung des Wassers im Zeitraum von 18:30 Uhr bis 21:05 Uhr, was sich experimentell bestätigt habe. Die um etwa 1°C verringerte Abkühlung des Wassers führe im Wege der Rückrechnung zu einer um etwa 1°C niedrigeren Ausgangstemperatur um 18:30 Uhr. Somit ergebe sich unter der gebotenen Berücksichtigung des Umstands, dass vom Leichnam Wärmeenergie an das Wasser übertragen worden sei, für den relevanten Zeitpunkt um 18:30 Uhr eine Temperaturuntergrenze von 25,5°C und eine Obergrenze von 28,3°C.
215
Der Sachverständige wies darauf hin, dass die unter Berücksichtigung der Wärmeabstrahlung des Leichnams ermittelte Untergrenze der Ausgangstemperatur von 25,5°C unterhalb der um 21:05 Uhr gemessenen Endtemperatur von 25,9°C liege. Somit sei das Wannenwasser durch die Wärmeabstrahlung des Leichnams im Zeitraum von 18:30 Uhr bis 21:05 Uhr letztlich um 0,4°C erwärmt worden.
216
Wie Prof. Dr.-Ing. H3. weiter erläuterte, entspreche die um etwa 1°C verringerte Abkühlung des Wassers im Zeitraum von 18:30 Uhr bis 21:05 Uhr, welche aus der Abgabe von Wärmeenergie vom Leichnam an das Wannenwasser resultiere, einer Erhöhung der Wassertemperatur in diesem Zeitraum um 1°C. Da ein Szenario, bei welchem die Ausgangstemperatur um 18:30 Uhr unterhalb der um 21:05 Uhr gemessenen Endtemperatur von 25,9°C gelegen habe, nicht ausschließbar sei, bedeute dies, dass die Ausgangstemperatur um 18:30 Uhr auch 1°C niedriger als die gemessene Endtemperatur gewesen sein und somit bei 24,9°C gelegen haben könne. Demzufolge ergebe sich hieraus eine Untergrenze der Ausgangstemperatur von 24,9°C.
217
Die Abweichung von den oben dargelegten Berechnungsergebnissen erkläre sich dadurch, dass den Berechnungen die Prämisse einer oberhalb der um 21:05 Uhr gemessenen Endtemperatur liegenden Ausgangstemperatur zugrunde gelegen habe.
218
Zusammengefasst ergebe sich laut Prof. Dr.-Ing. H3. aus der um 21:05 Uhr gemessenen Wassertemperatur von 25,9°C somit für den relevanten Zeitpunkt um 18:30 Uhr eine Temperaturuntergrenze von 24,9°C und eine Obergrenze von 28,3°C.
219
Dieser Temperaturbereich stehe dem Sachverständigen zufolge im Einklang mit der Schlussfolgerung, dass ursprünglich beide Drehregler der Badewannenarmatur geöffnet gewesen seien. Letzteres ergebe sich aus den Angaben der Zeugin S4., geborene St., wonach diese nach ihrem Eintreffen im Badezimmer das nachlaufende Wasser an beiden Drehreglern der Badewannenarmatur abgedreht habe.
220
(3) Wie Prof. Dr.-Ing. H3. weiter darlegte, liege der in der Rechtsmedizin etablierten, temperaturgestützten Methode der Todeszeitschätzung nach dem HenßgeModell ebenfalls der Erste Hauptsatz der Thermodynamik zugrunde. Dieses Modell beschreibe das Abkühlverhalten eines Leichnams ausgehend von einer bestimmten Körperkerntemperatur im Ablebenszeitpunkt, setze allerdings eine konstante Umgebungstemperatur voraus. Für andere Umgebungsbedingungen als Luft sei ein Korrekturfaktor einzufügen, welcher für ruhendes Wasser mit 0,5 angegeben werde.
221
Wie die rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. M1. und PD Dr. M2. hierzu ergänzend ausführten, sei der Korrekturfaktor nach Henßge empirisch durch Abkühlexperimente mit Leichen bestimmt worden. Das Abkühlverhalten nach dem Henßge-Modell sei lediglich für Standardszenarien einer unbekleideten Leiche – grundsätzlich an der Luft bzw. mit dem Korrekturfaktor von 0,5 in ruhendem Wasser – valide. Ihren Angaben zufolge hätten die beiden Sachverständigen deshalb den angegebenen Korrekturfaktor von 0,5 für eine bekleidete Leiche im Wasser experimentell im Wege einer Gegenüberstellung überprüft. Hierbei habe das Tragen einer dünnen Bekleidungsschicht zu keinem relevanten Unterschied im Abkühlverhalten gegenüber dem unbekleideten Zustand geführt, woraus sich schließen lasse, dass der nach dem Henßge-Modell angegebene Korrekturfaktor von 0,5 auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation angewendet werden könne.
222
(4) Prof. Dr.-Ing. H3. betonte, dass die vom Henßge-Modell vorausgesetzte konstante Umgebungstemperatur hinsichtlich des Badewannenwassers vorliegend nur bis 18:30 Uhr vorgelegen habe (vgl. oben (1)), während sich im Zeitraum von 18:30 Uhr bis 21:05 Uhr die Wassertemperatur von der Ausgangstemperatur um 18:30 Uhr mit einer Ober- bzw. Untergrenze von 28,3°C bzw. 24,9°C (vgl. oben (2)) zu der um 21:05 Uhr gemessenen Endtemperatur von 25,9°C (vgl. oben a.) verändert habe.
223
Diesem Umstand habe er dadurch Rechnung getragen, dass er für den Zeitraum von 18:30 Uhr bis 21:05 Uhr eine konstante mittlere Temperatur zwischen der gemessenen Endtemperatur von 25,9°C einerseits und der errechneten Ober- bzw. Untergrenze der Ausgangstemperatur von 28,3°C bzw. 24,9°C zugrunde gelegt habe.
224
Ferner habe er berücksichtigt, dass der um 21:15 Uhr aus der Badewanne geborgene Leichnam (vgl. oben a.) nachfolgend über einen Zeitraum von 35 Minuten bis zur Messung der Rektaltemperatur von 33,9°C um 21:50 Uhr (vgl. oben a.) auf einem wasserundurchlässigen Matratzenschoner am Boden liegend an der Luft bei einer geschätzten Raumtemperatur von 25°C (vgl. oben (1)) weiter abgekühlt sei.
225
Hiervon ausgehend errechne sich für die Obergrenze der Ausgangstemperatur des Wannenwassers von 28,3°C eine geschätzte Todeszeit um 16:31 Uhr und für die Untergrenze von 24,9°C eine geschätzte Todeszeit um 17:14 Uhr.
226
Der Umstand, dass das Wasser bereits um 21:05 Uhr aus der Wanne abgelassen worden sei (vgl. oben a.), was zur Folge gehabt habe, dass der Leichnam bis zu seiner Bergung aus der Wanne um 21:15 Uhr für zehn Minuten nicht mehr mit Wasser bedeckt, aber in einem mutmaßlich noch relativ nassen Zustand in der Wanne von Luft umgeben gelegen sei, sei bei diesen Berechnungen unberücksichtigt geblieben.
227
c. Die rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. M1. und Dr. M2. unterzogen die vom thermodynamischen Sachverständigen vorgenommene Todeszeitschätzung nach dem Henßge-Modell, welche sie als zutreffend erachteten, einer Plausibilitätskontrolle durch eine Todeszeitschätzung anhand der von ihnen gemeinsam mit dem Sachverständigen PD Dr. H4. entwickelten Finite-Elemente-Methode.
228
(1) Prof. Dr. M1. erläuterte nachvollziehbar die Grundlagen der Finite-ElementeMethode, bei welcher es sich ebenfalls um ein Verfahren zur temperaturgestützten Todeszeitschätzung handle.
229
Während die Methode nach Henßge auf einem empirischen Modellansatz basiere, bei welchem experimentelle Abkühlungskurven durch analytische Formeln angepasst würden, handle es sich bei der Finite-Elemente-Methode um einen physikalischen Modellansatz, bei welchem der Abkühlungsprozess der Leiche auf der Basis der physikalischen Gesetze der Wärmeübertragung modelliert werde.
230
Die Finite-Elemente-Methode sei in den Jahren 2003 bis 2007 durch 84 Abkühlungsversuche unter kontrollierten Bedingungen in einer Klimasimulationskammer validiert worden, allerdings nicht für im Wasser befindliche Leichen.
231
Zwar habe ein empirisches Modell wie die Methode nach Henßge den Vorteil, dass es einfach und schnell anwendbar sei, während ein physikalisches Modell wie die Finite-Elemente-Methode schwierig und zeitintensiv in der Anwendung sei, zumal keine Rückrechnung, sondern nur eine chronologisch fortschreitende Vorwärtsberechnung möglich sei, was mehrere Simulationsdurchläufe erforderlich mache. Allerdings sei ein empirisches Modell valide nur auf die experimentell untersuchten Standard-Abkühlungssituationen anwendbar und seine Parameter wiesen als reine Kurvenanpassungsparameter keinen Bezug zur Physik der Abkühlung auf. Demgegenüber sei ein physikalisches Modell auch auf Nicht-StandardAbkühlungssituationen anwendbar und seine Parameter seien physikalisch interpretierbar.
232
Durch die Anwendung des in den Ingenieurwissenschaften weit verbreiteten FiniteElemente-Verfahrens könne die Geometrie des menschlichen Körpers individuell angepasst werden. Neben den verschiedenen Gewebekompartimenten mit ihren unterschiedlichen thermischen Materialeigenschaften sei auch die fallspezifische Berücksichtigung von Bekleidung und Bedeckung möglich. Allerdings könne in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation die von der Verstorbenen getragene Bekleidung auch bei der Finite-Elemente-Methode unberücksichtigt bleiben, da die experimentelle Überprüfung des nach dem Henßge-Modell für unbekleidete Leichen im Wasser angegebenen Korrekturfaktors ergeben habe, dass das Tragen einer dünnen Bekleidungsschicht zu keinem relevanten Unterschied im Abkühlverhalten gegenüber dem unbekleideten Zustand führe (vgl. oben b.(3)).
233
Mit der Finite-Elemente-Methode, bei welcher das Anfangstemperaturfeld des menschlichen Körpers inhomogen mit einer Körperkerntemperatur von 37,2°C und einer bis in die Körperperipherie abnehmenden Temperatur vorgegeben sei, könne man die verschiedenen Formen der Wärmeübertragung simulieren. Die Wärmeleitungskoeffizienten seien der wissenschaftlichen Literatur entnommen und hinreichend fundiert. Auch der Strahlungskoeffizient für die menschliche Haut sei bekannt. Lediglich der Konvektionskoeffizient für Wasser werde in der wissenschaftlichen Literatur sehr uneinheitlich angegeben, weshalb die Sachverständigen Prof. Dr. M1. und PD Dr. M2. ihren Angaben zufolge den Konvektionskoeffizienten für Wasser bei horizontal im Wasser liegenden zylindrischen Körpern experimentell ermittelt hätten. Die hierbei gemessenen Werte lägen über den in der wissenschaftlichen Literatur publizierten Werten. Da sich ein höherer Konvektionskoeffizient im Ergebnis zu Gunsten des Angeklagten auswirke, hätten sie ihren Simulationen nach der Finite-Elemente-Methoden den von ihnen selbst experimentell ermittelten Konvektionskoeffizienten für Wasser zugrunde gelegt.
234
(2) Dem Sachverständigen PD Dr. M2. zufolge hätten sie bei ihren zunächst durchgeführten Simulationen nach der Finite-Elemente-Methode neben dem von ihnen selbst experimentell ermittelten Konvektionskoeffizienten für Wasser – in Übereinstimmung mit dem Gutachten des thermodynamischen Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. H3. (vgl. oben b.(1)) – eine konstante Wassertemperatur bis 18:30 Uhr zugrunde gelegt und seien wegen des dem Angeklagten zur Last liegenden Tatvorwurfs, L. K. gegen 15:00 Uhr getötet zu haben, davon ausgegangen, dass die Leiche im Zeitraum vor 18:30 Uhr 3,5 Stunden lang im Wasser gelegen sei. Darüber hinaus hätten sie – ebenfalls in Übereinstimmung mit Prof. Dr.-Ing. H3. (vgl. oben b.(4)) – für den Zeitraum von 18:30 Uhr bis 21:05 Uhr eine konstante mittlere Temperatur zwischen der gemessenen Endtemperatur von 25,9°C einerseits und der errechneten Ober- bzw. Untergrenze der Ausgangstemperatur von 28,3°C bzw. 24,9°C zugrunde gelegt.
235
Hiervon ausgehend habe die durchgeführte Simulation für die Obergrenze der Ausgangstemperatur des Wannenwassers von 28,3°C eine geschätzte Todeszeit um 16:57 Uhr erbracht und für die Untergrenze von 24,9°C eine geschätzte Todeszeit um 18:00 Uhr.
236
Wie PD Dr. M2. erläuterte, sei bei diesen Simulationen zunächst unberücksichtigt geblieben, dass um 21:05 Uhr das Wannenwasser abgelassen worden sei, der Leichnam daraufhin bis zu seiner um 21:15 Uhr erfolgten Bergung aus der Badewanne (vgl. oben a.) für zehn Minuten nicht mehr mit Wasser bedeckt, aber in einem mutmaßlich noch relativ nassen Zustand in der Wanne von Luft umgeben gelegen sei und nachfolgend über einen Zeitraum von 35 Minuten bis zur Messung der Rektaltemperatur von 33,9°C um 21:50 Uhr (vgl. oben a.) auf einem wasserundurchlässigen Matratzenschoner am Boden liegend an der Luft weiter abgekühlt sei, wobei – wie von Prof. Dr.-Ing. H3. (vgl. oben b.(1)) – eine geschätzte Raumtemperatur von 25°C angenommen worden sei.
237
(3) Diese Umstände seien laut PD Dr. M2. bei weiteren Simulationen berücksichtigt worden, wobei – in Abweichung von dem Gutachten des thermodynamischen Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. H3. (vgl. oben b.(4)) – das Abkühlen des Leichnams an der Luft in dem gesamten Zeitraum von 45 Minuten ab 21:05 Uhr, also einschließlich der zehn Minuten in der Wanne nach Ablassen des Wannenwassers um 21:05 Uhr, berücksichtigt worden sei. Wie die Sachverständigen Prof. Dr. M1., PD Dr. M2. und Prof. Dr.-Ing. H3. übereinstimmend bekundeten, habe die Berücksichtigung dieser Zeitspanne von zehn Minuten lediglich eine geringfügige Verschiebung der geschätzten Todeszeit in einer Größenordnung von wenigen Minuten zur Folge.
238
Ferner sei bei den weiteren Simulationen nicht mehr die aus dem Anklagevorwurf abgeleitete Leichenliegezeit im Wasser von 3,5 Stunden vor 18:30 Uhr zugrunde gelegt worden. Vielmehr hätten sie im Rahmen der durchgeführten Simulationen die Leichenliegezeit im Wasser vor 18:30 Uhr so lange variiert, bis die in der Simulation für den Zeitpunkt um 21:50 Uhr ermittelte Rektaltemperatur der um diese Uhrzeit bei der Verstorbenen gemessenen Rektaltemperatur von 33,9°C entsprochen habe.
239
Unter diesen Voraussetzungen habe die Simulation für die Untergrenze der Ausgangstemperatur des Wannenwassers von 24,9°C eine geschätzte Todeszeit um 17:54 Uhr erbracht.
240
Darüber hinaus sei unter diesen Voraussetzungen eine Simulation für die höchste, vom thermodynamischen Sachverständigen errechnete Obergrenze der Ausgangstemperatur von 29,3°C vorgenommen worden, bei welcher die Wärmeabgabe vom Leichnam an das Wasser noch unberücksichtigt geblieben sei (vgl. oben b.(2)). Dies sei die am meisten zu Ungunsten des Angeklagten wirkende Variante, welche allerdings aufgrund der fehlenden Berücksichtigung des genannten Umstands unrealistisch sei. Für diese Variante habe die Simulation eine geschätzte Todeszeit um 16:52 Uhr erbracht.
241
Wie PD Dr. M2. weiter darlegte, hätten sie in weiteren Simulationen die Auswirkungen überprüft, wenn für den Zeitraum von 18:30 Uhr bis 21:05 Uhr anstelle der konstanten mittleren Temperatur ein (vereinfachter) Temperaturabfall in fünf Stufen angenommen und auf das über den Wannenrand heraushängende Bein über die gesamte Zeitspanne der Konvektionskoeffizient für Luft angewendet werde. Beide Variationen hätten kein wesentlich abweichendes Ergebnis erbracht.
242
d. Zusammengefasst ergaben sich nach der von dem Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. H3. angewandten Henßge-Methode sowie nach der von den Sachverständigen Prof. Dr. M1. und PD Dr. M2. angewandten Finite-Elemente-Methode folgende Todeszeitschätzungen:
243
Für die sich zu Ungunsten des Angeklagten auswirkende Obergrenze der Ausgangstemperatur von 28,3°C um 18:30 Uhr wurde die Todeszeit mit der Henßge-Methode auf 16:31 Uhr (vgl. oben b.(4)) und mit der Finite-Elemente-Methode auf 16:57 Uhr (vgl. oben c.(2)) geschätzt. Für die – ohne Berücksichtigung der Wärmeabgabe von der Leiche an das Wasser erfolgte und daher unrealistisch hohe – Obergrenze von 29,3°C sowie unter anderen Prämissen führte die Finite-Elemente-Methode zu einer Schätzung der Todeszeit auf 16:52 Uhr (vgl. oben c.(3)).
244
Für die zu Gunsten des Angeklagten anzunehmende Untergrenze der Ausgangstemperatur von 24,9°C um 18:30 Uhr wurde die Todeszeit mit der Henßge-Methode auf 17:14 Uhr (vgl. oben b.(4)) und nach der Finite-Elemente-Methode auf 18:00 Uhr (vgl. oben c.(2)) bzw. unter anderen Prämissen auf 17:54 Uhr (vgl. oben c.(3)) geschätzt.
245
e. Die Sachverständigen Prof. Dr. M1., PD Dr. M2. und Prof. Dr.-Ing. H3. betonten hinsichtlich der Ergebnisse der von ihnen durchgeführten Todeszeitschätzungen übereinstimmend, dass es sich trotz der exakten Uhrzeitangaben lediglich um Schätzungen handle, welche mit einem entsprechenden Unsicherheitsfaktor behaftet seien. Dieser Umstand komme in den exakten Uhrzeitangaben nicht hinreichend zum Ausdruck. Deshalb seien die angegeben Uhrzeiten lediglich als ungefähre Zeitangaben zu verstehen, denen eine entsprechende Ungenauigkeit innewohne.
246
Unter Berücksichtigung dieses Umstandes lasse sich den Sachverständigen zufolge festhalten, dass die Todeszeitschätzungen nach dem von Prof. Dr.-Ing. H3. angewandten Henßge-Modell sowie nach der von den Sachverständigen Prof. Dr. M1. und PD Dr. M2. angewandten Finite-Elemente-Methode im Einklang miteinander stünden und die hierbei geschätzten Todeszeiten – jeweils lediglich als ungefähre Zeitangaben verstanden – plausibel seien.
247
f. Wie die rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. B2. und Prof. Dr. M1. überzeugend und widerspruchsfrei übereinstimmend bekundeten, stünden die abgeschätzten Todeszeiten (vgl. oben d.), welche Prof. Dr. B2. allesamt – ebenso wie die hierbei angewandten Methoden – für nachvollziehbar, plausibel und zutreffend erachtete, auch im Einklang mit der Ausprägung der an dem Leichnam nach dessen Bergung aus der Wanne vorliegenden sicheren Todeszeichen, worüber die Zeugin PHM’in ..., vormals KOM’in ..., und die sachverständige Zeugin Dr. K2., die als Ärztin die Leichenschau durchgeführt hatte, berichteten.
248
g. Ein weiteres Gutachten des thermodynamischen Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. H3. zum Durchfeuchtungsgrad des linken Hosenbeins der Schlafanzughose, welches die Verstorbene an dem über den Badewannenrand heraushängenden linken Bein trug, steht ebenfalls im Einklang mit den abgeschätzten Todeszeiten (vgl. oben d.), erbrachte aber darüber hinaus keine weitergehenden Erkenntnisse.
249
(1) Wie der Sachverständige darlegte, habe er experimentell ermittelt, dass ein Zeitraum von etwa drei bis vier Stunden erforderlich sei, bis sich unter den im vorliegenden Fall gegebenen, aus den vorhandenen Anknüpfungstatsachen ableitbaren Bedingungen ein Durchfeuchtungsgrad des Hosenbeins einstelle, wie er auf den polizeilich gefertigten Lichtbildern, die den Leichnam der Verstorbenen in der Badewanne – vor dem um 21:05 Uhr erfolgten Ablassen des Wannenwassers und der um 21:15 Uhr erfolgten Bergung des Leichnams aus der Wanne (vgl. oben a.) – zeigten, ersichtlich sei. Nach diesem Zeitraum komme es nicht mehr zu einer wesentlichen Veränderung des Durchfeuchtungsgrads. Weitergehende Aussagen ließen sich auf der Grundlage der durchgeführten Experimente nicht treffen.
250
(2) Beim dem insoweit aussagekräftigsten, vom Sachverständigen für sein Gutachten herangezogenen, digitalen polizeilichen Lichtbild ist als Aufnahmezeitpunkt „28.10.2008 um 21:52 Uhr“ digital hinterlegt. Jedoch ist diese Uhrzeit wegen der zuvor bereits erfolgten Bergung des Leichnams aus der Wanne (vgl. oben a.) unplausibel. Vielmehr muss das Lichtbild, welches den Leichnam in der mit Wasser gefüllten Badewanne zeigt, zwingend vor 21:05 Uhr aufgenommen worden sein. Aufgrund der in der Nacht auf den 26.10.2008 erfolgten Zeitumstellung von Sommerauf Winterzeit liegt es zur Überzeugung des Schwurgerichts nahe, dass die hierdurch erforderlich gewordene Anpassung der Uhrzeiteinstellungen an der polizeilichen Digitalkamera bis zum Aufnahmezeitpunkt noch nicht vorgenommen worden war und die tatsächliche Aufnahme des Lichtbildes vielmehr um 20:52 Uhr erfolgte. Diese Uhrzeit erachtet die Strafkammer auch aufgrund des übrigen Ergebnisses der Beweisaufnahme als naheliegend und ohne weiteres plausibel.
251
Angesichts dessen, dass die von Prof. Dr.-Ing. H3. bei seinen Experimenten verwendeten Hosen eine hohe Variabilität hinsichtlich ihres Alters, des Materials und der Anzahl der vorangegangenen Waschvorgänge aufwiesen, kommt seinem Gutachten zur Überzeugung der Strafkammer eine hinreichend hohe Aussagekraft zu.
252
(3) Ausgehend von der tatsächlichen Aufnahmezeit des Lichtbilds um 20:52 Uhr ergibt sich demnach aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. H, wonach für einen vergleichbaren Durchfeuchtungsgrad wie am linken Hosenbein der Leiche ein Zeitraum von etwa drei bis vier Stunden erforderlich sei, ein Zeitfenster von etwa 16:50 Uhr bis 17:50 Uhr für den Beginn des Durchfeuchtungsprozesses. Dieses Zeitfenster steht im Einklang mit den nach der Henßge-Methode und der Finite-Elemente-Methode abgeschätzten Todeszeiten (vgl. oben d.).
253
h. Die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. H3., Prof. Dr. M1. und PD Dr. M2. waren überzeugend, widerspruchsfrei, von großer Sachkunde getragen und gingen von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus.
254
i. Im Anschluss an die Ausführungen der Sachverständigen gelangte das Schwurgericht zu der Überzeugung, dass L. K. am 28.10.2008 wahrscheinlich im Zeitraum zwischen 16:30 Uhr und 18:00 Uhr verstarb.
255
2. Zur Überzeugung des Schwurgerichts hat der Angeklagte, dem vorgeworfen wurde, L. K. am 28.10.2008 zwischen 14:57 Uhr und 15:08 Uhr in der Badewanne ertränkt und hierdurch getötet zu haben, für den wahrscheinlichen Zeitraum des Todeseintritts am 28.10.2008 zwischen 16:30 Uhr und 18:00 Uhr ein Alibi.
256
Wie oben unter D. II. festgestellt, verließ er die Wohnung der Verstorbenen gegen 15:00 Uhr, als L. K. noch lebte. Anschließend erledigte er Besorgungen, führte Telefonate und verbrachte den weiteren Tag ab etwa 16:00 Uhr zusammen mit seiner Ehefrau. Gemeinsam mit ihrem Sohn besuchten die Eheleute Genditzki die Mutter des Angeklagten im Krankenhaus Ag. und begaben sich danach in einen Einkaufsmarkt, bevor sie am späten Abend nach Hause zurückkehrten.
257
Dieser Ablauf ergibt sich zur Überzeugung des Schwurgerichts aufgrund einer Gesamtwürdigung der nachfolgend skizzierten Beweismittel und Indizien:
258
Die Feststellung, dass der Angeklagte um 15:30 Uhr im E.-Markt R. in der S2. straße 83 in B. W. die von ihm getätigten Einkäufe bezahlte, stützt die Strafkammer auf die Einlassung des Angeklagten sowie auf den damit im Einklang stehenden Einkaufsbeleg des E.-Marktes, welcher zur Verlesung kam.
259
Die Feststellungen zu den vom Mobiltelefon des Angeklagten geführten Telefonaten um 14:47 Uhr, 15:07 Uhr, 15:18 Uhr, 15:38 Uhr und 15:51 Uhr beruhen auf dem auszugsweise verlesenen Protokoll der Telekommunikationsverbindungsdaten sowie auf der damit im Einklang stehenden Einlassung des Angeklagten. Soweit der Angeklagte angab, er habe auf dem Anrufbeantworter des Pflegedienstes eine Nachricht bezüglich der Rückkehr von L. K. aus dem Krankenhaus hinterlassen, wird seine Einlassung durch die Angaben der Zeugin W3. glaubhaft bestätigt. Die Zeugin konnte sich erinnern, an jenem Tag eine entsprechende Nachricht des Angeklagten auf dem Anrufbeantworter abgehört zu haben.
260
Soweit sich aus der Einlassung des Angeklagten ergibt, dass er kurz nach dem auf seinem Heimweg geführten Telefonat mit seiner Ehefrau zu Hause eintraf, steht dies im Einklang mit den glaubhaften Angaben seiner Ehefrau M. G.. Wie sich den Verbindungsdaten entnehmen lässt, fand dieses Telefonat um 15:51 Uhr statt. Den Angaben seiner Ehefrau zufolge sei der Angeklagte zu einer nicht mehr genau benennbaren Uhrzeit zwischen 15:30 Uhr und 16:00 Uhr nach Hause gekommen.
261
Die Einlassung des Angeklagten zum weiteren Verlauf des 28.10.2008 wurde von seiner Ehefrau M. G. ebenfalls glaubhaft bestätigt. Darüber hinaus wurden die sowohl vom Angeklagten als auch von seiner Ehefrau getätigten Angaben zu dem gemeinsamen Besuch bei der zwischenzeitlich verstorbenen Mutter des Angeklagten, L. G., im Krankenhaus Ag. von dieser in ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung vom 13.01.2009 bestätigt. Das entsprechende Vernehmungsprotokoll kam zur Verlesung.
IV. Zusammenfassung
262
Da – wie oben unter II. dargestellt – aus rechtsmedizinischer Sicht ein Unfallgeschehen nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich ist und keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen lassen würden, dass L. K. Opfer eines Tötungsdelikts geworden wäre, gelangte das Schwurgericht nach einer vollständigen und umfassenden Gesamtwürdigung aller in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse und Beweisergebnisse sowie aller in Betracht zu ziehenden Umstände zu der Überzeugung, dass L. K. infolge eines Unfallgeschehens zu Tode kam, indem sie aufgrund einer unbekannten Ursache in die Badewanne stürzte und darin ertrank. Da somit schon kein Tötungsdelikt begangen wurde, kann sich dementsprechend auch der Angeklagte eines solchen nicht schuldig gemacht haben.
263
Hinzukommt, dass der Angeklagte, dem vorgeworfen wurde, am 28.10.2008 zwischen 14:57 Uhr und 15:08 Uhr L. K. in der Badewanne ertränkt und hierdurch getötet zu haben, für den wahrscheinlichen Zeitraum des Todeseintritts am 28.10.2008 zwischen 16:30 Uhr und 18:00 Uhr überdies – wie oben unter III. dargestellt – ein Alibi hat.
264
Der Angeklagte war deshalb wegen erwiesener Unschuld aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
F. Entschädigungspflicht
265
Die Entscheidung über die Entschädigungspflicht beruht auf den §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4, 8 Abs. 1 S. 1 StrEG.
G. Kostenentscheidung
266
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO.
267
Wird der Angeklagte im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen, ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 467 Abs. 1 StPO. Auch die Kosten einer im früheren Verfahren erfolglos eingelegten Revision des Angeklagten fallen nunmehr der Staatskasse zur Last (KK-StPO/Gieg, 9. A. 2023, StPO § 473 Rn. 14 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. A., StPO § 473 Rn. 37 m.w.N.).