Inhalt

OLG München, Beschluss v. 10.05.2023 – 18 W 517/23 e
Titel:

Arrestgrund bei einer Forderung aus Kaufvertrag bei einem Eigentumsvorbehalt an einer im Ausland belegenen Kaufsache

Normenketten:
ZPO § 857, § 917 Abs. 2, § 928 ff.
BGB § 449 Abs. 2
Leitsätze:
1. Das Bedürfnis zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Kaufpreisrestforderung besteht auch dann, wenn der Gläubiger durch einen Eigentumsvorbehalt an der im Ausland belegenen Kaufsache gesichert ist, zur Geltendmachung seines Herausgabeanspruchs aber vom Kaufvertrag zurücktreten und damit die Rückabwicklung des Kaufvertrags in Kauf nehmen müsste. (Rn. 30 – 34)
2. Die Frage, ob ein sonstiges Vermögensrecht nach § 857 ZPO (Anwartschaftsrecht) dem inländischen Vollstreckungszugriff unterliegt, ist rechtlich wertend nach dem nationalen Recht klären. Hierfür können die Maßstäbe zur Ermittlung des auf das Anwartschaftsrecht anwendbaren Rechts herangezogen werden. (Rn. 38 – 44)
Schlagworte:
Sofortige Beschwerde, Antrag auf dinglichen Arrest, Verbürgung der Gegenseitigkeit, Eigentumsvorbehalt, internationale Vollstreckungszuständigkeit, Lokalisierung eines Anwartschaftsrechts, Arrestgrund
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 11.04.2023 – 20 O 4454/23
Fundstellen:
MDR 2023, 1209
LSK 2023, 16103
BeckRS 2023, 16103

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird wegen eines Anspruchs der Antragstellerin in Höhe von 510.000 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.02.2022 der dingliche Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Antragsgegnerin angeordnet.
2. Durch Hinterlegung eines Betrags in Höhe von 605.583 € wird die Vollziehung dieses Arrests gehemmt und die Antragsgegnerin berechtigt, die Aufhebung des vollzogenen Arrests zu beantragen.
3. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin 16 Prozent, die Antragsgegnerin 84 Prozent.
5. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 202.000 € festgesetzt.
6. Mit dem Beschluss sind zuzustellen:
- Antragsschrift vom 27.03.2023 mit Anlagen A 1 bis 13
- Schriftsatz vom 27.04.2023
- Schriftsatz vom 08.05.2023

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt den Erlass eines dinglichen Arrests zur Sicherung von Geldforderungen aus einem Kaufvertrag über die Lieferung von Produktionsanlagen. Darüber hinaus beantragt sie in Vollziehung des Arrests die Pfändung des Anwartschaftsrechts der Antragsgegnerin an den in Anlage Ast 2 aufgeführten Kaufgegenständen.
2
Die Antragstellerin ist nach eigenem Vortrag eine in Tschechien ansässige Herstellerin von Zubehör in der Automobilproduktion. Die Antragsgegnerin ist in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässig. Die Antragstellerin trägt vor, der Antragsgegnerin auf der Basis des als Anlage ASt1 vorgelegten Kaufvertrags vom 01.01.2021 drei Produktionsanlagen mit Zubehör veräußert zu haben. Die Produktionsanlagen seien von der Antragstellerin vereinbarungsgemäß nach Slowenien geliefert und bei der T.-C. d.o.o in K. installiert worden. Auch die Übergabe der Dokumentation und die Durchführung der Schulung der Mitarbeiter seien vertragsgemäß erfolgt (Anlagen ASt5 bis ASt8). Die Antragstellerin habe der Antragsgegnerin mit Rechnung vom 31.12.2021 (Anlage ASt9) für die erbrachten Leistungen 1.000.000,00 € zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 210.000,00 € in Rechnung gestellt. Die Antragsgegnerin habe den Kaufpreis nur teilweise beglichen, es seien weiterhin Zahlungsansprüche in Höhe von insgesamt 510.000 € offen. Darüber hinaus schulde die Antragsgegnerin nach dem Kaufvertrag die Erstattung von Logistikkosten in Höhe von 85.000 € (Anlage ASt10) sowie die Bezahlung weiterer über den Kaufvertrag hinaus veräußerter und gelieferter Komponenten gemäß Rechnung vom 07.07.2021 in Höhe von 6.414,34 € (Anlage ASt 11) sowie gemäß Rechnung vom 12.09.2021 in Höhe von 4.302,46 € (Anlage ASt 12). Die ausstehenden Zahlungsansprüche aus dem Kaufvertrag mache die Antragstellerin beim Landgericht unter der Geschäftsnummer 20 O 931/23 als Zahlungsklage geltend. Ausweislich Ziffer 18.2 des Kaufvertrages hätten die Parteien München als ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart. Ziffer 18.1 des Kaufvertrages enthalte eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts. Darüber hinaus hätten die Parteien in Ziffer 3.3 des Kaufvertrags einen Eigentumsvorbehalt vereinbart. Da ein Urteil im Ausland – ohne Verbürgung der Gegenseitigkeit – zu vollstrecken wäre, werde Antrag auf dinglichen Arrest und Pfändung des zugunsten der Antragsgegnerin aus dem Eigentumsvorbehalt bestehenden Anwartschaftsrechts an den gelieferten Kaufgegenständen gestellt.
3
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 11.04.2023 (Bl. 12 d.A.), auf den Bezug genommen wird, den Antrag auf Erlass eines dinglichen Arrests zurückgewiesen, da kein Arrestgrund vorliege. Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen aus, dass nicht zu besorgen sei, dass ohne die Verhängung eines Arrests die Vollstreckung eines Zahlungsurteils vereitelt oder wesentlich verschlechtert werde. Darüber hinaus sei fraglich, ob die Antragsgegnerin überhaupt Vermögenswerte in Slowenien habe, da die Produktionsanlagen unter Eigentumsvorbehalt geliefert worden seien. Der Beschluss wurde der Antragstellerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses ihres Prozessbevollmächtigten am 17.04.2023 zugestellt.
4
Gegen den Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 27.04.2023 (Bl. 18 d.A.), beim Landgericht eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt und diese näher begründet. Sie macht insbesondere geltend, dass der Arrestgrund aus § 917 Abs. 2 Satz 1 ZPO folge, und dass als pfändbares Vermögen der Antragsgegnerin das von dieser erworbene Anwartschaftsrecht an den Kaufgegenständen zur Verfügung stehe.
5
Die Antragstellerin beantragt in Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts München I vom 11. April 2023, Az.: 20 O 4454/23:
6
1. Wegen eines Zahlungsanspruchs der Antragstellerin in Höhe von EUR 605.716,80 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozent seit dem 14. Februar 2022 auf einen Betrag in Höhe von EUR 510.000,00 und Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. August 2021 auf einen Betrag von EUR 6.414,34 sowie Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Oktober 2021 auf einen Betrag von EUR 4.302,46 gegen die Antragsgegnerin wird der dingliche Arrest in das gesamte Vermögen der Antragsgegnerin angeordnet.
7
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Arrestverfahrens zu tragen.
8
3. Die Vollziehung des Arrests wird durch Hinterlegung durch die Antragsgegnerin in Höhe von EUR 649.000,00 gehemmt.
9
4. Bis zu einem Höchstbetrag von EUR 649.000,00 wird in Vollziehung des Arrests das Anwartschaftsrecht der Antragsgegnerin an den Gegenständen der Anlage ASt 2 gepfändet.
10
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 03.05.2023 (Bl. 25 d.A.), auf den Bezug genommen wird, der sofortigen Beschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, die Antragstellerin sei durch den vereinbarten Eigentumsvorbehalt hinreichend anderweitig gesichert, und hat die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
11
Die Antragstellerin hat im Hinblick auf den Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts mit Schriftsatz vom 08.05.2023 ergänzend vorgetragen.
12
Die Sache wurde mit Beschluss vom heutigen Tag vom Senat zur Entscheidung übernommen.
II.
13
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.
14
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der zweiwöchigen Notfrist des § 569 ZPO eingelegt worden.
15
2. In der Sache hat die sofortige Beschwerde insoweit Erfolg, als der beantragte dinglich Arrest anzuordnen war.
16
a) Der Antrag auf Erlass eines dinglichen Arrests ist zulässig.
17
aa) Das Landgericht München I ist als Gericht der Hauptsache das nach § 919 ZPO zuständige Arrestgericht.
18
Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts für die Entscheidung in der Hauptsache ergibt sich gemäß Art. 25 Abs. 1 EuGVVO aus der von den Parteien getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung in Ziffer 18.2 des Kaufvertrags (Anlage ASt1). Dort haben die Parteien „the court of Munich (Germany)“ als ausschließlich zuständiges Gericht für etwaige Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag (“in connection with the formation, performance, interpretation and/or termination of this Contract“) vereinbart. Damit ist auch die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I durch Gerichtsstandsvereinbarung begründet. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts folgt aus dem Streitwert.
19
bb) Der Arrest ist vorliegend auch das statthafte Sicherungsmittel gemäß § 916 Abs. 1 ZPO, da die Antragstellerin die Sicherung einer Geldforderung, nämlich eines Anspruchs auf Kaufpreiszahlung, begehrt. Daneben behauptet sie mit der Besorgnis einer Auslandsvollstreckung das Bestehen eines Arrestgrundes.
20
b) Der Antrag auf Erlass eines dinglichen Arrests ist hinsichtlich einer Forderung in Höhe von 510.000 € nebst Zinsen auch begründet.
21
aa) Die Antragstellerin hat einen Arrestanspruch behauptet und glaubhaft gemacht.
22
(1) Sie hat dargelegt, dass ihr gegen die Antragsgegnerin ein fälliger Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises in Höhe von 510.000 € aus dem Kaufvertrag vom 01.01.2021 zusteht.
23
Die Parteien haben nach dem Vortrag der Antragstellerin die Lieferung von drei Produktionsanlagen vereinbart, welche als „SHU 1“, „SHU 2“ und „RRT 20-10“ bezeichnet werden. Hierfür sei ein Kaufpreis von 1.000.000 € zzgl. Umsatzsteuer vereinbart worden. Die Antragstellerin habe ihre vertraglichen Pflichten erfüllt, insbesondere die Produktionanlagen nach Slowenien geliefert sowie die Übergabe und die durchgeführte Schulung der Mitarbeiter dokumentiert. Der Kaufpreis sei mit Rechnung vom 31.12.2021, der Antragsgegnerin am 13.01.2022 übermittelt, in Höhe von 1.210.000 € brutto in Rechnung gestellt worden. Die Antragsgegnerin habe hierauf nur 700.000 € bezahlt.
24
Der Zinsanspruch folge aus § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB. Der Zinssatz von 8 Prozent pro Jahr ergibt sich aus der Vereinbarung der Parteien in Ziffer 4.1 des Kaufvertrages.
25
(2) Ihren Vortrag hat die Antragstellerin durch Vorlage der Kaufvertragsurkunde (Anlage ASt1), der Übergabedokumentation (Anlagen ASt 5 bis 8) und der eidesstattlichen Versicherung ihres Vorstandsvorsitzenden (Anlage ASt 13) glaubhaft gemacht.
26
bb) Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt auch ein Arrestgrund vor. Zwar hat die Antragstellerin nicht zu den Voraussetzungen des § 917 Abs. 1 ZPO vorgetragen. Der Arrestgrund wird vorliegend aber nach § 917 Abs. 2 Satz 1 ZPO schon deshalb unwiderleglich vermutet, weil das Urteil nach dem Vortrag der Antragstellerin im Ausland vollstreckt werden müsste und die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist.
27
(1) Die Antragsgegnerin hat ihren Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Es ist daher zu besorgen, dass eine Vollstreckung dort erfolgen müsste.
28
Allerdings geht die Rechtsprechung und die Kommentarliteratur überwiegend davon aus, dass eine solche Besorgnis im Allgemeinen nicht veranlasst ist, wenn das inländische Vermögen des Schuldners so groß ist, dass eine Befriedigung des Gläubigers aus ihm nicht zweifelhaft erscheint und auch nach Lage der Verhältnisse keine Gefahr der Verbringung ins Ausland besteht (vgl. Wieczorek/Schütze/Thümmel, ZPO, 4. Aufl, § 917 Rn. 30 m.w.N.; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 44. Aufl., § 917 Rn. 3 m.w.N.). Es kann offen bleiben, ob diese Ausnahme im Hinblick auf Art. 39 EuGVVO, der die Vollstreckbarkeit von Entscheidungen, die in einem Mitgliedstaat ergangen sind, ohne Vollstreckbarerklärung auch in anderen Mitgliedstaaten vorsieht, auch auf Fälle übertragen werden muss, bei denen das Vermögen des Schuldners im Gebiet der Europäischen Union so groß ist, dass eine Befriedigung des Gläubigers aus ihm nicht zweifelhaft erscheint. Denn vorliegend ist nach dem Vortrag der Antragstellerin das Vermögen der Antragsgegnerin, das im Gebiet der Europäischen Union liegt, nicht ausreichend, um eine sichere Befriedigung der offenen Kaufpreisforderung der Antragstellerin zu gewährleisten. Dies folgt zum einen schon daraus, dass zugunsten der Antragsgegnerin derzeit allenfalls ein Anwartschaftsrecht als Vermögenswert greifbar ist. Hinzu kommt, dass nach dem Vortrag der Antragstellerin im Schriftsatz vom 08.05.2023 die gelieferten Produktionsanlagen durch Abnutzung und Verschleiß kontinuierlich im Wert gemindert werden. Die Notwendigkeit einer Vollstreckung in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist daher wahrscheinlich.
29
(2) Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass die Gegenseitigkeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht verbürgt sei. Die Gegenseitigkeit kann verbürgt sein nach dem innerstaatlichen Recht des Vollstreckungsstaats, nach bi- oder multilateralen völkerrechtlichen Verträgen oder infolge der Zugehörigkeit zu inter- oder supranationalen Organisationen (Stein/Jonas/Bruns, ZPO, 23. Aufl., § 917 Rn. 15). Zwar hat die Antragstellerin hierzu nicht näher vorgetragen. In der einschlägigen Literatur zum internationalen Zivilprozessrecht wird die Verbürgung der Gegenseitigkeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten aber durchwegs verneint (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl. 2020, Teil II E Rn. 252; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2020, Anhang), so dass eine weitere Glaubhaftmachung durch die Antragstellerin entbehrlich ist.
30
(3) Der Arrestgrund entfällt entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht deshalb, weil die Antragstellerin bereits ausreichend durch den vereinbarten Eigentumsvorbehalt gesichert wäre. Zwar wird in Rechtsprechung und Literatur vielfach ein Sicherungsbedürfnis vereint, wenn der Gläubiger bereits dingliche Sicherheiten besitzt, selbst wenn diese im Ausland liegen (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2007 – IX ZR 261/03, NJW 2007, 2485; BGH, Urteil vom 22.02.1972 – VI ZR 135/70, NJW 1972,1044; Stein/Jonas/Bruns, ZPO, 23. Aufl., § 917 Rn. 22; Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 917 Rn. 11; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO 44. Aufl., § 916 Rn. 2). Vorliegend bewirkt der in Ziffer 3.3 des Kaufvertrages vereinbarte Eigentumsvorbehalt (“Until full payment of the Price, title to the Equipment shall remain vested with the Supplier (retention of title)“) aber nicht den Schutz, den die Antragstellerin durch den beantragten Arrest erreichen will und kann.
31
(a) Die Antragstellerin begehrt die Sicherung einer ausstehenden Kaufpreisforderung. Der beantragte Arrest dient der Sicherung des Erfolgs einer etwaigen künftigen Zwangsvollstreckung in Vermögensgegenstände der Antragsgegnerin wegen dieser Geldforderung. So beabsichtigt die Antragstellerin, in Vollzug des zu verhängenden Arrests das einzig ihr bekannte Vermögen der Antragsgegnerin in der Europäischen Union, nämlich das Anwartschaftsrecht an den unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Produktionsanlagen zu pfänden, um es später verwerten zu können.
32
(b) Der Eigentumsvorbehalt an den Kaufgegenständen sichert die Antragstellerin nicht in vergleichbarer Weise wie ein Arrest.
33
Die Parteien haben in Ziffer 18.1 des Kaufvertrages die Geltung deutschen Rechts vereinbart (“This Contract shall be governed by German law“). Das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung unterliegt dabei dem von den Parteien gewählten Recht, wobei die Rechtswahl mangels abweichender Anhaltspunkte auch das inkorporierte Einheitsrecht, also das CISG, umfasst (BGH, Urteil vom 23.07.1997 – VIII ZR 134/96 NJW 1997, 3309). Vorliegend bestehen gegen die Wirksamkeit der Rechtswahl auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO i.V.m. Art. 3 Abs. 5, Art. 10, Art. 11, Art. 13 Rom I-VO keine Bedenken.
34
Mangels einschlägiger Regelung im CISG ist für die Sicherung der Antragstellerin durch den vereinbarten Eigentumsvorbehalt auf § 449 BGB zurückzugreifen. Eine Geltendmachung des Herausgabeanspruchs aufgrund weiterhin bestehenden Eigentums würde nach § 449 Abs. 2 BGB einen Rücktritt vom Kaufvertrag durch die Antragstellerin voraussetzen. Gerade in der vorliegenden Konstellation, in der der Kaufpreis durch die Antragsgegnerin bereits zur Hälfte in Höhe von 700.000 € bezahlt wurde, ist diese Vorgehensweise für die Antragstellerin nicht zumutbar. Denn zum einen begehrt die Antragstellerin die Zahlung des restlichen Kaufpreises und nicht Rückabwicklung des Kaufvertrages. Zum anderen würde die Antragstellerin im Falle eines erklärten Rücktritts vom Kaufvertrag zwar die verkauften Produktionsanlagen zurück bekommen, wäre aber unter Umständen gemäß § 348 Satz 1, Satz 2, § 320 BGB gleichzeitig gehalten, den bereits vereinnahmten Kaufpreis zurückzugewähren, was im Hinblick auf den laufend fortschreitenden Wertverlust an den Produktionsanlagen durch Abnutzung und Verschleiß für sie – unabhängig von der Frage, ob sie an den Kaufgegenständen überhaupt noch ein Interesse hat – ersichtlich wirtschaftlich nachteilig wäre. Hinzu käme, dass alleine das Bestehen des Herausgabeanspruchs die Antragsstellerin nicht schützen würde, da die Kaufgegenstände in Slowenien liegen. Um ihren Anspruch zu sichern, müsste die Antragstellerin daher zunächst einen Titel erwirken und diesen sodann in Slowenien vollstrecken. In der Gesamtschau befriedigt der Eigentumsvorbehalt daher nicht das Sicherungsbedürfnis der Antragstellerin.
35
cc) Soweit die Antragstellerin geltend macht, ihr stünden über die eigentliche Restkaufpreisforderung in Höhe von 510.000 € hinaus weitere Geldforderungen gegen die Antragsgegnerin zu, hat sie diese Ansprüche weder schlüssig dargelegt noch ausreichend glaubhaft gemacht.
36
(1) Was die geltend gemachten Logistikkosten in Höhe von 85.000 € angeht, ergibt sich zwar aus Ziffer 2.1 des Kaufvertrags die grundsätzliche Pflicht der Antragsgegnerin, „costs relateted to the delivery“ bzw. „third parties´ costs for dismounting and installation“ zu erstatten. Die Antragstellerin hat aber nicht vorgetragen, dass und warum solche Kosten notwendig waren. Die Erforderlichkeit entsprechender Kosten ist aber nach dem Vertrag Voraussetzung für eine Erstattungspflicht der Antragsgegnerin (“should … be required“). Der als Anlage ASt10 vorgelegten und auf tschechisch verfassten Rechnung lässt sich hierzu nichts entnehmen. Auch die von der Antragstellerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Herrn M. T. enthält keine weitergehenden Informationen. Herr T. bestätigt insoweit nur, dass die Antragsgegnerin von der Antragstellerin getragene Logistikkosten in Höhe von 85.000 € im Zusammenhang mit der Durchführung des Kaufvertrags nicht erstattet habe.
37
(2) Soweit die Antragstellerin darüber hinaus die Zahlungspflicht der Antragsgegnerin in Bezug auf eine Rechnung vom 07.07.2021 über 6.414,34 € (Anlage ASt 11) und eine Rechnung vom 12.09.2021 über 4.302,46 € (Anlage ASt 12) behauptet, hat sie nicht schlüssig dargelegt, worauf sie diese Rechnungen stützt. Insbesondere ist mit keinem Wort zur rechtlichen Grundlage dieser Rechnungen vorgetragen. Auch der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung lässt sich hierzu nichts entnehmen.
38
3. Ohne Erfolg bleibt die sofortige Beschwerde, soweit die Antragstellerin nach §§ 928 ff ZPO die Pfändung des Anwartschaftsrechts der Antragsgegnerin an den Kaufgegenständen begehrt. Insoweit fehlt es an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte, da das Sicherungsgut nicht dem inländischen Vollstreckungszugriff unterliegt.
39
a) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für das Zwangsvollstreckungsverfahren setzt voraus, dass die Zwangsvollstreckung in Vermögen erfolgen soll, das sich im Inland befindet, denn nur dann kann darauf staatliche Zwangsgewalt ausgeübt werden. Vollstreckungsmaßnahmen in Gegenstände, die in dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates belegen sind, sind hingegen ausschließlich dessen Angelegenheit. Die Frage, ob ein Gegenstand im Vollstreckungsstaat zu lokalisieren ist, ist nach nationalem Recht zu beantworten. (BGH, Beschluss vom 04.10.2005 – VII ZB 9/05, NJW-RR 2006, 198 m.w.N.).
40
Bei der Pfändung von Forderungen kann die Lokalisierung nicht tatsächlich, sondern nur rechtlich wertend nach dem nationalen Recht erfolgen (BGH, Urteil vom 20. 12. 2012 – IX ZR 130/10, NJW-RR 2013, 880). Für die Pfändung eines sonstigen Vermögensrechts nach § 857 ZPO kann nichts anderes gelten.
41
b) Gemessen hieran erscheint es angemessen, die Lokalisierung im Einklang mit den Kollisionsnormen des internationalen Privatrechts vorzunehmen. Die Zuordnung erfolgt daher nach den Maßstäben, die zur Ermittlung des auf das Anwartschaftsrecht anwendbaren Rechts herangezogen werden. Dies führt vorliegend nicht zur internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte.
42
Da die Rechte an einer Sache für Deutschland weder durch vorrangiges Völkerrecht noch durch Unionsrecht bestimmt werden, ist für die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf Art. 43 bis 46 EGBGB zurückzugreifen. Die Reichweite des kollisionsrechtlichen Sachbegriffs ist im Wege funktionaler Qualifikation nach der lex fori und damit aus der Perspektive des deutschen Rechts zu ermitteln. Der Anknüpfungsgegenstand des Art. 43 EGBGB, nämlich „Rechte an einer Sache“ meint alle Rechtspositionen mit Wirkung erga omnes. Rechte an einer Sache können auch Vorstadien dinglicher Rechte sein, sofern diese selbst schon mit gewissen Drittwirkungen ausgestattet sind. Dies trifft auf das Anwartschaftsrecht aufgrund eines vereinbarten Eigentumsvorbehalts zu. Es ist daher wie das Eigentum an der Sache selbst grundsätzlich der lex rei sitae und damit – vorbehaltlich einer Rück- oder Weiterverweisung – dem slowenischen Recht zu unterstellen (vgl. Hausmann/Odersky/Schäuble, Internationales Privatrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 4. Aufl., § 17 Sachenrecht Rn. 14 ff, insb. Rn. 21 m.w.N.).
43
Auch Art. 46 EGBGB führt nicht zu einer Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts. Denn die von den Parteien für das Vertragsstatut getroffene Rechtswahl führt nicht dazu, dass eine wesentlich engere Verbindung zum deutschen Recht angenommen werden könnte. Der Gesetzgeber hat sich im Internationalen Sachenrecht bewusst gegen die Zulässigkeit einer Rechtswahl und die dahinterstehenden Parteiinteressen entschieden (BT-Drs 14/343, S. 16). Wenn aber selbst die sachenrechtliche Rechtswahl für das Sachstatut unbeachtlich ist, muss es die noch weiter von der dinglichen Rechtslage entfernte schuldrechtliche Rechtswahl erst recht sein (so auch BeckOGK/Prütting/A. Zimmermann, 1.12.2022, EGBGB Art. 46 Rn. 25 f.). Hinzu kommt, dass die Produktionsanlagen ihren Lageort in Slowenien haben. Da eine Pfändung des Anwartschaftsrechts ohne zusätzliche Pfändung der Sache nach deutschem Recht ohnehin zu keiner Befriedigung der Antragstellerin führen würde (vgl. Theorie der Doppelpfändung, Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 857 Rn. 6 m.w.N.), kommt dem sachbezogenen Kriterium des Lageorts vorliegend auch besonders Gewicht zu.
44
Dass der Belegenheitsort auch sonst im deutschen Recht als sachgerechtes Kriterium zur Zuordnung von zuständigkeitsbegründendem Vermögen betrachtet wird, lässt sich ergänzend auch der Vorschrift des § 23 Satz 2, Alt. 2 ZPO entnehmen, die einen besonderen Gerichtsstand des Vermögens für gesicherte Forderungen an dem Ort begründet, wo die Sache sich befindet.
45
4. Die Lösungssumme ist von Amts wegen festzusetzen, § 923 ZPO. Die Höhe des Geldbetrages war nach der zu sichernden Forderung (510.000 EUR), Zinsen für 1,5 Jahre (61.200 EUR) und den Kosten für das Hauptsacheverfahren in erster Instanz über einen Streitwert von 510.000 EUR (34.383 EUR) festzulegen.
III.
46
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
47
2. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO. Der Wert des Antrags auf Anordnung eines dinglichen Arrests ist niedriger als der Wert der zu sichernden Hauptsacheforderung anzusetzen und wird vorliegend auf rund ein Drittel der behaupteten zu sichernden Forderung geschätzt.
48
3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 542 Abs. 2 Satz 1 nicht in Betracht.