Titel:
Unbegründete Ansprüche im Zusammenhang mit Genussrechtsbeteiligungen
Normenketten:
BGB § 133, § 145, § 147, § 157, § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 283
ABGB § 861, § 862, § 914, § 915
EuGVVO Art. 17 Abs. 1 lit. c, Art. 18 Abs. 1
GRB § 13 Abs. 2
ZPO § 513 Abs.2
Leitsätze:
1. Die Zuständigkeit internationaler Gerichte ist auch in der Berufungsinstanz zu prüfen. Denn § 513 Abs. 2 ZPO gilt – entgegen seines weiten Wortlauts – nicht für die internationale Zuständigkeit. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Rechtsgeschäfte zur privaten Geldanlage gelten grundsätzlich nicht als (selbständige) berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Sinne der EuGVVO. Im Zweifel ist von einem Verbrauchervertrag auszugehen. Die Zeichnung von Genussrechten ist regelmäßig als Kapitalanlage und nicht als unternehmerische Beteiligung zu bewerten, wenn nach den Genussrechtsbedingungen und aufgrund des Anlagewerts keine berufliche oder gewerbliche enge Verbindung zum Unternehmen bestehen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Rahmen der Privatautonomie ist es sowohl nach deutschem als auch nach österreichischem Recht ohne weiteres möglich, nach der Beendigung eines Schuldverhältnisses dessen rückwirkende Fortsetzung zu vereinbaren. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Genussrechtsbeteiligungen, Genussrechtsbedingungen, Rückzahlung des Nennbetrages, Gerichtsstandsvereinbarung, Verbrauchergeschäfte, Aktien
Vorinstanz:
LG Aschaffenburg, Endurteil vom 01.09.2021 – 21 O 124/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 22.08.2024 – II ZR 86/23
Fundstellen:
LSK 2023, 16096
NZG 2023, 1573
BeckRS 2023, 16096
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 01.09.2021, Az. 21 O 124/19, abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Kläger jeweils zur Hälfte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit Genussrechtsbeteiligungen.
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Die Klägerin zu 1) zeichnete am 09.08.2008 unter den Vertragsnummern ... und ... Genussrechtsbeteiligungen an dem F. 010 der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der ... AG mit Sitz in W. (die im Jahr 2013 in eine GmbH umgewandelt wurde), in Höhe von 12.000,00 € je Vertrag, insgesamt also 24.000,00 €.
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Der Kläger zu 2) zeichnete ebenfalls am 09.08.2008 unter den Vertragsnummern ... und ...Genussrechtsbeteiligungen an dem F. 010 der Rechtsvorgängerin der Beklagten in Höhe von 12.000 € je Vertrag, insgesamt 24.000,00 €.
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Die ... GmbH wurde mit Wirkung zum 31.12.2018 mit der im Vereinigten Königreich ansässigen Beklagten verschmolzen.
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In den Genussrechtsbedingungen des F. 010, Stand: 29.12.2006 (Bl. 223 ff.), ist unter anderem geregelt:
„§ 6 Laufzeit, Rückzahlung, Kündigung
1. Die Laufzeit der Genussrechte ist unbegrenzt. Eine Kündigung ist frühestens zum Ablauf von fünf Geschäftsjahren seit der Begebung der Genussrechte (§ 3 Abs. 2) (Mindestvertragsdauer) zum Ende eines Geschäftsjahres möglich (Laufzeitende), nachfolgend jeweils zum Ablauf des folgenden Geschäftsjahres. […]
2. Die Kündigungsfrist beträgt zwei Jahre. […]
4. Die Rückzahlung der Genussrechte erfolgt zu 100% des Nennbetrages abzüglich eines etwaigen Verlustanteils gem. § 5 dieser Bedingungen (Rückzahlungsbetrag). Der Rückzahlungsbetrag ist nach Maßgabe des § 4 Absatz 5 dieser Bedingungen fällig. […]
1. Die Genussrechtsbedingungen sowie alle sich daraus ergebenen Rechte und Pflichten bestimmen sich ausschließlich nach dem Recht der Republik Österreich.
2. […] Gerichtsstand ist – soweit gesetzlich zulässig – ebenfalls Sitz der Gesellschaft. Die Gerichtsstandsvereinbarung beschränkt nicht das Recht eines Genussrechtsinhabers, Verfahren vor einem anderen zuständigen Gericht anzustrengen. […]“
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Die Kläger kündigten alle streitgegenständlichen Beteiligungen mit Schreiben vom 26.12.2016.
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Mit Schreiben vom 06.01.2017 erklärte die Beklagte, dass die Kündigungen zum nächsten ordentlichen Beendigungstermin 31.12.2018 vorgemerkt seien.
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Mit Schreiben vom Februar 2019 (Anlagenheft Kläger Bl. 24 ff.) wies die Beklagte – unter Verwendung des Briefkopfes der ... Anlegerverwaltung – die Kläger darauf hin, dass zum 31.12.2018 sämtliche Genussrechte in Aktien umgewandelt worden seien. Dabei sei es u.a. aus rechtlichen und steuerlichen Gründen unvermeidlich gewesen, die Beteiligungsbuchwerte aller Genussrechtsinhaber zum Stichtag 31.12.2017 temporär auf ein Minimum abzuwerten. Vor diesem Hintergrund könnten folgende Wahlmöglichkeiten angeboten werden: Bei Aufrechterhaltung der Kündigung belaufe sich der Rückzahlungsbetrag auf 0,00 €, was nicht den tatsächlichen Wert des Investments widerspiegele; der „rechnerische Wert“ der Genussrechte zum 31.12.2018 liege bei mehr als 13.000,00 €. Alternativ könnten die Kläger von der Kündigung „zurücktreten“; hierfür müsste bis 28.02.2019 ein entsprechendes Formblatt ausgefüllt und zurückgesandt werden.
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Daraufhin nahmen die Kläger mit Schreiben vom 25.02.2019 (Anlagenheft Kläger Bl. 20 ff.) die Kündigungen für die streitgegenständlichen Beteiligungen zurück. Der entsprechende Vordruck hat folgenden Wortlaut:
„Ich möchte meine Kündigung zurücknehmen. Ich beantrage, dass die von mir gegenüber der ... GmbH ausgesprochene Kündigung meiner Genussrechte/-scheine keine Wirkung entfalten soll und die Rechtsfolgen der ausgesprochenen Kündigung nicht eintreten sollen. Ich bin mir bewusst, dass damit meine Beteiligung, die durch die Fusion der ... GmbH auf die H. Ltd. übergegangen ist, weiterhin Bestand hat.“
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Im weiteren Verlauf erklärte die Klägerin zu 1) mit anwaltlichem Schreiben vom 07.03.2019 die außerordentliche fristlose Kündigung sämtlicher streitgegenständlichen Genussrechte und forderte die Beklagte zur Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens bis 25.02.2019 auf.
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Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
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Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Hauptforderung jeweils in Höhe von 24.000,00 € (statt eingeklagter 26.288,94 €) stattgegeben und die Beklagte zudem zur Zahlung von Zinsen und zur Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten verurteilt.
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Zur Begründung hat das Landgericht nach Bejahung der deutschen Gerichtsbarkeit im Wesentlichen ausgeführt, dass die Genussrechtsbeteiligungen der Kläger durch die Erklärungen vom 25.02.2019 über die Rücknahme der Kündigungen nicht hätten wieder aufleben können. Hinsichtlich der Höhe des Rückzahlungsbetrages habe die Beklagte das Bestehen von Verlusten zum Stichtag 31.12.2018 nicht hinreichend schlüssig dargelegt. Die bilanzielle Abwertung der Beteiligungsbuchwerte aller Genussrechtsinhaber zum 31.12.2017 habe lediglich taktische Gründe gehabt und entspreche nicht dem tatsächlichen Wert des Genussrechtskapitals.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Mit der am 06.09.2021 eingelegten und am 24.11.2021 innerhalb entsprechend verlängerter Frist begründeten Berufung gegen das am 06.09.2021 zugestellte Endurteil verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Sie rügt die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und vertritt inhaltlich die Auffassung, dass die (ursprünglichen) Genussrechte der Kläger anlässlich der Verschmelzung der ... GmbH auf die Beklagte wirksam beendet und durch gleichwertige Rechte surrogiert worden seien. Darüber hinaus hätten sich die Kläger durch ihre Erklärungen vom 25.02.2019 ausdrücklich für die Fortsetzung des Beteiligungsverhältnisses bei gleichzeitiger Umwandlung der Genussrechte in Aktien der Beklagten ausgesprochen.
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Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren,
das am 01.09.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Aschaffenburg, Az. 21 O 124/19, abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen Zurückweisung der Berufung und verteidigen das angefochtene Urteil.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze, insbesondere die Berufungsbegründung vom 24.11.2021 (Bl. 280 ff.) und die Berufungserwiderung vom 20.01.2022 (Bl. 313 ff.).
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Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen besteht kein Anspruch auf Rückzahlung des Nennbetrages der ursprünglichen Genussrechte.
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1. Das Landgericht hat zutreffend die Zuständigkeit der deutschen ordentlichen Gerichte bejaht.
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Der Einwand der Beklagtenseite gegen die vom Erstgericht zutreffend angenommene internationale Zuständigkeit greift nicht durch. Die internationale – und zugleich auch örtliche – Zuständigkeit ist nach Maßgabe von Art. 17 Abs. 1 lit. c, Art. 18 Abs. 1 EuGVVO begründet.
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a) Die internationale Zuständigkeit ist auch in der Berufungsinstanz zu prüfen. Denn § 513 Abs. 2 ZPO gilt – entgegen des weiten Wortlauts – nicht für die internationale Zuständigkeit (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 513 Rn. 8).
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b) Es handelte sich bei den Beteiligungen um Verbrauchergeschäfte.
24
Rechtsgeschäfte zur privaten Geldanlage gelten grundsätzlich nicht als (selbständige) berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Sinne der EuGVVO (vgl. Paulus in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Stand Juli 2021, Art. 17 EuGVVO, Rn. 26). Im Zweifel ist von einem Verbrauchervertrag auszugehen (vgl. Paulus, a.a.O., Rn. 27). Die Zeichnung von Genussrechten ist regelmäßig als Kapitalanlage und nicht als unternehmerische Beteiligung zu bewerten, wenn nach den Genussrechtsbedingungen und aufgrund des Anlagewerts keine berufliche oder gewerbliche enge Verbindung zum Unternehmen besteht (OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.02.2021 – 12 U 202/20, Rn. 17; vgl. auch Paulus, a.a.O., Rn. 27).
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c) Die Feststellung des Landgerichts, dass die Kläger die Genussrechte zu privaten Anlagezwecken erworben haben, greift die Beklagte im Ergebnis auch nicht an. Soweit die Beklagte geltend macht, die Kläger seien keine Verbraucher i. S. d. Art. 17 I Buchst. c, 18 I EuGVVO, da sie wegen der im Zuge der Verschmelzung gewährten „B-Shares“ als Aktionäre anzusehen seien, was einer Verbrauchereigenschaft widerspreche, trifft dies nicht zu. Die Kläger haben keine „B-Shares“ gezeichnet, sondern Genussrechte. Durch die nachträglich erfolgte Verschmelzung kann eine verbraucherschützende Zuständigkeit jedoch schlechterdings nicht wieder entzogen werden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 29.1.2021 – 9 U 66/20, NZG 2021, 562 Rn. 13 f.; OLG Bremen, Urteil vom 1.7.2021 – 3 U 39/20, NZG 2021, 1366 Rn. 25).
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d) Die zum Zeitpunkt der Zeichnung in Österreich ansässige Rechtsvorgängerin der Beklagten hat ihre gewerbliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt und sie jedenfalls auch auf dieses Gebiet ausgerichtet, wie die Geschäftsabschlüsse mit den Klägern und anderen Anlegern in Deutschland zeigen. Insoweit ist auf die tatsächlich vorgenommenen Tätigkeiten abzustellen (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 34. Aufl., Art. 17 EuGVVO, Rn. 5).
27
e) Die Gerichtsstandsvereinbarung in § 13 Abs. 2 GRB ist bereits nach ihrem Wortlaut nicht als ausschließliche Vereinbarung formuliert und lässt die Klageerhebung vor einem anderen zuständigen Gericht ausdrücklich zu.
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f) Die EuGVVO ist trotz des vollzogenen Brexits auch im Verhältnis zu der in England ansässigen Beklagten noch anwendbar. Die europäischen Regeln zur Zuständigkeit und zur wechselseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen (EuGVVO) sind zwar zum 01.01.2021 ersatzlos entfallen. Dies gilt aber aufgrund der Übergangsvorschrift des Art. 67 Abs. 1 lit. a) im Austrittsabkommen nicht für gerichtliche Verfahren, die vor dem Ablauf der Übergangsphase, also vor dem 01.01.2021, eingeleitet worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 15.06.2021 – II ZB 35/20, Rn. 42). Die Klageerhebung durch die Kläger erfolgte hier vor diesem Zeitpunkt.
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2. Inhaltlich hat das Landgericht allerdings die zwischen den Parteien getroffenen Abreden nicht hinreichend in den Blick genommen und insbesondere die Bedeutung der klägerischen Antwortschreiben vom 25.02.2019 nicht zutreffend bewertet.
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a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Landgerichts, dass die Kläger ihre Genussrechtsbeteiligungen zum 31.12.2018 wirksam ordentlich gekündigt haben. Hierdurch wurde das Beteiligungsverhältnis beendet und in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt.
31
b) Die Parteien haben indes in der Folgezeit Willenserklärungen abgegeben, durch die im Rahmen eines Vertrages sui generis die Wirkungen der Kündigungen mit der Maßgabe rückgängig gemacht wurden, dass die Kläger zu Aktionären der Beklagten wurden. Auf diesen Umstand – den Dreh- und Angelpunkt des Falles – gehen die Kläger in ihren sachlichen und rechtlichen Ausführungen, insbesondere in der Berufungserwiderung, nicht substanziell ein.
32
aa) Im Rahmen der Privatautonomie ist es sowohl nach deutschem als auch nach österreichischem Recht (vgl. hierzu das von den Klägern mit der Berufungserwiderung vom 20.01.2022 vorgelegte Rechtsgutachten des Sachverständigen P. Dr. Dr. h. c. R. vom 20.10.2021, dort S. 11 ff.) ohne weiteres möglich, nach der Beendigung eines Schuldverhältnisses dessen rückwirkende Fortsetzung zu vereinbaren. Es kann daher offen bleiben, ob für das Zustandekommen des neuen Beteiligungsvertrages deutsches oder österreichisches Sachrecht gilt.
33
bb) Das Schreiben der Beklagten vom Februar 2019, in dem den Klägern die Wahl überlassen wird, die Kündigung aufrechtzuerhalten oder von ihr „zurückzutreten“, ist als Antrag auf Abschluss eines entsprechenden Vertrages zu werten (§ 145 BGB bzw. § 861 f. östABGB). Die Kläger haben mit ihren Mitteilungen vom 25.02.2019 den Antrag fristgerecht angenommen (§ 147 BGB bzw. § 862 östABGB).
34
cc) Inhaltlich ist der Vertrag nach der Interessenlage der Parteien unter Berücksichtigung der von der Beklagten in dem Schreiben vom Februar 2019 beschriebenen Situation nebst Rechenwerk so zu interpretieren (§§ 133, 157 BGB bzw. §§ 914, 915 östABGB), dass die Wirkungen der Kündigungen entfallen und die Kläger anstelle der bisherigen Genussrechtsbeteiligungen, die zum 31.12.2018 beendet waren, Aktien der Beklagten erhalten sollten. So heißt es in dem Schreiben der Beklagten unter der Überschrift „Sie treten von Ihrer Kündigung zurück.“: „… Mittelfristig profitieren Sie von der Option, nach dem geplanten Börsengang Ihre Aktien zum aktuellen Tageskurs … an der Börse zu veräußern. …“ Und in dem von den Klägern ausgefüllten Antwortformular: „… Ich bin mir bewusst, dass damit meine Beteiligung, die durch die Fusion der ... GmbH auf die H. Ltd. übergegangen ist, weiterhin Bestand hat.“ (Hervorhebungen nicht im Original). Die von den Klägern unterzeichnete Vereinbarung erschöpft sich also nicht in einer Fortsetzung des bereits beendeten Beteiligungsverhältnisses, sondern beinhaltet als Kernpunkt zugleich die Erklärung, dass die Umwandlung der Genussrechte in Aktien – und zwar nunmehr in solche der Beklagten – akzeptiert werde (vgl. zum Ganzen ebenso OLG München, Beschluss vom 21.04.2021, Az. 5 U 6030/20, Anlage R 7; OLG Nürnberg, Beschluss vom 20.09.2021, Az. 6 U 928/21, Anlage BK 3; Thüringer OLG, Urteil vom 16.11.2021, Az. 5 U 870/20, Anlage BK 5).
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3. Auf Grund des individuell abgeschlossenen neuen Vertrages kommt ein Rückzahlungsanspruch aus § 6 Abs. 4 Satz 1 der ursprünglichen Genussrechtsbedingungen nicht in Betracht. Des Weiteren können sich die Kläger nicht darauf berufen, die Beteiligung in Form von Aktien sei gegenüber den ursprünglichen Genussrechten nicht gleichwertig. Die temporäre Abwertung der Genussrechte zum 31.12.2017 zum Zwecke der Umwandlung in Aktien war vielmehr Grundlage der neuen Vereinbarung, so dass es auch auf die Frage des Verlustabzuges gemäß § 5 der ursprünglichen Genussrechtsbedingungen nicht ankommt.
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4. Die mit Anwaltsschriftsatz vom 07.03.2019 ausgesprochene außerordentliche Kündigung geht ins Leere: Das ursprüngliche Genussrechtsverhältnis war bereits zum 31.12.2018 beendet. Für den neuen Beteiligungsvertrag ist ein Kündigungsgrund nicht ersichtlich. Mit der „Rücknahme“ der ordentlichen Kündigung haben die Kläger ausdrücklich dieser bewusst anders ausgestalteten Form der Beteiligung zugestimmt. Daran müssen sie sich festhalten lassen. Dementsprechend scheidet auch ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 BGB im Zusammenhang mit der erfolgten Abwertung und Umwandlung der Genussrechte aus (vgl. zum Ganzen ebenso OLG München, Beschluss vom 21.04.2021, Az. 5 U 6030/20, Anlage R 7; OLG Nürnberg, Beschluss vom 20.09.2021, Az. 6 U 928/21, Anlage BK 3; Thüringer OLG, Urteil vom 16.11.2021, Az. 5 U 870/20, Anlage BK 5).
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5. Soweit die Kläger vermeintlich anders lautende obergerichtliche Rechtsprechung ins Feld führen, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg.
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a) Im Zusammenhang mit Genussrechtsbeteiligungen der streitgegenständlichen Art sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden, die naturgemäß zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Maßgeblich in dem vorliegenden Fall sind die innerhalb der von der Beklagten gesetzten Frist (28.02.2019) abgegebenen Erklärungen der Kläger vom 25.02.2019, die Kündigungen „zurückzunehmen“ und statt der ursprünglichen Genussrechte nunmehr Aktienbeteiligungen an der Beklagten zu akzeptieren. Obergerichtliche Entscheidungen, bei denen der Sachverhalt in diesem wesentlichen Punkt von der streitgegenständlichen Konstellation abweicht, sind damit von vornherein nicht einschlägig (so etwa die Beschlüsse des OLG Bamberg in den Verfahren 10 U 152/21 und 4 U 298/21; ferner OLG Bremen, Urteil vom 01.07.2021, Az. 3 U 39/20; OLG Köln, Urteil vom 02.03.2023, Az. 18 U 189/21).
39
b) Soweit das Oberlandesgericht Celle mit Beschluss vom 29.01.2021, Az. 9 U 66/20, bei vergleichbarem Sachverhalt ein klagestattgebendes Urteil bestätigt hat, kann dem schon deswegen nicht gefolgt werden, weil sich das Oberlandesgericht Celle und dessen Vorinstanz mit der Problematik der „Rücknahme“ der Kündigung überhaupt nicht auseinandergesetzt haben (worauf schon das OLG Nürnberg, Beschluss vom 20.09.2021, Az. 6 U 928/21, Anlage BK 3, und das Thüringer OLG, Urteil vom 16.11.2021, Az. 5 U 870/20, Anlage BK 5, hingewiesen haben).
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Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Ersturteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.
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2. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und Satz 2, 709 Satz 2 ZPO.
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3. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht erfüllt. Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage der konkreten Sachverhaltskonstellation. Soweit Rechtsfragen zu beantworten waren, weicht der Senat nicht von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ab; ein Dissens mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 29.01.2021, Az. 9 U 66/20, besteht aus dem oben (II. 5 b) dargelegten Grund nicht.