Inhalt

LG München I, Endurteil v. 16.02.2023 – 4 O 14404/22
Titel:

Unionsrechtswidrige Anwaltsvergütungsvereinbarung mit Verbraucher

Normenketten:
BGB § 307
RVG § 34, VV Vorb. 2.3 Abs. 3
GNotKG § 23 Abs. 3 S. 1, § 99 Abs. 2
Klausel-RL Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2
Leitsätze:
1. Für die "Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags" genügt nicht die bloße Überprüfung eines Vertrags, ohne das Unterbreiten von Änderungsvorschlägen oder einen Kontakt zum Gegner oder im Falle eines notariell zu beurkundenden Vertrags zum Notar. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rechtsfolge einer der EuGH-Rspr. zu Art. 3 und Art. 4 Klausel-RL nicht genügenden Vergütungsvereinbarung zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher bestimmt sich danach, wie der Mandant gestanden hätte, wenn er die nötigen Informationen erhalten hätte. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vergütungsvereinbarung, Stundenhonorar, Zeitvergütung, Rechtsanwaltsvergütung, Verbraucher, richtlinienkonforme Auslegung, rechtsmissbräuchlich, Rechtsfolge, RL 93/13/EWG
Fundstelle:
BeckRS 2023, 15871

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen, soweit sie nicht durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 27.01.2023 zugesprochen wurde.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 14.616,06 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Rechtsanwaltsvergütung.
2
Der Beklagte beauftragte die Klägerin, eine Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung, mit der Prüfung einer Vereinbarung, welche der Arbeitgeber des Beklagten, …, ihm zur Unterzeichnung vorgelegt hatte. Mit der Änderungsvereinbarung vom … sollte ein Wettbewerbs- und Abwerbeverbot vereinbart werden bei Absicherung durch ein Vertragsstrafeversprechen. Eine Änderung des Gehalts des Beklagten, der bei der … nicht geschäftsführender Partner war und ein Jahresgehalt (Fix- und Bonusanteil zusammen) von … € erhielt, wäre mit der Änderungsvereinbarung nicht verbunden gewesen. Hinsichtlich des genauen Inhalts der Änderungsvereinbarung wird auf die Anlage K1 verwiesen. Der genaue Auftragsumfang für die Klägerin ist zwischen den Parteien streitig.
3
Die Parteien schlossen unter dem 01.04.2022 die Mandatsvereinbarung Anlage K2. Unter Ziff. A. I der Mandatsvereinbarung heißt es: „Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer zur rechtlichen Beratung, Prüfung und ggf. Ergänzung des Arbeitsvertrags zwischen dem Auftraggeber und …“. Unter B. war in der Vereinbarung Anlage K2 eine Vergütungsvereinbarung beinhaltet. Hinsichtlich der Vergütung wurde vereinbart: „Die Vergütung richtet sich nach dem RVG“. Die Abrechnung wurde dahingehend modifiziert, dass als Geschäftsgebühr eine Gebühr von 1,6 geschuldet war.
4
Die Klägerin prüfte durch ihren Partner und sachbearbeitenden RA … die vorgelegte Änderungsvereinbarung und erstellte zu ihren Ergebnissen ein „Rechtliches Kurzgutachten“ vom 19.05.2022 Anlage K3. Hierbei kam die Klägerin zum Ergebnis, dass das Wettbewerbsverbot unwirksam und das Abwerbeverbot nicht durchsetzbar sei. Auch das Vertragsstrafeversprechen sei unwirksam. In dem 10-seitigen Kurzgutachten nahm die Klägerin zu allen Punkten der Änderungsvereinbarung Stellung, auch zum Gehalt (§ 1 der Änderungsvereinbarung). Neben dem Kurzgutachten fand auch eine Besprechung der Parteien zur rechtlichen Einschätzung statt.
5
Die Klägerin verlangte mit Rechnung vom 20.05.2022 (Anlage K4) vom Beklagten Zahlung von 14.616,06 € brutto. Die geforderte Vergütung war dabei berechnet in Höhe einer 1,6 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert in Höhe von 1.750.000 € zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer. Die Rechnung wurde dem Beklagten am 24.05.2022 postalisch und per E-Mail zugesendet. Die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten nahmen zur Rechnung mit Schreiben vom 07.06.2022 (im Prozess nicht vorgelegt) und vom 28.06.2022 (Anlage B1) Stellung. Im Schreiben Anlage B1 wird die Rechnung als nicht nachvollziehbar bezeichnet, geäußert, der Streitwert sei falsch angesetzt worden und dass eine Geschäftsgebühr nicht angefallen sei und eine fehlende ordnungsgemäße Aufklärung des Mandanten zu den Kosten gerügt.
6
Die Klägerin bringt vor, sie habe die Änderungsvereinbarung umfassend prüfen und ggf. auch ergänzen sollen.
7
Die Klägerin ist der Rechtsauffassung, die Geschäftsgebühr sei wegen der Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags angefallen. Der zutreffende Gegenstandswert sei nach §§ 23 Abs. 3 S. 1, 99 Abs. 2 GNotKG der 5-fache Jahresverdienst des Beklagten, mithin 1.750.000 €.
8
Mit Schriftsatz vom 16.01.2023 hat der Beklagte die Klageforderung in Höhe von 297,50 € nebst Zinsen hieraus unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt. Das Gericht hat hierauf die Klage mit Teil-Anerkenntnisurteil vom 27.01.2023 in Höhe von 297,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zugesprochen.
9
Die Klägerin beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.318,56 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2022 zu zahlen.
10
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
11
Der Beklagte bringt vor, er habe die Klägerin hinsichtlich der Änderungsvereinbarung nur mit einer Prüfung der Wettbewerbsklausel beauftragt, nicht aber mit einer Änderung/Ergänzung der Vereinbarung. Eine derartige Abänderung wäre für ihn auch ohne Wert gewesen, weil sein Arbeitgeber eine identische Vereinbarung allen Partnern vorgelegt habe, so dass eine individuelle Beeinflussung ausgeschlossen gewesen wäre. Ihm sei es um die Prüfung gegangen, ob die Wettbewerbsklausel unwirksam sei, was er bereits von Kollegen als Ergebnis der von diesen beauftragten rechtlichen Prüfung gehört habe.
12
Der Beklagte trägt vor, dass er der Klägerin keinen Prüfungsauftrag erteilt hätte, wenn die Klägerin vor Abschluss der Mandatsvereinbarung über die Höhe der später anfallenden Rechnung informiert hätte.
13
Der Beklagte ist der Rechtsauffassung, eine Geschäftsgebühr sei nicht angefallen. Es liege eine reine Beratung vor, so dass sich die Vergütung nach § 34 RVG richte. Auch sei die Klausel in der Vergütungsvereinbarung zur Erhöhung der Geschäftsgebühr von 1,3 auf 1,6 unwirksam. Der Gegenstandswert sei zudem richtig nur in Höhe der vertraglich gegebenenfalls vereinbarten Karenzzahlung, d.h. 175.000 €, anzusetzen.
14
Der Beklagte meint weiter, die Klägerin habe ihn näher aufklären müssen zur Höhe der Vergütung.
15
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht beide Parteien, die Klägerin hierbei durch den sachbearbeitenden Partner RA …, informatorisch angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der informatorischen Anhörungen wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 02.02.2023 verwiesen.
16
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 02.02.2023.

Entscheidungsgründe

17
Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
18
I. Die Klägerin hat keinen Zahlungsanspruch in Höhe von 14.318,56 € oder eines niedrigeren Betrags, d.h. über das erfolgte Teilanerkenntnis hinaus.
19
1. Ein Zahlungsanspruch besteht schon deswegen nicht, weil die Voraussetzungen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz für die Geltendmachung einer Geschäftsgebühr hier nicht vorlagen. Relevant ist hier die Vorbemerkung 2.3. (3), wonach die Geschäftsgebühr (Ziff. 2300 VV RVG) „für das Betreiben eines Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags“ anfällt. Die erste Alternative nach dieser Norm, das Betreiben eines Geschäfts, scheidet hier aus, weil die Klägerin unstreitig nicht nach außen auftreten sollte, was aber Voraussetzung für diese Tatbestandsalternative ist (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, VV 2300 Rn. 17a).
20
Umstritten ist, welche Anforderungen an die zweite Alternative nach dieser Norm, d.h. die „Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags“ zu stellen sind. Anerkannt ist, dass diese Tatbestandsalternative neben der ersten Tatbestandsalternative steht, so dass eine Tätigkeit unmittelbar nach außen hier nicht erforderlich ist, denn dann hätte es dieser Tatbestandsalternative nicht bedurft (Gerold/Schmidt a.a.O.). Nicht einheitlich beurteilt wird jedoch die Frage, welche Anforderungen an die „Mitwirkung bei der Gestaltung“ zu stellen sind – dass die Änderungsvereinbarung hingegen ein Vertrag im Sinne der Vorbemerkung ist, steht nicht in Zweifel. Die Klägerin stützt sich für ihre Rechtsauffassung, dass durch ihre Prüfung der Änderungsvereinbarung bereits die Geschäftsgebühr verdient sei, u.a. auf den Beschluss des OLG Bremen vom 21.10.2020, Az.: 5 W 14/20, wonach ein als Verfahrenspfleger tätiger Rechtsanwalt für die Prüfung und Erteilung der Zustimmung bezüglich eines vom Nachlasspfleger für die unbekannten Erben geschlossenen Grundstückskaufvertrags die Geschäftsgebühr erhalte. Diese Entscheidung verweist in ihren Entscheidungsgründen auf den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 12.05.2015, Az.: 6 S 112/15, BeckRS 2015, 10670. In dieser Entscheidung ging es um die Prüfung eines notariellen Vertragsentwurfs, wobei die dortige Mandantin bei Auftragserteilung auch um die Meinung der beauftragten Rechtsanwältin „bzw. Richtigstellungen“ bat und die beauftragte Rechtsanwältin sodann auch konkrete Änderungen vorschlug. Darüber hinaus verweist die Klägerin auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25.02.2015, Az.: XII ZB 608/13, NJW-RR 2015, 643. Diese Entscheidung enthält allerdings in Rn. 20 nur einen Satz zu der hier gegenständlichen Frage, nämlich dass ein Rechtsanwalt für die Überprüfung eines Vertrags die Geschäftsgebühr erhalte. Eine nähere Einordnung in die Systematik des Gebührenrechts enthält diese Entscheidung nicht, da sie sich inhaltlich mit der Frage befasst, wann ein Rechtsanwalt als Betreuer Vergütung nach dem RVG verlangen kann.
21
Der Beklagte stützt seine Rechtsauffassung, es sei keine Geschäftsgebühr angefallen, darauf dass bereits sprachlich eine Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags bei einem reinen Prüfungsauftrag nicht vorliege und verweist zur Stütze für seine Auffassung auf die Fundstelle Schneider/Volpert, AnwaltKommentar RVG, 9. Aufl., Vorb. 2.3 zu Nr. 2300 VV RVG, S. 1509.
22
Auszugehen ist hinsichtlich der Frage, ob eine gebührenrechtlich relevante „Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags“ seitens der Klägerin vorlag, von dem konkret erteilten Auftrag. Dieser ist zwischen den Parteien streitig. Das Gericht ist auf der Basis des beiderseitigen schriftsätzlichen Vorbringens, der vorgelegten Urkunden sowie des Ergebnisses der informatorischen Anhörungen davon überzeugt, dass der Beklagte die Klägerin mit der Prüfung der Änderungsvereinbarung insgesamt beauftragt hat, nicht nur mit der Prüfung des Wettbewerbsverbots. Der Schwerpunkt des Prüfungswunsches des Beklagten mag auf dem Wettbewerbsverbot gelegen haben, jedoch hatte auch das Abwerbeverbot sowie das Vertragsstrafenversprechen Bedeutung für den Beklagten. Letztlich räumte auch der Beklagte in seiner informatorischen Anhörung ein, dass er seinen Auftrag an die Klägerin nicht explizit auf das Wettbewerbsverbot beschränkt hatte, sondern der Klägerin schlichtweg den Entwurf der Änderungsvereinbarung hatte zukommen lassen und diesen geprüft haben wollte, wobei er klarstellte, dass es nicht um das Gehalt gegangen sei. Hingegen ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin keinen Auftrag hatte, Änderungsvorschläge hinsichtlich der Änderungsvereinbarung zu entwerfen oder vorzuschlagen. Für das Gericht überzeugend gab der Beklagte in seiner informatorischen Anhörung an, Änderungsvorschläge nicht beauftragt zu haben. Hierzu verwies er auch für das Gericht ebenfalls überzeugend darauf, dass ihm bewusst war, dass er ohnehin gegenüber seinem Arbeitgeber solche Änderungen wegen des Gleichlaufs mit den anderen Partnern nicht hätte anbringen können. Weiter räumte auch der informatorisch angehörte Partner der Klägerin ein, abweichend von der Formulierung in der Mandatsvereinbarung habe er Änderungen zur Vereinbarung nicht vorschlagen sollen. Aus Sicht des Gerichts haben sich daher hinsichtlich des Auftragsumfangs im Wesentlichen die schriftsätzlichen Divergenzen der Parteien in den informatorischen Anhörungen aufgelöst. Nur ergänzend kann für die Überzeugungsbildung des Gerichts auch darauf hingewiesen werden, dass in dem „Kurzgutachten“ Änderungsvorschläge tatsächlich auch nicht beinhaltet sind.
23
Auf der Basis dieses seitens des Gerichts festgestellten Auftragsumfangs sind die Voraussetzungen für den Anfall einer Geschäftsgebühr nicht gegeben. Eine gebührenrechtlich relevante „Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags“ lag danach nicht vor. Die konkreten Voraussetzungen, bei denen diese Tatbestandsalternative erfüllt ist, werden in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beurteilt, wie schon die oben dargestellten Verweise der Parteien auf Rechtsprechung und Fundstellen zeigen. Das Standardwerk Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021 enthält keine nähere Kommentierung zu der Frage, wann die Voraussetzungen für die Tatbestandsalternative „Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags“ im Einzelnen erfüllt sind. Im Kommentar Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 8. Aufl. 2021, Vorbemerkung 2.3 Rn. 6 wird – ohne nähere Prüfung (nur Verweis auf die o.g. Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth sowie eine Literaturstelle) vertreten, dass bereits die bloße Überprüfung eines vorgelegten Vertragsentwurfs die Geschäftsgebühr auslöse, „da es sich um die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags“ handele. Hingegen vertritt Winkler in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, Vorbemerkung 2.3 Rn. 29 die Auffassung, die bloße Überprüfung eines notariellen Vertragsentwurfs genüge nicht, da dies ein Auftrag zur Erteilung eines Rats sei.
24
Überzeugend ist nach Auffassung des Gerichts die Rechtsansicht, wonach die bloße Überprüfung eines Vertrags, ohne das Unterbreiten von Änderungsvorschlägen oder einen Kontakt zum Gegner oder im Falle eines notariell zu beurkundenden Vertrags zum Notar sich als Beratung im Sinne des § 34 RVG darstellt, nicht als „Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags“, welche eine Geschäftsgebühr auslösen würde. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut der Norm, s.o. Ein „Mitwirken“ setzt aber bereits sprachlich immer voraus, dass das Handeln des Rechtsanwalts relevant wird für die Frage des späteren Abschlusses eines Vertrags. Dabei kann nicht jegliches Handeln gemeint sein, was sprachlich unter den Begriff „Mitwirkung“ fällt, andernfalls ein Rechisanwalt die Geschäftsgebühr schon verdienen würde, wenn er nur einen etwa vom Mandanten erstellten Vertragsentwurf weiterleitet o.ä. Zudem spricht der Sinn und Zweck des Gebührentatbestandes gegen eine Erfassung reiner Prüfungsaufträge mit der Geschäftsgebühr. Die Alternative „Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags“ wird neben die Vertretung nach außen gesetzt. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dieser Gleichstellung qualitativ vergleichbare Tätigkeiten erfassen wollte. Eine rein interne Prüfung bringt aber regelmäßig einen deutlich niedrigeren Aufwand für den beauftragten Rechtsanwalt mit sich als wenn – auch oder alleinig – der Mandant gegenüber einer anderen Partei zu vertreten ist. Zu sehen ist auch, dass es gewisse Mindestanforderungen an die „Mitwirkung“ schon deshalb geben muss, um den Mandanten vor einer übermäßigen gebührenmäßigen Inanspruchnahme zu schützen, wenn z.B. mit einer Prüfung verschiedene Rechtsanwälte beauftragt würden, die z.B. Einzelfragen aus der Perspektive verschiedener Rechtsgebiete bearbeiten und dann alle einen Anspruch auf eine Geschäftsgebühr hätten, wobei einziges Steuerungskriterium für die Gebührenhöhe dann der Satz der Geschäftsgebühr wäre.
25
Auf die Frage der Wirksamkeit der Gebührenvereinbarung hinsichtlich des angesetzten Satzes der Geschäftsgebühr sowie auf den zutreffenden Gegenstandswert kommt es vor dem Hintergrund der nach Überzeugung des Gerichts nicht angefallenen Geschäftsgebühr nicht an. Allerdings teilt das Gericht die Auffassung des Beklagten, dass jedenfalls die Bemessung des Gegenstandswertes nach dem fünffachen Jahresverdienst des Beklagten nicht zutreffend ist. Im Sinne des § 99 Abs. 2 GNotKG wurde nicht ein Dienstvertrag erstmals beurkundet (geschlossen), sondern es sollten nicht gehaltsrelevante Änderungen an einem bestehenden Dienstvertrag getroffen werden. Wirtschaftlich ging es für den Beklagten um das Wettbewerbs- und Abwerbeverbot sowie das hieran anknüpfende Vertragsstrafeversprechen, nicht um Gehaltsfragen.
26
2. Die Vergütungsvereinbarung erfüllt zudem nicht die Anforderungen, welche der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 12.01.2023 in der Rechtssache C-395/21 an den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen mit Verbrauchern gestellt hat.
27
a) Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall in zeitlicher Hinsicht anwendbar, auch wenn die Entscheidung nach Abschluss der hier gegenständlichen Vergütungsvereinbarung ergangen ist. Urteile des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts entfalten unmittelbare Wirkung mit ihrem Erlass. Auch wenn sie in materiellrechtlicher Hinsicht zu Änderungen gegenüber früheren Rechtsauffassungen führen, besteht kein „Rückwirkungsschutz“. Zwar ging es in der vorgenannten Entscheidung um die Auslegung einer Richtlinie, die zunächst keine unmittelbare Wirkung im Privatrechtsverhältnis hat, jedoch ist nicht davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie diese nicht ordnungsgemäß umsetzte wollte. Im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des deutschen Rechts (insbesondere § 307 BGB) sind daher die Anforderungen an Vergütungsvereinbarungen, welche der EuGH in der getroffenen Entscheidung aussprach, durch die deutschen Gerichte umzusetzen.
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b) Auch in personeller Hinsicht befindet sich der Beklagte im Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Der Beklagte ist, auch wenn er Partner der … ist, für den Abschluss eines Anwaltsvertrags mit einer Vergütungsvereinbarung als Verbraucher im Sinne der Richtlinie und von § 13 BGB anzusehen.
29
c) Unerheblich ist, dass in der Vergütungsvereinbarung die Anwendung des RVG (mit Modifikationen) vereinbart wurde, d.h. im Grundsatz der sog. „gesetzlichen Vergütung“. Auch eine Vergütungsvereinbarung, nach der bestimmte Normen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zur Anwendung kommen sollen, bleibt eine Vereinbarung, mit der die Anwendung dieser Normen bzw. des RVG insgesamt vereinbart wird. Es liegt hier gerade nicht der Fall vor, dass die Klägerin unmittelbar nach dem RVG abrechnet (oder abrechnen könnte), sondern sie rechnet die Geschäftsgebühr gerade auf Grund der getroffenen Vergütungsvereinbarung ab in Verbindung mit dem RVG. Daher braucht das Gericht an dieser Stelle auch nicht zu entscheiden, ob bei direkter Anwendung des RVG eine Geschäftsgebühr angefallen wäre, was nach der oben genannten Auffassung des Gerichts ohnehin nicht der Fall ist.
30
d) Die Anforderungen nach dem EuGH-Urteil werden durch die hier getroffene Vergütungsvereinbarung offensichtlich nicht erfüllt. Nach Rn. 44 des Urteils gilt hinsichtlich der dem Verbraucher durch den Rechtsanwalt vor Abschluss der Vergütungsvereinbarung zu erteilenden Informationen konkret was folgt:
„In diesen Informationen – die je nach Gegenstand und Art der in den Vertrag über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen vorgesehenen Leistungen und je nach den einschlägigen berufs- und standesrechtlichen Vorschriften unterschiedlich ausfallen können – müssen Angaben enthalten sein, anhand deren der Verbraucher die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach einzuschätzen vermag, etwa eine Schätzung der Stunden, die voraussichtlich oder mindestens erforderlich sind, um eine bestimmte Dienstleistung zu erbringen, oder die Verpflichtung, in angemessenen Zeitabständen Rechnungen oder regelmäßige Aufstellungen zu übermitteln, in denen die aufgewandten Arbeitsstunden ausgewiesen sind. Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 38), hat das nationale Gericht unter Berücksichtigung aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände zu beurteilen, ob der Verbraucher durch die ihm vor Vertragsabschluss vom Gewerbetreibenden erteilten Informationen in die Lage versetzt worden ist, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der finanziellen Folgen des Vertragsabschlusses zu treffen.“
31
Anhand der Angab in der Vergütungsvereinbarung, es werde nach dem RVG abgerechnet und der weiteren Bestimmung, der Satz der Geschäftsgebühr betrage 1,6, vermag der Vertragspartner des Rechtsanwalts in keiner Weise die voraussichtliche Höhe der anfallenden Gebühren abzuschätzen. Unerheblich für diese Rechtsfrage ist hierbei, ob nach deutschem Gebührenrecht im Bereich der „gesetzlichen Vergütung“ der Rechtsanwalt über die Höhe der gesetzlichen Gebühren informieren muss, was überwiegend verneint wird. Da vorliegend nicht unmittelbar nach dem RVG abgerechnet wurde, sondern nur auf Grund einer Vergütungsvereinbarung, musste die Klägerin die nach der EuGH-Rechtsprechung zu erteilenden Informationen dem Beklagten zur Verfügung stellen. Dies war ihr hier auch unschwer möglich, wie der Partner der Klägerin in der mündlichen Verhandlung selber einräumte, da die Abrechnung mit einer 1,6 Geschäftsgebühr geplant war und das Gehalt des Beklagten ebenfalls bekannt war. Auch dürfte von Anfang an geplant gewesen sein, den Gegenstandswert nach §§ 23 RVG, 99 GNotKG anzusetzen, auch wenn das Gericht diesen Ansatz für unzutreffend erachtet (s.o.).
32
e) Die Rechtsfolgen einer nicht der EuGH-Rechtsprechung genügenden Vergütungsvereinbarung wurden vom EuGH in seinem Urteil nicht abschließend bestimmt. Die sich nach dem der Entscheidung zugrundeliegenden litauischen Recht möglicherweise ergebende Rechtsfolge, dass der Rechtsanwalt bei Unwirksamkeit der Vereinbarung überhaupt keine Vergütung erhält, ergibt sich nach deutschem Recht normalerweise nicht, weil mit dem RVG grundsätzlich Rechtsnormen existieren, die auch für außergerichtliche Tätigkeit und bloße Beratung Vergütung vorsehen, wenngleich im Falle der Beratung nach § 34 RVG betragsmäßig nur überschaubare Gebühren.
33
Nach Auffassung des Gerichts ist die zutreffende Rechtsfolge einer nach der EuGH-Rechtsprechung ungenügenden Vergütungsvereinbarung jedenfalls in den Fällen, in denen in dieser (unwirksam) eine Abrechnung nach modifizierten RVG-Bestimmungen vereinbart wurde, nicht die (dann direkte) Anwendung des RVG. Dies würde in einer solchen Konstellation faktisch zu keiner Sanktion für den Rechtsanwalt führen bzw. nur zu relativ geringen finanziellen Auswirkungen, etwa wenn in der Vergütungsvereinbarung (unwirksam) der Gegenstandswert modifiziert wird o.ä. Richtigerweise ist hingegen als Rechtsfolge festzuhalten, wie der Mandant gestanden hätte, wenn er die nach der EuGH-Rechtsprechung nötigen Informationen erhalten hätte. Danach hätte hier die Klägerin den Beklagten jedenfalls der Dimension nach über die Höhe der später abgerechneten Vergütung informieren müssen. Hätte die Klägerin solche Informationen erteilt, so erachtet es das Gericht nach der informatorischen Anhörung des Beklagten für ausgeschlossen, dass die Klägerin vom Beklagten mandatiert worden wäre. Da es Rechtsanwälten in dem hier gegenständlichen Bereich in erheblichem Maße freisteht, Gebührenvereinbarungen zu schließen und die vereinbarten Gebühren auch unter den Sätzen der sog. „gesetzlichen Vergütung“ zu liegen kommen können (vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 RVG; gerade auch dann, wenn entgegen der hier vertretenen Auffassung doch eine Geschäftsgebühr angefallen sein sollte), ist das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte entweder die Klägerin gar nicht beauftragt hätte oder aber auf eine Vergütung nach Stunden gepocht hätte. In letzterem Falle wäre die Vergütung viel niedriger ausgefallen als nunmehr abgerechnet, selbst wenn die von der Klägerin genannte Stundenzahl von 24 h Bearbeitungsdauer für einmal als zutreffend unterstellt und ein Stundensatz von 300 € für einen spezialisierten Fachanwalt angesetzt würde (zuzüglich Kommunikationspauschale und Mehrwertsteuer).
34
II. Zinsen aus der noch gegenständlichen Hauptforderung (d.h. über das Teilanerkenntnis hinaus) hat die Klägerin mangels Hauptsacheanspruchs insoweit nicht.
B.
35
I. Die Entscheidung über die Kosten erfolgte nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen des § 93 ZPO wie beklagtenseits geltend gemacht vorlagen. Der anerkannte Teilbetrag ist im Verhältnis zur ursprünglichen Hauptforderung gering, ein Gebührensprung war mit dieser Differenz nicht verbunden.
36
II. Über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nach § 709 ZPO zu entscheiden.