Titel:
Verpflichtung zur Beseitigung von Abfällen, Vorlage von Entsorgungsnachweisen, Abfallbegriff, Anforderungen an die Bestimmtheit
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S.
KrWG § 3
KrWG § 62
BayAbfG Art. 27
BayVwVfG Art. 37
Schlagworte:
Verpflichtung zur Beseitigung von Abfällen, Vorlage von Entsorgungsnachweisen, Abfallbegriff, Anforderungen an die Bestimmtheit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 15704
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die ihm auferlegte Verpflichtung zur Beseitigung diverser auf dem Grundstück Fl.Nr. * der Gemarkung * abgelagerter Abfälle (Haus- und Sperrmüll, Kfz-Teile, Altfahrzeug) bis spätestens 2. August 2022 sowie die Vorlage entsprechender Entsorgungsnachweise bis spätestens einer Woche nach der vorgenommenen Entsorgung.
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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. * der Gemarkung * (176 m²), das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist.
3
Nach Anwohnerbeschwerden fand am 29. März 2022 ein Ortstermin durch Vertreter des Landratsamts statt, um die Abfallsituation auf dem Grundstück des Klägers. Hierbei sprach der Kläger ein Verbot für den Zutritt zu seinem Grundstück aus.
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Mit Schreiben vom 6. April 2022 und 2. Mai 2022 wurde der Kläger aufgefordert, die auf dem Grundstück vorgefundenen Abfälle im Gartenbereich sowie im Hofinneren (Altfahrzeug BMW 520i) ordnungsgemäß zu entsorgen bzw. die entsprechenden Fahrzeugpapiere vorzulegen. Die Fristen verstrichen jeweils ergebnislos.
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Mit Schreiben des Landratsamts * vom 19. Mai 2022 wurden dem Kläger für den Fall der nicht fristgerechten Entsorgung bzw. Vorlage der entsprechenden Entsorgungsnachweise eine kostenpflichtige Beseitigungsanordnung sowie die Androhung einer Ersatzvornahme angekündigt.
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Bei einer Nachkontrolle der Abfallsituation am 22. Juni 2022 wurde vom Beklagten festgestellt, dass der streitgegenständliche BMW 520i noch an derselben Stelle stand sowie die diversen Abfallablagerungen ebenfalls unverändert vorzufinden waren.
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Mit Bescheid vom 12. Juli 2022 (Gz. *) wurde dem Kläger in Nr. 1. auferlegt, sämtliche auf dem Grundstück Fl.Nr. * der Gemarkung * abgelagerten Abfälle in Form von Haus- und Sperrmüll sowie Kfz-Teile, insbesondere
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- der BMW 520i, Farbe grau,
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- Karosserieteile auf der Einhausung im Zufahrtsbereich,
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- Katalysator, Auspuffrohr ohne Schalldämpfer/KAT, alter Wäscheständer, Klappstuhl mit orangenem Stoffbezug,
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- alter Autositz und Stoßdämpfer, alte Federkernmatratze,
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- alter Autositz, mehrere Fahrräder, Tretrad mit Stützrädern,
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- Betonmischer, Pkw-Ölwanne, Öltanks,
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- falsch befüllter Kompost an der Hauswand
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bis spätestens 2. August 2022 zu entfernen bzw. entfernen zu lassen und einer dafür zugelassenen Abfallbeseitigungsanlage zuzuführen.
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In Nr. 2 wurde der Kläger weiter dazu verpflichtet, die entsprechenden Nachweise über die Entsorgung der Abfälle bzw. den Verwertungsnachweis hinsichtlich des Schrottfahrzeuges (BMW 520i, grau) dem Landratsamt bis spätestens eine Woche nach der Entsorgung vorzulegen. In Nr. 3 wurde dem Kläger für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung gegen die ihm in Nr. 1 des Bescheids auferlegten Pflichten die Ersatzvornahme angedroht. Die Kosten hierfür wurden auf 800,00 EUR geschätzt. Weiter wurde bestimmt, dass der Kläger bei einer zu erfolgenden Ersatzvornahme den uneingeschränkten Zugang zum Grundstück, insbesondere hinsichtlich des Altfahrzeuges, sicherzustellen habe.
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Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Landratsamt aus, dass Rechtsgrundlage der Anordnung § 15 Abs. 1 Satz 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) sei. Danach sei derjenige, der in unzulässiger Weise Abfälle behandle, lagere oder ablagere, zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands verpflichtet. Die Kreisverwaltungsbehörde könne die erforderlichen Anordnungen erlassen. Bei den auf dem Grundstück des Klägers lagernden Abfällen handle es sich um Gegenstände bzw. um ein Altfahrzeug, deren sich ihr Besitzer, der Kläger, entledigen wolle bzw. entledigen müsse. Der Kläger habe als Grundstückseigentümer bzw. Verursacher die tatsächliche Sachherrschaft über das abgelagerte Fahrzeug und die weiteren Gegenstände. Abfälle i.S.d. KrWG in der derzeit geltenden Fassung seien alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledige, entledigen wolle oder entledigen müsse. Der Wille zur Entledigung i.S.d. Abs. 1 sei anzunehmen, wenn die ursprüngliche Zweckbestimmung der Sachen entfallen oder aufgegeben worden sei, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle getreten sei, § 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG. Das gelagerte bzw. abgelagerte Fahrzeug und die verschiedenen Gegenstände stellten Abfall i.S. des sogenannten subjektiven Abfallbegriffs dar. Dabei könne aus den objektiven Umständen des Vorgehens aber auch des Unterlassens des Besitzers ein Entledigungswille angenommen werden. Die bezeichneten Gegenstände lägen teilweise seit längerem nutzlos, ungeordnet, unverändert und ungeschützt auf dem Grundstück, sodass eine künftige Verwendung nicht mehr möglich bzw. in ihrer anfänglichen Form nicht mehr gegeben sei. Bei den bezeichneten Gegenständen sei von einer beträchtlichen Lagerungsdauer auf dem Grundstück auszugehen. Das Altfahrzeug sowie die weiteren auf dem Grundstück befindlichen Materialien würden seit längerem objektiv nicht mehr entsprechend ihrem anfänglichen Verwendungszweck genutzt. Eine neue Zweckbestimmung sei ebenfalls nicht erkennbar. Auch sei festzustellen, dass die Gegenstände ungeschützt den Witterungseinflüssen ausgesetzt seien. Ein Erhaltungswille des Klägers sei nicht erkennbar. Angesichts der Vielzahl der Abfälle sei es auch ausreichend, die Anordnung zur Entsorgung der Abfälle unter Benennung einer größeren Zahl von Beispielen zu treffen. Abfälle dürften zum Zweck der Beseitigung nur in den dafür zugelassenen Anlagen oder Einrichtungen (Abfallbeseitigungsanlagen) behandelt, gelagert oder abgelagert werden (§ 28 Abs. 1 Satz 1 KrWG). Das Grundstück des Klägers stelle keine genehmigte Abfallbeseitigungsanlage dar. Das Lagern bzw. Ablagern der Abfälle erfolge deshalb unberechtigt. Wer in unzulässiger Weise Abfälle behandle, lagere oder ablagere, sei zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands verpflichtet. Als Abfallerzeuger bzw. -besitzer, § 3 Abs. 4 KrWG, sei der Kläger auch der richtige Adressat der Entsorgungsverfügung. Die dem Kläger gesetzten Fristen seien ausreichend bemessen, sodass es dem Kläger innerhalb des festgelegten Zeitraumes tatsächlich möglich sei, die angeordnete Entsorgung durchzuführen oder durchführen zu lassen. Anhand der in Nr. 2 geforderten Nachweise solle der ordnungsgemäße Verbleib der Abfälle dokumentiert werden. Ein Zwangsgeld lasse nach dem bisherigen Geschehensablauf keinen Erfolg erwarten. In einem solchen Fall sei nach Art. 32 Abs. 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) die Ersatzvornahme zulässig.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Landratsamts * vom 12. Juli 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Der vorbezeichnete Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 16. Juli 2022 bekannt gegeben.
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In der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2023 hat der Beklagte die Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids vom 12. Juli 2022 aufgehoben.
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Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 12. Juli 2022 mit Schreiben vom 8. August 2022 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und zuletzt beantragt,
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den Bescheid vom 12. Juli 2022 in den Nrn. 1 und 2 aufzuheben.
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Zur Begründung führt der Kläger aus, dass der Bescheid mehrere falsche Anschuldigungen enthalte. Er sei Kfz-Mechaniker und arbeite mittlerweile in Vollzeit als Fahrlehrer. Seine Frau sei schwer krank. Es werde bezweifelt, dass es sich bei den im Bescheid genannten Gegenständen um Abfall handle. Abfall sei nicht das, was nicht alle 14 Tage benützt werde. Das genannte Auto werde komplett überarbeitet (restauriert). Es verliere keine Betriebsstoffe und stehe im abgeschlossenen Hof des Grundstücks. Für dieses Fahrzeug habe er noch diverse Ersatzteile in seinem Besitz (Karosserieteile, Auspuffanlagen, Fahrwerksteile). Einige dieser Teile müssten nicht wettergeschützt gelagert werden. Des Weiteren befänden sich ein alter funktionierender Wäscheständer und mehrere funktionierende Klappstühle auf dem Grundstück. Auch mehrere Fahrräder stünden in seinem Eigentum. Mittlerweile würden diese von seinen Enkelkindern genützt. Der funktionierende Betonmischer stehe einsatzbereit im Vorgarten. Es würden auch Tätigkeiten am Haus stattfinden. Ölwannen bzw. Öltanks seien keine vorhanden. Es handle sich hierbei um Regenwasser-Tanks. Die einzigen Gegenstände, die im Moment Schrott darstellten, seien die beiden Autositze, die er noch nicht entsorgt habe. Die alte Federkernmatratze werde zur Versteifung miteinbetoniert, wenn er die Auffahrt in seinem Hof begradige. Der Bescheid sei haltlos und nicht nachvollziehbar.
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Auf die weiteren Ausführungen im Klageschriftsatz vom 8. August 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Das Landratsamt * ist der Klage mit Schriftsatz vom 30. August 2022 entgegengetreten und beantragt,
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In Bezug auf das Fahrzeug (BMW 520i, Farbe grau) bleibe die ursprüngliche Zweckbestimmung des Fahrzeugs (Beteiligung am Straßenverkehr) nur dann erhalten, wenn eine Reparatur konkret ins Auge gefasst und in absehbarer Zeit realisiert werde. Der Kläger habe bisher keinen Nachweis für sein Vorhaben, das Fahrzeug wieder instand zu setzen und wieder zu verwenden, vorgelegt. Der BMW sei seit mindestens 19. November 2018 an gleicher Stelle im Hofinneren des Grundstücks abgelagert und stehe dort an gleicher Stelle. Der Beginn einer Instandsetzung sei nicht festzustellen. Auch eine Wiederverwendung erscheine anhand objektiver Umstände in absehbarer Zeit nicht wahrscheinlich. Der Entledigungswille sei damit durch Unterlassen gegeben, da deutlich werde, dass das Fahrzeug gegenwärtig für den Kläger keine Funktion erfülle. Der Nutzung der Fahrräder werde widersprochen, da die Ortseinsichten ergeben hätten, dass die benannten Fahrräder zumindest für einen Zeitraum von drei Monaten nicht bewegt worden seien. Auch der Betonmischer habe sich bei den Ortseinsichten seit dem 19. November 2018 jeweils an derselben Stelle befunden. Die von Seiten des Klägers geäußerte Nutzung der Öltanks als Regenwasser-Auffangbehälter sei als solche nicht erkennbar und nachprüfbar. Die alte Federkernmatratze könne nicht, wie vom Kläger beabsichtigt, zur Versteifung im Auffahrtsbereich des Hofes einbetoniert werden. Dies stelle keine ordnungsgemäße Abfallbeseitigung dar.
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Auf die weiteren Ausführungen im Klageerwiderungsschriftsatz vom 30. August 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Am 24. April 2023 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte Verfahrensakte und die dort enthaltenen Lichtbilddokumentationen verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage bleibt mit dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2023 zuletzt gestellten Antrag ohne Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 12. Juli 2022 ist mit den zuletzt vom Beklagten noch aufrecht erhaltenen Nrn. 1 und 2 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
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1. Die Anordnung des Beklagten zur Beseitigung und Entsorgung der auf dem Grundstück Fl.Nr. * der Gemarkung * abgelagerten Abfälle ist rechtmäßig.
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a) Zwar hat das nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Bayerisches Abfallwirtschaftsgesetz (BayAbfG) zuständige Landratsamt * die streitgegenständliche Beseitigungsanordnung fehlerhaft ausschließlich auf die Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG gestützt, wonach die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen, die nicht verwertet werden, verpflichtet sind, diese zu beseitigen, soweit in § 17 KrWG nichts anderes bestimmt ist. Zutreffende Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung in Nr. 1 des Bescheids wäre aber Art. 27 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BayAbfG. Die fehlerhafte Bezeichnung der Rechtsgrundlage ist jedoch unschädlich, da als allgemeiner Grundsatz anerkannt ist, dass die zur Kontrolle des Verwaltungshandelns berufenen Gerichte in ihrer Bewertung der Rechtslage, namentlich in der Frage, anhand welcher Rechtsnormen das Verwaltungshandeln zu überprüfen und aufgrund welcher Rechtsnormen es als rechtmäßig erachtet werden kann, unabhängig von der Rechtsauffassung der Verwaltung sind. Im geltenden Verwaltungsprozessrecht findet er seinen Niederschlag in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach das Verwaltungsgericht einen angefochtenen Verwaltungsakt (nur) aufhebt, (wenn und) soweit er rechtswidrig ist (und den Kläger in seinen Rechten verletzt). Kommt das Gericht zu der Erkenntnis, dass der Verwaltungsakt zu Unrecht auf die von der Behörde herangezogene Rechtsnorm gestützt ist, ist das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet zu prüfen, ob (und ggf. in welchem Umfang) der Bescheid mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2019 – 2 B 19.18 – juris Rn. 24; Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 23 f.). Auch Art. 39 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) normiert für Verwaltungsakte lediglich eine formelle Begründungspflicht; aus der Regelung folgt keine Pflicht zur objektiv richtigen Begründung mit der Folge eines Rechtswidrigkeitsverdikts, falls die von der Behörde genannte Rechtsnorm nicht die materiell-rechtlich richtige ist, um ihren Entscheidungsausspruch zu tragen (vgl. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 39 Rn. 30).
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b) Nach Art. 27 Abs. 2 BayAbfG kann die zuständige Behörde gegenüber demjenigen, der Abfälle in unzulässiger Weise behandelt, lagert oder ablagert, die erforderlichen Anordnungen erlassen. Erfasst werden insoweit alle Ablagerungen außerhalb von zugelassenen Entsorgungsanlagen. Die entsprechenden landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen, die der Beseitigung von Verstößen gegen das Landesabfallrecht und damit primär der Gefahrenabwehr dienen, stehen als verfassungsrechtlich zulässige Befugnisnormen neben den bundesgesetzlichen Bestimmungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG), insbesondere dessen § 62 (vgl. BVerwG, B.v. 5.11.2012 – 7 B 25.12 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 27.3.2017 – 20 CS 16.2404 – juris Rn. 58). Vorliegend geht es um die Beseitigung des seit längerem andauernden rechtswidrigen Zustandes der Ablagerung von großen Mengen Abfalls mit der damit verbundenen negativen Vorbildwirkung.
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c) Die auf dem Grundstück Fl.Nr. * der Gemarkung * gelagerten und im streitgegenständlichen Bescheid vom 12. Juli 2022 aufgeführten Gegenstände unterfallen nach Auffassung des Gerichts dem Abfallbegriff des KrWG.
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Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 KrWG sind Abfälle alle Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG ist ein Wille zur Entledigung im Sinne von § 3 Abs. 1 KrWG hinsichtlich solcher Stoffe oder Gegenstände anzunehmen, deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Für die Beurteilung der Zweckbestimmung ist nach § 3 Abs. 3 Satz 2 KrWG die Auffassung des Erzeugers oder Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zugrunde zu legen. Die Verkehrsanschauung dient dabei als objektives Korrektiv der subjektiven Vorstellungen des Abfallbesitzers. Auch die Absicht, einen Stoff oder Gegenstand zu veräußern, stellt keine zulässige Zweckbestimmung dar, zumal auch Stoffe oder Gegenstände, die einen Handelswert haben, Abfall sein können. Anderenfalls würde der Sinn und Zweck des Abfallrechts, Umwelt und menschliche Gesundheit auch vorbeugend und vorsorglich zu schützen, unterlaufen. Selbst eine nur zeitweilige Ungewissheit über den Verwendungszweck eines Stoffes oder Gegenstandes begründet Missbrauchsgefahren, weil damit eine Grauzone zwischen der Abfall- und Produkteigenschaft erzeugt würde (BVerwG, U.v. 29.5.2018 – 7 C 34.15 – juris Rn. 29 f).
37
Nach der Auswertung der in der Behördenakte enthaltenen Lichtbilder und dem Vortrag des Beklagten, dass sich die benannten Gegenstände teilweise schon seit längerer Zeit unverändert auf dem Grundstück des Klägers befänden, scheidet eine Nutzung der vom Kläger auf dem Grundstück abgelagerten Gegenstände nach deren ursprünglicher Zweckbestimmung offensichtlich aus. Die vom Beklagten im Bescheid aufgeführten Gegenstände sind auf dem gesamten kleinräumigen Grundstück des Klägers wahllos verteilt und wurden dort augenscheinlich auf unbestimmte Zeit schlichtweg liegen gelassen bzw. abgelagert. Es ist nach Auffassung der Kammer auch kein neuer Verwendungszweck unmittelbar an die Stelle der ursprünglichen Zweckbestimmung der Gegenstände getreten. Im Hinblick darauf, dass die Gegenstände bereits zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses nach Aussagen der Beklagten über einen längeren Zeitraum hinweg auf den Grundstücken gelagert wurden und teilweise beschädigt sind, ist ein neuer Verwendungszweck ebenfalls nicht erkennbar. Zwar hat der Kläger im Verfahren behauptet, die Gegenstände weiter entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung benutzen zu wollen. Dieser bloßen Absichtserklärung steht aber entgegen, dass sich die Gegenstände (beispielweise Betonmischer) nach Aussagen des Beklagten bereits seit mehreren Jahren unverändert am selben Standort befinden, ohne dass sich eine konkrete Verwendung der Gegenstände feststellen ließe. Damit schließt bereits der Zustand und die Lagerung der im Bescheid aufgelisteten Gegenstände eine weitere Verwendung entsprechend ihrer Zweckbestimmung nach der objektiven Verkehrsanschauung aus. Eine nach der Rechtsprechung erforderliche alsbaldige Zuführung der Gegenstände zu ihrem früheren Zweck ist jedenfalls nicht ersichtlich. Ist eine Sache für ihren angestammten Zweck aktuell nicht mehr verwendungsfähig, bleibt ihre ursprüngliche Zweckbestimmung nur dann erhalten, wenn etwa eine Reparatur und Benutzung konkret ins Auge gefasst und in absehbarer Zeit realisiert wird. Vorliegend scheint ausgehend vom bisherigen Verhalten des Klägers überhaupt nicht beabsichtigt zu sein, die aufgezählten Gegenstände zu ihrem ursprünglichen Zweck erneut zu ertüchtigen. Auch ist fraglich, ob der Zustand der Gegenstände überhaupt eine Instandsetzung und erneute Verwendung ermöglicht.
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Aufgrund der objektiven Umstände ist eine Wiederverwendung in absehbarer Zeit jedenfalls nicht wahrscheinlich. Eine erneute Verwendung der aufgelisteten Gegenstände ist bereits aufgrund der erkennbaren objektiven Umstände hier nicht zu erwarten (vgl. BayVGH, B.v. 13.03.2013 – 20 ZB 13.8 – juris). Die aktuelle Nutzung des Grundstücks zur Lagerung von Abfallgegenständen entspricht auch nicht den vernünftigen, der Verkehrsanschauung respektierten Erwägungen.
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Gleiches gilt bezüglich des auf dem Grundstück des Klägers abgestellten Kraftfahrzeugs (BMW 520i, Farbe grau). Auch dieses Kraftfahrzeug hat offensichtlich seine ursprüngliche Zweckbestimmung verloren. Dass das Fahrzeug seit längerem nicht mehr dazu genutzt wird, als Fortbewegungsmittel zu dienen, ist durch die sich in der Akte befindlichen Lichtbilder hinreichend dokumentiert. Das streitgegenständliche Fahrzeug eignet sich auch offenkundig nicht zu der mit einer Kraftfahrzeughaltung manchmal erstrebten Repräsentation und das Fahrzeug wird offensichtlich auch nicht zur Werterhaltung vom Kläger auf seinem Grundstück verwahrt (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2013 – 20 ZB 13.8 – juris Rn. 3).
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Ist eine Sache – so wie hier – für ihren angestammten Verwendungszweck aktuell nicht mehr verwendungsfähig, so bleibt ihre ursprüngliche Zweckbestimmung nur dann erhalten, wenn eine Reparatur alsbald und konkret ins Auge gefasst und in absehbarer Zeit realisiert werden kann. Auch dies ist hinsichtlich des benannten Kraftfahrzeugs ausgehend von dessen Zustand ausgeschlossen. Insoweit handelt es sich bei den Aussagen des Klägers um eine bloße Absichtserklärung, die keine Ausnahme von der Abfalleigenschaft des Fahrzeugs rechtfertigt.
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Nachdem es sich bei dem streitgegenständlichen Kraftfahrzeug demnach um Abfall handelt, den der Besitzer nach § 15 Abs. 1 KrWG zu beseitigen hat, kommt es auch nicht mehr darauf an, ob es sich dabei (auch) um Abfall im Sinne von § 3 Abs. 4 KrWG handelt, der aufgrund seines konkreten Zustandes geeignet ist, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt zu gefährden und dessen Gefährdungspotenzial nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung ausgeschlossen werden kann. Damit ist es auch unerheblich, ob von eventuell im Fahrzeugwrack verbliebenen Betriebsflüssigkeiten eine konkrete Umweltgefährdung ausgeht.
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Die Behauptung des Klägers, dass es sich bei den auf seinem Grundstück abgelagerten Gegenständen nicht um Abfall handle, kann insgesamt die Annahme der Abfalleigenschaft angesichts der in der Behördenakte enthaltenen eindeutigen Lichtbilder und den Aussagen des Beklagten, dass sich die Mehrzahl der Gegenstände bereits seit längerer Zeit unverändert auf dem Grundstück befinde, nicht entkräften.
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Nach allem bestehen für das Gericht an der Abfalleigenschaft der im Bescheid benannten streitgegenständlichen Gegenstände keine Zweifel.
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d) Da das Grundstück des Klägers keine zugelassene Abfallbeseitigungsanlage im Sinne von § 28 KrWG ist, erfolgte die Ablagerung der Abfälle auch in unzulässiger Weise im Sinne des Art. 27 Abs. 1 BayAbfG.
45
e) Die Auswahl des Klägers als Adressat der Anordnung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Kläger übt als Eigentümer des betroffenen Grundstücks die tatsächliche Sachherrschaft über die auf diesem gelagerten Gegenstände aus und ist daher als Abfallbesitzer im Sinn von § 3 Abs. 9 KrWG tauglicher Adressat der Beseitigungsanordnung nach Art. 27 Abs. 1 und 2 BayAbfG.
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f) Die Anordnung verstößt auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Hieraus folgt für das Abfallrecht, dass die zu beseitigenden Gegenstände zumindest im groben Umriss beschrieben werden müssen. Es ist ein – allerdings nicht in jede Einzelheit gehender – Katalog der zu entsorgenden Stoffe und Gegenstände zu erstellen und im Bescheid aufzuführen. Einer ins Detail gehenden Bezeichnung bedarf es jedoch nicht, wenn Verwechslungen ausscheiden oder die nähere Bezeichnung diversen Unrats schlechthin unmöglich ist. Eventuell noch verwertbare Einzelteile, die ungeordnet zusammen mit dem Abfall gelagert sind, braucht die Behörde nicht ausdrücklich auszunehmen (vgl. BayVGH, U.v. 12.4.1999 – 20 B 98.3564 – juris Rn. 17).
47
Diesen Anforderungen wird der streitgegenständliche Bescheid gerecht, indem der Bescheid bezüglich des sich auf dem Grundstück befindlichen Abfalls nach Einzelgegenständen differenziert und diese ausdrücklich auflistet. Eine weitergehende Konkretisierung war angesichts der Vielzahl der auf dem Grundstück verstreuten Gegenstände weder rechtlich erforderlich noch praktisch umsetzbar. In Bezug auf das sich auf dem Grundstück befindliche Altfahrzeug wurde dieses nach Fahrzeugtyp und Farbe hinreichend bestimmt. Eine Verwechslungsgefahr ist insoweit ausgeschlossen. Ausgehend vom maßgeblichen Empfängerhorizont ist für den Kläger nach der Listung im Bescheid auch hinreichend deutlich, welche Gegenstände er zu beseitigen hat.
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g) Letztlich erweist sich die Beseitigungsanordnung des Beklagten auch nicht als unverhältnismäßig oder in sonstiger Weise ermessensfehlerhaft. Da die abgelagerten Gegenstände nicht mehr bestimmungsgemäß verwendet werden und einem solchen Gebrauch auch nicht (mehr) zugeführt werden können bzw. sollen, überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an einer ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung. Die streitgegenständliche Beseitigungsanordnung wurde deshalb zu Recht angeordnet. Allerdings ist die dem Kläger zur Beseitigung der Abfälle zu setzende Frist wegen zwischenzeitlichem Ablauf neu zu bestimmen.
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2. Der angegriffene Bescheid vom 12. Juli 2022 ist auch insoweit rechtmäßig, als er in Nr. 2 die Vorlage der entsprechenden Entsorgungsnachweise fordert.
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Der Beklagte konnte den Nachweis auf Grundlage von § 62 KrWG i.V.m. § 47 Abs. 3 KrWG einfordern, um die Erfüllung der Verpflichtung zur Beseitigung der Abfälle sicherzustellen. Für das Gericht nur eingeschränkt nach § 114 VwGO zu überprüfende Ermessensfehler sind insoweit nicht erkennbar.
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3. Nach allem war die Klage des Klägers daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).