Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 17.04.2023 – Au 9 K 22.31328
Titel:

offensichtlich unbegründete Asylklage

Normenkette:
AsylG § 3, § 4, § 30 Abs. 1
Leitsatz:
Liegt die Aussichtslosigkeit des Asylbegehrens auf der Hand und begründet der Kläger seine Klage gegen den sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet ablehnenden Bescheid des Bundesamtes nicht und erscheint er trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zur mündlichen Verhandlung, liegen die Voraussetzungen für eine qualifizierte Klageabweisung als offensichtlich unbegründet vor. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Irak, offensichtlich unbegründete Asylklage, Einreise auf dem Landweg, keine Anknüpfung an asylrechtlich relevantes Merkmal geltend gemacht, Vorverfolgung, Diskriminierung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 15702

Tenor

I.    Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. die Anerkennung als Asylberechtigter.
2
Der am ... 1999 in Z. (Irak) geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit.
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Seinen Angaben zufolge reiste er am 28. Oktober 2021 erstmalig auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unter dem 21. Dezember 2021 Asylerstantrag stellte. Eine Beschränkung des Asylantrags gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) erfolgte im Verfahren nicht.
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Die persönliche Anhörung des Klägers beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) erfolgte am 1. Juni 2022. Der Kläger trug hierbei im Wesentlichen vor, er habe Sprachprobleme aufgrund einer Muskelschwäche. Er habe deshalb eine Operation benötigt, die er im Irak aber nicht habe erhalten können. Durch seine Sprachprobleme hätte er im Irak zudem große Hindernisse bei der Gestaltung seines Lebens gehabt. Er sei ausgelacht und ausgegrenzt worden. Aufgrund seiner Behinderung sei er auch menschenscheu und habe den Kontakt zu anderen gemieden. Es sei ihm auch nicht möglich gewesen, einen Job in der Gastronomie oder einer Bäckerei zu erhalten, weil er sich nicht richtig artikulieren könne. Zudem gebe es im Irak unterschiedliche Gruppen wie die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) und schiitische Milizen, die sich gegenseitig bekämpfen würden. Seine Eltern und seine Geschwister würden noch in Z. im Haus der Familie wohnen. Die Schule habe er bis zur achten Klasse besucht und gelegentlich als Träger gearbeitet. Sein Vater sei Tagelöhner.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 30. November 2022 (Gz.: ...) wurden die Anträge des Klägers auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt (Nrn. 1 und 2 des Bescheids). Nr. 3 des Bescheids bestimmt weiter, dass dem Kläger auch der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegen nicht vor (Nr. 4). In Nr. 5 des Bescheids wird der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung wurde dem Kläger die Abschiebung in den Irak bzw. einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. Nr. 6 des Bescheids ordnet das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristet es auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
6
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesamt aus, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen. Der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG. Dem Kläger sei es nicht gelungen, eine ausreichend intensive Vorverfolgung darzulegen. Seine Schilderungen beschränken sich auf die erfolgte Diskriminierung aufgrund seiner sprachlichen Behinderung. Auch sei nicht ersichtlich, dass der Kläger von dem von ihm geschilderten Konflikt zwischen Terroreinheiten und schiitischen Milizen persönlich betroffen gewesen wäre. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Gleiches gelte für das Vorliegen von Abschiebungsverboten. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergebe sich aus § 38 Abs. 1 AsylG. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Diese Befristung sei vorliegend angemessen. Der Kläger verfüge im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen gewesen seien.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Bundesamts vom 30. November 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Der vorbezeichnete Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 2. Dezember 2022 bekanntgegeben.
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Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2022 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30. November 2022, Az.:, zugegangen am 2.12.2022, zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und ihn als Asylberechtigten anzuerkennen.
11
Eine Begründung der Klage ist nicht erfolgt.
12
Ein vom Kläger gleichfalls gestellter Antrag vorläufigen Rechtschutzes (Az.: Au 9 S 22.31329) wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. Januar 2023 abgelehnt. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
13
Das Bundesamt ist für die Beklagte der Klage mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2022 entgegengetreten und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
15
Zur Begründung wurde auf die mit der Klage angegriffene Entscheidung verwiesen.
16
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Dezember 2022 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
17
Am 17. April 2023 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll Bezug genommen.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

19
Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, ohne dass der Kläger und die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2023 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der Kläger und die Beklagte sind zur mündlichen Verhandlung vom 17. April 2023 form- und fristgerecht geladen worden.
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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Klageantrag des Klägers beschränkt sich auf die Anerkennung als Asylberechtigter i.S.d. Art. 16a Grundgesetz (GG) und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamts vom 30. November 2022 (Gz.: ...) ist in den mit der Klage angegriffenen Nrn. 1, 2, 5 und 6 rechtmäßig und nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21
Der Kläger besitzt weder einen Anspruch auf Asylanerkennung nach Art. 16a GG, noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
22
1. Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) folgt gem. § 77 Abs. 2 AsylG den zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamts. Der Vortrag des Klägers beim Bundesamt knüpft bereits nicht an die asylrechtlich relevanten Merkmale der §§ 3, 3b AsylG an. Eine politische Verfolgung zugunsten des Klägers ist unter keinen Umständen erkennbar. Über die Entscheidung des Bundesamts hinaus, den Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes als (einfach) unbegründet abzulehnen, war der Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG abzulehnen, wonach ein Asylantrag offensichtlich unbegründet ist, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft – die Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG wurde vom Kläger bereits nicht mit der Klage begehrt – offensichtlich nicht vorliegen. Nach dem Sachvortrag des Klägers liegen auch die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 AsylG vor, wonach ein Asylantrag insbesondere dann offensichtlich unbegründet ist, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält.
23
2. Nach alledem war die Klage des Klägers als offensichtlich unbegründet abzuweisen, § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG, § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Die gem. § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG unanfechtbare Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtauffassung die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris). Aus den Entscheidungsgründen muss sich klar ergeben, weshalb das Gericht zu einem Urteil nach § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG kommt, warum also die Klage nicht nur schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgewiesen wird.
24
Diese Voraussetzungen einer qualifizierten Klageabweisung sind vorliegend gegeben. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit des Asylbegehrens des Klägers bereits aufgrund dessen Erklärungen beim Bundesamt. Zur mündlichen Verhandlung am 17. April 2023 ist der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Eine Klagebegründung wurde für den Kläger im Verfahren ebenfalls nicht vorgelegt.
25
3. Die Abschiebungsandrohung (Nr. 5 des Bescheids des Bundesamts vom 30. November 2022) und die dem Kläger gesetzte Ausreisefrist von zwei Wochen (§ 38 Abs. 1 AsylG) erweisen sich unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als einfach unbegründet abgewiesen hat, als rechtmäßig und sind nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in Nr. 6 des angefochtenen Bescheids ausgesprochene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich ebenfalls als rechtmäßig. Die darin getroffenen Ermessenserwägungen, die eingeschränkter gerichtlicher Überprüfung nach § 114 VwGO unterliegen, berücksichtigen dabei die persönliche Situation des Klägers angemessen und sind nach Aktenlage nicht zu beanstanden.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahren zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
27
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
Dieses Urteil ist gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG unanfechtbar.