Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.05.2023 – 2 ZB 23.30321
Titel:

Unbegründete Anhörungsrüge

Normenketten:
VwGO § 152a
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsätze:
1. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen eines Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Es ist daher verfehlt aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Zulassungsvorbringens in den Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist erst dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände erkennen lassen, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat. Besondere Umstände idS liegen etwa dann vor, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert ist. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anhörungsrüge, rechtliches Gehör, Begründetheit, Tatsachenvortrag, Rechtsansicht, Beweisantrag, Entscheidungserheblichkeit
Vorinstanz:
VGH München, Beschluss vom 19.04.2023 – 2 ZB 23.30232
Fundstelle:
BeckRS 2023, 15647

Tenor

I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens über die Anhörungsrüge.

Gründe

1
Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Senat hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör im Verfahren 2 ZB 23.30232 (Beschluss vom 19.4.2023) nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 VwGO). Er hat das tatsächliche und rechtliche Vorbringen des Klägers zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.
2
Bei der Anhörungsrüge handelt es sich um ein formelles Recht, das dann greift, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich nicht mit ihm in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte jedoch nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (BVerwG, B.v. 15.8.2019 – 5 B 11.19 u.a. – juris Rn. 1; B.v. 24.11.2011 – 8 C 13.11 u.a. – juris Rn. 2). Das Gericht ist ebenso wenig verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen eines Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (BVerfG, B.v. 1.2.1978 – 1 BvR 426/77 – juris Rn. 16). Es ist daher verfehlt aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Zulassungsvorbringens in den Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist erst dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände erkennen lassen, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat. Besondere Umstände in diesem Sinne liegen etwa dann vor, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert ist (BVerfG, B.v. 31.1.2020 – 2 BvR 2592/18 – juris Rn. 11).
3
Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat der Senat das rechtliche Gehör des Klägers nicht verletzt.
4
Soweit der Kläger ausführt, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe „die Möglichkeit der Beweiserhebung anhand der Fotokopien der im Folgeverfahren vorgelegten Unterlagen des Klägers“ nicht in seine Erwägungen eingestellt, nachdem an keiner Stelle des Beschlusses vom 19. April 2023 diese Begründung des Antragstellers thematisiert worden sei, vermag er der Anhörungsrüge nicht zum Erfolg verhelfen. Denn der Kläger hat zu Unrecht daraus, dass der betreffende Begründungsteil des Zulassungsvorbringens in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich erwähnt worden ist, geschlossen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst. Vielmehr hat der erkennende Senat in seinem Beschluss ausführlich dargestellt, dass das Verwaltungsgericht nicht dadurch seine Amtsermittlungs- und Erörterungspflichten verletzt, dass es eine notwendige Beweisermittlung nicht vornimmt (BA Rn. 4), nachdem die Verfahrensrüge der nicht ordnungsgemäßen Aufklärung des Sachverhaltes keinen Berufungszulassungsgrund im asylverfahrensrechtlichen Sinn darstellt. Diese Ausführungen gelten entsprechend auch für die – vom Kläger eingewandte – Verpflichtung, das Gericht müsse (von sich) aus anhand der im Folgeverfahren vorgelegten Fotokopien Beweis erheben.
5
Soweit der Kläger in seiner Zulassungsbegründung vom 3. April 2023 unter Bezugnahme auf einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vorträgt, ein Beweisantrag dürfe bei Vorlage einer Fotokopie nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass nur eine Fotokopie vorgelegt worden sei, erschließt sich dem Senat bereits die Relevanz dieses Vortrages für den hiesigen Fall nicht. So hat das Erstgericht den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag („Zu der Tatsache, dass die vom Kläger vorgelegten Unterlagen echt sind, beantrage ich die Einholung einer Stellungnahme des Auswärtigen Amtes bzw. der deutschen Botschaft in Baku“) nicht mit der Begründung abgelehnt, dass dieser nur Fotokopien und nicht Originalunterlagen vorgelegt hat, sondern hat die Ablehnung des Beweisantrages auf die nicht genügend entschuldigte Verspätung der Vorlage der Originalunterlagen gem. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO, § 74 Abs. 2 AsylG gestützt. Die so begründete Ablehnung des Beweisantrages war, wie der Senat im Beschluss vom 19. April 2023 ausführlich dargelegt hat, zulassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BA Rn. 6 ff.). Einen weitergehenden Beweisantrag bezogen auf etwaige rechtzeitig vorgelegte Fotokopien hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens gestellt.
6
Im Übrigen vermag der Senat aus der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 31.07.1985 – 9 B 71/85) nicht die Entscheidungserheblichkeit für den verfahrensgegenständlichen Fall erkennen. Eine den Erfordernissen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechende Darlegung ließ die Zulassungsbegründung vermissen, weshalb hierauf in den Entscheidungsgründen auch nicht ausdrücklich eingegangen worden ist. Eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör kann hierin nicht gesehen werden.
7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtsgebühr unmittelbar aus dem Gesetz (Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) ergibt.
8
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).