Titel:
Noch unbeschiedener Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens rechtfertigt keine Berufungszulassung bezüglich einer Klage gegen eine Zwangsmittelandrohung
Normenketten:
BayVwZVG Art. 21, Art. 36, Art. 38
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Leitsatz:
Hat der durch eine bestandskräftige baurechtliche Beseitigungsanordnung Verpflichtete einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gestellt, über den noch nicht entschieden worden ist, berührt dieser Antrag die Rechtmäßigkeit einer Zwangsmittelandrohungen nicht. Eine Berufungszulassung gegenüber einem klageabweisenden Urteil gegen die Androhung eines Zwangsgelds sowie die Androhung einer Ersatzvornahme findet deswegen nicht statt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bestandskräftige Beseitigungsanordnung, Androhung von Zwangsmitteln, Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens, bestandskräftige Beseitigungsanordnung, Beseitigungsanordnung, Zwangsmittel, Androhung, Wiederaufgreifen des Verfahrens
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 14.12.2022 – M 29 K 22.3488 , M 29 K 21.5347
Fundstelle:
BeckRS 2023, 15634
Tenor
I. Die Verfahren 1 ZB 23.532 und 1 ZB 23.542 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
III. Der Kläger trägt die Kosten der Zulassungsverfahren.
IV. Der Streitwert für die Zulassungsverfahren wird auf insgesamt 14.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger wendet sich gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes sowie gegen die zuletzt angedrohte Ersatzvornahme.
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Er wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 26. Januar 2018 verpflichtet, das durch Lageplan näher bezeichnete Gebäude, bei dem es sich nach den Gründen des Bescheids nur noch um eine Bauruine handelt, auf seinem Grundstück zu beseitigen. Da die mit dem Ausgangsbescheid und einem weiteren Bescheid vom 18. Mai 2021 angedrohten Zwangsgelder den Kläger nicht dazu veranlassten, seiner Beseitigungsverpflichtung nachzukommen, drohte ihm das Landratsamt mit Bescheid vom 2. September 2021 ein Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro an, falls er seiner Verpflichtung nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums nachkommt. Der dagegen erhobene Eilrechtsbehelf blieb erfolglos (VG München, B.v. 24.1.2021 – M 29 S 21.5348 und BayVGH, B.v. 4.4.2022 – 1 CS 22.462). Da auch diese Zwangsgeldandrohung keinen Erfolg hatte, drohte das Landratsamt dem Kläger zuletzt mit Bescheid vom 2. Juni 2022 die Ersatzvornahme an, falls er seiner Beseitigungsverpflichtung innerhalb eines wiederum bestimmten Zeitraums nicht nachkommt. Weiter wurde er verpflichtet, den vorläufig veranschlagten Kostenbetrag von 10.000 Euro zu leisten. Der auch hier erhobene Eilantrag wurde in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 14. Dezember 2022 zurückgenommen.
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Die Klagen gegen die Bescheide vom 2. September 2021 und 2. Juni 2022 wies das Verwaltungsgericht jeweils mit Urteil vom 14. Dezember 2022 zurück. Der Kläger sei rechtskräftig zur Beseitigung der Bauruine verpflichtet. Die vom Kläger geltend gemachten Einwendungen gegen den Grundverwaltungsakt seien gemäß Art. 38 Abs. 3 VwZVG ausgeschlossen. Die weitere Androhung eines Zwangsgeldes sei geeignet, erforderlich und angemessen. Auch die Androhung der Ersatzvornahme sei rechtmäßig. Mehrere vorangegangene Zwangsgeldandrohungen seien trotz Erhöhungen der Zwangsgelder erfolglos geblieben.
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Mit den Zulassungsanträgen wird geltend gemacht, dass bezüglich der Beseitigungsanordnung mit Schreiben vom 14. November 2022 das Wiederaufgreifen des Verfahrens sowie bezüglich der Zwangsgelder mit Schreiben vom 5. Januar 2023 die Aussetzung der Vollziehung beantragt worden sei, solange bis über den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens entschieden worden sei. Über keinen der Anträge sei bisher vom Landratsamt entschieden worden.
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Der Beklagte hält die Zulassungsanträge bereits für unzulässig und macht Ausführungen zu Art. 21 VwZVG.
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Ergänzend wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Die Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung beruht auf § 93 Satz 1 VwGO.
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Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg.
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Der Kläger macht mit seinem Vorbringen geltend, dass allein die Tatsache, dass das Landratsamt über seinen Antrag auf Wiederaufgreifen des Beseitigungsverfahrens und Aussetzung der Vollziehung bisher nicht entschieden habe, den angefochtenen Zwangsmittelandrohungen entgegenstehe. Damit macht er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidungen des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173). Der Vortrag genügt auch noch dem Darlegungsgebot (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Denn das Verwaltungsgericht hat zwar in den Urteilsgründen ausgeführt, dass Einwendungen gegen den unanfechtbaren Grundverwaltungsakt im Vollstreckungsverfahren ausgeschlossen sind, zu dem gestellten Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens – erstmals mit Schriftsatz vom 9. März 2021 – verhalten sich die Urteilsgründe jedoch nicht. Dass die gestellte Rechtsfrage ggf. leicht zu beantworten ist oder der Vortrag für ein bestehendes Vollstreckungshindernis nicht ausreichend ist, macht den Rechtsbehelf noch nicht unzulässig.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht von der Rechtmäßigkeit der Zwangsmittelandrohungen ausgegangen.
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Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG kann die isolierte Androhung von Zwangsmitteln nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Materiellrechtliche Einwendungen gegen den Grundverwaltungsakt sind damit ausgeschlossen. Die nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG beschränkte Anfechtbarkeit der Zwangsmittelandrohung beruht auf der strikten Trennung von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 C 5.08 – NVwZ 2009, 122; BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf.50-VI-05 – juris Rn. 53; BayVGH, B.v. 21.8.2017 – 1 ZB 17.926 – juris Rn. 3; B.v. 4.8.1999 – 27 ZS 99.962 – juris Rn. 19). Soweit mit einem Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens – etwa wegen Änderung der Sach- und Rechtslage – die Rechtswidrigkeit der Grundverfügung geltend gemacht wird, wird die Zwangsmittelandrohung erst rechtswidrig, wenn dieses Verfahren erfolgreich durchgeführt ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2004 – 1 C 30.03 – BVerwGE 122, 293; OVG NW, B.v. 20.1.2012 – 4 B 1425/11 – juris Rn. 8).
12
Die Tatsache, dass der Kläger beim Landratsamt einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gestellt hat und bisher darüber nicht entschieden wurde, berührt daher die Rechtmäßigkeit der Zwangsmittelandrohungen nicht. Soweit man den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zusammen mit dem zuletzt gestellten Antrag bei der Behörde auf Aussetzung der Vollziehung auch dahingehend verstehen könnte, dass der Kläger damit Einwendungen im Vollstreckungsverfahren gemäß Art. 21 VwZVG geltend machen will, wird, unabhängig von der Tatsache, dass vorliegend ein Anfechtungsbegehren vorliegt, mit den Zulassungsanträgen nicht ansatzweise dargelegt, dass der Kläger einen Anspruch auf Einstellung der Vollstreckung hätte. Dies ist auch nicht ersichtlich, insbesondere hat sich die Sachlage für den Antrag auf Wiederaufgreifen des Beseitigungsverfahrens, wenn man diesen als Änderung im Sinn von Art. 21 Satz 2 VwZVG verstehen würde (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 20 ZB 16.991 – juris Rn. 18), nicht nachträglich zugunsten des Klägers geändert. Es braucht daher auf das Verhältnis zwischen Art. 51 BayVwVfG und Art. 21 VwZVG (vgl. BayVGH, B.v. 4.8.1999 – 27 ZS 99.962 – juris Rn. 24) nicht näher eingegangen zu werden. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die materiell-rechtlichen Einwendungen des Klägers gegen die Vollstreckung im Wesentlichen dem früheren Vortrag im Beseitigungsverfahren entsprechen. Mit diesen Einwendungen haben sich das Verwaltungsgericht (vgl. U.v. 25.9.2019 – M 29 K 17.3652) und der Senat (vgl. B.v. 25.11.2020 – 1 ZB 20.512) bereits umfassend befasst. Dass der Kläger diese Entscheidungen nicht für richtig hält, eröffnet ihm keine neue Überprüfung seines Vorbringens.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.1.1 und 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht der Addition der vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwerte.