Inhalt

VGH München, Beschluss v. 13.06.2023 – 19 ZB 23.455
Titel:

kein Verzicht auf Nachholung des Visumverfahrens 

Normenketten:
AufenthG § 5 Abs. 2, § 16f Abs. 2, § 32 Abs. 1, Abs. 3, § 71 Abs. 2
AufenthV § 39 S. 1 Nr. 3
Leitsätze:
1. Im Berufungszulassungsverfahren sind bei der Prüfung ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auch solche Tatsachen zu berücksichtigen, welche zwar zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Verwaltungsgerichts objektiv bereits vorgelegen haben, die das Verwaltungsgericht jedoch nicht berücksichtigt hat, weil sie von den Beteiligten nicht vorgetragen wurden und das Gericht sie mangels entsprechender Anhaltspunkte auch nicht von Amts wegen zu ermitteln hatte bzw. nicht ermitteln konnte; über § 128a VwGO hinaus ist eine Präklusion neuen Vorbringens im Berufungs(zulassungs) verfahren gesetzlich nicht vorgesehen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 32 Abs. 3 AufenthG begründet keinen strikten Rechtsanspruch auf Aufenthaltserlaubniserteilung; es handelt sich vielmehr um einen Fall des sog. intendierten Ermessens, d.h. auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen sind Abweichungen von der für den Regelfall („soll“) angeordneten Rechtsfolge der Aufenthaltserlaubniserteilung in atypischen Fallgestaltungen zugelassen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kindernachzug, Schulbesuch, Nachholen des Visumverfahrens, Zuständigkeit der Auslandsvertretung, Neuer Tatsachenvortrag im Berufungszulassungsverfahren, Nordmazedonien, Nachholung des Visumverfahrens, intendiertes Ermessen
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 10.01.2023 – AN 5 K 21.1774
Fundstelle:
BeckRS 2023, 15628

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg.
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1. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger (zwei am ... 2004 bzw. ... 2005 geborene Brüder mit der Staatsangehörigkeit Nordmazedoniens, die am 18.1.2020 ohne Visum gemeinsam mit ihrer Mutter <die am 13.2.2021 in das Herkunftsland zurückgekehrt ist> zu ihrem sich im Bundesgebiet aufhaltenden Vater <der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19c AufenthG besitzt> einreisten, deren Visumsanträge am 28.1.2020 durch die Auslandsvertretung der Bundesrepublik Deutschland im Herkunftsland abgelehnt wurden, die am 18.2.2020 <und erneut am 20.1.2021> die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen zum Schulbesuch beantragten <hierzu hatten die Eltern der Kläger mit Formblatterklärung vom 16.2.2020 ihr Einverständnis erteilt, vgl. Bl. 140 der eAkte der Beklagten>, die am 27.3.2022 bei der Ausreise in ihr Herkunftsland am Flughafen N. von der Grenzpolizeiinspektion N.-Flughafen kontrolliert wurden und die am 28.3.2022 bei der deutschen Auslandsvertretung in ihrem Herkunftsland Visa zum Kindernachzug beantragten, welche mit Bescheid der Botschaft vom 11.1.2023 versagt wurden) ihr Begehren weiter, die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern I bis V des Bescheides vom 2. September 2021 zu verpflichten, ihnen Aufenthaltserlaubnisse nach § 32 Abs. 1 bzw. Abs. 3 AufenthG oder nach § 16f Abs. 2 AufenthG zu erteilen. Die Beklagte hat mit dem angegriffenen Bescheid den Antrag der Kläger auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen (Ziffer I des Bescheides) sowie den Antrag auf Duldungserteilung (Ziffer II) abgelehnt, die Kläger zur Ausreise bis 2. Oktober 2021 aufgefordert (Ziffer III), für den Fall der nicht bzw. nicht fristgerecht erfolgenden Ausreise die Abschiebung der Kläger insbesondere nach Nordmazedonien angedroht (Ziffer IV) sowie für den Fall der Abschiebung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet, welches auf die Dauer von einem Jahr ab der Abschiebung befristet wurde (Ziffer V). Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 10. Januar 2023 mit der Begründung abgewiesen, es lägen bereits die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht vor, da die Kläger entgegen § 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG nicht im Besitz gültiger Pässe seien (die vorgelegten Reisepässe seien nur bis 6.3.2022 gültig gewesen) und solche auch nach mehrfachen gerichtlichen Aufforderungen nicht vorgelegt hätten. Des Weiteren stehe die für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 32 AufenthG erforderliche Durchführung des Visumverfahrens nach § 5 Abs. 2 AufenthG entgegen. Eine Ausnahme nach § 39 Satz 1 Nr. 3 AufenthV bestehe nicht, da die Voraussetzungen eines Anspruchs der Kläger auf Aufenthaltserlaubniserteilung nicht nach der Einreise entstanden seien. Es fehle an dem geforderten strikten Rechtsanspruch, bei dem insbesondere die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben habe. Der Anspruch nach § 32 Abs. 1 AufenthG als solcher sei zwar ein gebundener Anspruch. Da sich aber nicht beide personensorgeberechtigten Elternteile der Kläger im Bundesgebiet aufhielten, solle die Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 3 AufenthG nur unter den dort genannten Voraussetzungen erteilt werden. Das (intendierte) Ermessen des § 32 Abs. 3 AufenthG stehe dem Vorliegen eines strikten Rechtsanspruches entgegen. Schließlich lägen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein behördliches Absehen vom Visumverfahren im Ermessenswege nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht vor, insbesondere seien zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt keine besonderen Umstände des Einzelfalls gegeben, aufgrund derer es nicht zumutbar sei, das Visumverfahren nachzuholen. Der insoweit von den Klägern vorgetragene Umstand des Schulbesuchs der Kläger sei bereits kein besonderer Umstand des Einzelfalls, sondern betreffe grundsätzlich alle schulpflichtigen Ausländer, die das Visumsverfahren nachzuholen hätten. Da somit die Titelversagung rechtmäßig sei, begegneten die in Ziffern III und IV verfügten Annexmaßnahmen nach §§ 58, 59 AufenthG sowie das in Ziffer V auf ein Jahr ab Abschiebung befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot keinen rechtlichen Bedenken. Auch die Klage auf Aufhebung von Ziffer II des streitgegenständlichen Bescheids, in welcher der Antrag auf Erteilung einer Duldung abgelehnt wurde, sei jedenfalls unbegründet. Es könne insoweit offenbleiben, ob aufgrund der isolierten Anfechtung der Bescheidsziffer ohne ausdrücklichen Verpflichtungsantrag auf Duldungserteilung die Klage mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig sei. Die Kläger hätten jedenfalls im Rahmen der Begründetheit keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG. Die Abschiebung sei weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen unmöglich im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG noch folge aus dem bloßen Schulbesuch der Kläger ohne unmittelbar bevorstehenden Abschluss ein Anspruch auf Erteilung einer Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG.
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2. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor (2.1). Der überdies geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt worden (2.2).
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2.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen nur dann, wenn der Rechtsmittelführer im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellt (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente schlagen jedoch nach dem Rechtsgedanken des § 144 Abs. 4 VwGO nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Maßgeblich für die Beurteilung dieses Zulassungsgrundes ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12), so dass eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 10 ZB 15.1804 – juris Rn. 7).
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Die Kläger lassen zur Begründung der geltend gemachten ernstlichen Zweifel vortragen, die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils könne auch durch neuen Sachvortrag angezweifelt werden. Dieser Sachvortrag könne nicht nur Tatsachen betreffen, die beim Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht schon bestanden hätten, dem Verwaltungsgericht aber nicht bekannt gewesen seien, sondern auch solche, die sich erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung bis zum Ende der Antragsbegründungsfrist ergeben hätten (m.V.a. BVerwG B.v. 15.12.2003 – 7 AV 2.03). Neues Vorbringen könne (entgegen OVG RhPf NVwZ 1998, 1095) auch nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil der Prozessbeteiligte selbst durch unvollständigen Sachvortrag in erster Instanz die Unrichtigkeit des Urteils (mit-)verursacht habe. Denn nicht das Rechtsmittel-, sondern das Kostenrecht (m.V.a. § 155 Abs. 5 VwGO) enthalte für solche Fallgestaltungen die adäquate Lösung (m.V.a. Happ in Eyermann VwGO § 124 Rn. 20 f.). Die tatsächlichen Annahmen, die dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugrunde lägen, seien unvollständig, weil das Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass die Kläger zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keinen gültigen Pass vorgelegt hätten. Die Kläger verfügten über gültige Pässe. Damit erfüllten diese ihre Passpflicht nach § 3 AufenthG. Im Jahre 2021 bis 2022 hätten die Kläger die neunte Schulklasse besucht. In diesem Zeitraum seien sie unmittelbar vor ihrem Schulabschluss gestanden. Demzufolge sei es Ihnen nicht möglich gewesen, in ihr Heimatland zu reisen und ihre Pässe verlängern zu lassen. Gegen die rechtliche Würdigung, auf der das angefochtene Urteil beruhe, sei einzuwenden, dass das Verwaltungsgericht übersehen habe, dass die Kläger einen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 32 Abs. 1, Abs. 3 AufenthG hätten. Entgegen der Annahme des Erstgerichts lägen jedenfalls die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen vor. Der Anspruch nach § 32 Abs. 1 AufenthG sei ein gebundener Anspruch. Hieraus folge, dass bei Vorliegen der in dieser Vorschrift benannten Voraussetzungen die Aufenthaltserlaubnis zwingend zu erteilen sei. Das Erstgericht sei der Auffassung, dass vorliegend die Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 3 AufenthG nur unter den dort genannten Voraussetzungen erteilt werden könne. Dabei gehe das Gericht fälschlicherweise davon aus, dass beide Elternteile das gemeinsame Sorgerecht ausübten. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da das mazedonische Familienrecht das gemeinsame Sorgerecht, so wie es im BGB geregelt sei, nicht kenne. Vorliegend habe der in Deutschland lebende Vater der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung das alleinige Sorgerecht, weil die Kinder bei ihm seien. Dies könne auch dahingestellt bleiben, da die Mutter der Kläger eine Zustimmungserklärung vom 16. Februar 2020 zur Beantragung der Aufenthaltserlaubnis für die Kläger unterzeichnet habe. Mithin lägen die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1, Abs. 3 AufenthG vor. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts lägen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein behördliches Absehen vom Visumverfahren im Ermessenswege nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vor. Zu Unrecht stelle das Verwaltungsgericht insoweit ausschließlich auf den vorgetragenen Umstand des Schulbesuchs der Kläger ab. Ein Anspruch gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG auf die Erteilung sei – ebenso wie bei § 10 Abs. 3 Satz 3 oder in § 39 Nr. 3 AufenthV – dann gegeben, wenn das Aufenthaltsgesetz oder ein anderes Gesetz einen strikten Rechtsanspruch verleihe. Ein solcher Rechtsanspruch liege vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt seien (m.V.a. Bergmann/Dienelt/Samel, § 5 AufenthG Rn. 151). Dies sei vorliegend der Fall, denn die Voraussetzungen von § 32 Abs. 1 AufenthG lägen vor. Selbst wenn der Vater der Kläger nicht das alleinige Sorgerecht für die Kläger hätte, würde der Anspruch nach § 32 Abs. 3 AufenthG bestehen. Bereits aus diesem Grund sei der Klage stattzugeben gewesen. Das sehe offenbar auch die Auslandsvertretung der Bundesrepublik Deutschland so. Die deutsche Botschaft [im Herkunftsland der Kläger] habe in der Ablehnung des Visumsantrags der Kläger mit Verfügung vom 11. Januar 2023 ausgeführt: „Nach Erkenntnissen der Botschaft halten sich die Kläger bereits seit Längerem in Deutschland auf und demzufolge dort bereits ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet. So wurde gegenüber dem VG (…) eine ladungsfähige Anschrift in (…) mitgeteilt. Zusätzlich wurde bekannt, dass Sie seit dem 01.08.2022 die F.-Mittelschule (…) besuchen. Ein kurzfristiger Aufenthalt im Herkunftsland zur Antragstellung stellt keinen gewöhnlichen Aufenthalt dar und begründet damit auch nicht die örtliche Zuständigkeit der Auslandsvertretung. Zudem ist kein Antragszweck zu erkennen. Ein Aufenthaltstitel kann grundsätzlich nur zu einem bestimmten Zweck erteilt werden. Im Falle eines Visums zur Familienzusammenführung besteht der Zweck darin, dass die Einreise zum längerfristigen Aufenthalt gewährt wird. In Ihrem Fall erfolgte bereits die Einreise und der längerfristige Aufenthalt, sodass ein Visum nicht mehr für diesen Zweck ausgestellt werden kann. Ein Visum kann daher nicht mehr erteilt werden.“ Zudem hätten die Kläger einen Anspruch nach § 16f Abs. 2 AufenthG. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass die Kläger vorgetragen hätten, dass es sich bei der Beruflichen Schule 5 beziehungsweise der Dr. T.-Mittelschule und nach Bescheidserlass der Staatlichen Wirtschaftsschule beziehungsweise der F.-Mittelschule (…) um Schulen im Sinne von § 16f Abs. 2 AufenthG handele. Insoweit habe das Verwaltungsgericht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen, weil es nicht in eigener Zuständigkeit geprüft und untersucht habe, ob die von den Klägern benannten Schulen solche im Sinne von § 16f Abs. 2 AufenthG seien. Stattdessen habe es lapidar in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die besonderen Erteilungsvoraussetzungen nach der in Bezug genommenen Norm nicht vorlägen. Bei vollständiger Aufklärung des Sachverhalts und zutreffender rechtlicher Beurteilung hätte das Gericht der Klage stattgeben müssen.
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Diese Rügen zeigen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf.
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Das Verwaltungsgericht hat (jedenfalls im Ergebnis) zu Recht ausgeführt, dass der Aufenthaltserlaubniserteilung bereits das Fehlen allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen entgegensteht. Dabei legt der Senat seiner Entscheidung zugrunde, dass die Kläger – wie sie durch Vorlage entsprechender Kopien mit der Begründung ihres Zulassungsantrags glaubhaft gemacht haben – über am 29. März 2022 (und damit bereits vor der mündlichen Verhandlung und Entscheidung des Verwaltungsgerichts) ausgestellte, bis 28. März 2027 gültige Reisepässe verfügen und damit die Passpflicht gemäß § 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG erfüllen. Nach ständiger Rechtsprechung sind im Berufungszulassungsverfahren bei der Prüfung ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auch solche Tatsachen zu berücksichtigen, welche zwar zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Verwaltungsgerichts objektiv bereits vorgelegen haben, die das Verwaltungsgericht jedoch nicht berücksichtigt hat, weil sie von den Beteiligten nicht vorgetragen wurden und das Gericht sie mangels entsprechender Anhaltspunkte auch nicht von Amts wegen zu ermitteln hatte bzw. nicht ermitteln konnte (vgl. BVerwG, B.v. 14.6.2002 – 7 AV 1.02 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 31.8.2011 – 8 ZB 11.549 – juris Rn. 23; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 86 ff.; Stuhlfauth in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 124 Rn. 26; Roth in Posser/Wolff/Decker, VwGO, 65. Ed. Stand 1.4.2023, § 124 Rn. 27; vgl. auch Nds.OVG, B.v. 5.11.2012 – 2 LA 177/12 – juris Rn. 14; B.v. 12.11.2007 – 2 LA 423/07 – juris Rn. 11; jeweils unter Aufgabe früherer abweichender Rechtsprechung) – jedenfalls, sofern das Verwaltungsgericht keine Frist mit Präklusionswirkung gemäß § 87b Abs. 3 VwGO gesetzt hatte. Über § 128a VwGO hinaus ist eine Präklusion neuen Vorbringens im Berufungs(zulassungs) verfahren gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 88). Des Weiteren folgt die Berücksichtigungsfähigkeit solchen Vorbringens auch aus dem Sinn und Zweck des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel, welcher die objektive Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (im Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufungszulassung) gewährleisten soll und damit für die Berücksichtigung nachträglicher Änderungen offen ist (vgl. BVerwG, B.v. 14.6.2002 – 7 AV 1.02 – juris Rn. 7; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 89), jedenfalls soweit sie innerhalb der Frist zur Begründung des Berufungszulassungsantrags nach § 124a Abs. 4 Satz 4, 5 VwGO vorgetragen und glaubhaft gemacht werden (vgl. Roth in Posser/Wolff/Decker, VwGO, 65. Ed. Stand 1.4.2023, § 124 Rn.28 m.w.N.). Nicht maßgeblich ist dem gegenüber, ob das Verwaltungsgericht angesichts der ihm erkennbaren Tatsachengrundlage in der Sache richtig entschieden hat (vgl. BVerwG, B.v. 14.6.2002 – 7 AV 1.02 – juris Rn. 7).
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Das Verwaltungsgericht hat jedoch zu Recht – selbständig tragend – angenommen, dass es an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Beantragung des für den konkreten Aufenthaltszweck erforderlichen Visums vor der Einreise gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG fehlt und dass zugunsten der Kläger weder eine Ausnahme vom Erfordernis der Nachholung des Visumverfahrens greift (siehe dazu nachfolgend 2.1.1) noch die Beklagte zum Absehen von der Nachholung des Visumverfahrens im Ermessenwege nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG verpflichtet ist (siehe dazu nachfolgend 2.1.2).
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2.1.1 Die Kläger können eine Ausnahme von der Verpflichtung, einen Aufenthaltstitel vom Ausland aus im Wege des Visumverfahrens zu beantragen, nach § 39 Satz 1 Nr. 3 AufenthV nicht für sich in Anspruch nehmen. Dies gilt vorliegend hinsichtlich des geltend gemachten § 32 Abs. 1 AufenthG schon deshalb, weil die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Titelerteilung nicht nach der Einreise der Kläger entstanden sind. Zwar wurde die nach § 32 Abs. 3 AufenthG für einen Familiennachzug zu einem von beiden sorgeberechtigten Elternteilen erforderliche Zustimmungserklärung erst am 16. Februar 2020 und damit nach der Einreise der Kläger abgegeben. Die Voraussetzungen des § 39 Satz 1 Nr. 3 AufenthV können jedoch nur durch einen strikten Rechtsanspruch erfüllt werden, d.h. wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat. Dagegen genügt eine Anspruchsnorm, welche der Verwaltung auf der Rechtsfolgenseite ein (ggf. intendiertes) Ermessen einräumt, auch im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null grundsätzlich nicht (st.Rspr., z.B. BVerwG, U.v. 16.11.2010 – 1 C 17.09 – juris Rn. 24; U.v. 10.12.2014 – 1 C 15.14 – juris Rn. 15). Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt:
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Ein Anspruch der Kläger auf Gestattung des Kindernachzugs gemäß § 32 AufenthG besteht nicht. Zwar steht einem solchen Anspruch hinsichtlich des am ... 2004 geborenen, mithin im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats schon volljährigen Klägers zu 1) nicht bereits entgegen, dass § 32 Abs. 1 AufenthG die Minderjährigkeit des nachziehenden Kindes voraussetzt. Denn nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist § 32 AufenthG aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes dahin auszulegen, dass das Kind zwar nicht mehr bei Erteilung des Visums, wohl aber in dem Zeitpunkt, in dem es den Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung stellt, noch minderjährig sein muss. Zudem muss es auch in dem Zeitpunkt minderjährig sein, in welchem dem Elternteil die jeweils zum Nachzug berechtigende Aufenthaltserlaubnis (hier: Aufenthaltserlaubnis des Vaters nach § 19c AufenthG) erteilt worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 23.4.2020 – 1 C 16.19 – juris Rn. 9; B.v. 2.12.2004 – 1 B 21.14 – juris Rn. 6; jeweils m.w.N.; die Vorlage an den EuGH durch das BVerwG mit B.v. 23.4.2020 – 1 C 16.19 – bezog sich auf die Frage der Relevanz des Zeitpunktes der Asylantragstellung des Elternteils im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 c) der RL 2003/86/EG und damit auf eine andere Fallkonstellation als vorliegend), was auch hinsichtlich des mittlerweile volljährigen Klägers zu 1) der Fall war. Dies ändert jedoch nichts daran, dass alle Anspruchsvoraussetzungen – mithin auch die Voraussetzung nach § 32 Abs. 1 AufenthG, dass entweder beide Elternteile oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen muss – einmal zeitgleich vorliegen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 23.4.2020 – 1 C 16.19 – juris Rn. 9 m.w.N.). Letztere Voraussetzung lag jedoch hinsichtlich beider Kläger weder im Zeitpunkt der Antragstellung auf Aufenthaltserlaubnis vor, noch ist diese im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gegeben. Denn es ist nicht von einer alleinigen Berechtigung des im Bundesgebiet mit einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 19c AufenthG lebenden Vaters der Kläger zur Personensorge auszugehen. Dem unsubstantiierten Hinweis der Kläger, das mazedonische Recht kenne kein gemeinsames Sorgerecht, sorgeberechtigt sei daher der Vater, weil sich die Kläger bei diesem aufhielten, muss nicht weiter nachgegangen werden. Diese Angaben werden durch den – immerhin durch einen Fundstellennachweis aus einer Sammlung ausländischer Rechtsvorschriften belegten – Vortrag der Beklagten in Frage gestellt, dass auch nach nordmazedonischem Recht von einem gemeinsamen Sorgerecht auszugehen sei, weil der Ehemann der Mutter als Vater der in der Ehe geborenen Kinder gelte und weil die Rechte und Pflichten der Eltern gegenüber den Kindern nach nordmazedonischem Recht gleich seien, unabhängig davon, ob die Kinder in der Ehe oder außerhalb derselben geboren seien. Darüber hinaus steht der klägerischen Auffassung der Umstand entgegen, dass die Eltern der Kläger am 16. Februar 2020 eine gemeinsame Erklärung abgegeben haben, dass sie mit der Antragstellung der Kläger auf Aufenthaltserlaubnis in Deutschland einverstanden sind (vgl. Bl. 140 der Behördenakte). Ein Elternteil ist nicht allein personensorgeberechtigt im Sinne des § 32 Abs. 3 AufenthG a.F. (bzw. § 32 Abs. 1 AufenthG n.F.) i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c der RL 2003/86/EG, wenn dem anderen Elternteil bei der Ausübung der Personensorge substantielle Mitentscheidungsrechte und -pflichten zustehen, etwa in Bezug auf Aufenthalt, Schule und Ausbildung oder Heilbehandlung des Kindes (vgl. BVerwG, U.v. 7.4.2009 – 1 C 17.08 – juris Rn.16). Ob dies der Fall ist, richtet sich gemäß Art. 21 EGBGB nach dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (vgl. BVerwG, U.v. 7.4.2009 – juris Rn. 12 ff., 16; U.v. 1.12.2009 – 1 C 32.08 – juris Rn. 16 f.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 27.7.2011 – 12 S 2.11 – juris Rn. 3; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 32 Rn. 87). So begründet selbst eine Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil – wofür vorliegend nichts vorgetragen oder ersichtlich ist – nach mazedonischem Recht kein alleiniges Sorgerecht im Sinne des § 32 AufenthG, weil dem anderen Elternteil substantielle Mitbestimmungsrechte und -pflichten unter anderem hinsichtlich der Aufenthaltsbestimmung verbleiben (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 27.7.2011 – 12 S 2.11 – juris Rn. 3). Eine Erklärung wie die hier abgegebene stellt eine Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes durch beide Elternteile dar und würde keinen Sinn ergeben, wenn nur ein Elternteil der Kläger sorgeberechtigt wäre (vgl. BayVGH, B.v. 21.11.2013 – 19 CS 12.938, Rn. 18).
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Für derartige Fälle wurde die Norm des § 32 Abs. 3 AufenthG n.F. geschaffen (vgl. Zimmerer in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 15. Ed. Stand 15.4.2023, AufenthG § 32 Rn. 26; Tewocht in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 37. Ed. 1.10.2021, AufenthG § 32 Rn. 33; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 32 Rn. 64 ff.). Aus § 32 Abs. 3 AufenthG, nach dem bei gemeinsamem Sorgerecht eine Aufenthaltserlaubnis nach den Absätzen 1 und 2 auch zum Nachzug zu nur einem sorgeberechtigten Elternteil erteilt werden „soll“, wenn der andere Elternteil sein Einverständnis mit dem Aufenthalt des Kindes im Bundesgebiet erklärt hat oder eine entsprechende rechtsverbindliche Entscheidung einer zuständigen Stelle vorliegt, können die Kläger jedoch keinen strikten Rechtsanspruch auf Aufenthaltserlaubniserteilung ableiten (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 30.10.2018 – 10 C 18.1782 – juris Rn. 4; jeweils im Hinblick auf § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG). Vielmehr handelt es sich um einen Fall des sog. intendierten Ermessens, welches (auch) bei Vorliegen der tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen Abweichungen von der für den Regelfall („soll“) angeordneten Rechtsfolge der Aufenthaltserlaubniserteilung in atypischen Fallgestaltungen zulässt (vgl. näher BT-Drs. 17/13022, 21 und dazu Tewocht in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 37. Ed. 1.10.2021, AufenthG § 32 Rn. 35; Zimmerer in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 15. Ed. Stand 15.4.2023, AufenthG § 32 Rn. 30).
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Des Weiteren können die Kläger auch aus § 16f Abs. 2 AufenthG keinen Rechtsanspruch auf Aufenthaltserlaubniserteilung ableiten. Dem steht schon entgegen, dass es sich bei § 16f Abs. 2 AufenthG auf der Rechtsfolgenseite um eine Ermessensvorschrift handelt, welche schon im Ansatz keinen strikten Rechtsanspruch im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG vermitteln kann. Ob die Kläger das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 16f Abs. 2 AufenthG ausreichend dargelegt haben (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO), was das Verwaltungsgericht gegebenenfalls zu weiteren Sachverhaltsermittlungen von Amts wegen gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO hätte veranlassen können, kann deshalb offenbleiben. Anzumerken bleibt aber, dass aus den vorgelegten Schreiben bzw. Bescheinigungen der Schulen nicht zweifelsfrei hervorgeht, dass diese die Voraussetzungen des § 16f Abs. 2 Nr. 1 (insb. Schule mit internationaler Ausrichtung) bzw. Nr. 2 AufenthG (insb. Schule, die nicht oder nicht überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird sowie Vorbereitung der Schüler auf internationale Abschlüsse, Abschlüsse anderer Staaten oder staatlich anerkannte Abschlüsse) erfüllen.
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2.1.2 Die in § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG geregelte Möglichkeit des Absehens nach Ermessen im Falle eines Anspruchs auf Aufenthaltserlaubniserteilung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG setzt ebenfalls einen strikten Rechtsanspruch voraus (st.Rspr., z.B. BVerwG, U.v. 10.12.2014 – 1 C 15.14 – juris Rn. 15 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist vorliegend, wie ausgeführt, nicht erfüllt. Nicht ersichtlich ist ferner, dass hinsichtlich des im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats volljährigen (am ... 2004 geborenen) Klägers zu 1) die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 2 AufenthG vorlägen – wozu es einer außergewöhnlichen Härte bedürfte –, abgesehen davon, dass auch diese Norm ein Ermessen eröffnet.
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Des Weiteren führt das Verwaltungsgericht zu Recht aus, dass die Nachholung des Visumverfahrens im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG nicht unzumutbar ist. Hierzu kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die einschlägigen Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen werden, denen der Senat folgt (§ 130b Satz 2 VwGO analog). Ergänzend ist zum Vortrag der Kläger im Zulassungsverfahren Folgendes auszuführen:
15
Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, einen Ausländer zur Erlangung eines Aufenthaltstitels zum Familiennachzug zu sich berechtigt im Bundesgebiet aufhaltenden Familienangehörigen auf die Einholung des erforderlichen Visums im Herkunftsland zu verweisen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen (BVerfG, B.v. 22.12.2021 – 2 BvR 1432/21 juris Rn. 43; B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris LS 2a, Rn. 47 m.w.N.). Allein das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft führt ebenso wenig dazu, regelmäßig von der Unzumutbarkeit der Einhaltung des Visumverfahrens auszugehen, wie der Umstand, dass gegebenenfalls ein kleines Kind betroffen ist, da es im Verantwortungsbereich des Ausländers liegt, die Ausreisemodalitäten und den Ausreisezeitpunkt in Absprache mit der zuständigen Ausländerbehörde so familienverträglich wie möglich zu gestalten (vgl. BayVGH, B.v. 3.9.2019 – 10 C 19.1700 – juris Rn. 5 m.w.N.; B.v. 19.6.2018 – 10 CE 18.994 – juris Rn. 5).
16
Hierzu ist eine Prognose anzustellen, mit welcher Trennungszeit bei Nachholung eines Visumverfahrens voraussichtlich tatsächlich zu rechnen wäre. Von einer Prognose der Trennungszeit kann abgesehen werden, wenn es im konkreten Fall mit Art. 6 Abs. 1 und 2 GG vereinbar ist, dem Ausländer und dem Familienangehörigen die Lebensgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland auf Dauer zu verwehren, etwa weil die Familiengemeinschaft auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in zumutbarer Weise gelebt werden kann (BVerfG, B.v. 10.5.2008 – 2 BvR 588/08 – juris; B.v. 27.8.2003 – 2 BvR 1064/03 – juris Rn. 6 f.) oder weil die dauerhafte Trennung der Familie ausnahmsweise zumutbar ist (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 52).
17
In die Prognose der Trennungszeit ist insbesondere die zu erwartende Dauer des Visumverfahrens (einschließlich einer möglicherweise durchzuführenden Urkundenüberprüfung) einzubeziehen, über die ebenfalls eine Prognose anzustellen ist. In den Blick zu nehmen ist insoweit, wie lange ein Visumverfahren bei korrekter Sachbehandlung und gegebenenfalls unter Zuhilfenahme einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO voraussichtlich dauern würde und welche Auswirkungen ein derartiger Auslandsaufenthalt des Ausländers für die Familie hätte (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 15.12 – juris Rn. 26). Diesbezüglich muss die Dauer des Visumverfahrens absehbar und insbesondere auch geklärt sein, ob die grundsätzliche Möglichkeit der Visumerteilung besteht (vgl. BayVGH, U.v. 7.12.2021 – 10 BV 21.1821 – Rn. 40 m.w.N.; OVG SH, B.v. 3.1.2022 – 4 MB 68/21 – juris). Einfachrechtliche Unwägbarkeiten bzw. Ungewissheiten über den Ausgang des Visumverfahrens (im vom Bundesverfassungsgericht zugrundeliegenden Fall die „hohen Hürden“ nach § 36 Abs. 2 AufenthG) müssen ebenso Eingang in die anzustellende Prognose finden (BVerfG, B.v 22.12.2021 – 2 BvR 1432/21 – juris Rn. 51; B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 53 ff.) wie eine eventuell fehlende Mitwirkung des Betroffenen im Visumverfahren (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 59). Denn die tatsächliche Dauer des Visumverfahrens hängt entscheidend von der Mitwirkung des Ausländers ab. Eine fehlende Mitwirkung kann daher auch längere Wartezeiten rechtfertigen. Zudem würde es die Erkenntnisfähigkeit von Behörden und Gerichten überfordern, bei der Prognose über die Dauer des Visumverfahrens und der damit – hier jedoch nicht – verbundenen Trennung des Ausländers von seinem in Deutschland aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen eine präzise Vorstellung davon zu entwickeln, mit welcher Trennungszeit tatsächlich im Falle der Duldungsversagung zu rechnen wäre, wenn der Ausländer nicht das in seiner Sphäre Liegende beiträgt, um das Verfahren zu betreiben und zu einem zeitnahen Abschluss zu bringen (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 59). Im Rahmen der Prognose der voraussichtlichen tatsächlichen Trennungszeit ist darüber hinaus wegen des erforderlichen Antrags auf Erteilung eines Visums die Wartezeit auf einen Termin zur Antragstellung ebenso zu berücksichtigen (BVerfG B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 60) wie ein möglicherweise infolge der Abschiebung eintretendes Einreise- und Aufenthaltsverbot.
18
Im Rahmen der Abwägungsentscheidung (ob eine vorübergehende Trennung in Anbetracht der prognostischen Trennungszeit zumutbar ist) ist zu berücksichtigen, dass die Regelungen in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG dem Schutz wichtiger öffentlicher Interessen dienen. Die Pflicht zur Einreise mit dem erforderlichen Visum soll gewährleisten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor der Einreise geprüft werden können, um die Zuwanderung von Personen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, von vornherein zu verhindern. Die (nachträgliche) Einholung des erforderlichen Visums zum Familiennachzug ist auch nicht als bloße Förmlichkeit anzusehen. Dabei dürfen auch generalpräventive Aspekte Berücksichtigung finden, damit das Visumverfahren seine Funktion als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung wirksam erfüllen kann. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG wirkt dem Anreiz entgegen, nach illegaler Einreise Bleibegründe zu schaffen mit der Folge, dieses Verhalten mit einem Verzicht auf das vom Ausland durchzuführende Visumverfahren zu honorieren. Die bewusste Umgehung des Visumverfahrens darf nicht folgenlos bleiben, um dieses wichtige Steuerungsinstrument der Zuwanderung nicht zu entwerten. Ausnahmen von der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sind daher prinzipiell eng auszulegen (BVerwG, U.v. 10.12.2014 – 1 C 15.14, U.v. 11.1.2011 – 1 C 23.09 – jeweils juris). Die Folgen einer vorübergehenden Trennung haben im Rahmen der Abwägungsentscheidung jedoch insbesondere ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, welches den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 48). Zulasten des Ausländers kann sich in der Abwägungsentscheidung auswirken, dass er Einfluss darauf hat, rechtzeitig einen Termin bei der Auslandsvertretung zu vereinbaren, die Vorabzustimmung zu erreichen und durch freiwillige Ausreise dem Einreise- und Aufenthaltsverbot zu entgehen bzw. auf dessen Verkürzung nach § 11 Abs. 4 hinzuwirken (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 61).
19
Nach diesen Maßgaben ist es im vorliegenden Fall mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie nach Art. 6 GG (bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK) vereinbar, die Kläger auf die Einholung des erforderlichen Visums zu verweisen.
20
Hinsichtlich des mittlerweile volljährigen Klägers zu 1) folgt dies bereits aus dem Umstand, dass es diesem zumutbar ist, die familiäre Lebensgemeinschaft – sofern überhaupt noch von einer solchen ausgegangen werden kann, wofür es an einem substantiierten Vortrag fehlt – mit seinem Vater als einem erwachsenen Familienangehörigen im Wege von gegenseitigen Besuchen im Bundesgebiet bzw. im Herkunftsland zu führen. Als nordmazedonischer Staatsangehöriger ist der Kläger zu 1) gemäß Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 (ABl. Nr. L 303, 39; Visa-VO) für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreiten darf, zur visumfreien Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Wie ausgeführt, kann von einer Prognose der Trennungszeit abgesehen werden, wenn es im konkreten Fall mit Art. 6 Abs. 1 und 2 GG vereinbar ist, dem Ausländer und dem Familienangehörigen die Lebensgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland auf Dauer zu verwehren, etwa weil die Familiengemeinschaft auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in zumutbarer Weise gelebt werden kann (BVerfG, B.v. 10.5.2008 – 2 BvR 588/08 – juris; B.v. 27.8.2003 – 2 BvR 1064/03 – juris Rn. 6 f.) oder weil die dauerhafte Trennung der Familie ausnahmsweise zumutbar ist (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 52). Dafür, dass im vorliegenden Fall trotz des Erreichens der Volljährigkeit des Klägers zu 1) eine derart enge persönliche Verbundenheit mit seinem Vater besteht, die eine Trennung auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit von Besuchsaufenthalten sowie des Aufrechterhaltens des Kontaktes durch Briefe oder elektronische Kommunikationsmittel einschließlich Videotelefonie unzumutbar erscheinen ließe, ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.
21
Aber auch hinsichtlich des im Entscheidungszeitpunkt des Senats noch minderjährigen (am ... 2005 geborenen) Klägers zu 2) ist von einer Zumutbarkeit der Einholung des erforderlichen Visums im Herkunftsland nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auszugehen. Der Ablauf des von den Klägern bereits durchgeführte Visumverfahrens im Jahr 2022/23 zeigt, dass ihnen eine Ausreise zum Termin bei der Deutschen Botschaft in ihrem Herkunftsland möglich war. Die sich aus dem Zeitpunkt der Antragstellung am 28. März 2022 und der Entscheidung am 11. Januar 2023 ergebende Verfahrensdauer von etwas weniger als zehn Monaten erscheint zwar vergleichsweise lang, aber insbesondere ist im Hinblick darauf, dass die Mutter der Kläger sich im Herkunftsland aufhält und den Kläger zu 2) während seines verfahrensbedingten Aufenthaltes dort betreuen könnte und dass der Kontakt zum in Deutschland aufhältigen Vater über Brief- und Telefonkontakt bzw. elektronische Kommunikationsmittel einschließlich Videotelefonie, noch zumutbar. Überdies mag sich die geschehene Verfahrensdauer im konkreten Fall durch die von der deutschen Auslandsvertretung gesehenen rechtlichen Einwände (vgl. dazu die folgenden Ausführungen) erklären. Die grundsätzliche Möglichkeit der Visumserteilung an den Kläger zu 2) ist gegeben, „einfach-rechtliche Unsicherheiten“, welche die Ausreise zur Visumsnachholung und die damit verbundene Trennung im Einzelfall wegen des damit verbundenen Grades an Ungewissheit der (zeitnahen) Rückkehr unzumutbar machen können, vermag der Senat jedenfalls nicht in einem Maße zu erkennen, welches die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar erscheinen ließe. Wie dargelegt, liegen mit der Einverständniserklärung der Mutter des Klägers zu 2) vom 16. Februar 2020 die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 AufenthG zu seinen Gunsten vor, sodass die Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG zum Nachzug zu seinem im Bundesgebiet mit einer zur Nachholung von minderjährigen Kindern berechtigenden Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 19c i.V.m. 32 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 AufenthG aufhältigen Vater erteilt werden „soll“. Die Erteilung eines Visums nach §§ 6 Abs. 3 Satz 1, 32 Abs. 1 und 3 AufenthG an den Kläger zu 2) erscheint damit – bei weiterem Aufrechterhalten der Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchsnorm – möglich. Von „einfach-rechtlichen Unsicherheiten“ im Sinne der (oben dargestellten) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – bezogen auf die Anspruchsvoraussetzungen – kann somit vorliegend keine Rede sein. Für den Fall der Versagung des Visums durch die zuständige Auslandsvertretung steht dem Kläger zu 2), wie ausgeführt, der Rechtsweg offen. Hinsichtlich der in den Ablehnungsbescheiden der deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsland der Kläger vom 11. Januar 2023 – zu deren Anträgen auf Visa zur Familienzusammenführung – vertretenen Rechtsauffassung bestehen allerdings Bedenken, soweit diese dazu führen würde, dass eine Nachholung des Visumverfahrens im Herkunftsland nicht mehr möglich wäre, wenn für die nachträgliche Erteilung des gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 i.V.m. § 6 AufenthG schon für die Einreise erforderlichen Visums an den Ausländer dessen „gewöhnlicher Aufenthalt“ im Bundesgebiet nach Ziffer 71.2.1 AVV-AufenthG entgegenstünde, obwohl dieser Aufenthalt allein durch die – nicht durch einen Aufenthaltstitel gedeckte und somit rechtswidrig erreichte – Aufenthaltsdauer begründet wurde und die mit dem begehrten Aufenthaltstitel verfolgte Familienzusammenführung – rein faktisch, aber ohne rechtliche Gestattung – bereits erfolgt ist. Würde unter solchen Umständen die Zuständigkeit der deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsstaat des Ausländers gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (entgegen BVerwG, U.v. 22.6.2011 – 1 C 5.10 – juris Rn. 11) verneint (so aber OVG Berl.-Brandenbg., B.v. 6.2.2004 – 2 N 121.04 – juris Rn. 5 f.; B.v. 20.11.2009 – 3 M 80.09 – juris Rn. 1 f.; B.v. 20.5.2014 – 3 B 3.12 – juris Rn. 14 f.; B.v. 11.8.2020 – 3 B 117.18 – juris Rn. 19 ff.) und wäre in der Konsequenz eine Legalisierung des bereits (rechtswidrig begründeten) Aufenthaltes im Bundesgebiet nur durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Außerachtlassen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG möglich, so würde dies die dargelegte Steuerungswirkung des Visumverfahrens geradezu konterkarieren. Bei der Nachholung des Visumverfahrens bei der deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsland handelt es sich im Übrigen um eine andere Situation als diejenige, in der sich ein um ein Visum nachsuchender Ausländer im Bundesgebiet befindet (vgl. dazu OVG NRW, B.v. 25.10.1995 – 17 A 58/93 – juris; B.v. 1.12.1993 – 17 A 2192/92 – juris). Offenbleiben kann vor diesem Hintergrund, inwieweit es den Klägern zumutbar wäre, zur Nachholung des Visumverfahrens einen gewöhnlichen Aufenthalt im Herkunftsland zu begründen.
22
Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht einen Anspruch der Kläger auf Duldungserteilung verneint. Eine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist nicht ersichtlich. Insbesondere stehen weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK, wie ausgeführt, der Aufenthaltsbeendigung der Kläger entgegen. Dringende humanitäre oder persönliche Gründe für eine Duldungserteilung im Ermessenswege nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG sind ebenfalls weder dargelegt noch ersichtlich, insbesondere haben die Kläger die im Schuljahr 2021/22 bereits unmittelbar vor dem Abschluss stehende schulische Ausbildung nach dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 10.1.2023) inzwischen erfolgreich abgeschlossen.
23
2.2 Der Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt worden.
24
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 m.w.N.).
25
Besondere tatsächliche Schwierigkeiten einer Rechtssache entstehen durch einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt. Ob besondere tatsächliche Schwierigkeiten bestehen, ist unter Würdigung der aufklärenden Tätigkeit des Verwaltungsgerichts zu beurteilen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 33). Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn eine kursorische, aber sorgfältige, die Sache überblickende Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Die Offenheit des Ergebnisses charakterisiert die besondere rechtliche Schwierigkeit und rechtfertigt – insbesondere zur Fortentwicklung des Rechts – die Durchführung des Berufungsverfahrens (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 16, 25, 27). Dabei ist der unmittelbare sachliche Zusammenhang des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO mit Abs. 2 Nr. 1 VwGO in den Blick zu nehmen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 25). Schwierigkeiten solcher Art liegen vor, wenn der Ausgang des Rechtsstreits aufgrund des Zulassungsvorbringens bei summarischer Prüfung als offen erscheint und sich die aufgeworfenen Rechts- und Tatsachenfragen nicht schon ohne Weiteres im Zulassungsverfahren, sondern erst in einem Berufungsverfahren mit der erforderlichen Sicherheit klären und entscheiden lassen.
26
Für die Darlegung der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten genügt dabei nicht die allgemeine Behauptung eines überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrads. Vielmehr ist erforderlich, dass sich die Kläger mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil substanziell auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, hinsichtlich welcher aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung auftretenden Fragen sich besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten ergeben sollen (BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – juris Rn. 21 m.w.N.).
27
Die Kläger lassen ausführen, dass die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweise, ergebe sich daraus, dass vorliegend die Reichweite und der Anwendungstatbestand von § 5 Abs. 2 AufenthG zur Überprüfung zu stellen seien. Dies gelte insbesondere bei der Geltendmachung eines Anspruchs nach § 32 Abs. 1, Abs. 3 AufenthG, sofern – wie hier – sämtliche Voraussetzungen der genannten Norm vorgetragen und erfüllt seien.
28
Damit zeigen die Kläger jedoch nicht auf, inwieweit sich aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung besondere rechtliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Auslegung des § 5 Abs. 2 AufenthG ergeben sollten. Solche Schwierigkeiten liegen auch in der Sache nicht vor. Wie dargelegt, ist die Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG in der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Gemessen daran bestehen, wie ausgeführt, an der Handhabung des § 5 Abs. 2 AufenthG durch das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall und damit an der Richtigkeit seiner Entscheidung keine ernstlichen Zweifel. Damit ist das Ergebnis des Rechtsstreits nicht in einer Weise offen, welche die besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache charakterisieren würde und – insbesondere zur Fortentwicklung des Rechts – die Durchführung des Berufungsverfahrens rechtfertigte.
29
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
30
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO).
31
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).