Titel:
Ausweisung, Kasachstan, Gewaltdelikte, Drogensucht, Therapieabbruch, Begehren nach Therapiefortsetzung
Normenketten:
AufenthG § 53
AufenthG § 72 Abs. 2
Schlagworte:
Ausweisung, Kasachstan, Gewaltdelikte, Drogensucht, Therapieabbruch, Begehren nach Therapiefortsetzung
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 28.03.2023 – B 6 S 23.206
Fundstelle:
BeckRS 2023, 15622
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller, ein am ... 1992 geborener, am 29. November 2003 in das Bundesgebiet eingereister kasachischer Staatsangehöriger, verfolgt mit seiner Beschwerde die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Februar 2023 weiter. Mit diesem Bescheid wurde er unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Nrn. 1 und 2 des Bescheides), die Wirkungen der Ausweisung und einer eventuellen Abschiebung wurden auf die Dauer von 5 Jahren ab Ausreise/Abschiebung befristet (Nr. 3), seine Abschiebung aus der Haft heraus nach Kasachstan wurde angeordnet (Nr. 4) und für den Fall, dass dies nicht möglich sein sollte, wurde unter Fristsetzung die Abschiebung nach Kasachstan oder in einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht (Nr. 5). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der ledige Antragsteller seit 2007 mehrfach hinsichtlich Diebstahls- und Körperverletzungsdelikten auffällig geworden sei. Mit 14 Jahren habe er nach eigenen Angaben mit dem Drogenkonsum begonnen. Er halte sich seit 12. Juli 2022 ohne gültige Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet auf. Zuletzt sei er mit Urteil des Amtsgerichtes B. vom 1. Juli 2020, rechtskräftig seit 9. Juli 2020, zu 2 Jahren und 4 Monaten Jugendstrafe wegen Diebstahl in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung tatmehrheitlich mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer Schusswaffe verurteilt worden. Das Gericht habe die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Führungsaufsicht nach Aussetzung oder Erledigung der Unterbringung sei bis 29. März 2027 verfügt worden. Das Urteil betreffe u.a. Körperverletzungen gegenüber der Freundin des Antragstellers, Frau W. Das Amtsgericht habe nicht ausgeschlossen, dass die Steuerungsfähigkeit des Antragstellers zum Zeitpunkt der Taten aufgrund von Alkohol- und/oder Betäubungsmitteleinfluss erheblich vermindert gewesen sei. Es bestehe ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG. Der Antragsteller erfülle (andererseits) das besonders schwerwiegende Bleibeinteresse des § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Die Interessenabwägung erfolge zu Lasten des Antragstellers. Die Ausweisung erfolge aus generalpräventiven und spezialpräventiven Gründen. Die vom Amtsgericht angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (hier: Bezirkskrankenhaus B.) sei auf Empfehlung dieser Einrichtung vom 26. Februar 2022 beendet worden. Es seien keine Erfolgsaussichten mehr gesehen worden. Eine günstige Legal- und Suchtprognose habe nicht gestellt werden können. Dem Schreiben des Bezirkskrankenhauses B. vom 26. Februar 2022 an die Staatsanwaltschaft B. sei (zusammenfassend) zu entnehmen, dass aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht festzuhalten sei, dass die Mittel für eine erfolgversprechende Suchtbehandlung im Rahmen des § 64 StGB vollumfänglich erschöpft seien. Dem Antragsteller sei im Therapieprozess überwiegend eine formale Anpassungsleistung gelungen, jedoch habe er nicht in einen gewinnbringenden Prozess der Veränderung der für die Gefährlichkeit relevanten Problembereiche einsteigen können. Seine dispositionelle Bereitschaft, Gewalt anzuwenden, zeige sich in der weiterhin leichten Auslösbarkeit und einer positiv bejahenden Grundeinstellung gegenüber Gewalt, häufig in Zusammenhang mit ihrem zielgerichteten, subjektiv nützlichen Einsatz, wie er sie gerade in der zur Anzeige führenden Attacke gegenüber der ärztlichen Kollegin offenbart habe. Verbale und expressive, aber auch körperliche Gewaltanwendung sei eine dem Antragsteller vertraute, weiterhin als legitim und nützlich bewertete Handlungsweise, die eine selbstverständliche Verhaltensoption darstelle. Es bestehe eine aggressive, durch starkes Wutempfinden geprägte Grunddisposition als stabiler und prägender Persönlichkeitszug. Gegenüber Frauen werde diese Wut besonders leicht ausgelöst, der Antragsteller sei zu keinem Zeitpunkt der Behandlung bereit gewesen, hier sein Frauenbild zu überprüfen oder zu korrigieren. Das Verlangen nach Suchtmitteln spiele dabei eine indirekte, jedoch nicht zu vernachlässigende Rolle, da der Antragsteller seine Abhängigkeitsproblematik nicht kritisch beleuchten und in Bezug zu den Behandlungsmöglichkeiten der (bei ihm vorhandenen) chronischen Schmerzstörung setzen könne. Eine Motivation sich mit der adäquaten Behandlung seiner chronischen Schmerzstörung auseinanderzusetzen und die Wechselwirkungen mit der Sucht- und Delinquenzproblematik zu verstehen, habe beim Patienten trotz fachärztlicher und psychosowie hypnotherapeutischer Bemühungen nicht erzielt werden können. Der Antragsteller habe es auch nach 1,5 Jahren Behandlungsdauer nicht vermocht, zu einer Veränderungsbereitschaft hinsichtlich der prognoserelevanten Problembereiche, insbesondere der chronischen Gewaltbereitschaft und wutgeprägten Aggression und der Eifersuchtsproblematik zu finden. Er habe nur eine Anpassungsbereitschaft gezeigt und habe Behandlungsschritte wie Arbeitsaufnahme und Auseinandersetzung mit kritischem Verhalten nur unter Druck im Sinne einer Strategie der Haftvermeidung umgesetzt. Eine tiefergehende Veränderungsbereitschaft sei beim Antragsteller nicht wahrnehmbar, in seiner Introspektionsfähigkeit sei er zudem begrenzt. Eine sinnvolle Fortsetzung der Behandlung erscheine nicht mehr möglich. Die Antragsgegnerin führte weiter aus, aufgrund des Gesamtverhaltens und der Persönlichkeit des Antragstellers bestehe eine begründete Wiederholungsgefahr. Von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr könne nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen habe und die damit verbundene Erwartung eines künftigen drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht habe. Dies sei im Fall des Antragstellers gerade nicht gegeben. Die Beziehung zu seiner Verlobten und Freundin Frau W. könne nicht als Argument dienen. Gerade die Misshandlungen von Frau W. seien mitursächlich für die Inhaftierung des Antragstellers. Bei dem Antragsteller bestehe (aufgrund eines Sturzes von einem Balkon im Drogenrausch) ein Grad der Behinderung von 80, er benötige medizinische Hilfe und Medikation. Dem Bericht des Bezirkskrankenhauses B. sei zu entnehmen, dass der Antragsteller dort dringend indizierte und hilfreiche Maßnahmen verweigert habe. Bei einer Entlassung des Antragstellers sei davon auszugehen, dass er sich ärztlichen Behandlungen und Therapien wieder entziehen und stattdessen auf Suchtmittel ausweichen werde. Bereits im Urteil des Amtsgerichts B. vom 1. Juli 2020 sei dargelegt, dass beim Antragsteller auch mit weiteren Straftaten von mindestens dieser Schwere (Körperverletzung, Diebstahl und unerlaubtes Führen einer Schusswaffe) zu rechnen sei, sollte der Antragsteller weiterhin unkontrolliert Betäubungsmittel zu sich nehmen. Aufgrund des bisherigen Sachverhalts und den vorliegenden Ereignissen seien die Befürchtungen des Amtsgerichts mehr als wahrscheinlich. Die Ausweisung sei auch nicht unverhältnismäßig.
2
Das Verwaltungsgericht hat das Eilrechtsschutzbegehren des Antragstellers mit der Begründung abgelehnt, dass die Antragsgegnerin zu Recht davon ausgegangen sei, dass ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 AufenthG vorliege. Das Ausweisungsinteresse bestehe sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiver Sicht fort. Bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung des Ausländers beruhen oder dadurch gefördert würden, könne von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer eine Therapie nicht erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung eines künftig straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht habe. Davon ausgehend gefährde der Aufenthalt des Antragstellers weiterhin die öffentliche Sicherheit und Ordnung, weil aktuell das erhebliche Risiko bestehe, dass er erneut Straftaten von mindestens vergleichbarem Gewicht wie seine Vortaten begehen werde. Eine 1 1/2-jährige Therapie im Maßregelvollzug habe weder an der Suchtmittelproblematik noch an der Gewaltneigung und -bereitschaft des Antragstellers etwas geändert. Für die fortbestehende Gewaltbereitschaft des Antragstellers spreche die gewalttätige Auseinandersetzung mit einem Mitgefangenen und einem Bediensteten während seiner Inhaftierung in K., wegen der er nach Erlass der Ausweisungsverfügung am 14. Februar 2023 angeklagt worden sei. Für seine Neigung, seine Interessen mit körperlicher Gewalt und Drohung durchzusetzen, spreche der Vorfall mit einer Assistenzärztin in der Entziehungsanstalt, die mitausschlaggebend für den Abbruch der Therapie gewesen sei. Die Drogentherapie des Antragstellers sei nicht nur lediglich nicht abgeschlossen, sie habe vielmehr abgebrochen werden müssen, weil sich der Antragsteller als nicht therapierbar erwiesen habe. Nicht zuletzt auch wegen der nach 1 1/2 Jahren Therapie fachärztlich und psychologisch gestellten negativen Sucht- und Legalprognose könne der Antragsteller nicht, wie er für sich in Anspruch nehme, verlangen, solange nicht ausgewiesen zu werden, bis die Behandlung, sofern überhaupt möglich, den für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen langfristigen Erfolg zeitige. Bezug genommen werde auf die Ausführungen in der Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses B. vom 26. Februar 2022, in der es u.a. heiße, der Antragsteller sei stark mit einer delinquenten Kultur identifiziert, polymorph kriminell. Sein Einfühlungsvermögen in andere Menschen sei gering, er instrumentalisiere Beziehungen und neige zu überproportionaler Gewaltanwendung. Das Risikoprofil der deliktrelevanten Problembereiche bestehe beim Antragsteller aus einer chronifizierten Gewaltbereitschaft, einer Waffenaffinität, einer wutgeprägten Aggressivität, einer gesteigerten Eifersucht und einer risikorelevanten Drogenproblematik … Eine günstige Legal- und Suchtprognose könne nicht gestellt werden. Daneben lägen auch generalpräventive Gründe für eine Ausweisung vor. Auf ein gesetzlich typisiertes Bleibeinteresse, insbesondere gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (insoweit entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, da der Antragsteller zum Zeitpunkt der Zustellung des Ausweisungsbescheides keine Aufenthaltserlaubnis besessen habe) oder gem. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (schon weil eine Verlobte keine Familienangehörige im Sinne dieser Vorschrift sei) könne sich der Antragsteller nicht mit Erfolg berufen. Zu Gunsten des Antragstellers sei (jedoch) in die gebotene Abwägung einzustellen, dass er bereits als Minderjähriger nach Deutschland gekommen sei und in der Vergangenheit langjährig einen legalen Aufenthaltsstatus gehabt habe. Nach seinen Angaben habe er keine sozialen Bindungen in seinem Herkunftsland Kasachstan; seine Verwandtschaft halte sich nach seinen Angaben in Deutschland auf. Das öffentliche Interesse an der Ausweisung überwiege jedoch. Die besondere Gefährlichkeit des Antragstellers und die daraus folgende hinreichend konkrete Gefahr, dass er nach seiner Haftentlassung weitere erhebliche Straftaten begehen werde, ergebe sich aus den bisher begangenen Straftaten, der unbehandelten Suchtmittelproblematik, der fortbestehenden Gewaltbereitschaft, den mehr als deutlichen Aussagen in den Berichten des Bezirkskrankenhauses B. sowie den Vorkommnissen während der Haftzeit. Der Antragsteller sei bereits als Heranwachsender straffällig geworden und habe dieses Verhalten bis heute fortgesetzt. Eine frühere Strafaussetzung zur Bewährung habe widerrufen werden müssen. Auch vorangegangene Freiheitsentziehungen habe sich der Antragsteller nicht zur Warnung gereichen lassen. Zu berücksichtigen sei, dass der Antragsteller trotz langjährigen Aufenthalts sozial und wirtschaftlich nicht in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert sei. Es möge sein, dass sich die Verwandtschaft des Antragstellers jedenfalls überwiegend in Deutschland aufhalte. Diesem Umstand komme bei dem volljährigen Antragsteller aber kein ausschlaggebendes Gewicht zu. Was die nichteheliche Beziehung zu Frau W. angehe, sei darauf hinzuweisen, dass diese aufgrund der mehrjährigen Inhaftierung des Antragstellers schon über eine längere Zeit im Alltag nicht habe gelebt werden können und der Grund dieser Inhaftierung im Übrigen insbesondere in den von dem Antragsteller gegenüber Frau W. begangenen Straftaten liege. Eine Berufsausbildung habe der Antragsteller nicht. Die letzten Jahre vor seiner (erneuten) Inhaftierung habe er Sozialleistungen bezogen. Es sei ihm (auch unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Beschwerden; der Antragsteller habe sich am 20.4.2016 im Drogenrausch vom Balkon im 3. Stock eines Wohnhauses gestürzt, er sei nach eigenen Angaben danach zwei Jahre auf einen Rollstuhl angewiesen gewesen, er sei als schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 80 anerkannt und leide gemäß einem ärztlichen Attest von Anfang 2017 unter chronischen Schmerzen, gegen die er dauerhaft Medikamente einnehme) zuzumuten, in seinem Herkunftsland Kasachstan, in dem er seine Kindheit verbracht habe, Anstrengungen zu unternehmen, sich in die dortigen Lebensverhältnisse zu integrieren, wirtschaftlich Fuß zu fassen und auch eine etwaige erforderliche medizinische Behandlung dort in Anspruch zu nehmen. Er sei in der Sprachumgebung seines Herkunftslandes aufgewachsen und habe dort eine Schule besucht. Was die schriftlichen Sprachkenntnisse angehe, sei es ihm zuzumuten, sich die kyrillische Schrift selbst anzueignen. Das für die Anordnung des Sofortvollzugs seiner Ausweisung erforderliche besondere Vollzugsinteresse liege im Übrigen vor. Dieses ergebe sich aus der alsbald bevorstehenden Haftentlassung des Antragstellers und der deshalb hinreichend konkret bestehenden Gefahr, dass dieser nach Haftentlassung in kurzer Zeit weitere Straftaten von erheblichem Gewicht begehen werde. Der Antrag sei schließlich unbegründet, soweit er sich gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes richte. Gerichtliche überprüfbare Ermessensfehler der Befristungsentscheidung seien nicht ersichtlich. Der Antrag sei auch unbegründet, soweit er sich gegen die Nrn. 4 und 5 des Bescheides der Antragsgegnerin richte. Umstände, die – entgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid – auf ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot hindeuten könnten, seien weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.
3
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
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Der Antragsteller führt zur Begründung seiner Beschwerde aus, der Abbruch der Therapie des Antragstellers in der Unterbringung habe vollkommen andere Hintergründe gehabt, als vom Bezirkskrankenhaus dargestellt und vom Verwaltungsgericht angenommen. Der Antragsteller sei bis heute ausdrücklich und vollumfänglich therapiebereit. Bei Abbruch der Therapie habe er sich bereits 8 Monate über dem 2/3-Zeitpunkt seiner Strafe hinaus in der Maßregel befunden. Allein dieser Umstand widerspreche dem Vorhalt durch das Bezirkskrankenhaus, er sei nicht ausreichend motiviert für die Therapie gewesen. Das Gegenteil ergebe sich auch bereits aus den Stellungnahmen des Klinikums gegenüber dem Strafgericht und den äußeren Umständen der Therapie. Denn im Rahmen der üblichen Einstufung innerhalb der Maßregel sei der Antragsteller bereits über mehrere Hochstufungen durch das interne Bewertungssystem der Therapieanstalt relativ weit nach oben gekommen. Insoweit werde auch mit Befremden zur Kenntnis genommen, dass das Bezirkskrankenhaus im Rahmen seiner schriftlichen Stellungnahme vom „25.2.2022“ ausgeführt habe, es sei nur eine überwiegend formale Anpassungsleistung in der Therapie gelungen, in einen gewinnbringenden Prozess der Veränderung der für die Gefährlichkeit relevanten Problembereiche habe er aber nicht einsteigen können. Seine dispositionelle Bereitschaft Gewalt anzuwenden zeige sich nicht zuletzt in dem Vorfall, der als „zur Anzeige führenden Attacke gegenüber der ärztlichen Kollegin“ zum Ausdruck gekommen sei. Dies widerspreche bereits der Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses vom 14. Juli 2021 gegenüber dem Ausländeramt. Hier habe das Bezirkskrankenhaus noch ausgeführt gehabt, dass der Antragsteller in den therapeutischen Prozess nicht nur eingebunden gewesen sei, sondern diesen mit zunehmender Verantwortung auch positiv mitgestaltet habe. Die verpflichtende Motivationsgruppe sowie die Suchtgruppe habe er zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen gehabt. Er habe neben den obligatorischen Gruppenangeboten regelmäßig Einzelgespräche wahrgenommen und in diesen offen über sein Befinden gesprochen sowie an seinen individuellen Therapiezielen gearbeitet. Hierbei habe er sich auch größtenteils offen und problembewusst gezeigt. Quasi als Gesamtbewertung habe das Bezirkskrankenhaus hierzu noch ausgeführt „bei weiterhin konstant positivem Verlauf während der Erprobung in der Rehabilitationsphase ist langfristig von einer günstigen Sozial- und Legalprognose auszugehen“. Umso mehr erstaune schließlich das Vorgehen im Bezirkskrankenhaus dahingehend, dass zum einen gegen den Antragsteller Strafanzeige erstattet worden sei und dass ihm hierbei zum anderen gewalttätige Bedrohung und Nötigung zur Last gelegt worden sei. Laut dem Anzeigeschreiben des Bezirkskrankenhauses vom 10. Februar 2022 habe der Antragsteller unter Berufung auf eine Anordnung seines Orthopäden die Medikation mit Tilidin gefordert, die ihm die anzeigeerstattende Therapeutin verweigert habe. Diese habe behauptet, er habe sie dadurch bedroht, indem er gesagt habe „was ich mache ist Körperverletzung“ und habe auf sie losgehen wollen, weil sie ihm das begehrte Schmerzmittel nicht gegeben habe. Die bei dem Vorfall mitanwesende Krankenschwester im Bezirkskrankenhaus Frau M. habe im Rahmen ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung zu dem Vorfall am 29. März 2022 lediglich bestätigt, dass der Antragsteller gegenüber der Ärztin auf die von ihr erklärte Verweigerung des begehrten Schmerzmittels hin geäußert hätte, dass dies Körperverletzung sei. Tatsächliche Bedrohungen habe er gegenüber der Ärztin aber nicht geäußert. Der sachbearbeitende Polizist der Polizeiinspektion E.-S. POK K. habe entsprechend in seiner Sachverhaltsschilderung vom 2. April 2022 nicht nur ausgeführt, dass die Zeugin M. im Rahmen der Befragung jegliche Art von bedrohlichen Bewegungen des Antragstellers der Anzeigeerstatterin gegenüber verneint habe, sondern darüber hinaus auch noch seine persönliche Einschätzung dargelegt, dass hier die Tatbestände der Bedrohung und Beleidigung überhaupt nicht erfüllt gewesen seien. Dass sich der Antragsteller im Rahmen seiner persönlichen Möglichkeiten massiv darum bemüht habe, im Rahmen einer weiteren stationären Therapie seine Probleme zu bearbeiten, bestätige auch die Mudra Drogenhilfe, mit der der Antragsteller während seiner Haftzeit Kontakt aufgenommen habe (Vorlage eines Schreibens der Sozialarbeiterin S., Mudra Drogenhilfe, vom 15.2.2023, in dem diese ausführt, der Antragsteller stehe seit 9.11.2022 mit der Mudra Drogenhilfe in Kontakt, die Unterzeichnerin unterstütze den Antragsteller in seinem Wunsch, sich einer stationären Suchtbehandlung zu unterziehen. Eine intensive Auseinandersetzung mit „Entstehungs- und aufrechterhalten Bedingungen“ hinsichtlich seines Konsums psychoaktiver Substanzen scheine sinnvoll um eine (Re-)Integration langfristig zu realisieren und ihm die Möglichkeit zum Ausstieg aus der delinquenten, konsumbelasteten Lebensweise zu ermöglichen). Weiter werde durch den externen Drogenberater der Mudra, Herrn M. belegt, dass der Antragsteller sich mit den Ursachen und Folgen seiner Drogenabhängigkeit auseinandersetzen wolle und nach möglichen Veränderungs- und Handlungsalternativen suche, weiter auch, dass er auch eine sozialtherapeutische Therapie angehen wolle (Vorlage eines Schreibens des Herrn M., Mudra N. vom 17.4.2023, in dem Herr M. ausführt, der Antragsteller sei vom 9.11.2022 bis 17.4.2023 in der JVA N. regelmäßig besucht und beraten worden. In den geführten Beratungsgesprächen seien neben seiner allgemeinen Lebenssituation vor allem seine manifeste Drogenabhängigkeit, die daraus resultierenden straffälligen Verhaltensweisen und die Förderung von eigenen Ressourcen besprochen worden. Der Antragsteller wolle sich mit den Ursachen und Folgen seiner Drogenabhängigkeit auseinandersetzen. Er suche nach möglichen Veränderungs- und Handlungsalternativen, da ihm die Folgen seines langjährigen Drogenkonsums psychisch schwer belasteten. In diesem Zusammenhang wolle er eine sozialtherapeutische Therapie angehen. … Der über viele Jahre fortgesetzte Drogenkonsum lege es nahe, dass eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme notwendig und geeignet erscheine, damit ihm eine abstinente Lebensweise möglich werde. „Er sich dadurch auch aus dem negativen Kreislauf von Abhängigkeit und kriminellen Verhaltensweisen befreien kann“). Vor diesem Hintergrund stelle sich der Bericht des Bezirkskrankenhauses „vom 25.2.2022“, der letztlich zur Beendigung der Unterbringung geführt habe, in völlig anderem Licht dar. Es sei deutlich erkennbar, dass die die Anzeige verursachende Ärztin den Vorfall vom 9. Februar 2022 wohl ganz massiv dramatisiert und aufgebauscht habe. Denn die von ihr behaupteten Beleidigungen hätten schließlich nicht einmal von der polizeilich als Zeugin vernommenen Krankenschwester bestätigt werden können. Dem gegenüber sei von Seiten des Klinikums aber dem Antragsteller vorgehalten worden, er habe sich bei der Auseinandersetzung mit dem Vorfall bagatellisierend gezeigt und er sei nicht in der Lage gewesen, die Nähe zu seinem Verhalten im Anlassdelikt mit entsprechender Gewaltbereitschaft, Herabwürdigung und Demütigung von Frauen sowie rücksichtslosem Beharren auf eigener Wunscherfüllung zu sehen. Bei der Gesamtbetrachtung könne diese Einschätzung des Klinikums nur mit Kopfschütteln kommentiert werden. Denn tatsächlich habe hier offensichtlich das Klinikum aus nicht nachvollziehbaren Gründen heraus den Boden der Objektivität derart verlassen und sich gegen den Antragsteller als Patienten gestellt, dass eine Weiterbehandlung allein deshalb keinen Sinn gemacht hätte, weil hier eine absolute Befangenheit gegenüber dem Antragsteller durch das Team der leitenden Psychologen festzustellen sei. Dies zeige sich nicht zuletzt darin, dass die Gesamtzusammenfassung des Therapieverlaufs in diesem Schreiben in eklatantem Wiederspruch zu dem Bericht des Klinikums des Vorjahres stehe. Vor diesem Hintergrund, dass sich die Strafrichter bei ihren regelmäßig zu treffenden Entscheidungen über die Fortsetzung entsprechender Unterbringungsmaßnahmen auf die zu erwartende sach- und fachkundige Einschätzung der Klinikmitarbeiter quasi verlassen müssten, stelle sich das Ganze hier als unglaublicher Sachverhalt dar. Denn wenn, wie hier, der Antragsteller in einem Moment größten Schmerzempfindens von einem zuständigen Arzt geeignete Schmerzmittel zur Schmerzlinderung verlange und sich auf die Empfehlung eines Facharztes berufe, sei schlichtweg unhaltbar, wenn die Fachärzte allein dies zum Anlasse nähmen, den Patienten als uneinsichtig und nicht therapierbar darzustellen. Dies wohlgemerkt vor dem Hintergrund, dass den Ärzten in dieser Situation wohl bewusst sein dürfte, welche Wirkung und Auswirkung dies für den Antragsteller gehabt haben müsse. Im Ergebnis sei daher festzustellen, dass der argumentierte Misserfolg der Therapie in der Unterbringung zwar schriftlich vom Bezirkskrankenhaus dargelegt worden sei, dieser aber bei objektiver Betrachtung als schlichtweg sachwidrig bezeichnet werden müsse. Auf Basis einer derartigen Mutmaßung könne und dürfe die Einschätzung einer Wiederholungsgefahr nicht gestützt werden. Zudem weise der Antragsteller nochmals darauf hin, dass er seine Heimatsprache kasachisch, ebenso wie russisch, weder lesen noch schreiben könne. Hinsichtlich der beabsichtigten medizinischen Behandlung sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller schlichtweg nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel für den Erwerb notwendiger Psychopharmaka, Schmerzmittel und medizinischer Behandlungen in Kasachstan verfüge. Nach derzeitigem Kenntnisstand gebe es dort keinerlei gesetzliche Kranken- und Pflegekassen. Dies sei für den Gesundheitszustand des Antragstellers und die insoweit notwendigen Behandlungsmaßnahmen von erheblicher Bedeutung. Die psychische Beeinträchtigung des Antragstellers in Form schizophrener Züge sei bislang weder im Rahmen der Therapie der Unterbringung noch seitens der Antragsgegnerin oder des Verwaltungsgerichts berücksichtigt worden. Bereits das Ausgangsproblem, der Vorfall mit der Verlobten des Antragstellers im Januar 2020, sei letztlich auf einen psychischen Schub aufgrund der bestehenden Schizophrenie zurückzuführen gewesen. Gleiches gelte aus Sicht des Antragstellers für sämtliche weitere Gewaltausbrüche und auch Bedrohungen. Dies sei der wirkliche Hintergrund für das ansonsten kaum zu erklärende Verhalten des Antragstellers gegenüber seiner Verlobten. Ein abwertendes Frauenbild, welches er ändern müsste, habe er seinen Angaben zu Folge überhaupt nicht. Ein angesprochenes auffälliges Tattoo (Hakenkreuz) bei ihm sei Auswirkung einer Mutprobe als Teenager unter Alkoholeinfluss. Auch die Streitigkeiten in der Haft, insbesondere der Vorfall in K. seien durch einen psychotischen Schub verursacht worden. Seit diesem Vorfall habe er dann aber Medikamente und psychologische Behandlung erhalten, was dazu geführt habe, dass es danach keine vergleichbaren Vorfälle mehr gegeben habe. Der Antragsteller sei am 25. April 2023 nach vollständiger Verbüßung seiner Strafe aus der Strafhaft in N. entlassen worden. Er sei stark darum bemüht, so schnell wie möglich in eine geeignete Therapiemaßnahme zu kommen, in der seine Probleme wirklich bearbeitet werden könnten. Es sei nicht sachgerecht, der Strafverbüßung jegliche Wirkung auf das Verhalten des Antragstellers abzusprechen.
5
Am 24. Mai 2023 führte der Antragsteller weiter aus, die Einschätzungen der Therapeuten im Bezirkskrankenhaus seien derart widersprüchlich, dass sie für einen normalen Menschen nicht mehr nachvollziehbar sein könnten. Ergänzend werde vorgetragen, dass der Antragsteller mit seiner Verlobten vom Anfang bis zum Ende seines Aufenthalts im Bezirkskrankenhaus regelmäßige Paarsitzungen in Anspruch genommen habe. Nur bei Gesprächen ohne Anwesenheit der Verlobten habe er ab und an den Vorhalt erhalten, er sei noch gewaltbereit und arbeite nicht genug an sich. Plötzlich sei ihm vorgehalten worden, er sei rückfällig geworden und solle entsprechend Rückfälle zugeben, obwohl er solche überhaupt nicht nachvollziehen habe können. Dann sei er völlig unerwartet zur Vorbereitung des Therapieabbruchs wieder auf eine geschlossene Abteilung verlegt worden. Ab diesem Zeitpunkt hätten die Therapeuten dann auch seiner Verlobten in den gemeinsamen Gesprächen vorgehalten, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass sie immer noch zu dem Antragsteller stehe und dass sie sich doch eine Trennung überlegen solle. Der Antragsteller könne sich darauf berufen, dass er auf dem besten Wege zu einem erfolgreichen Therapieabschluss gewesen sei, dass ihm dann aber die entsprechend erfolgreiche Fortsetzung durch die Klinik unmöglich gemacht worden sei. Hinsichtlich des Anzeigeschreibens des Bezirkskrankenhauses vom 10. Februar 2022 sei die Antragsgegnerin nicht bereit, den Antragsteller fair zu beurteilen. Es sei auch unrichtig und werde bestritten, dass der Antragsteller jegliche Verantwortung für sein Fehlverhalten an Therapeuten abzugeben versuche. Der Antragsteller bemühe sich mit sämtlichen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln darum, eine weitere Therapiemöglichkeit aufzutun. Der Antragsteller habe sich ganz erheblich darum bemüht, sich zu ändern und seine Drogen- und Gewaltproblematik erfolgreich bekämpfen zu können. Er habe den großen Wunsch künftig nicht nur ein drogen- und gewaltfreies Leben zu führen, sondern eine Familie zu gründen und als treusorgender Familienvater auch zu ernähren. Die Gesundheitsversorgung in Kasachstan sei sehr kostspielig. Die erforderlichen Geldmittel habe der Antragsteller derzeit nicht zur Verfügung, er habe auch keinerlei Verwandte in dem Heimatland Kasachstan, da sich seine komplette Familie und auch sein ganzes soziales Umfeld in Deutschland befinde. Es sollte doch die praktische Möglichkeit bestehen, dem Antragsteller eine Chance dahingehend einzuräumen, dass er sich freiwillig in eine Therapiemaßnahme in Deutschland begebe und der erfolgreiche Abschluss derselben als Aufhänger dafür genommen werden könnte, eine Außervollzugsetzung der Ausweisungsverpflichtung mit Sofortvollzugsanordnung zu rechtfertigen. Überdies wäre es aus Verhältnismäßigkeitsgründen schon in Betracht zu ziehen, dem Antragsteller zumindest eine freiwillige Ausreise anzubieten und durch eine Verkürzung der Wirkungen der Ausweisung/Abschiebungsanordnung die Therapiemotivation zu vergrößern.
6
Unter dem 30. Mai 2023 führte der Antragsteller des Weiteren aus, das Tattoo des Antragstellers werde von der Antragsgegnerin mehr als überbewertet.
7
Unter dem 2. Juni 2023 erklärte der Antragsteller, er bemühe sich um eine freiwillige Ausreise.
8
Dieses Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung.
9
Ist das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Ausweisung in einer den Formerfordernissen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise damit begründet worden, dass eine erneute Straffälligkeit des Antragstellers und damit verbundene Gefahren für die Allgemeinheit noch vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens verhindert werden sollen, erfordert die Verfahrensgewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG im Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 2 GG das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (vgl. BVerfG, B.v. 18.1.2017 – 2 BvR 2259/17 – juris Rn. 17; B.v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07 – NVwZ 2007, 946). Zudem setzt die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Da die Ausweisung eine schwerwiegende und mit schwer zu behebenden Folgen für den Ausländer verbundene Maßnahme darstellt, deren Gewicht durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung noch erheblich verschärft wird, setzt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Weiteren die aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu treffende Feststellung voraus, dass der Sofortvollzug schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren erforderlich ist (vgl. BVerfG, B.v. 13.6.2005 – 2 BvR 485/05 – NJW 2005, 3275; BayVGH, B.v. 14.3.2019 – 19 CS 17.1784 – juris Rn. 7, B.v. 19.2.2009 – 19 CS 08.1175 – juris Rn. 49 jeweils m.w.N.). Ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) materiell gerechtfertigt ist, ist anhand einer vom Gericht vorzunehmenden eigenständigen Interessenabwägung zu beurteilen. Bei der vorzunehmenden Folgenabwägung sind die konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter bei einem Aufschub des Vollzugs, wenn sich die Ausweisung nachträglich als rechtmäßig erweist, den konkreten Folgen des Sofortvollzugs für den Ausländer, wenn sich die Ausweisungsverfügung nachträglich als rechtswidrig erweisen sollte, gegenüberzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 4.10.2006 – 1 BvR 2403/06 – juris). Bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat im Rahmen der üblicherweise vorzunehmenden summarischen Prüfung gerade dann, wenn die (sofortige) Vollziehung einer Maßnahme mit einem schwerwiegenden Grundrechtseingriff verbunden ist, eine – soweit dies unter den Bedingungen eines Eilverfahrens im konkreten Fall möglich ist – vertiefte Prüfung der maßgeblichen Sach- und Rechtsfragen zu erfolgen, um wirksamen Rechtsschutz im Sinn des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu gewährleisten (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2022 – 10 CS 21.1570 – juris Rn. 4 mit Verweis auf Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: 2/2022, VwGO § 80 Rn. 411 m.w.N.). Das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO dient nicht dazu, nach Art eines strafvollstreckungsrechtlichen Bewährungsbeschlusses dem Betreffenden die Möglichkeit einer nachträglichen Verbesserung seiner rechtlichen Situation einzuräumen und ihm hierzu Handlungsempfehlungen aufzugeben, sondern hat zu prüfen, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Vollziehung der streitgegenständlichen Maßnahme rechtmäßig ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2022, a.a.O., Rn. 4). Für das Vorliegen des besonderen Vollziehungsinteresses i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO kommt es auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – hier des Beschwerdegerichts – an (vgl. OVG NW, B.v. 5.8.2009 – 18 B 331/09 – juris); es hat bei seiner Entscheidung eine originäre Interessenabwägung auf der Grundlage der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage darüber zu treffen, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2021 – 10 CS 20.2828 – juris Rn. 21; B.v. 22.11.2016 – 10 CS 16.2215 – juris Rn. 6; vgl. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: 2/2022, VwGO § 80 Rn. 420). Da für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung einer aufenthaltsbeendigenden Behördenentscheidung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung abzustellen ist, um im Rahmen der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung die Umstände des Einzelfalles bezogen auf die Lebenssituation des Ausländers aktuell zu würdigen (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2007 – 1 C 45.06 – juris), sind zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die für den Fortbestand des Ausweisungszweckes erheblich sind (vgl. BayVGH, U.v. 4.7.2011 – 19 B 10.1631 – juris Rn. 51).
10
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass nach diesen Maßstäben das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keinen Erfolg hat. Die Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 8. Februar 2023 ist voraussichtlich rechtmäßig (1.), die Anordnung des Sofortvollzugs ist als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren schon vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens erforderlich (2.) und die bei einem Aufschub des Vollzugs eintretenden konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter überwiegen die den Antragsteller treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung (3.).
11
1. Für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Ausweisungsverfügung ist – wie ausgeführt – nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2007 – 1 C 45.06 – BVerwG E130, 20). Nach den danach anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen erweist sich die Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin voraussichtlich als rechtmäßig. Das Beschwerdevorbringen vermag die vom Verwaltungsgericht bestätigte Gefahrenprognose nicht in Frage zu stellen; es ist auch unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung weiterhin davon auszugehen, dass der Aufenthalt des Antragstellers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (§ 53 Abs. 1 AufenthG; vgl. 1.1). Das gegen die Gesamtabwägung gem. § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG des Verwaltungsgerichts gerichtete Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (1.2).
12
1.1 Das Beschwerdevorbringen bezüglich der Gefahrenprognose des Verwaltungsgerichts rechtfertigt keine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
13
Bei der von den Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen eigenständig zu treffenden Prognose zur Wiederholungsgefahr sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 10 ZB 14.844 – juris Rn. 11 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BayVGH, B.v. 3.3.2016 a.a.O.; BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18). Gemessen daran kommt der Senat zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung zu der Bewertung, dass nach dem Verhalten des Antragstellers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er erneut jedenfalls durch vergleichbar gravierende Delikte die öffentliche Sicherheit beeinträchtigen wird.
14
Der seit der Jugendzeit vordelinquente und langjährig – auch aktuell – betäubungsmittelabhängige Antragsteller wurde u.a. unter dem 12. September 2013 zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren wegen vorsätzlicher Körperverletzung (Strafvollstreckung erledigt am 31.8.2015) verurteilt. Dem Urteil des Landgerichts B. (2 Ks 11207 Js 12084/12) ist u.a. zu entnehmen, dass der Antragsteller seit seinem 15./16. Lebensjahr bevorzugt Bier, aber auch Whiskey und Wodka trinke, allerdings meine, kein Alkoholproblem zu haben. Illegale Rauschmittel konsumiere er seit etwa seinem 16. Lebensjahr (u.a. Konsum von Methamphetamin). Bereits in diesem Verfahren vor dem Landgericht äußerte er die Befürchtung, wegen seiner Delinquenz nach Kasachstan abgeschoben zu werden. Dem Urteil ist weiter zu entnehmen, dass der Kläger bereits im Jahr 2007 wegen vorsätzlicher Körperverletzung strafrechtlich in Erscheinung trat (Fußtritte gegen den deswegen gebrochenen Unterarm seines Opfers), ebenso 2012 (Faustschlag in das Gesicht seines Opfers, Nasenbeinfraktur). Im Zusammenhang mit dem benannten Verfahren vor dem Landgericht befand sich der Antragsteller zweimal in Untersuchungshaft, zuletzt aufgrund Haftbefehls der Kammer, nachdem er zur Hauptverhandlung in einem nichtverhandlungsfähigen Zustand (wegen Betäubungsmittelkonsums) erschienen war. Der Verurteilung des Landgerichts lagen wiederum Faustschläge des Antragstellers in das Gesicht seines Opfers zugrunde. Er hatte während des Tatabends erhebliche Mengen Alkohol sowie einen Joint (nach eigenen Angaben) konsumiert. Das Opfer des Antragstellers habe zumindest einen dem Antragsteller zurechenbaren Knochenbruch erlitten. Das Landgericht bejahte schädliche Neigungen beim Antragsteller und führte aus, die konkrete Tat zeige, dass das dabei zum Ausdruck gekommene hohe Aggressionspotenzial des Antragstellers, gerade unter Rauschmitteleinfluss, weiterhin unverändert vorhanden sei und das Verhalten nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft (Arbeitslosigkeit ohne ersichtliche Bemühungen der Arbeitsfindung, Drogenkonsum) zeige, dass insgesamt schädliche Neigungen in einem Ausmaß vorlägen, die einer längeren erzieherischen Einwirkungen bedürften und denen mit Entziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nicht mehr hinreichend begegnet werden könne. Zu Gunsten des Antragstellers berücksichtigte das Landgericht, dass dem Antragsteller als weitere Tatfolge die Ausweisung aus Deutschland zurück nach Kasachstan drohe. Zu Lasten des Antragstellers stellte die Kammer darauf ab, dass dieser mehrfach vorbelastet sei, wobei es sich teils um einschlägige Vorverurteilungen handle und zum Tatzeitpunkt noch aus zwei vorangegangenen Verfahren, die einzubeziehen gewesen seien, Auflagen bestanden hätten, denen der Antragsteller noch nicht nachgekommen sei, dass die Tat völlig außer Verhältnis zu der – nicht ausschließbaren – geringfügigen Tatprovokation gestanden habe und letztlich als grundlos angesehen werden müsse, dass beim Opfer ganz massive Verletzungen entstanden seien, die jedenfalls zum Teil – mindestens ein Knochenbruch – auch dem Antragsteller zugerechnet werden könnten und die den Geschädigten noch über Jahre durch weitere Operationen begleiten würden, sowie dass der Antragsteller im laufenden Verfahren durch seinen Drogenkonsum und die damit herbeigeführte Verhandlungsunfähigkeit im April sowie jegliche Einstellung von Bemühung um Arbeit gezeigt habe, dass er mitnichten über soziale Kompetenz verfüge. Der Antragsteller verfüge über erhebliche erzieherische Defizite im Bereich des Umgangs mit Alkohol und illegalen Betäubungsmitteln, im sozialen Umgang mit anderen – hier insbesondere der Konfliktbewältigung und der Kontrolle seines erheblichen Aggressionspotenzials – sowie beim Hinwirken auf ein geregeltes Leben, insbesondere eine Erwerbstätigkeit. Selbst unter dem Eindruck eines Dauerarrestes und der verbüßten Untersuchungshaft habe er sich zu keinerlei Verhaltensänderungen veranlasst gesehen, sondern vielmehr seinen Drogenkonsum soweit intensiviert, dass es sogar zu einer Einweisung in das Klinikum M. gekommen sei, auch habe er sich nicht um die Aufnahme einer neuen Arbeitstätigkeit bemüht. Im Rahmen der im Verfahren durchgeführten sachverständigen Begutachtung habe er gegenüber dem Sachverständigen Dr. F. zudem keinerlei Therapiebereitschaft zur Aufarbeitung des Drogenproblems gezeigt und die Aggressionsproblematik sei noch völlig unbehandelt. Unter diesen Gesichtspunkten sei nicht ersichtlich, wie der Antragsteller ohne die Einwirkung des Strafvollzugs künftig einen straffreien Lebenswandel führen wolle. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB komme nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. F. nicht in Betracht, da es an einer Behandlungseinsicht beim Antragsteller fehle. Der Sachverständige habe ausgeführt, den therapeutischen Ansatz im Rahmen der Exploration mehrfach angesprochen zu haben. Hierauf sei vom Antragsteller jedoch keinerlei Einsicht in die Notwendigkeit einer Therapie gezeigt worden, vielmehr habe er teilnahmslos oder gar nicht reagiert. Unter diesen Gegebenheiten sei eine Erfolgsaussicht zur Behandlung des bestehenden Hanges nicht ersichtlich. Dieses Urteil führte zu keiner Ausweisung des Antragstellers, ebenso wenig kam es (auch nicht durch die anschließende Strafvollstreckung) zu einer Verhaltensänderung bei diesem (u.a. Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung gegen den Antragsteller durch die JVA). Auch eine entsprechende „Anregung“ des Landgerichts B. (Führungsaufsichtsstelle) vom 1. März 2016 führte nicht zu dessen Ausweisung. Nachdem der Rest der Jugendstrafe (Verurteilung des Landgerichts vom 12.9.2013) zur Bewährung ausgesetzt worden war, erfolgte ein Widerruf der Strafaussetzung, Strafvollstreckungserledigung am 31. August 2015. Am 2. April 2016 (das Verwaltungsgericht spricht vom 20.4.2016) stürzte sich der Antragsteller sodann im Drogenrausch vom Balkon eines Wohnhauses, wobei seine Mutter gegenüber der Polizei angab, er sei drogenabhängig, leide unter Halluzinationen, sei selbstgefährlich, habe bereits des Öfteren geäußert, dass er nicht mehr leben wolle. Dem Urteil des Amtsgerichts B. vom 21. Februar 2017 (Verurteilung wegen Diebstahls in zwei tatmehrheitlichen Fällen) ist u.a. zu entnehmen, dass der Antragsteller am 2. April 2016 in einem drogenbedingt psychotischen Zustand von einem Balkon gesprungen sei, er wohne bei seiner Mutter und lebe von Hartz-IV-Leistungen, sei ledig und habe keine Kinder. Nachdem der Antragsteller in der Folgezeit wiederholt (im Bereich der Eigentumsdelikte) strafrechtlich in Erscheinung getreten war, verurteilte ihn das Amtsgericht B. unter dem 1. Juli 2020 (Anlassverurteilung) u.a. wegen Körperverletzungsdelikten zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten unter Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Dem Urteil ist u.a. zu entnehmen, dass das Gericht davon ausgehe, dass der Antragsteller aufgrund von Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei, so dass er vermindert schuldfähig sei im Sinne des § 21 StGB. Das von der erfahrenen Sachverständigen Dr. E. erstattete Gutachten komme zu dem Ergebnis, dass er aufgrund der hohen Intoxikation von Alkohol bzw. einer Mischintoxikation von verschiedenen Betäubungsmitteln, sowohl Opiaten als auch Cannabinoiden erheblich in der Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei. Der Antragsteller sei laut Sachverständiger, der auch das Gericht folge, multipel abhängig von verschiedenen Betäubungsmitteln. Zu seinen Lasten seien seine Vorstrafen zu werten, die einschlägig seien. Die Rückfallgeschwindigkeit sei hoch, außerdem stehe er unter offener Bewährung. Die psychischen Folgen beim Opfer seien erheblich. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB sei auch anzuordnen. „Der“ Sachverständige sei nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass eine multiple Abhängigkeit von Betäubungsmitteln beim Antragsteller bestehe. Es sei auch mit weiteren Straftaten von mindestens dieser Schwere zu rechnen, sollte er weiterhin unkontrolliert diese Betäubungsmittel zu sich nehmen. Im Hinblick auf die Erfolgsaussicht sei problematisch gewesen, dass der Antragsteller aufgrund eines Suizidversuchs im Jahr 2016 erhebliche Schmerzmittel habe zu sich nehmen müssen und auch von einer anderen Ärztin Cannabinoide noch zusätzlich verschrieben worden seien. Die Sachverständige sei auch zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller tatsächlich wohl Opiate weiterhin auch nach einer möglichen Therapie zu sich nehmen müsse. Die Therapie habe auch nach derzeitigem Stand ausreichende Aussicht auf Erfolg, zumindest auch dahingehend, dass er die eingestellte Medikation kontrollieren könne und nicht zu einem Missbrauch mehr führe. Der Antragsteller habe sich auch in der Verhandlung mittlerweile therapiewillig gezeigt.
15
Ausgehend vom hohen Rang der gefährdeten Schutzgüter (hier im Vordergrund stehend Leben und körperliche Unversehrtheit anderer Menschen), der Schwere der Delinquenz des Antragstellers (hier insbesondere mehrfache Gewaltdelikte mit – wie dargelegt – erheblichen Folgen für die Opfer; hohe Rückfallgeschwindigkeit unbeeindruckt von Bewährungsaussetzung bzw. Vollzugsmaßnahmen) und seiner langjährigen, nicht therapierten Betäubungsmittelabhängigkeit, kommt der Senat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht zur Überzeugung, dass auch unter Berücksichtigung sämtlicher ersichtlicher aktueller Lebensumstände eine konkrete Wiederholungsgefahr für die Begehung von zukünftigen Straftaten (hier insbesondere Gewaltdelikte im Zusammenhang mit der bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit) weiterhin besteht.
16
Was die auf dessen Betäubungsmittelsucht beruhende Delinquenz des Antragstellers (insbesondere) im Bereich der Gewaltdelikte und die daraus resultierende Gefährlichkeit für durch das Grundgesetz besonders geschützte Rechtsgüter angeht, ist festzuhalten:
17
Der Senat geht auch aktuell von einer Betäubungsmittelabhängigkeit des Antragstellers (bei dem eine manifeste und jahrelange Suchtgeschichte vorliegt) aus (vgl. die nicht in Frage gestellte Begutachtung der Sachverständigen Dr. E.: „multiple Abhängigkeit von verschiedenen Betäubungsmitteln; Diagnose des Bezirkskrankenhauses B. vom 26.2.2022: „Polytoxikomanie“; Stellungnahme Mudra Drogenhilfe vom 17.4.2023: „manifeste Drogenabhängigkeit“). Der Senat geht weiter davon aus, dass die Betäubungsmittelabhängigkeit (mit-) ursächlich für die bisherige massive Delinquenz des Antragstellers ist und unbehandelt eine hohe Wiederholungsgefahr besteht (weiterhin zutreffende Feststellung des Amtsgerichts im Urteil vom 1.7.2020, es sei mit weiteren Straftaten dieser Schwere zu rechnen, wenn er weiterhin unkontrolliert Betäubungsmittel zu sich nehme; Stellungnahme Mudra Drogenhilfe vom 15.2.2023: er benötige zum Ausstieg aus seiner delinquenten, konsumbelasteten Lebensweise eine Suchtbehandlung).
18
Bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen hat und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat (siehe z.B. BayVGH, B.v. 29.5.2018 – 10 ZB 17.1739 – juris Rn. 9; B.v. 16.2.2018 – 10 ZB 17.2063 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 7.2.2018 – 10 ZB 17.1386 – juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 3.2.2015 – 10 B 14.1613 – juris Rn. 32 m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Erfolgschancen einer Therapie im Allgemeinen bereits deutlich unter 50% liegen (vgl. Fabricius in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 35 Rn. 46 ff: nur 25% der beobachteten Personen blieben strafrechtlich unauffällig und dürften eine Chance der sozialen Reintegration und der gesundheitlichen Stabilisierung erreicht haben; „bescheidene Erfolge“; nach Klos/Görgen – Rückfallprophylaxe bei Drogenabhängigkeit, 2. Aufl. 2020, S. 18 ff. – sind Rückfälle eher die Regel als die Ausnahme; Jehle/Albrecht/Hohmann-Fricke/Tetal haben in der bundesweiten Rückfalluntersuchung „Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen“ für den Zeitraum 2004/2010 bis 2013 – www.bmjv.de – ermittelt, dass nach Delikten gemäß BtMG innerhalb des 1. bis 3. Jahres 45% der Straftäter erneut registriert wurden mit einer Zunahme von weiteren 11% auf 56% vom 4. bis 6. Jahr und weiteren 4% auf 60% innerhalb des 7. bis 9. Jahres des Beobachtungszeitraums; von der Gesamtpopulation der Straftäter wurden innerhalb von 3 Jahren 36% erneut verurteilt). Solange sich der Ausländer nicht außerhalb des Straf- bzw. Maßregelvollzugs bewährt hat, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf einen Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung geschlossen werden, die ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen würde (BayVGH, B.v. 13.10.2017 – 10 ZB 17.1469 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 6.5.2015 – 10 ZB 15.231 – juris Rn. 11).
19
An diesen dargelegten Voraussetzungen fehlt es: das Bezirkskrankenhaus B., auf dessen Suchttherapiestation der Antragsteller untergebracht gewesen war, empfahl unter dem 26. Februar 2022 gegenüber der Staatsanwaltschaft B., die Maßregel zu beenden, weil keine hinreichenden Erfolgsaussichten auch bei einer Fortsetzung der Unterbringung und daher keine günstige Legal- und Suchtprognose gestellt werden könne. Das Landgericht B. erklärte daraufhin die Unterbringung mit Beschluss vom 18. März 2022 für erledigt. Mithin hat der Antragsteller zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt (unstreitig) eine Drogentherapie nicht erfolgreich beendet. Auch fehlt es (bereits deshalb) an einer hinreichenden Bewährung und Glaubhaftmachung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens.
20
Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorträgt, er habe (ausnahmsweise) einen Anspruch auf Fortsetzung der Therapie und sei insoweit auch willig, weil die Empfehlung des Bezirkskrankenhauses vom 26. Februar 2022 unzutreffend sei, das Vorgehen im Bezirkskrankenhaus erstaune dahingehend, dass gegen den Antragsteller Strafanzeige (Vorfall vom 9.2.2022) erstattet worden sei, es sei nicht sachgerecht, diesen Vorfall als Grundlage des Therapieabbruchs heranzuziehen, ist festzuhalten:
21
Der hochgefährliche, nicht therapierte Antragsteller hätte selbst dann, wenn er sich noch in einer Therapieeinrichtung (ggf. mit Anzeichen für eine erfolgreiche Behandlung) befinden würde, keinen Anspruch darauf, so lange in einer Therapieeinrichtung in der Bundesrepublik zu verbleiben, bis seine Suchterkrankung geheilt ist und keine negative Gefahrenprognose mehr besteht (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 16.4.2020 – 10 ZB 20.536 – juris Rn. 9; B.v. 3.4.2019 – 19 ZB 18.1011 – juris Rn. 18; B.v. 27.10.2017 – 10 ZB 17.993 – juris Rn. 16; B.v. 27.9.2017 – 10 ZB 16.823 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 3.5.2019 – OVG 11 N 123.16 – juris Rn. 11). Selbst ein etwaig bestehender Anspruch auf die Durchführung einer Drogentherapie stünde bei einem assoziationsberechtigten Ausländer (der Antragsteller ist dies nicht) der Erfüllung der Ausweisungsvoraussetzungen nicht entgegen (vgl. BVerwG, B.v. 15.4.2013 – 1 B 22/12 – juris). Künftige Entwicklungen, insbesondere Wirkungen einer zukünftigen therapeutischen Aufarbeitung der Straftaten sagen nichts über die aktuell vom Antragsteller ausgehende Gefährdung aus, das Abwarten eines Therapie- oder Haftverlaufs ist insoweit nicht angezeigt (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.2015 – 1 B 39/15 – juris Rn. 10).
22
Diese anzuwendenden Grundsätze werden durch den Vortrag des Antragstellers nicht erschüttert. Unabhängig von der (insbesondere) strafrechtlichen Bewertung des Vorfalls vom 9. Februar 2022 erweist sich die Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses vom 26. Februar 2022 an die Staatsanwaltschaft (Empfehlung zur Beendigung der Maßregel gem. § 64 StGB wegen Aussichtslosigkeit; unterschrieben nicht von der am 9.2.2022 betroffenen Ärztin, sondern von Chefarzt B. und Psychologin F.) als nachvollziehbar. Die Stellungnahme setzt sich umfassend mit den Diagnosen (u.a. Polytoxikomanie), der biographischen Anamnese, der Suchtanamnese (u.a. Heroin, Cannabis, Crystal, seit dem Unfall nach eigenen Angaben nur Opiate) der Vorgeschichte, der Deliktdynamik und deliktpräventiven Therapie betreffend den Antragsteller auseinander. Die jeweiligen Ausführungen werden vom Antragsteller nicht substantiiert in Frage gestellt. Im Übrigen hätte der Antragsteller (wie dargelegt) selbst dann, wenn die Feststellung des Bezirkskrankenhauses, die Therapie sei wegen Aussichtslosigkeit abzubrechen unzutreffend wäre (wofür nichts Durchgreifendes spricht), keinen Anspruch auf eine Therapie(fortsetzung) und ein Verbleiben im Bundesgebiet bis zum etwaigen Wegfall seiner Gefährlichkeit.
23
Soweit im Übrigen der Antragsteller auf eine (vorsichtig) positive Einschätzung des Bezirkskrankenhauses gegenüber der Antragsgegnerin vom 14. Juli 2021 verweist, bleibt zudem festzuhalten, dass es dem Bezirkskrankenhaus nicht verwehrt sein kann, in der Folgezeit (ggf. nach erneuter Reflexion und unter Berücksichtigung anschließender Entwicklungen) eine (hier jedenfalls grundsätzlich nachvollziehbare) andere fachliche Einschätzung zu entwickeln bzw. zu gewinnen.
24
Des Weiteren besteht beim Antragsteller (auch ohne Bezug zur vorhandenen Drogenproblematik) eine hohe Gefährlichkeit insbesondere betreffend Gewaltdelikte wegen seiner (dargelegten) „chronifizierten Gewaltbereitschaft“ und wutgeprägten Aggressivität. Auch die Aggressionsproblematik ist ersichtlich bislang nicht erfolgreich behandelt worden.
25
Aktuell wird die hohe Gefährlichkeit des Antragstellers durch den Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt N. vom 17. März 2023 bestätigt. Danach war das vollzugliche Verhalten des (mit dem internen Sicherheitsvermerk „Verdacht rechtsextremistische Szene“ – aufgrund von jeweils einer Hakenkreuz-Tätowierung auf beiden Oberschenkeln – belegten; dieser verneint einen derartigen Hintergrund) Antragstellers nicht immer hausordnungsgemäß. Aufgeführt werden unerlaubter Besitz/Konsum von Betäubungsmitteln (disziplinarische Belangung am 22.7.2022), Körperverletzungsdelikte gegenüber einem Mitgefangenen und einem Bediensteten (Ahndung 12.8.2022), ungebührliches Verhalten in der Arztsprechstunde (Belegung mit zwei Tagen Arrest am 15.6.2022) u.a.. Die Staatsanwaltschaft C. habe am 14. Februar 2023 Anklage wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei tatmehrheitlichen Fällen, in einem Fall hiervon in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte erhoben. Bei dem Inhaftierten bestehe eine ungelöste Suchtmittelproblematik.
26
Soweit der Antragsteller des Weiteren unter dem 2. Mai 2023 im Beschwerdeverfahren gegenüber dem Senat erklärte, sämtliche Gewaltausbrüche und auch Bedrohungen seien auf eine bestehende Schizophrenie zurückzuführen, seine psychische Beeinträchtigung in Form schizophrener Züge sei bislang weder im Rahmen der Therapie der Unterbringung noch seitens der Antragsgegnerin oder des Verwaltungsgerichts berücksichtigt worden, bleibt festzuhalten, dass sich der Antragsteller mit diesem nicht weiter glaubhaft gemachten oder gar belegten Vortrag in Widerspruch zu den bislang getätigten, insbesondere auch auf seinen Aussagen beruhenden fachärztlichen Aussagen zu seiner Betäubungsmittelsucht und der darauf beruhenden Delinquenz begibt. Es kann dahinstehen, ob der Antragsteller durch diesen Vortrag seine behauptete Therapiewilligkeit betreffend seiner Betäubungsmittelsucht widerruft. Es liegt nahe, dass der Antragsteller insoweit erklären will, er sei zu einer Therapie seiner Drogensucht nicht (mehr) bereit, da diese nicht die Ursache seiner Delinquenz sei. Jedenfalls würden die nicht weiter belegten neuerlichen Behauptungen des Antragstellers (wohl verbunden mit dem Begehren, er möge insoweit in der Bundesrepublik ärztlich behandelt werden) die hohe Gefährlichkeit des Antragstellers nicht in Frage stellen, sondern ggf. zusätzlich untermauern. Auch geht der Antragsteller fehl in der Annahme, er habe (ggf. zusätzlich) einen Anspruch auf Behandlung der behaupteten Schizophrenie im Bundesgebiet zur Beseitigung seiner insoweit nach Behauptung bestehenden Gefährlichkeit.
27
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht seinen Beschluss selbstständig auf mehrere tragende Gründe gestützt. Es hat zum einen festgehalten, dass die Antragsgegnerin die Ausweisung zutreffend auf spezialpräventive Gründe gestützt habe. Kumulativ hat es ausgeführt, dass die Antragsgegnerin die Ausweisung darüber hinaus in nicht zu beanstandender Weise auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt habe. Die letztgenannten Ausführungen stellt der Antragsteller nicht in Frage, so dass seine Beschwerde betreffend die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland aufgrund seines Aufenthalts im Bundesgebiet schon deshalb keinen Erfolg haben kann. Mithin sprechen nach insoweit nicht angegriffener Auffassung des Verwaltungsgerichts beim Antragsteller vor allem unter Berücksichtigung der den Ausweisungsanlass bildenden Straftaten bereits generalpräventive Erwägungen für die verfügte Ausweisung.
28
1.2 Die vom Verwaltungsgericht bestätigte Gesamtabwägung der Antragsgegnerin gemäß § 53 Abs. 1, 2 AufenthG ist voraussichtlich nicht zu beanstanden.
29
Ein Ausländer kann – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – nur dann ausgewiesen werden, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (§ 53 Abs. 1 AufenthG). In die Abwägung sind somit die in § 54 AufenthG und § 55 AufenthG vorgesehenen Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen grundsätzlichen Gewichtung einzubeziehen (BT-Drs. 18/4097, S. 49). Die gesetzliche Unterscheidung in besonders schwerwiegende und schwerwiegende Ausweisungs- und Bleibeinteressen ist für die Güterabwägung zwar regelmäßig prägend (BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28/16 – juris Rn. 39). Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkretem Gewicht, zuwiderlaufen würde, ist aber unzulässig (BVerfG, B.v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07 – juris Rn. 41 bereits zum früheren Ausweisungsrecht). Im Rahmen der Abwägung ist mithin nicht nur von Belang, wie der Gesetzgeber das Ausweisungsinteresse abstrakt einstuft. Vielmehr ist das dem Ausländer vorgeworfene Verhalten, das den Ausweisungsgrund bildet, im Einzelnen zu würdigen und weiter zu gewichten, da gerade bei prinzipiell gleichgewichtigem Ausweisungs- und Bleibeinteresse das gefahrbegründende Verhalten des Ausländers näherer Aufklärung und Feststellung bedarf (BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28/16 – juris Rn. 39).
30
Soweit der Antragsteller der Abwägung des Verwaltungsgerichts mit dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Ausweisung überwiege, dass dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse kein zumindest annähernd gleichgewichtiges Bleibeinteresse gegenüberstehe, entgegenhält, er weise nochmals darauf hin, dass er seine Heimatsprache kasachisch ebenso wie russisch weder lesen noch schreiben könne, ist es ihm (unabhängig davon, ob sein Vortrag insoweit glaubhaft ist; die Antragsgegnerin weist nachvollziehbar darauf hin, dass er bis zu seinem 11. Lebensjahr in Kasachstan gelebt habe, in Kasachstan er damals die Schule besucht habe) zumutbar sich die kyrillische Schrift anzueignen. Diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts hat der Antragsteller nichts entgegengesetzt.
31
Soweit der Antragsteller ausführt, er habe nicht die erforderlichen finanziellen Mittel betreffend beabsichtigte medizinische Behandlungen in Kasachstan, sind auch diese Ausführungen nicht geeignet, eine Abwägung zu Lasten des öffentlichen Interesses an der Ausreise des Antragstellers zu begründen. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass es dem Antragsteller zumutbar ist, in seinem Heimatland Anstrengungen zu unternehmen, sich in die dortigen Lebensverhältnisse zu integrieren, wirtschaftlich Fuß zu fassen. Für seinen Leistungswillen und seine Leistungsfähigkeit – die er im Heimatland einsetzen kann – spricht auch sein Vortrag im Beschwerdeverfahren, er wolle/habe den Wunsch eine Familie zu gründen und als treusorgender Familienvater eine Familie auch zu ernähren. Soweit er behauptet, in Kasachstan über keine Beziehungen (verwandtschaftlicher oder sonstiger Art) zu verfügen, können ihm die nach Vortrag in Deutschland befindlichen Verwandten bzw. sonstigen Nahestehenden (auch) finanziell bei der Reintegration unterstützen. Dies gilt insbesondere auch für seine Freundin/Verlobte (allerdings das Opfer vorhergehender Delinquenz des Antragstellers) und ggf. für seine Mutter, die ihn ggf. auch (ggf. vorübergehend) in helfender Weise begleiten könnten. Im Übrigen betont der Antragsteller (nunmehr) seinen Willen, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen und nach Kasachstan zurückzukehren.
32
Nicht ersichtlich ist für den Senat, dass der Antragsteller durch seinen pauschalen Vortrag, die Gesundheitsversorgung in Kasachstan sei sehr kostspielig, er habe die erforderlichen Geldmittel derzeit nicht zur Verfügung, auf § 60 Abs. 7, § 72 Abs. 2 AufenthG hinweisen will. Insoweit bietet das Vorbringen des Antragstellers keinen Anlass dafür, (mindestens) eine bestimmte – klärungsbedürftige – Frage hinsichtlich der allgemeinen Verhältnisse in Kasachstan zu beantworten. Der Antragsteller äußert sich weder nachvollziehbar zu einer ggf. erforderlichen medizinischen Versorgung im Heimatland (insoweit unter Vorlage nachvollziehbarer ärztlicher Stellungnahmen) noch zu einem ggf. vorliegenden finanziellen Bedarf in Kasachstan. Mithin fehlt seinen pauschalen Behauptungen ein Mindestmaß an Plausibilität hinsichtlich einer etwaigen Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG (vgl. Samel/Kolber in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht 14. Aufl. 2022 § 72 Rn. 12 m.w.N., der insbesondere – um sinnlose Verfahrensverzögerungen zu vermeiden – darauf hinweist, dass der Wortlaut in § 72 Abs. 2 AufenthG nach dem Gesetzeszweck einzuschränken ist).
33
Die getätigten Ausführungen beanspruchen im Übrigen auch Geltung, soweit sich der Antragsteller insoweit durch seinen Vortrag gegen die Nrn. 4 und 5 des Bescheids der Antragsgegnerin wenden will.
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2. Die Anordnung des Sofortvollzugs ist als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden, akuten Gefahren auch schon vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens erforderlich. Diese Erforderlichkeit ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn – wie hier – die Ausweisung von schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Spezialprävention getragen wird, die nicht nur langfristig, sondern auch schon während des Klageverfahrens Geltung beanspruchen (vgl. z.B. BayVGH, B.v.2.8.2016 – 19 CS 16.878; NdsOVG, B.v. 16.12.2011 – 8 ME 76/11 – juris Rn. 40; VGH BW, B.v. 25.6.1998 – 11 S 682/98 – juris Rn. 4 f.; OVG NW, B.v. 24.2.1998 – 18 B 1466/96 – juris Rn. 30 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
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3. Schließlich überwiegen die bei einem Aufschub des Vollzugs entstehenden konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter die den Antragsteller betreffenden Folgen der sofortigen Vollziehung. Der Senat verkennt nicht, dass die sofortige Vollziehung der Ausweisung durch die Aufenthaltsbeendigung eine schwerwiegende Maßnahme darstellt, die erheblich in das Leben des Antragstellers eingreift. Er wird – jedenfalls bis zum Abschluss des Hauptsachverfahrens – gezwungen sein, das Bundesgebiet zu verlassen, hier etwaige bestehende Bindungen zu unterbrechen und sein Leben im Heimatland zu bestreiten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der ledige und kinderlose Antragsteller besondere schutzwürdige Bindungen an das Bundesgebiet nicht vorgetragen hat. Zur fehlenden besonderen schutzwürdigen Bindung an seine Freundin/Verlobte hat sich das Verwaltungsgericht zutreffend geäußert. Der Antragsteller hat dem im Beschwerdeverfahren nichts entgegengesetzt. Ebenso wenig besteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, das er im Fall der Aufenthaltsbeendigung nicht weiterführen könnte. Der Sofortvollzug ist also insoweit nicht mit dem Verlust seiner wirtschaftlichen Existenz verbunden. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Wirkungen des Sofortvollzugs im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren für den Antragsteller weitgehend reparabel erscheinen. Dies gilt für die von einem weiteren Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet wie dargelegt gefährdeten höchsten Rechtsgüter nicht. Realisiert sich die beschriebene konkrete Gefahr, dass der Antragsteller im Bundesgebiet erneut erhebliche Straftaten begeht, insbesondere Delikte gegen Leib, Leben und Gesundheit Dritter, sind die dann eingetretenen Schädigungen regelmäßig nicht wiedergutzumachen. Angesichts des hohen Rangs der Schutzgüter und der in Anbetracht zu ziehenden Irreparabilität ihrer Beeinträchtigung überwiegen diese im vorliegenden Einzelfall die dem Antragsteller treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung. Im Übrigen äußert sich der Antragsteller zu etwaigen (erforderlichen) derzeitigen medizinischen Behandlungen im Bundesgebiet nicht. Jedenfalls wäre es ihm zumutbar, (ggf. vorübergehend) erforderliche medizinische Behandlungen (ggf. mit finanzieller Unterstützung seiner im Bundesgebiet lebenden Bezugspersonen) im Heimatland fortzusetzen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG (Nr. 8.1, 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2003), wobei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der sogenannte Auffangstreitwert halbiert wird (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).